Psychologisches Gutachten zur Frage einer Berufseignung. Ein Beispiel am Beruf des Fluglotsen


Hausarbeit, 2017

19 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


1. Bisheriger Sachverhalt

Zum Zeitpunkt des Gutachtens ist Herr M. 23 Jahre alt. Er wurde in Deutschland geboren und hat als höchsten Bildungsabschluss das Abitur, welches er vor 4 Jahren an einem Gymnasium erwarb. Seit dem Wintersemester 2016 geht er dem Studium der Psychologie nach. Mittlerweile ist Herr M. im dritten Semester und beginnt zu zweifeln, ob die von ihm getroffene Studienwahl die richtige sei. Sein Traum sei es stets gewesen, in der Luftfahrt zu arbeiten. Herr M. habe nun allerdings festgestellt, nachdem er verschiedene Karrieremessen besucht hatte, dass sein Studium dies in dem von ihm vorgestellten Rahmen nicht erlauben würde. Herr M. habe sich über den Beruf des Fluglotsen informiert und festgestellt, dass dieser seinen Vorstellungen entspräche. Da jedoch die Ausbildung zum Fluglotsen aus kognitiver Sicht sehr anspruchsvoll ist und darüber hinaus nur durch ein zeitintensives Auswahlverfahren zugänglich, fragte Herr M. sich, ob er grundsätzlich für diese geeignet sei oder nicht. Herr M. wollte bei seinem Erstkontakt wissen, ob er lieber sein Studium zu Ende führen soll oder ob er sich für die Ausbildung bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) bewerben kann. In diesem Gutachten wird lediglich auf die erforderliche kognitive Leistungsfähigkeit eingegangen. Herr M. ist sowohl unter 24, er hat ein Abitur und hat ausreichende Englischkenntnisse.

Vor der Testung wurde Herr M. darüber informiert, dass seine Daten vertraulich und anonymisiert verwendet werden.

2. Untersuchte Fragestellung

Dieses Gutachten beantwortet die Frage, ob Herr M. die erforderlichen kognitiven Voraussetzungen für eine Ausbildung zum Fluglotsen bei der DFS besitzt.

3. Anforderungsprofil

Herr M. stellt sich die Frage, ob er für die Ausbildungsanforderungen der DFS geeignet ist. Voraussetzung zur Zulassung zu dieser Ausbildung ist die positive Absolvierung eines Auswahlverfahrens. Dieser mehrstufige Test nennt sich DLR (ein Test des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt). Dabei ist zu beachten, dass dieser lediglich von Personen bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres mit Abitur geschrieben werden kann. Daher sollte im Idealfall, die repräsentative Referenzstichprobe Herr M. im Alter und im Bildungsgrad identisch sein. Da jedoch einige der verwendeten Tests keine Referenzstichprobe für Alter und Bildung angeben, wurde, um Konsistenz zu gewährleisten, nur das Alter berücksichtigt. Auch nur „Bildung“ hätte als alleiniges Kriterium berücksichtigt werden können. Bei der Normierung mit Alter ist das Problem, dass auch Personen, die kein Abitur haben in der Stichprobe sind. Bei Bildung sind nur Personen mit Abitur berücksichtigt, aber dafür Personen über 24 Jahren.

Die folgenden Anforderungen an die kognitive Leistungsfähigkeit wurden über die Onlinepräsenz der DFS, E-Mail-Kontakt mit einer Mitarbeiterin der DFS, über das Arbeitsamt der Deutschsprachigen Gemeinschaft (ADG) und über die Bundesagentur für Arbeit definiert.

Überdurchschnittliche Simultankapazität (in Referenz zu einer altersgemäßen Stichprobe): Ein Fluglotse muss in der Lage sein, nicht nur mehrere Flugzeuge auf seinem Radar zu verfolgen, sondern auch gleichzeitig mit mehreren am Luftraum beteiligten Personen zu kommunizieren und andere Aufgaben zu erledigen, die für die Sicherheit des Flugverkehrs unerlässlich sind. Es ist verlangt, dass diese verschiedenen Aufgaben simultan zu vollbringen sind. Diese Fähigkeit ist laut der DFS nicht kompensierbar.

Überdurchschnittliche Daueraufmerksamkeit (in Referenz zu einer altersgemäßen Stichprobe): Für die Sicherheit im Flugverkehr ist es unabdingbar, dass ein Fluglotse über einen langen Zeitraum aufmerksam und konzentriert seine Aufgabe ausführt und keine großen Schwankungen dieser Fähigkeit vorkommen. Dabei ist es auch entscheidend, dass er seine Aufgaben nicht nur konzentriert bearbeitet, sondern auch genau. Laut einer Expertin der Flugsicherung gilt diese Anforderung als nicht kompensierbar.

Überdurchschnittliche Stresstoleranz (in Referenz zu einer altersgemäßen Stichprobe): Um effektiv zu arbeiten, muss ein Fluglotse mit aufkommendem Stress durch verschiedene, simultan zu erledigende Aufgaben umgehen können. Dieser Stress sollte die Leistungsfähigkeit des Fluglotsen nicht einschränken. Diese Anforderung ist lauf DFS nicht kompensierbar.

Überdurchschnittliche visuelle Wahrnehmungsschnelligkeit über einen längeren Zeitraum (im Vergleich zu einer altersgemäßen Stichprobe): Schnelles Wahrnehmen von Veränderungen im Radar ist entscheidend für die Reaktionsschnelligkeit eines Fluglotsen. Die AGD spricht hierbei von einer nötigen, nicht kompensierbaren Anforderung.

Überdurchschnittliche verbale und figurale Merkfähigkeit (in Referenz zu einer altersgemäßen Stichprobe): Um sich verbale und figurale Informationen merken zu können, um so Flugrouten adäquat zu dirigieren, muss ein Fluglotse Informationen lernen und kurzzeitig verzögert wieder abrufen können. Die AGD schreibt hierzu, dass ein hervorragendes Merken über kurze Zeiträume notwendig ist und nicht kompensierbar.

Durchschnittliche simultane Wahrnehmungsschnelligkeit (in Referenz zu einer altersgemäßen Stichprobe): Im Vergleich zu visuellen Wahrnehmungsschnelligkeit meint diese Anforderung die allgemeine Wahrnehmung, bezogen auf visuelle und auditive Reize. Während der Daueraufmerksamkeitstest die Schnelligkeit der Verarbeitung rein visueller Reize testet, prüft der Test für Simultankapazität die Geschwindigkeit zusätzlich für weitere Reize, dies allerdings nicht getrennt. Zwar ist die visuelle Wahrnehmung für einen Fluglotsen am relevantesten (DFS), eine schnelle Reaktion bei vielen anwesenden Reizen jedoch durchaus wichtig und kann nicht kompensiert werden. Die genannten Verfahren werden in Punkt 4.2 und 4.3 erläutert.

Durchschnittliche numerische Intelligenz (in Referenz zu einer altersgemäßen Stichprobe): Diese Fähigkeit benötigt ein Fluglotse, um Flughöhen, Steuerkurse oder Windverhältnisse etc. zu berechnen. Zwar wird er heutzutage in dieser Aufgabe durch technische Systeme unterstützt, trotzdem muss ein Fluglotse lauf der DFS diese Fähigkeit beherrschen - daher nicht kompensierbar.

Durchschnittliche simultane Wahrnehmungsgenauigkeit (im Vergleich zu einer altersgemäßen Stichprobe): Ein Fluglotse sollte nicht nur schnell Veränderungen bzw. saliente Reize wahrnehmen können, sondern auch mit hoher Genauigkeit. Die Expertin der DFS hält diese Anforderung für nicht kompensierbar.

Durchschnittliches logisch-schlussfolgerndes Denken (in Referenz zu einer altersgemäßen Stichprobe): Um mit immer neuen Probleme umgehen und komplexe Entscheidungen basierend auf geringer Informationsmenge treffen zu können, ist diese Fähigkeit für einen Fluglotsen von Bedeutung. Die ADG hält diese Fertigkeit für notwendig.

4. Eingesetzte Verfahren

Die für drei dieses Gutachten eingesetzten psychologisch-diagnostischen Verfahren werden im Folgenden aufgelistet und über deren Hintergründe informiert. In Tabelle 1 wird darüber hinaus ein kurzer Überblick über die zu erfassenden Konstrukte und die dafür verwendeten Tests gegeben.

4.1 Der Intelligenz-Struktur-Test 2000 R-I-S-T 2000R

Diese von Liepman, Beauducel, Brocke und Amthauer (1999) entwickelte Intelligenzbatterie ist ein Paper-Pencil-Test und wird bei Jugendlichen und Erwachsenen meist im Kontext von Laufbahn- oder Berufs- oder Bildungsberatung, sowie zu Auswahl von Personal eingesetzt. Die für dieses Gutachten verwendete Form ist die revidierte Fassung I-S-T 2000R (2001). Sie besteht aus einem Grundmodul mit welchem inhaltsbezogene Fertigkeiten (numerisch, verbal, figural) zunächst einzeln erhoben werden. Aus den Werten dieser Fertigkeiten lässt sich ein Gesamtwert für das schlussfolgernde Denken errechnen, welches ein Teil des Anforderungsprofils darstellt. Des Weiteren lassen sich mit dem Grundmodul figurale und verbale Merkfähigkeiten und ein Gesamtwert für diese erheben. Das Erweiterungsmodul zur Erfassung der kristallisierten Intelligenz wurde nicht verwendet.

4.2 Der Daueraufmerksamkeitstest -DAUF

Der Daueraufmerksamkeitstest von Schuhfried (1993) ist ein PC-basiertes Verfahren zur Erfassung der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit über einen längerfristigen Zeitraum und kann bei Testpersonen ab 15 Jahren eingesetzt werden.

Dieser Test liefert sowohl ein Maß für die Genauigkeit bei der Bearbeitung von Aufgaben, als auch ein Maß, das die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit angibt. Dadurch, dass es sich hierbei um ein computerbasiertes Verfahren handelt eignet es sich gut für diese Fragestellung, da es ähnlich dem Berufsalltag eines Fluglotsen ist.

4.3 Der Simultankapazität Test - SIMKAP

Auch dieser Test ist an einem Computer durchzuführen und ist ebenfalls ab 15 Jahren einsetzbar. Der SIMKAP (Bratfisch & Hagman, 2000) erfasst die Simultankapazität, damit ist das Koordinieren von mehreren unabhängigen Aufgaben gemeint, die über einen längeren Zeitraum hinweg durchgeführt werden sollen. Darüber hinaus liefert er einen Wert für die Stresstoleranz. Alle diese Variablen finden sich auch im Anforderungsprofil eines Fluglotsen wieder.

Tabelle 1: Konstrukte und Tests

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5. Rahmenbedingungen

Herr M. wurde am 22. November 2017 im Vorfeld der ersten Testung über die zu verwendenden Testverfahren und den Ablauf der drei Testungen informiert. Er wurde über den Sinn der einzelnen Verfahren aufgeklärt und instruiert die Tests so gut wie möglich zu bearbeiten. Um einem Konzentrationsabfall vorzubeugen wurden die Testungen auf drei Tage verteilt, um so der Testperson bestmögliche Testbedingungen zu bieten. Bei der Wahl der Uhrzeit wurde versucht, auf die Wünsche von Herrn M. einzugehen.

Begonnen wurde am 22. November 2017 mit dem DAUF. Dieser wurde zwischen 15:30 und 16:00 an der Universität Salzburg im Bereich der Computerdiagnostik der Bibliothek der naturwissenschaftlichen Fakultät durchgeführt. Am darauffolgenden 23. November 2017 wurde zwischen 15:30 und 16:15 der SIMKAP in denselben Räumlichkeiten durchgeführt. Um ein ungestörtes Arbeitsumfeld zu bieten, wurde das Grundmodul des I-S-T 2000 R bei Herrn M. zwischen 15:30 und 17:00 am 24. November 2017 zuhause durchgeführt.

6. Maße

Zwecks Vergleichbarkeit werden die Ergebnisse der drei verwendeten Verfahren in standardisierten T-Werten mit dem jeweiligen Vertrauensintervall (KI, 95%-Niveau, zweiseitig) inklusive des erreichten Prozentranges dargestellt. Da der I-S-T 2000R ein Intelligenztest ist, wäre auch die Angabe des Intelligenzquotienten denkbar, doch zwecks der Vergleichbarkeit der Daten wurde hierauf verzichtet.

Die T-Wert-Skala ist eine Normwertskala, die sich zwischen den Werten 20 und 80 erstreckt und einen Mittelwert von 50 aufweist, bei einer Standardabweichung von 10. Unter der Berücksichtigung der Begebenheit, dass kein Messinstrument eine 100%ige Messgenauigkeit garantieren kann, muss ein erreichter Wert nicht der wahren Fähigkeit der Testperson entsprechen. Ablenkung, Konzentrationsabfall durch externe Faktoren oder Motivationsverlust sind Faktoren, die das Messergebnis zu Ungunsten der Testperson verzerren können. Gleichzeitig kann die Testperson bei einem dieser Verfahren (I-S-T 2000 R) durch raten eine bessere Leistung erbringen, als die, die ihrer wahren Fertigkeit entspricht. Daher wird in diesem Gutachten durch die Angabe von Vertrauensintervallen (KI) mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% versucht diese möglichen Verzerrungen zu berücksichtigen. Dennoch wird in der Interpretation der von Herr M. erreichte T-Wert benutzt, denn auch der Berufsalltag eines Fluglotsen ist nicht frei von störenden Reizen. Die Bewertung der Ergebnisse auf Basis eines KI kann außerdem vor allem bei Tests mit einer nicht sehr hohen Zuverlässigkeit fehlerbelastet sein. Die Angabe eines Prozentrangs verdeutlicht, wie der Klient im Vergleich zur ausgewählten Referenzstichprobe abgeschnitten hat. Zur Beurteilung der Leistung des Herrn M. wurde eine dreistufige Einteilung vorgenommen, welche sich in Tabelle 2 wiederfindet. Das Manual des DAUF empfiehlt eine Einteilung nach Prozenträngen, wobei ein Prozentrang zwischen 25 und 75 ein durchschnittliches, ein Prozentrang zwischen 76 und 84 ein durchschnittlich bis überdurchschnittliches und ein Prozentrang größer als 84 ein überdurchschnittliches Ergebnis darstellt. Da im Anforderungsprofil allerdings nur drei Stufen unterschieden werden, wird in diesem Gutachten ebenfalls nur eine dreiteilige Einteilung vorgenommen.

Tabelle 2: Einteilung der Grenzbereiche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7.1 DAUF

Für dieses Verfahren wurde die Testform S3 (Normalform) verwendet. Die folgende Tabelle 3 fasst die Einzelergebnisse von Herrn M. in diesem Test zusammen. Sie beziehen sich auf die repräsentative Normstichprobe der 21-25-jährige Personen. Die Einteilung der Grenzbereiche folgt der obenstehenden Tabelle 2.

Tabelle 3: Ergebnisdarstellung DAUF

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Psychologisches Gutachten zur Frage einer Berufseignung. Ein Beispiel am Beruf des Fluglotsen
Hochschule
Universität Salzburg
Note
2,0
Jahr
2017
Seiten
19
Katalognummer
V980992
ISBN (eBook)
9783346336835
ISBN (Buch)
9783346336842
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gutachten, Diagnostik, Eignung, Fluglotse
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Psychologisches Gutachten zur Frage einer Berufseignung. Ein Beispiel am Beruf des Fluglotsen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/980992

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