Sprachentwicklung beim Kind - Eine Einführung: Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Theorien zur Sprachentwicklung werden im Text behandelt?
Der Text behandelt verschiedene Theorien zur Sprachentwicklung, darunter den Interaktionismus (Bruner, Bates), der die Entstehung von Sprache aus vorsprachlicher Kommunikation betont, im Gegensatz zu Chomskys Nativistentheorie, die von angeborenen sprachlichen Strukturen ausgeht. Weitere Ansätze betrachten die Rolle kommunikativer Absichten (Ryan, Harding), gemeinsames Handeln (Dore), soziale und emotionale Interaktion (Stern, Trevarthen, Kaye, Dunn), sowie die Entwicklung des Gesprächs (Kaye & Charney) und den Einfluss des Egozentrismus (Piaget) auf die Gesprächsfähigkeit.
Welche Rolle spielt die Mutter-Kind-Interaktion bei der Sprachentwicklung?
Die Mutter-Kind-Interaktion spielt eine zentrale Rolle. Studien untersuchen rhythmische und reziproke Muster (Blickkontakt, Vokalisationen) in den ersten Lebenswochen und Monaten. Die Interpretation kindlicher Äußerungen durch die Mutter (Harding) und die Art der Interaktion (sensibel vs. ignorierend, Bell & Ainsworth) beeinflussen die Sprachentwicklung. Es wird diskutiert, ob das Baby bereits früh kommunikative Absichten hat (Trevarthen) oder ob die Kommunikation eher emotionaler Natur ist (Szagun) und ob die Mutter als Sprachlehrmeisterin agiert (Bruner).
Welche Bedeutung hat die "Babysprache" (Muttersprache) für den Spracherwerb?
Die "Babysprache" oder "Muttersprache" wird detailliert beschrieben (Snow, Ferguson, Garnica). Es wird untersucht, ob sie eine vereinfachte Sprache darstellt, die den Spracherwerb fördert. Die Studien zeigen, dass Mütter eine vereinfachte, redundante Sprache mit höherer Tonlage und übertriebener Intonation verwenden. Die Frage, ob diese Vereinfachung notwendig und förderlich ist, wird kontrovers diskutiert. Es wird argumentiert, dass nicht die einfachsten, sondern mäßig komplexe Aspekte der mütterlichen Sprache einen Effekt auf die kindliche Sprachentwicklung haben (Gleitman).
Wie beeinflusst der Interaktionsstil der Mutter die Sprachentwicklung des Kindes?
Der Interaktionsstil der Mutter (direktiv vs. akzeptierend, Nelson) beeinflusst die Sprachentwicklung. Ein akzeptierender Stil, der das Kind in seinen eigenen Entdeckungen unterstützt, fördert die Sprachentwicklung besser als ein direktiver Stil, der dem Kind die eigenen Vorstellungen aufzwingt. Auch die emotionale Qualität der Interaktion (positive vs. negative Gefühle, Demos) spielt eine wichtige Rolle.
Welche Kritikpunkte werden an Bruners Theorie zur Sprachentwicklung geäußert?
Bruners Theorie wird kritisiert, weil sie die Entstehung der Grammatik nicht ausreichend erklärt (Dore), auf Daten einer begrenzten Stichprobe basiert (obere britische Mittelschicht) und die kulturelle Vielfalt des Spracherwerbs vernachlässigt (Szagun). Die behauptete Beziehung zwischen vorsprachlichen Mustern und grammatischen Strukturen wird als fragwürdig angesehen, da die von Bruner beschriebenen Muster eher als Teil der sozialen Entwicklung gesehen werden (Szagun).
Welche Rolle spielt der Egozentrismus nach Piaget für die Gesprächsfähigkeit von Kindern?
Piagets Egozentrismus-Begriff wird im Kontext der Gesprächsfähigkeit von Kindern diskutiert. Es wird betont, dass der Egozentrismus als intellektuelles Phänomen zu verstehen ist und nicht mit dem Alltagsbegriff gleichgesetzt werden darf. Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme wird in Bezug zur Sprachentwicklung untersucht (Shatz & Gelman), und die Frage gestellt, ob diese Fähigkeit tatsächlich für sinnvolle Kommunikation notwendig ist.
Welche Schlussfolgerungen zieht der Text bezüglich der Sprachentwicklung?
Der Text kommt zu dem Schluss, dass die Sprachentwicklung ein komplexer Prozess ist, der durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird, darunter Mutter-Kind-Interaktion, Interaktionsstil, emotionale Kommunikation und kognitive Entwicklung. Die einfache Vereinfachung der mütterlichen Sprache ("Muttersprache") wird nicht als entscheidender Faktor für eine schnelle Sprachentwicklung angesehen. Der interaktive Ansatz wird als unzureichend kritisiert, da er den Beitrag des Kindes zur Interaktion vernachlässigt.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung der Kommunikation
1.1 Einige Termini
2. Sprache aus gemeinsamer Handlung
2.1 Kommunikative Absichten
2.2 Führt gemeinsames Handeln zu Grammatik?
3. Soziale und gefühlsmäßige Interaktion
3.1 Mutter-Kind-Interaktionsstudien
3.2 Gefühlsmäßige Interaktion
4. Zur Entwicklung des Gesprächs
4.1 Struktur der Gespräche zwischen Erwachsenem und Kind
4.2 Egozentrismus und Fähigkeit zum Gespräch
Erwachsenensprache und Interaktionsstile
1. Die Sprache der Mutter
1.1 Beschreibung der Sprache der Mutter
1.2 Wie allgemein ist der mütterliche Code?
2. Warum diese vereinfachte Sprache?
3. Interaktionsstile
4. Notwendigkeit einer vereinfachten Sprache?
Entwicklung der Kommunikation
Entstehung von Sprache aus vorsprachlicher Kommunikation
1. Einige Termini
In diesem Ansatz der Sprachentwicklungsforschung spielen die
- kommunikativen Fähigkeiten
eine wichtige Rolle.
Def. von Campbell & Wales (1970):
Fähigkeit, ,,Äußerungen unter Einbezug des situativen und sozialen Kontextes, in dem sie gemacht werden, zu produzieren und zu verstehen" (Szagun, 219)
Dore (1978) und Bates (1976) nennen es
- Pragmatik.
Nach Dore sind das die sozialen Aspekte des Sprachgebrauchs, insbesondere die zwischenmenschliche Bedeutung einer kommunikativen Handlung. Es interessiert hauptsächlich die übertragene Bedeutung der Sprache in bestimmten Situationen. Bates bezeichnet Pragmatik auch als ,,die Regeln des Gebrauchs von Sprache im Kontext"(1976). Diese Regeln beinhalten folgende Punkte:
- Die Absicht des Sprechers
- Das Wissen um Sachverhalte, die nicht explizit genannt werden, aber für die Verständigung bekannt sein müssen
- Allgemeine Gesprächsregeln
In der Spracherwebsliteratur wird also nicht sehr unterschieden zwischen Pragmatik und kommunikativer Fähigkeit.
Die Sprechakttheorien von Austin (1962) und Searle (1969) sind besonders zu beachten:
Ihnen geht es nicht nur um die Untersuchung der Sprache in Bezug auf die Form der Äußerung, sondern es ist auch wichtig, auf die Absicht einzugehen, mit der ein Sprecher eine Äußerung von sich gibt und wie diese Äußerung auf den Hörer wirkt. Analyseeinheit ist hier der Sprechakt.
Dieser wird nach Austin eingeteilt in
1. lokutionärer Akt: Allgemeiner Inhalt des Satzes
2. illokutionärer Akt: Das, was der Sprecher durch die Äußerung erreichen will
3. perlokutionärer Akt: Die Wirkung des Gesagten
Bsp.: ,,Es ist kalt" - bloße Feststellung
- Aufforderung an den Hörer, das Fenster zu schließen
- Vorwurf an den Hörer, das Fenster so lange offen gehabt zu haben
Die Sprechakttheorien werden nun als Instrument genutzt, um die kommunikativen Absichten eines Kindes zu bestimmen.
2. Sprache aus gemeinsamer Handlung
Chomsky (1965, s.Kap.3.1) vertritt eine gegensätzliche Ansicht zum Interaktionismus. Er ist der Meinung, Sprache entstehe aus angeborenen, rein sprachlichen Strukturen. Bruner (1974/75, 1975, 1977) und Bates (1976) sehen die Wurzeln der Sprache in der vorsprachlichen Kommunikation des Kindes.
2.1 Kommunikative Absichten
Ryan (1974) betont - im Gegensatz zu Bruner -, dass Erwachsene auch manchmal
Schwierigkeiten haben, genau zu wissen, was das Kind gerade ausdrücken will. Sie benutzt drei Kriterien zur Interpretation kindlicher Äußerungen:
1. Aspekte der Äußerung selbst (Bsp.: Intonationsmuster, die Fragen, Missfallen etc. ausdrücken)
2. begleitende Aktivitäten der Äußerung (zeigen, suchen...)
3. der situative Kontext /die Begleitumstände (anwesende Gegenstände, welche Handlung vor der Äußerung...)
- Das Kind hat zunächst keine kommunikativen Absichten, später die der Mutter. Das Kind ist passiv, die Mutter aktiv, die die Absichten lehrt und interpretiert.
Diese Interpretationen der Kindesäußerung durch die Eltern lehrt das Kind, was es eigentlich sagen möchte. ,,Das Kind wird geleert zu meinen" (Szagun, 223)
Dies wird allgemein als unzufriedenstellende Meinung gesehen.
Harding (1982) lehnt ihre Theorie an Piaget an: Das Baby benutzt Verhaltensweisen, wie vokalisieren, anschauen, Hände ausstrecken etc. ohne jegliche Kommunikationsabsicht. Es wiederholt nur interessante Ereignisse. Die Mutter interpretiert dann die ,,Verhaltensweisen als kommunikativ und hilft beim Erreichen des Ziels" (Szagun, 224). Erreicht das Kind dann die Intentionalität seines sensomotorischen Handelns, werden die Handlungsschemata und Verhaltensweisen schließlich absichtsvoll auf ein Ziel hin angewandt. Allerdings geschieht dies noch nicht kommunikativ.
- ,,Kommunikative Absicht [entsteht] durch Interpretation der Mutter und in Zusammenhang mit der allgemeinen kognitiven Entwicklung." (nach Harding in Szagun, 224)
Dies ist allerdings auch eine unzufriedenstellende Meinung: sie lässt die gefühlsmäßige Kommunikation außer acht. Das Baby kann sich aber schon sehr wohl gefühlsmäßig mitteilen, bevor es absichtsvoll handelt.
2.2 Führt gemeinsames Handeln zu Grammatik?
Dore (1978) ist nicht der Auffassung, dass vorsprachliche Muster Vorläufer sprachlicher und grammatikalischer Kategorien sind (entgegen Bruner). Bruner beschreibt nur ein kommunikatives System und es ist möglich, ein kommunikatives System zu benutzen, ohne Grammatik zu konstruieren. Kinder konstruieren aber eine Grammatik! Die von Bruner beschriebenen Muster sind wohl wichtig für die sozialen Beziehungen des Kindes und Aspekte der kommunikativen Absicht, sie nehmen aber keinen direkten Bezug auf grammatische Strukturen und den begrifflichen Inhalt von Äußerungen. Bruner setzt anscheinend Sprache mit Kommunikation gleich.
Bruners Muster ,,erklären allenfalls einen Teil der Entstehung kommunikativer Absichten, weder aber WIE das Kind dazu kommt, mit Wörtern Erkenntnisse zu repräsentieren, noch die Entstehung der Grammatik." (nach Dore in Szagun, 228)
Szaguns Kritik an Bruner bezieht sich auf die dürftig ausgearbeitete und manchmal fragwürdige logische Beziehung zwischen Vorläufern und nachfolgenden sprachlichen Strukturen. Es scheint weit hergeholt zu sein, den Blickkontakt als Vorläufer zu sehen. Sie sieht Bruners beschriebenes Muster eher als Teil der sozialen Entwicklung des Kindes an, und nicht als direkten Vorläufer von grammatischen Strukturen.
Auch Bell und Ainsworth (1972) sehen die Verhaltensmuster als Bindungsverhalten, ,,das zur gefühlsmäßigen Bindung des Kindes an die Mutter führt, z.B. das Folgen mit dem Blick und das Schreien".(nach Bell und Ainsworth in Szagun, 228)
- Die allmähliche Ausdifferenzierung des Schreiens führt zu Veränderung im Bindungsverhalten.
Dies erscheint Szagun offensichtlicher als Bruners Theorie, ,,dass das Schreien über den Modus des Verlangens, der Aufforderung etc. zu Sprechakten und Kasustheorien führt" (Szagun, 229)
Weitere Kritikpunkte an Bruner:
- Wertet die Daten von meistens ein oder zwei Mutter-Kind-Paaren der oberen britischen Mittelschicht aus. Daraus ergibt sich kein Universalitätsanspruch, den er für sich beansprucht.
- Einige Daten wurden widerlegt: Nach Bruners Auffassung bereitet die Mutter dem Kind eine Umgebung, in der es möglichst viel und reichhaltig lernt. Die Mutter agiert als Lehrmeisterin. In anderen Kulturen ist es jedoch so, dass die Mutter gar nicht mit den Kindern spielt, da sie im präverbalen Stadium gar nicht als kommunikationsfähig angesehen werden (z.B. die Kalui auf Papua-Neuguinea, in Samoa oder auch bei den nordamerikanischen Indianern).
- Das Problem der Entstehung der kommunikativen Absichten ist ungelöst
- ,,Gemeinsame Spiele, in denen die Mutter als Pädagogin fungiert, können daher nicht als notwendige Voraussetzung für den Spracherwerb angesehen werden.
Wenn gemeinsame Spiele, in denen Mutter und Kind handeln und die Mutter auch spricht, eine Sprache lehrende Funktion haben, so müßte man erwarten, dass Aspekte des sichtbaren körperlichen Handelns der Mutter in systematischer Beziehung zu spezifischen sprachlichen Strukturen stehen. Denn so könnte das Kind Regelmäßigkeiten zwischen körperlicher Handlung (die es versteht) und sprachlichen Strukturen (die es noch nicht versteht) erkennen." (Szagun, 230)
Diese körperlichen Handlungen sind die Gesten. Schnur & Shatz (1984) untersuchten die sprachbegleitenden Gesten von Müttern mit Kindern im Alter von 1;4. Vier Paare wurden unter zwei Bedingungen untersucht: Einmal sollte eine ganz normale Interaktion stattfinden, dann eine ganz ohne Gesten von seiten der Mutter.
- Mütter gebrauchen sehr viele Gesten, die aber in keiner Beziehung zu den sprachlichen Strukturen hatten, wie etwa Wortart, Satztyp etc. Gesten lenken die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Mutter, geben aber keine spezifischen Informationen über die Grammatik.
Bruners These ist also nicht sehr haltbar. Dass vorsprachliche gemeinsame Handlungen allerdings förderlich sind auf die Sprachentwicklung kann nicht verneint werden.
,,Mütter können den Spracherwerb ihrer Kinder fördern, wenn sie in beiderseitig bekannten Ereigniskontexten sprachlich das ausdrücken, was ihre kleinen Kinder noch nicht ausdrücken können." (Szagun, 230/231)
3. Soziale und gefühlsmäßige Interaktion und Sprache
3.1 Mutter-Kind-Interaktionsstudien
Schon in den ersten Lebenswochen treten Babys in soziale Interaktion und kommunizieren. In den ersten Monaten entstehen so rhythmische und reziproke Muster (Blickkontakt / vermeiden, vokalisieren etc.).
Stern (1974) fand heraus, dass Kinder im Alter von 3-4 Monaten noch gleichzeitig mit der Mutter vokalisieren, im 12.Monat dann das abwechselnde vokalisieren dominiert. Ob dies eine notwendige Voraussetzung für die spätere Dialogfähigkeit ist, weiß man nicht.
Trevarthen (1977, 1979) vertritt die Auffassung, dass die kommunikativen Muster mit der Mutter ab dem zweiten Monat echte Dialoge sind, mit der Absicht zu kommunizieren - auch von seiten der Babys.
In einem Versuch saßen sich Mutter und Kind sehr nah gegenüber. Die Mutter ging auf jede Äußerung des Kindes ein, sie imitierten die jeweiligen Bewegungen und Vokalisationen oder sprachen mit ihrem Kind. Nur selten überlappten sich Mutter und Kind. Aus den Videofilm- Analysen schließt Trevarthen, ,,dass Mutter und Baby ein Muster gegenseitiger absichtsvoller Kommunikation entwickelt haben" (nach Trevarthen in Szagun, 232) Trevarthen nennt dies ,,primäre Intersubjektivität" - das Baby im Alter von 2-3 Monaten kann nur sich selbst dem anderen mitteilen. Mit etwa 6 Monaten, dem Stadium der ,,sekundären Intersubjektivität" schließt das Baby Objekte in seine Kommunikation mit ein. Es teilt nicht mehr nur sich, sondern etwas mit.
Die gegenteilige Ansicht vertritt Bruner: Bei ihm hat das Baby gar keine kommunikative Absicht.
Kaye (1982) und Dunn (1982) wiederum gestehen dem sehr kleinen Baby keine absichtsvolle Kommunikation zu. ,,Das kleine Baby hat einen Effekt auf seine Eltern, und es reagiert sensibel auf sie, - aber ohne die Intentionalität eines etwa einjährigen Babys oder eines Erwachsenen." (nach Kaye und Dunn in Szagun, 233)
Kaye meint zwar auch, dass Mütter den Äußerungen ihrer Babys spezifische Inhalte unterstellen, sie also auf diese Weise mit ihm sprechen.
- Die Mutter-Kind-Interaktionsstudien haben also gezeigt, dass das Baby schon sehr früh kommuniziert. Sie zeigen uns aber nicht, WAS sie kommunizieren! ,,Vielleicht besteht ihre Kommunikation nur in den rhythmischen Abwechslungen des An- und Wegschauens, des Vokalisierens und Nicht-Vokalisierns, vielleicht besteht sie aus mehr, wenn auch wohl nicht dem ,,Teilen eines geistigen Zustandes"." (Szagun, 233)
Szagun meint, ,,dass das Problem der Kommunikation bei Babys dann gelöst werden kann, wenn man Rückgriff auf die gefühlsmäßige Entwicklung nimmt. Es ist sinnvoll, kognitive und gefühlsmäßige Kommunikation zu trennen." (ebd.) Denn es ist wichtig zu beachten, dass das Baby, noch lange bevor es Intentionalität entwickelt, in der Lage ist, emotionale Zustände mitzuteilen.
3.2 Gefühlsmäßige Kommunikation
Es gibt bisher noch keine Theorien der gefühlsmäßigen Kommunikation. Szagun definiert Gefühl oder Emotion so:
,,Ein komplexes Verhalten (...), das aus physiologischen Veränderungen, Ausdrucksverhalten, kognitiver Interpretation und subjektiven Erleben besteht." (Szagun, 234) Physiologische Veränderungen: Herzfrequenz, elektrische Leitfähigkeit der Haut Ausdrucksverhalten: Gesichtsausdruck, Körperhaltung, Gestik Kognitive Komponente: Interpretation einer Erregung unter Einbezug der äußeren Situation Subjektive Komponente: private Erleben des Gefühls.
Es gibt wohl von Geburt an einige z.T. auf Reflexen beruhende Bindungsverhaltensweisen, wie das Schreien, Saugen, Orientierung auf Menschen hin, Anschauen eines Gesichtes. Dies sind Verhaltensweisen, die die Nähe zu einer Person zur Folge haben. Der Erwachsene reagiert auf diese Verhaltensweisen und verlängert dadurch die Interaktion mit dem Kind. Es gibt auch schon Vorformen von Gesichtsausdrücken beim sehr kleinen Baby, die denen von Erwachsenen ähneln. Doch ist damit keineswegs gesagt, dass sie auch dasselbe empfinden. Der Erwachsene interpretiert diese Ausdrucksverhaltensweisen als bestimmte Emotion, reagiert darauf und verbalisiert sie.
Sroufe (1979) spricht in den ersten 2-3 Monaten noch nicht von echten Emotionen, da das Kind noch keine kognitiven Schemata aufgebaut hat, über die es Emotionen haben kann. Das Verhalten ist seiner Meinung nach in den ersten Wochen von physiologischen Zuständen abhängig und das Lächeln ist ein Ausdruck des zentral nervösen Erregungsniveaus (EEG). Diese Erregung auf sogenannten mittleren Niveau wird vom Baby als angenehm empfunden. Das soziale Lächeln (mit 5-7 Wochen) ist nun eine auf die Außenwelt gerichtete Verhaltensweise. ,,Lächeln hat eine sehr starke, kommunikative und gefühlsmäßige Wirkung." ( nach Bowlby in Szagun, 235) Die Erwachsenen verlängern ihre soziale Interaktion. Dadurch ergibt sich evt. auch eine erneute Gelegenheit für das Baby, Neues in der Umwelt kennenzulernen.
Sroufe sieht aber noch einen anderen Sinn des Lächelns, die der Spannungsreduktion. ,,Das Baby richtet sich auf die Außenwelt, und es kann schon Stimuli wiedererkennen. Während der Anstrengung der Assimilation des Stimulus steigt die Erregung. Ist der Stimulus assimiliert und wiedererkannt, wird gelächelt, und die Spannung fällt auf ein mittleres Niveau. Das Lächeln ist somit Ausdruck des Wiedererkennens eines gegenständlichen oder sozialen Reizes und Ausdruck des Wohlbefindens beim Wiedererkennen." (nach Sroufe in Szagun, 235) Spannung bedeutet für Sroufe aktive und emotionale Beteiligung des Subjekts an der Interaktion mit der Umwelt. Seiner Meinung nach suchen Individuen die Spannung und treten deshalb in die Interaktion mit der Umwelt.
Die Spannung kann variieren. Wird sie zu stark, empfindet das Baby sie als unangenehm. Eine Art der Spannungsregulierung ist eben das Lächeln.
Sroufe spricht dann ab dem dritten Monat von echten Gefühlen, wenn die Welt des Babys Inhalt erhält. Gefühle sind für Sroufe als erst dann vorhanden, wenn eine kognitive Interpretation dazukommt.
Freude über etwas Gelungenes entsteht mit beginnender Intentionalität, im 7.-9. Monat. Diese Freude setzt einen Plan und das Erreichen eines Ziel voraus. Das Baby wird ärgerlich, wenn der Plan unterbrochen wird. Dieser Ärger richtet sich dann gegen den Verursacher der Unterbrechung (Person oder Sache).
Zwischen dem 12. und 18. Monat dann entstehen Stimmungen, wie Ängstlichkeit, Ärger etc. Schließlich, mit 18-36 Monaten entsteht der Selbstbegriff und selbstbezogene Gefühle, wie Scham, Ekel, Trotz etc.
Babys kommunizieren ihre Gefühle über Gesichtsausdruck, Körperhaltung, Stimme und Gestik. ,,Die Interaktion des Kindes mit seiner Welt ist nicht nur eine kognitive, sondern auch eine emotionale." (ebd.)
Der Blickkontakt ist ein wichtiges Mittel der Kommunikation. Babys nutzen ihn, um ihre Erregung zu regulieren, ähnlich dem Lächeln. Da die Mutter ihr Verhalten mit dem des Babys koordiniert, zeigt die Mutter während des Blickkontaktes meist einen übersteigerten Gesichtsausdruck und vokalisiert übertrieben. Erst empfindet das Baby Erregung, aber irgendwann fühlt es sich unbehaglich und wendet den Blick ab, die Mutter beendet ihr Verhalten. Hat das Baby wieder das Bedürfnis nach Interaktion, wendet es den Blick wieder zur Mutter.
- Die emotionalen Ausdrucksverhaltensweisen sind also auch immer eine Kommunikationsform, auf die die Mutter je nach Sensibilität reagieren kann und so das Spannungsniveau des Babys regulieren kann. Das ermöglicht dem Kind eine optimalere Interaktion mit der dinglichen Umwelt.
- Dies zeigt eine enge Verbindung von emotionaler und kognitiver Entwicklung.
Bell & Ainsworth stellten fest, dass Babys, deren Mütter sensibel auf ihr Schreien reagierten, nach einem Jahr deutlich weniger schrien, als Babys, deren Mütter das Schreien ignorierten. Sie erklärten sich das so, dass durch die sensible Interaktion mit der Mutter das Baby andere Kommunikationsmittel gefunden hatte.
- Eine positive gefühlsmäßige Interaktion fördert die Entwicklung der Kommunikation beim vorsprachlichen Kind.
4 Zur Entwicklung des Gesprächs
4.1 Struktur der Gespräche zwischen Erwachsenem und Kind
Die entscheidende Frage ist: Wie entwickelt das Kind die Fähigkeit, auf Informationen aus der sprachlichen Mitteilung eines Gesprächspartners zu achten und sprachlich angemessen darauf zu reagieren?
Im Alter von 21 Monaten folgen Kinderäußerungen schon Erwachsenenäußerungen, doch ist es meistens nicht dasselbe Thema über das sie sprechen. Spontanes Aufbringen eines Themas ist für Kinder leichter als das Folgen und einsteigen in ein gegebenes Thema. Die spontane Äußerung hat ihren Ursprung im Kind selbst, muss es dagegen Bezug auf ein Thema nehmen, muss es erst die gemachte Äußerung mit der Umwelt in Bezug setzen und dann darauf reagieren.
Kaye & Charney (1980, 1981) fanden heraus, dass wechselndes Sprechen zwischen Müttern und 2jährigen dominiert. Sie unterscheiden drei Äußerungstypen:
a) ,,response": Antwort auf die Äußerung des Gesprächspartners
b) ,,mand": Äußerungstyp, der unbedingt eine Antwort fordert (z.B. Frage)
c) ,,turnabout": Äußerung, die Antwort gibt, aber auch eine neue Antwort verlangt
Es stellte sich heraus, dass Mütter doppelt so viele ,,turnabouts" hervorbringen, wie ihre Kinder. Diese produzierten meistens nur ,,responses" oder ,,mands". Dies zeigt, dass es hauptsächlich die Mütter sind, die die Unterhaltung aufrecht erhalten. Sie behandeln ihre Kinder wie ebenbürtige Gesprächspartner, auch wenn sie keine sind, und geben ihnen somit eine Chance, die Struktur es Erwachsenendialogs zu erlernen.
4.2 Egozentrismus und Fähigkeit zum Gespräch
- Wie führen Kinder untereinander ein Gespräch?
- Können kleine das ebenso wie größere?
- Ab wann können größere Kinder auf Kleinere eingehen?
Piagets Egozentrismus-Begriff spielt hier eine wichtige Rolle, da er auch oft missinterpretiert wurde. Besonders Trevarthen & Hubley (1978) implizierten, dass kleine Kinder ganz auf sich selbst konzentriert, von der sozialen Umwelt isoliert sind und kaum kommunikative Fähigkeiten besitzen. Man darf Piagets Begriff aber nicht mit dem Alltagsbegriff gleichsetzen!
Nach Piaget ist Egozentrismus ein intellektuelles Phänomen (Egozentrismus des Denkens), das Subjekt differenziert sich nicht genug von der Außenwelt, es vermengt die eigenen Aktivitäten mit denen der Dinge (Animismus). Weiter vermengt es den eigenen Standpunkt mit dem anderer, übernimmt Meinungen von Erwachsenen und hält sie für die eigenen, beide sind identisch. Das Kind ist sich seiner selbst noch nicht sehr bewusst und tendiert dazu, die Welt von seinem Standpunkt aus zu assimilieren (Nichterhaltung der Wassermenge). ,,Die Zentrierung der Kinder auf die eigene, subjektiv wahrgenommene Tätigkeit hindert es daran, die Koordinationen vorzunehmen, die später die Logik kennzeichnen." (Szagun, 244)
35-40% der Sprache von Kindergartenkindern ist egozentrisch, sie greifen das Thema ihres Gesprächspartners nicht auf und blieben nicht konstant bei einem Thema. Diese Sprache kann wie eine Sprache zu sich selbst sein. Hier sieht man wieder die mangelnde Differenzierung zwischen dem sich selbst und dem anderen.
Ein weiteres Phänomen ist, dass ein präoperationales Kind ein Objekt nicht einer zweiten Person beschreiben kann, die das Objekt nicht sieht. (Drei-Berge-Aufgabe)
Das Kind verwechselt die eigene Perspektive mit der eines anderen. Um das zu ändern, muss man erstmal zwischen sich und dem anderen bewusst differenzieren können, also den Egozentrismus des Denkens überwinden.
Shatz & Gelman (1973) sehen eine Beziehung zwischen dem Egozentrismus des Denkens und der Fähigkeit, bzw. Unfähigkeit, sich einem Zuhörer anzupassen.
In einem Versuch mit Kindern, die die Drei-Berge-Aufgabe nur schlecht lösten, wurden die Sprache der Kinder in drei Situationen analysiert:
1. Das Kind soll einmal einem Zweijährigen und dann seiner Mutter ein neues Spielzeug beschreiben.
2. Das spontane Sprechen mit einem Erwachsenen
3. Das spontane Sprechen mit einem gleichaltrigen Kind
- Gegenüber den Zweijährigen gebrauchten sie kürzere Sätze, kaum Nebensätze oder koordinierte Hauptsätze - die sie aber bei den Erwachsenen gebrauchten. Ausdrücke, die die Aufmerksamkeit steigern sollten (see, look, Name des Kindes) wurden häufiger bei den Kleinkindern angewandt. Dies geschah auch, wenn die Vierjährigen keine kleineren Geschwister hatten · Vierjährige passen ihre Sprache dem Zuhörer an. Mit Gleichaltrigen sprechen sie wie mit Erwachsenen.
Das Kind wirkt also auf den Kommunikationspartner. Dies zeigt auch folgende Beobachtung: Mütter sprechen in Anwesenheit ihrer Kinder vereinfachter, als wenn sie in deren Abwesenheit nur so tun, als würden sie mit ihnen sprechen.
Diese Ergebnisse sehen Shatz & Gelman als gegensätzlich zum ,,Egozentrismus"-Test. Allerdings forderte die Drei-Berge-Aufgabe Perspektivenübernahme im Bereich des Denkens, der zweite Test im Bereich der Sprache... Shatz & Gelman sahen wohl die Beziehung in den beiden kommunikativen Aspekten der Aufgabe...
,,Das Problem liegt wohl darin, dass man kommunikative Fähigkeiten und Perspektivenübernahme als Denkfähigkeit in einer komplexen Denkaufgabe gleichsetzt. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum Kommunikation immer auch relativ komplexe logische Denkoperationen involvieren soll." (Szagun, 247)
Vielleicht ist Perspektivenübernahme überhaupt nicht nötig für eine sinnvolle Kommunikation.
Szagun möchte die Kommunikationsforschungen von Piagets Egozentrismusbegriff trennen, da dieser für ihn ein intellektuelles Phänomen ist und nur soweit mit Kommunikation zu tun hat, als dass logisches Denken daran beteiligt ist.
Erwachsenensprache und Interaktionsstile
1. Die Sprache der Mutter
1.1 Beschreibung der Sprache der Mutter
Nach Chomskys (1965) Theorie heißt es, dass Kinder die Sprache der Erwachsenen hören und sie dadurch lernen, dass sie eine starke Prädisposition zum Erlernen der Regeln haben müssen, da die Sprache so komplex und unorganisiert ist.
Snow (1972) widerlegte diese Theorie, indem sie zeigte, dass Mütter eine vereinfachte Erwachsenensprache gegenüber ihren Kindern benutzen. Sie stärkte somit das Argument, dass Kinder Sprache durch eine spezifische sprachliche Umwelt erlernen.
Snow testete das Sprachverhalten von Müttern an vier Kriterien:
a) ob sich die Sprache mit dem älter werdenden Kind verändert
b) ob die Sprachmodifikation nur beim anwesenden Kind geschieht
c) ob die Schwierigkeit der gestellten Aufgabe die Sprache beeinflusst
d) ob sich Mütter von Nicht-Müttern unterscheiden
Folgende Aufgaben wurden gestellt:
1) Erzählen einer Geschichte, die auf Bildern basiert
2) Spielanweisung an das Kind, wie man verschiedenes Spielzeug ordnen kann
3) einen Sachverhalt erklären
Die Mütter mussten die Aufgaben vier mal durchführen:
1. in Anwesenheit eines 2jährigen und eines 10jährigen Kindes
2. in Abwesenheit beider Kinder
Die Sprache wurde untersucht nach der Anzahl der gesprochenen Wörter, die durchschnittliche Äußerungslänge (MLU), die Satzkomplexität, Anzahl der Wiederholungen und einiges mehr.
Das Ergebnis zeigt:
a) Die an die 2jährigen gerichtete Sprache war immer einfacher (geringere Komplexität) als die Sprache an die 10jährigen.
b) Die An- oder Abwesenheit eines Kindes spielt besonders bei 2jährigen eine Rolle. Die Vereinfachung bei anwesenden Kindern zeigt, dass dies wohl durch die Reaktion des Kindes hervorgerufen wird.
c) Grad der Schwierigkeit der Aufgabe beeinflusst das Sprachverhalten nicht.
d) Im Gespräch von Müttern und Nicht-Müttern mit abwesenden 2jährigen zeigten sich keine wesentlichen Unterschiede.
Kinder, die gerade sprechen lernen, hören also eine vereinfachte Sprache, die häufigen Wiederholungen geben dem Kind die Chance, beim ersten mal überhörtes nochmals zu hören.
- Sprache der Mütter: einfach und redundant, viele Fragen und Imperative, wenig Vergangenheitsformen, wenig Nebensätze, höhere Tonlage und übertriebene Intonation: das ,, Mutterische". (bes. im Alter von 1;0 und 2;6)
Fergusons (1975, 1977) Babysprache enthält zusätzlich noch Diminutive.
Garnica (1977) untersuchte die prosodischen Merkmale der Sprache. Die Versuchsanordnung entspricht im Groben der von Snow.
Sie fand folgendes heraus (Vergleich eines 2jährigen Kinds zum 5jährigen)
1. Durchschnittliche Tonlage ist höher bei Sprache zum 2jährigen Kind.
2. Frequenzbereich ist ebenfalls höher
3. Ansteigen am Satzende, wo dies normalerweise unüblich ist (z.B. bei imperativen)
4. enthält stellenweise Flüstern
5. Einige Wortarten erhalten längere Sprechdauer (Farben, trennbare Verben)
6. Sätze enthalten mehr als einen Hauptakzent
- Gebrauch prosodischer Merkmale erfüllt zwei Funktionen: a) analytische: bessere Analyse der Segmente, besseres Verstehen (Tonlage, Frequenz, Flüstern), b) soziale: Aufmerksamkeit wird auf die Sprache gerichtet (Akzente, Wortdauer).
Die Mütter sind sich der Anwendung dieser Merkmale bewusst und benutzen sie beim 5jährigen nur, wenn die Kinder müde oder unaufmerksam sind.
Diese Merkmale sind in verschiedenen Sprachen zu finden.
Die Mutter beschränkt die Inhalte ihrer Äußerung auf das, was das Kind schon selbst versteht und produziert. So kann das Kind die korrekte sprachliche Ausdrucksweise dessen, was es versteht, lernen.
Van der Geest (1977,1978) fand heraus, dass die Sprache der Kinder im Alter von 1;8 bis 2;6 semantisch fortgeschrittener ist, als die der Mütter, jedoch der syntaktische Teil noch nicht so ausgeprägt ist. Er schließt daraus, dass das Kind dadurch signalisiert, wie kompliziert das Gespräch das Gespräch sein darf.
Mütter gebrauchen allerdings zeitlich komplexere Begriffe als ihre Kinder. Spricht das zweijährige Kind hauptsächlich über Gegenwärtiges, das, was sie also direkt betrifft, finden sich in der Sprache der Mutter auch Hinweise auf Vergangenes und Zukünftiges.
Mit etwa 2;6 nehmen Kinder Bezug auf unmittelbar Vergangenes bzw. Zukünftiges (,,Mama, ich bin hinefallen" ,,Ich mach das wieder rein"), gelegentlich auch auf die entferntere Vergangenheit, fast nie jedoch auf die Zukunft. Sie steht noch außerhalb des Erfahrungsbereiches des Kindes.
Mütter gebrauchen Aussagen über Zukunft und Vergangenheit etwa viermal so häufig, wie ihre 2jährigen Kinder.
- Mütter passen ihre Sprache also nicht vollkommen an die Sprache der Kinder an.
1.2 Wie allgemein ist der mütterliche Code?
Er ist sehr weit verbreitet, er wird von den hauptsächlichen Bezugspersonen des Kinds (Väter, Mütter, ältere Kinder..., also nicht nur Mütter!) in verschiedenen Sprachen gesprochen. Dort unterscheidet er sich durch einige Merkmale wie übertriebene Intonation und viel Atem bei den Amerikanern und starke Betonung bei den Spaniern.
Dieser Code wird nicht ausschließlich gegenüber kleiner Kinder angewandt, sondern man verwendet ihn auch bei Haustieren, Pflanzen, unbelebten Objekten. Verliebte gebrauchen eine vereinfachte Sprache, ebenso in der Kommunikation mit Ausländern.
Eine Ausnahme bilden die Kalui. Sie sehen die Kinder nicht als vollwertige Gesprächspartner, benutzen viele Imperative und rhetorische Fragen, fordern die Kinder häufig auf ,,sag es so!". Die Sprache wird gleich korrigiert. Sie erwerben ihre Muttersprache ebenso!
- Vereinfachte Sprache ist das Resultat der spezifischen Interaktion zwischen Mutter und Kind und wird dann verwendet, ,,wenn die kommunikative Situation einen solchen Code im Interesse der besseren Kommunikation erfordert." (Szagun, 262)
2. Warum diese vereinfachte Sprache?
Snow sieht den die Funktion der vereinfachten Sprache als ,,Sprachlektion", Cross (1977) sieht sie als Förderung der Sprachentwicklung. Shatz & Gelman wiederum sehen das Ziel der Interaktion im Vordergrund.
Newport, Gleitman und Gleitman (1977) haben die Frage aufgestellt, ob das Mutterische überhaupt eine vereinfachte Sprache ist, da sie nicht viele Deklarativsätze anbietet, was aber üblicherweise in Sprachlektionen für Lernende geschieht. Nur 30% waren bei den Müttern deklarativ, 18% Imperative und 44% Fragen. Sie sind nicht nur komplexer, sondern werden auch alle gleichzeitig eingeführt. Der mütterliche Code ist zwar anders als die Sprache der Erwachsenen, das bedeutet aber nicht, dass sie geeignet ist, Sprache zu lehren.
- Der mütterliche Code wirkt also nicht unbedingt förderlich auf das Erlernen der Sprache.
Ferguson (1977) beobachtete drei Prozesse in der vereinfachten Sprache:
1. Vereinfachung: Reduzieren von Flexionen, Gebrauch von Allzweckverben (tun, machen), Vereinfachung schwieriger Konsonanten etc.
2. Klassifizieren: deutliches Sprechen, übertriebene Intonation
3. gesteigerter Ausdruck
Für Brown (1977) hat Babysprache eine kommunikative Komponente, sie soll sicherstellen, dass die Kommunikation klappt. Die zweite Komponente ist eine gefühlsbetonte. Sie will die Zuneigung ausdrücken.
- Vereinfachte Sprache ist das Produkt momentaner Interaktionsprozesse, ,,die der Rückwirkung des kleinen Zuhörers auf den älteren Sprecher bedürfen." (Szagun, 265)
- Der mütterliche Code ist situationsabhängig und ,,es scheint, dass die vereinfachte Sprache gegenüber kleinen Kindern durch die Bedingung spezifischer Situationen einschließlich des Feedbacks vom Kind hervorgerufen wird. Je nach Situation dominiert dabei der Wunsch nach klarer Verständigung bzw. der Wunsch, Zuneigung auszudrücken." (ebd.)
3. Interaktionsstile
Nelson (1973) unterscheidet zwischen zwei Stilen:
1. viele direktive Äußerungen an das Kind (Aufforderungen, Instruktionen...) bezogen auf das Verhalten des Kindes · aufdringlich, auf das Verhalten orientiert
2. viele Fragen und akzeptierende Äußerungen (Gut! Weiter so!) · fragend, objektorientiert Der erste Stil wirkt sich negativ auf die Sprachentwicklung und der Vergrößerung des Vokabulars aus. Die Mutter versucht dem Kind die eigenen Vorstellungen aufzudrängen, das Kind kann eigene Vorstellungen und Begriffe weniger ausbilden.
Besonders förderlich ist das akzeptierende Eingehen auf die kindlichen Äußerungen. Die Mutter lässt das Kind die Katze ruhig Hund nennen, das Kind würde nicht in dem Glauben bestärkt, dass es so ist, wenn die Mutter nicht eingreift, sondern es bestärkt das Kind, eigene Kategorien der Erkenntnis und Benennung zu bilden.
- Ein akzeptierender Stil fördert die geistig rege Tätigkeit des Kindes.
Cazden (1974) fand heraus, dass Kinder ihre Muttersprache ohne größere Anstrengungen lernen, bewusste Sprachförderung sind meist erfolglos auf lange Zeit betrachtet.
Mütter, die Kinder mit höchsten intellektuellen und sozialen Fähigkeiten haben, widmen sich nicht die ganze Zeit ihrem Kind. Sondern richten die Umwelt des Kinds so ein, dass es viel erkunden und ausprobieren kann und geben Hilfe, wenn das vom Kind erwünscht wird. Die Mutter folgt dem Interesse des Kindes.
Cazden fand auch heraus, dass Kinder am besten Sprache lernen, wenn sie dies aus echtem kommunikativen Interesse tun und an ihnen nicht irgendwelche Lehrtechniken angewandt werden.
Nelson (1973) erkannte zwei verschiedene Spracherwerbstheorien:
1. Referenzgruppe: überwiegend Objektwörter
2. expressive Gruppe: überwiegend Bezug auf Menschen, Sprache enthält mehr Pronomen und viele stereotype Ausdrücke (tu das nicht, danke, bitte, geh weg ...) Diese Gruppen entsprechen der kognitiven Orientierung der Kinder und die Sprachentwicklung verläuft positiv, wenn die Mutter den jeweiligen Interaktionsstil gebraucht.
Nun ste erufen wird. Der umgekehrte Fall könnte natürlich auch sein: die Sprache der Kinder beeinflusst auch die Sprache der jeweiligen Kommunikationspartner. Doch geht man eher von einem gegenseitigen Einfluss aus.
- Dieser Interaktionsstil ist eine gemeinsame Angelegenheit.
Demos (1982) bezieht in ihre Analyse auch die gefühlsmäßige Kommunikation mit ein (Blickverhalten, Modulation der Stimme). Überwiegen bei den Interaktionen positive Gefühle, Interesse und Freude gegenüber Ablehnung und ärgerlicher Stimmung, beeinflusst das die Sprachentwicklung entscheidend positiver.
- ,,Der direkte, aufdringliche Stil mag mit weniger positiven Emotionen der Mütter gekoppelt gewesen sein und deswegen weniger förderlich wirken." (Szagun, 272)
4. Notwendigkeit einer vereinfachten Sprache?
Es gibt 2 allgemeine Hypothesen:
1. Der mütterliche Code ist eine notwendige Bedingung für dir Sprachentwicklung
2. Je vollkommener er gesprochen wird, desto besser und schneller verläuft die Sprachentwicklung
Theoretische Ausarbeitungen gibt es jedoch keine.
,,Der interaktive Ansatz hat den Beitrag des Kindes zur Interaktion vernachlässigt" (Szagun, 274).
Belege für den Effekt des Mutterischen auf die Sprachentwicklung:
Cross (1977) wählte 16 Kinder, die in ihrer sprachlichen Entwicklung besonders fortgeschritten waren. Die Mütter sprachen perfektes Mutterisch und passten es dem Niveau des Kinds an. Hierin sah er die förderliche Wirkung und schloss damit auf einen positiven Einfluss des Mutterischen.
Doch diese Untersuchung war nicht längsschnittlich, beinhaltete nur eine geringe Anzahl von Versuchspersonen, diese kamen aus der Mittelschicht, die Mütter hatten alle akademische Abschlüsse. Hier kann also eine Vielzahl von Gründen für die besonders fortschrittliche Entwicklung gefunden werden. Differenziertere Untersuchungen kamen zu wesentlich bescheideneren Folgerungen über die möglichen Effekte des Mutterischen. Es sind nach Gleitman (1984) die komplexeren Aspekte der mütterlichen Sprache, die einen Effekt auf die Sprachentwicklung des Kinds haben, und nicht die einfachsten Konstruktionen. Es kann eine positive Beziehung beobachtet werden zwischen Direktiven / Imperativen (festgesetzte Regeln, Befehle) und dem Zuwachs an Äußerungslänge und Komplexität der kindlichen Sprache. Die mütterliche Äußerungslänge steht in keiner Beziehung zu sprachlichen Fortschritten des Kindes.
Die erste Euphorie über das Mutterische ist wohl einer Ernüchterung gewichen. Kinder lernen nicht nur durch die direkt an sie gerichtete Sprache, sondern auch aus den Gesprächen anderer Bezugspersonen untereinander. Die Frage der Notwendigkeit bleibt also ungelöst. · ,,Nicht die einfachsten Aspekte der mütterlichen Sprache, sondern mäßig komplexe haben - wenn überhaupt - einen Effekt auf Aspekte der kindlichen Sprache. (...) Eine vereinfachte mütterliche Sprache kann nicht als Ursache einer schnellen Sprachentwicklung angesehen werden." (Szagun, 278)
Literaturverzeichnis
Szagun, G. (5. Auflage 1993). Sprachentwicklung beim Kind - Eine Einführung. Weinheim: Psychologie-Verl.-Union, 217-279
- Arbeit zitieren
- Judith Lekszas (Autor:in), 2000, Entwicklung der Kommunikation / Interaktionismus Sprachentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97964