Wunder in der Antike


Ausarbeitung, 2000

13 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wundermänner / Wunderheiler
2.1. Allgemeines zu Heilungswundern
2.2. Asklepios von Epidauros
2.2.1. Wunderberichte über Asklepios
2.2.1.1. Beispiel: „Heilung von Schwangerschaft“
2.2.1.1.1. Aufbau der Inschrifttafeln
2.2.1.2. Vorgenommene Heilungen

3. Apollonius von Tyana
3.1. Apollonius als Wundertäter
3.1.1. Exorzismus vom Apollonius
3.1.2. Totenerweckung
3.2. Der „göttliche Mensch“

4. Fazit2

5. Literaturliste
5.1. Anhang / Graphikverzeichnis

1. Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit dem Themengebiet der antiken Wundertäter. Als Beispiele werden Asklepios von Epidauros und Apollonius von Tyana erläutert, die beide auf ihre Weise antike Wunder vollbracht haben. Asklepios wurde als Mensch geboren und war schon zu Lebzeiten als „Arzt“ tätig. Nach seinem Tot wurde er zunächst zu einem Heron erhoben und später dann zum Gott erklärt, der auch eigene Kultstätten hatte. Als Quelle für den Asklepioskult dienen erhaltene Gedenktafeln, die die Wunder dokumentieren.

Die zweite antike „Wunderpersönlichkeit“, die in dieser Abhandlung erwähnt wird, ist Apollonius von Tyana, der ein Wanderprediger, ein Philosoph und ein Wundertäter war. Sein Leben wird etwa 100 Jahre nach Chr. verortet. Er war jedoch kein Gott mit Kultstätte, sondern seine Wundertaten geschahen außerhalb von Tempelanlagen und ohne den kultigen Charakter, wie es bei Asklepios der Fall war.

Um die Wunder in der Antike zu verstehen, muss man auch seinen Blick auf die Frömmigkeit in jener Zeit richten. In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Begriff der „Volksfrömmigkeit“ in der Literatur genutzt. Was dieses Wort jedoch genau bedeutet, ist nicht klar zu formulieren, da es sich nicht klar von anderen religionswissenschaftlichen Worten abgrenzt und weil die Formulierung „verschwommen ist und keiner griechischen Vorstellung entspricht“1. Dennoch wird die „Volksfrömmigkeit“ oder der „Volksglaube“ auch in diesem Text genutzt, da diese Begrifflichkeit eine Ebene umschreibt, die die reine Religionsausübung in Stadt und Haus übersteigt.

2. Wundermänner / Wunderheiler

2.1. Allgemeines zu Heilungswundern

Die Angst vor Krankheiten, vor Schmerzen und vor dem Tod und das Streben nach Gesundheit sind wesentliche Antriebskräfte des menschlichen Agierens. Diese Ängste und Bedürfnisse waren in der Antike die Grundlage für eine durchaus gut herausgebildete wissenschaftliche Medizin. Heilungen versprachen jedoch nicht nur die Mediziner, sondern auch die Götter. Die Unterscheidung zwischen den Vertretern der Medizin und den Göttern war sogar nicht ganz einfach, da in der Welt der griechisch - römischen Antike die wissenschaftliche Medizin, die durch die Philosophie beeinflusst war, neben der volkstümlichen Heilkunde mit ihren Methoden existierte, ohne sich voneinander abzugrenzen und sich auszuschließen.

2.2. Asklepios von Epidauros

2 Eine Figur, die als Heilgott herausragt, ist Asklepios (oder auch Äskulap). Diese Götterfigur spielt eine wichtige Rolle für die Menschen der Antike. Zunächst spielte er jedoch in der griechischen Götterwelt keine Rolle, da Heilungen noch vom Gott Apollo selbst vorgenommen wurden. Erwähnung findet Asklepios im 5. Jahrhundert vor Christus. Er wird in einem Text als der Sohn des Apollo und der thessalischen Königstochter Koronis vorgestellt. Zunächst wirkt Asklepios als sterblicher Arzt unter den Menschen.3 Nach seinem Tod wird Asklepios zunächst zum Heros erhoben, später dann in die Stellung eines Gottes entrückt. Ihm wird als Gott sogar eine Familie zugeordnet.

Zum Gott erhoben, ist eine Verehrung des Asklepios überall möglich. Es entstanden viele Tempel, in denen der Asklepioskult stattfinden konnte. (Es wurden Tempelanlagen in vielen Städten gefunden. Beispielsweise in Athen oder auch in Korinth.) Auch in Rom fand der Kult 292/291 v.Chr. Eingang.

Seinen Haupttempel hatte die Asklepiosverehrung jedoch ab dem 6.

Jahrhundert in der Nähe von Epidauros.4 Der Mythos des Gottes Asklepios wurde so weit verändert, dass sogar die menschliche Person des Asklepios im Heiligtum von Epidauros zur Welt kam und auch schon im Knabenalter dort Heilungen und Totenerweckungen vornahm.

Charakteristisch für die Heiligtümer des Asklepios waren die Liegeräume, in denen die Priester (vor allem am Abend) die Kranken betreuten. In diesen Räumen sollten die Betroffenen im Schlaf die Linderung ihrer Not erfahren. Während dieses „Inkubationsschlafes“ erschien der Gott den Kranken im Traum und heilte selbst oder er gab Ratschläge, die dann zur Heilung führten.5

2.2.1. Wunderberichte über Asklepios

Als Quellen für die Wunder im Asklepiosheiligtum dienen Inschrifttafeln, auf denen die Taten dokumentiert sind. Die Tafeln geben die Namen und die Leiden der Betroffenen wieder. Ein Teil dieser Inschriften existiert noch heute. Wer hat diese Inschriften verfasst und welchen Zweck hatten die Tafeln?

Als Dank für die Wundertaten stifteten die Geheilten die Inschrifttafeln als Weihgeschenk. Die Tafeln, die ursprünglich mit Wachs beschichtete Holztafeln waren, wurden dann auf steinerne Säulen am Heiligtum übertragen. Diese Übertragung geschah in zeitlichem Abstand zu Stiftung der Holztafel, so dass die Möglichkeit für die Priester bestand die Texte im Sinne der Wundertat und des Heiligtums zu bearbeiten. So ist eine Steigerung des Wunderbaren im Falle des „Kleo- Wunders“ zu erklären.

Auf der ursprünglichen Votivtafel hat Kleo die Last fünf Jahre im Leib getragen, als ob sie schwanger war. Im Heilschlaf wurde sie dann von der Last befreit. Es wird also nicht von einer richtigen Schwangerschaft ausgegangen, sondern von einer Scheinschwangerschaft, die auch psychische Ursachen haben kann.

In der jüngeren Inschrift ist nämlich die Rede von einer fünfjährigen Schwangerschaft. Die Heilung besteht nun darin, dass Kleo einen fünfjährigen Knaben zur Welt bringt, der sofort umherlaufen kann und sich selbst im Brunnen wäscht.6 Die anfangs noch recht einfache Heilung wird nun zu einer großen Wundertat stilisiert.

2.2.1.1. Beispiel: „Heilung von Schwangerschaft“

Kleo war fünf Jahre schwanger. Als diese schon fünf Jahre lang schwanger war, wandte sie sich hilfesuchend an den Gott und schlief im Heilraum. Sobald sie aus ihm herauskam und außerhalb des heiligen Bezirkes war, gebar sie einen Knaben, der sich sofort noch der Geburt selbst am Brunnen wusch und mit der Mutter herumlief. Als sie das erlangt hatte, ließsie auf ihr Weihgeschenk folgendes schreiben: „Wunderbar ist nicht die Größe der Tafel, sondern die Gottheit, fünf Jahre lang hat Kleo im Leibe gleichsam eine Last getragen, bis sie hier schlief und der Gott sie gesund machte.“7

2.2.1.1.1. Aufbau der Inschrifttafeln

Die Inschriften sind danach gegliedert, wer, wie und wovon geheilt wurde. Zunächst wird der Name der Personen genannt, die von Asklepios geheilt wurden. (Ggf. wird auch die Herkunft derjenigen erwähnt.) Die Betroffenen werden als Zeugen für die Tatsächlichkeit des Wunders genutzt. Es folgt die Diagnose ihrer Krankheit oder des Gebrechens, das sie zum Heiligtum führt, wie z.B. eine Schwangerschaft, eine Lähmung, Einäugigkeit oder Blindheit, Stummheit oder Kopfschmerzen.

Der Heilungsvorgang selbst steht in engem Zusammenhang mit dem Inkubationsschlaf, den die Kranken im Heilraum schlafen. Wenn dann der Patient im Heilraum eingeschlafen ist, hat dieser einen Traum, in dem er ein Gesicht sieht. Der Gott Asklepios erscheint und nimmt selbst die Heilung vor oder er gibt eine Anweisung, was zur Heilung führt.

Der Erfolg des Wunders wird durch Ausschmückungen wie zum Beispiel die Erzählung, des fünfjährigen Knaben, der umherläuft und sich anschließend wäscht demonstriert. Oftmals wird das Wunder einfach nur mit Floskeln, wie mit: „...er kam gesund heraus.“ festgestellt oder nochmals betont. Auch die Bezahlung einer bestimmten Gebühr spielt bei den Wundererzählungen eine Rolle:

Euphanes, Knabe aus Epidauros. Dieser war steinleidend und schlief im Heilraum. Da träumte ihm, der Gott trete vor ihn und sagte:„Was willst du mir geben, wenn ich dich gesund mache?“ Er habe gesagt:„Zehn Knicker“. Da habe der Gott gelacht und gesagt, er werde ihn erlösen. Als es Tag geworden, kam er gesund heraus. 8

Oft muss sogar die Skepsis, der Unglaube, der Spott und auch die Angst der Menschen über die Heilungswunder überwunden werden. Als ein Gelähmter zu Asklepios kommt, um geheilt zu werden und sich dann zu feige zeigt, bei der Behandlung in einen kalten Teich zu gehen, da sagt Asklepios: „...er

werde nicht die Menschen heilen, die dazu zu feig seien, sondern nur die, welche zu ihm kommen, in der guten Hoffnung, daßer einem solchem nichtsübles antue.“

2.2.1.2. Vorgenommene Heilungen

Die Wundertaten, die in den Inkubationsräumen während der Träume vorgenommen wurden sind höchst unterschiedliche. So werden in den Wundehrberichten einerseits Eingriffe vorgenommen, die medizinisch durchaus im Rahmen des Möglichen lagen. Es gibt Berichte über Einrenkungen, Bandagen oder von der Reichung von Salben oder Heilgetränken, sowie von leichten Operationen (Auge wird aufgeschnitten und mit Balsam beträufelt).

Auf der anderen Seite gibt es Berichte, die das medizinisch Mögliche jener Zeit überschreiten:

So wird davon berichtet, dass Asklepios einem Patienten im Schlaf den Bauch aufschneidet, ein Geschwür entnimmt und anschließend die Bauchdecke wieder vernäht.

Es wird von der Mutter einer wassersüchtigen Tochter berichtet, die das Heiligtum in Epidauros besucht. Während des Inkubationsschlafes träumt sie davon, dass Asklepios ihrer Tochter den Kopf abtrennt, anschließend die Flüssigkeit herauslaufen lässt und den Kopf dann wieder anbringt. Die Tochter, die nicht in Epidauros ist, träumt den selben Traum und ist anschließend geheilt.9

3. Apollonius von Tyana

10Apollonius von Tyana lebte im 1. Jahrhundert nach Christus. Er war Philosoph, Wanderprediger, religiöser Reformer und Wundertäter - sofern man ihn positiv beurteilt. Lukian verdächtigt ihn als Schwindler und „Scharlatan aus der Klasse derjenigen, die sich mit Magie, Geisterbeschwören und mit der Kunst, Liebe oder Haß durch Zaubermittel zu befördern, Schätze zu erheben und zu reichen Erbschaften zu verhelfen, abgeben.“11 Manchmal wird Apollonius auch als Zauberer bezeichnet, der sich darauf verstand, sehr wirksame Talismane aufzustellen.

Hauptquelle über Apollonius ist die romanhafte Biographie von Flavius Philostratus, die zwischen 170 und 245 n.Chr. geschrieben wurde. Die „Vita Apollonii“ wurde auf Verlangen von Julia Domna, der syrischen Frau des römischen Kaisers Septimus Servus geschrieben. Die Biographie war also eine Auftragsarbeit.

Philostratus beruft sich bei seiner Arbeit auf diverse ältere Quellen, wie zum Beispiel auf Briefe des Apollonius, deren Echtheit jedoch umstritten ist. Er verarbeitete weiterhin die älteren Schriften des Apollonius, die jedoch verlorengegangen sind. Philostratus legt großen Wert auf einen kritischen Abstand zu seinen Vorgängern und den bisherigen Traditionen, die Apollonius von Tyana prinzipiell als bloßen Magier einstuften.12 Weiterhin dienen Philostratus die Aufzeichnungen eines gewissen Damis, der zu den ältesten und treusten Jüngern des Apollonius zählte und der seine Erlebnisse schriftlich festhielt.

Betrachtet man den zeitlichen Abstand und die Zielsetzungen, die beispielsweise Damis mit seinem Werk verfolgte, so ist das Werk des Philostratus mit Vorsicht zu beurteilen. Man sollte zwar an der historischen Figur Apollonius von Tyana nicht grundsätzlich zweifeln - ganz für bare Münze sollte man das Buch des Philostratus jedoch auch nicht nehmen.

Im 4. Jahrhundert wurde die Figur des Apollonius auf Grund des philostratischen Werkes als eine Konkurrenzfigur zu Jesus Christus aufgebaut. In der Tat erinnert einiges bei Philostratus an die Evangelien. So sind die Geburt und das Ende von Apollonius von wundersamen Ereignissen umgeben:

- Zur Mutter spricht ein ägyptischer Gott im Traum.
- Bei der Geburt auf einer blumigen Wiese singen Schwäne und ein Blitz schlägt vom Himmel.
- Die Landbewohner erklären Apollonius zum Sohn des Zeus.
- Im schulreifen Alter erstaunt Apollonius von Tyana alle Menschen durch seine Schönheit und durch seine Gedächtnisleistungen.
- Sein Ende bleibt offen: Apollonius verschwindet einfach. Niemand weiß genau wie. Man findet kein Grab von ihm.
- Er erscheint nach seinem Tod einem ungläubigen Jünger und es findet eine Art Himmelfahrt statt.
- Auch die Verknüpfung von Wandererleben, Lehre und Wunderwirken stellt eine Parallele dar.
- Unter den Wundertaten sind auch einige Exorzismen.
- Es gibt einen festen Jüngerkreis.13

Es stellt sich die Frage, ob nicht Philostratus selbst einen Gegenentwurf zu christlichen Jesusüberlieferung schaffen wollte. Diese Idee wurde noch im 19. Jahrhundert bejaht. Inzwischen wird die Idee des Gegenentwurfes bezweifelt, weil Philostratus nachweislich kein Interesse am Christentum hatte. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die christlichen Überlieferungen sich auf die volkstümlichen Erzählungen, die Philostratus aufgegriffen hat, ausgewirkt haben, ohne dass dieser den christlichen Einfluss bemerkt hat.

3.1. Apollonius als Wundertäter

In seinen jüngeren Jahren hält Apollonius sich einige Jahre im Asklepiosheiligtum von Aigai auf, was ihn zum Wundertäter prädestiniert. Sein erster Patient erhält sogar von Asklepios selbst im Traum die Anweisung sich an Apollonius zu wenden. Dieser heilt seinen Patienten dann durch gezielte Ermahnungen. (Es handelte sich um einen trunksüchtigen Mann.)

Es sind zwar in der Vita Apollonii viele Erwähnungen von Wundern eingestreut, doch ausführliche Berichte sind selten.

3.1.1. Exorzismus vom Apollonius

In Athen spricht Apollonius über die Trankopfer und gibt den Zuhörern Empfehlungen zu bestimmten Ritualen. Er empfiehlt den verwendeten Becher nicht selbst zu benutzen, sondern ihn rein und unbeleckt für die Götter zu lassen. Ein junger Mann stört ihn durch freches Lachen. Apollonius stellt sofort die Diagnose, dass der junge Mann von einem Dämonen besessen sei. Der Jüngling führt Selbstgespräche beginnt daraufhin zu lachen und grundlos zu weinen. Apollonius blickt den jungen Mann scharf an, was dann folgendes nach sich zieht:

„Da schrie der Dämon furchtsam und zornig auf, wie wenn er gebrannt und gefoltert würde, und versicherte unter Schwüren, daßer den Jüngling loslassen und nie mehr einen Menschen befallen werde. Als nun Apollonius zu ihm wie zu einem verschlagenen, heimtückischen und schamlosen Sklaven sprach und ihm befahl sichtbar auszufahren, da rief dieser aus:„Das Standbild dort werde ich umwerfen.“Er wies dabei auf eine Statue bei der Königshalle, wo die ganze Szene auch stattfand. Diese geriet wirklich in Bewegung und fiel um. Der Lärm, der hierbei entstand, und der Beifall, der dem allgemeinen Staunen folgte, waren unbeschreiblich.“14

Nach diesem Exorzismus hat der junge Mann sich vollständig verwandelt. Er reibt sich die Augen, wie nach einem langen, tiefen Schlaf und legt anschließend auch seine ausschweifende Lebensweise ab. Der Exorzismus hat einige Ähnlichkeit mit den Austreibungen im Neuen Testament. Das aus dem Neuen Testament bekannte System der Exorzismen ist recht deutlich wiederzuerkennen. Dies kann man vor allem für den Ausfahrbefehl und für die Sichtbarkeit des Ausfahrens festhalten. Im Gegendsatz zum Neuen Testament tritt das Krankheitsbild der Besessenheit nicht klar auf, sondern muss durch Apollonius erst diagnostiziert werden.15

3.1.2. Totenerweckung

In Rom nimmt Apollonius eine Totenerweckung an einer jungen Frau vor, die am Tage ihrer Hochzeit verstorben war:

„Es wird folgendes Wunder erzählt: Ein Mädchen war am Tage ihrer Hochzeit gestorben, so schien es wenigstens, und der Bräutigam folgte jammernd der Bahre und klagte, daßseine Ehe so gänzlich unerfüllt geblieben sei. Aber auch ganz Rom trauerte mit, da das Mädchen aus einer vornehmen Konsulfamilie stammte. Als nun Apollonius dem Trauerzug begegnete, sagte er:„Legt die Bahre nieder! Ich will euren Tränenüber das Mädchen ein Ende machen.“Zugleich fragte er nach dem Namen des Mädchens. Die Menge glaubte nun, er werde eine Trauerrede halten, wie sie so üblich sind bei solchen Anlässen, um den Jammer zu beschwören. Er jedoch berührte nur die Tote, sprach einige unverständliche Worte und erweckte so das Mädchen aus dem Scheintode. Dieses begann wieder zu sprechen und kehrte ins Elternhaus zurück wie Alkestis, als sie von Herakles ins Leben zurückgerufen worden war. Als ihm die Verwandten ein Geschenk von 15 Myriaden machen wollten, sagte er, sie sollten es dem Mädchen als Mitgift geben. Ob er nun noch einen Lebensfunken an ihr wahrgenommen hatte, der denÄrzten verborgen geblieben war . man erzählte sich nämlich, Zeus habe Tau auf sie fallen lassen und von ihrem Antlitz sei Tau aufgestiegen -, oder ob er das erloschene Leben zurückgerufen und angefacht hat, dies vermag ich nicht zu ergründen, und auch die Anwesenden hätten es nicht ergründen können.“16

Nachdem man bei dieser Wundererzählung die Passagen herausfiltert, die durch Philostratus redaktionell gestaltet worden sind, dann könnte es sich bei dieser Erzählung durchaus um eine vorphilostratische, volkstümliche Totenerweckung handeln, bei denen folgende Elemente klassisch sind: · Die Erfragung des Namens, der Macht über eine Person schenkt. · Das Auflegen der Hand, die die Kraft überträgt.

- Das Sprechen von unverständlichen Worten, die an eine magische Formel erinnern.17

Hinzugefügt wurden durch Philostratus eine Parallele zur griechischen Sage, genauer, der Heraklessage, in der Herakles Alkestis, die gestorbene Frau des Königs Admetos wieder aus dem Totenreich zurückholt. Weiterhin ist die Scheintodhypothese in der Auferweckungsszene durch Philostratus hinzugefügt worden. Hiermit soll verhindert werden, dass Apollonius als Magier wirkt - er wandte kein Zaubermittel an, sondern er fand einen Lebensfunken, den die Ärzte übersehen haben.

3.2. Der„göttliche Mensch“

In der Vita Apollonii wird Apollonius als „göttlicher Mensch“ bezeichnet. Das ägyptische Volk blickt zu ihm auf „wie zu einem Gott“. Apollonius wird in Verbindung und Zusammenhang gestellt mit Pythagoras, Plato, Demokrit, Empedokles, indischen Brahmanen oder mit babylonischen Magiern. Ihn hebt jedoch von all jenen Figuren die Tatsache ab, dass er sich „der Weisheit noch göttlicher näherte“18 als die eben erwähnten.

Dass es den Begriff des „göttlichen Menschen“ in der Antike gab und dass dieser Begriff auch auf Apollonius angewendet wurde, das wird nicht einmal durch die stärksten Kritiker bestritten. (z.B. Koskenniemi). Der Begriff „göttlicher Mensch“ wird in der Zeit des Hellenismus als Begriff für besondere Menschen genutzt. Oftmals trifft diese Begrifflichkeit die Kategorie des „besonders weisen Menschen“, wie es für viele Philosophen der Fall war. Ein bekannter Vertreter der „göttlichen Menschen“ ist Pythagoras, dessen Geburt auch mit Apollo in Verbindung gebracht wurde. Er befolgte eine heilige Diät, trug heilige Kleider und war Wundertäter.

Ähnlich wie sein Lehrer trug auch Empedokles, ein Schüler des „göttlichen“ Pythagoras, diese besondere Kleidung. Empedokles war Philosoph, Wundertäter und Politiker. Berühmt ist seine Rettung einer Frau, die schon seit 30 Tagen ohne Pulsschlag und ohne Atem gelegen hatte. Er bezeichnete sich selbst als „unsterblichen Gott und ließ sich wie ein Gott verehren:19

„Als ein unsterblicher Gott reise ich umher, nicht mehr sterblich, bei allen, wie es sich in meinem Fall gehört, mit Ehren ausgezeichnet, mit Binden umflochten und mit blühenden Kränzen. Von allen, deren blühende Städte ich besuche, von Männern wie von Frauen, werde ich verehrt. Und sie folgen mir zu Zehntausenden und fragen, wohin zum Gewinn der Pfad führe. Weissagungen verlangen die einen von mir, die anderen erbitten Auskunft bei Krankheiten aller Art, um ein heilbringendes Wort zu erfahren; sie werden doch schon lange von bohrenden Schmerzen gequält.“20

4. Fazit

Asklepios von Epidauros, der ursprünglich ein sterblicher war, also ein normaler Mensch, wurde nach seinem Tod nicht nur zum Heros erklärt, sondern sogar zum Gott entrückt. Der Aufstieg zum Gott war kein gewöhnlicher Aufstieg für einen Sterblichen, der zum Heros erklärt worden ist. Nach seiner Entwicklung zum Gott und dem entsprechenden Kult, wurde der Gott Asklepios zu einem sehr bedeutsamen Heilgott.

Auch wenn Apollonius von Tyana keine „Konkurrenzfigur“ zu Christus darstellt, so lässt sich doch zumindest festhalten, dass man in ihm eine durchaus ähnliche Figur erkennen. Seine Wundertaten wie auch die Überlieferungen über seine Geburt, sein Leben und über seinen Tod haben Ähnlichkeiten, die durch formgeschichtliche Zusammenhänge zu erklären sind.

5. Literaturliste

- Hans-Josef Klauck „Die religiöse Umwelt des Urchristentums“, Band 1 - Stadt und Hausreligion, Mysterienkulte, Volksglaube - Stuttgart, Berlin, Köln, 1995
- Johannes Leipholdt, Walter Grundmann (Hg.) „Umwelt des Urchristentums“, Band 1 - Darstellung des neutestamentlichen Zeitalters- , Berlin, 1966
- Johannes Leipholdt, Walter Grundmann (Hg.) „Umwelt des Urchristentums“, Band 2 - Texte zum neutestamentlichen Zeitalter- , Berlin, 1967
- Johannes Leipholdt, Walter Grundmann (Hg.) „Umwelt des Urchristentums“, Band 3 - Bilder zum neutestamentlichen Zeitalter - , Berlin, 1967
- Erkki Koskenniemi „Apollonius von Tyana in der neutestamentlichen Exegese“, Tübingen, 1994
- C. Schneider „Kulturgeschichte des Hellenismus“, Band 2, München, 1969

5.1. Anhang / Graphikverzeichnis

Im Anhang befinden sich die im Referat verwendeten Folien, die teils selbst entworfen, aus diesem Text entnommen oder aus folgendem Buch entnommen wurden:

- Johannes Leipholdt, Walter Grundmann (Hg.) „Umwelt des Urchristentums“, Band 3 - Bilder zum neutestamentlichen Zeitalter - , Berlin, 1967

[...]


1 Siehe in: H. J. Klauck „Die religiöse Umwelt des Urchristentums“, Bd. 1, Stuttgart/Berlin/Köln, 1995, Seite 129 Siehe auch in: J. Leipholdt / W. Grundmann „Umwelt des Urchristentums“, Band 1, Berlin, 1966, Seite 68

2 Siehe hierzu auch: C. Schneider „Kulturgeschichte des Hellenismus“, Bd. 2, München, 1969, Seite 815-819

3 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 131 Siehe auch in: Leipholdt/Grundmann, Bd. 1 , 1966, Seite 69 ff.

4 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 132

5 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 134 Siehe hierzu auch: Leipholdt/Grundmann, Bd. 1, 1966, Seite 70

6 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 135 Siehe auch in: Leipholdt/Grundmann, Bd. 1, 1966, Seite 71

7 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 134f.

8 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 136 Siehe hierzu auch: Leipholdt/Grundmann, Bd. 1, 1966, Seite 71

9 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 137

10 zu Apollonius von Tyana, siehe auch: H. Conzelmann / A. Lindemann „Arbeitsbuch zum Neuen Testament“, Tübingen, 1998, Seite 204

11 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 140

12 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 142

13 Siehe in: E. Koskenniemi „Apollonius von Tyana in der neutestamentlichten Exegese“, Tübingen, 1994, Seite 191 Siehe hierzu auch: Leipholdt/Grundmann, Bd. 1, 1966, Seite 75

14 Siehe in: Leipholdt/Grundmann, Bd. 1, 1966, Seite 75

15 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 143

16 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 143 Siehe hierzu auch: Koskenniemi, 1994, Seite 194 ferner: Leipholdt/Grundmann, Bd. 1, 1966, Seite 75

17 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 144

18 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 145

19 Siehe in: Leipholdt/Grundmann, Bd. 1, 1969, Seite 74

20 Siehe in: Klauck, Bd. 1, 1995, Seite 146

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Wunder in der Antike
Autor
Jahr
2000
Seiten
13
Katalognummer
V98056
ISBN (eBook)
9783638965071
Dateigröße
377 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wunder, Antike
Arbeit zitieren
Matthias Skowera (Autor:in), 2000, Wunder in der Antike, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98056

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