Upskirting, heimliches Fotografieren unter den Rock. Die neue Gesetzgebung ab Januar 2021


Akademische Arbeit, 2020

17 Seiten


Leseprobe


Upskirting - heimliches Fotografieren unter den Rock

1. Upskirting - Das Phänomen

Als „Upskirting“ wird das unbefugte und heimliche Fotografieren unter Röcke und Kleider im öffentlichen Raum bezeichnet.1 Der Begriff setzt sich aus den englischsprachigen Worten „up“ für „herauf“ und „skirt“ für „Rock“ zusammen. Erst der Umstand, dass Bildaufnahmegeräte in den letzten Jahren technisch derart weiterentwickelt wurden, dass sie Bildaufnahmen in sehr hoher Qualität bei geringer Größe und einfacher Handhabbarkeit des Gerätes mit einem niedrigen Anschaffungspreis ermöglichen,2 hat dazu geführt, dass Menschen sehr leicht und ohne es zu bemerken ungewollt zum Objekt fremder Bildaufnahmen werden können.3

In der Politik wird diese Art des Fotografierens intime Zonen ohne das Wissen und Wollen der Betroffenen bereits als Massenphänomen bezeichnet,4 ohne dass es insofern verlässliche Fallzahlen bezüglich dieser Vorgehensweise gibt.5

In Bezug auf die Bildaufnahmen, die die Intimsphäre des Betroffenen berührten, gewährt § 201a StGB nur solchen Personen strafrechtlichen Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden.6 Insoweit bestimmt § 201a StGB dass die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen nur für denjenigen strafbar ist, der „von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt“.

2. Upskirting ist keine Beleidigung

Noch im Jahre 2014 hatte das Amtsgericht München einen Angeklagten wegen Beleidigung verurteilt, der einer Frau unter den Rock fotografiert hatte. Die Polizei hatte 99 einschlägige Fotografien und 27 entsprechende Filme auf dem Speicherchip des Angeklagten sichergestellt. Das Amtsgericht war der Auffassung, es sei eine unverschämte Herabsetzung und damit eine Beleidigung, wenn der intimste Bereich, die Genitalien, von jemandem fotografiert und gespeichert werden.7 Das Urteil des Amtsgerichts München wurde allerdings auf die Berufung des Angeklagten insoweit aufgehoben, als dass die Aufnahmen unter den Rock vom Amtsgericht als strafbare Beleidigung gewertet wurden.8

Denn bereits am 3. November 2010 hatte das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss zum Az.: 1 St OLG Ss 219/10 auf die Revision eines Angeklagten, der während der Fahrt vom Untergeschoß mit einer Rolltreppe während der Fahrt heimlich mit seinem Mobiltelefon unter den Rock der Geschädigten fotografiert hatte und dabei die Geschädigte unbeabsichtigt mit dem Handy an ihrer Kniekehle berührte, entschieden, dass eine Beleidigung nicht vorliege.9

Sexuelle oder sexualbezogene Handlungen und Belästigungen seien nur dann unter die Vorschrift des § 185 StGB zu subsumieren, wenn besondere Umstände einen selbständigen beleidigenden Charakter erkennen lassen; es kann nicht ein (bloßes) "sexuelles Verhalten" als Ehrverletzung bestraft werden, sondern allein eine darin unter Umständen enthaltene (ausdrückliche und konkludente) Äußerung, in der eine – vom Täter gewollte – herabsetzende Bewertung des Opfers zu sehen sei.

Demzufolge könne eine Beleidigung nicht schon bei bloßen Belästigungen oder Taktlosigkeiten und regelmäßig auch nicht bei heimlichem Beobachten oder Belauschen angenommen werden. Der auf Heimlichkeit bedachte Angeklagte hätte gerade keinen Kontakt zur Person der Geschädigten aufnehmen wollen und hatte dieser gegenüber deshalb auch nicht seine Missachtung kundgetan.

Derjenige, der andere Personen zum Objekt seines heimlichen voyeuristischen Vorgehens erwähle, gebe damit regelmäßig nicht gleichzeitig kund, dass die beobachtete Person einen ihre Ehre mindernden Mangel an personalem Geltungswert aufweise.

Die Funktion der Beleidigungsdelikte sei es nicht, Lücken zu schließen, die moralisches Empfinden nicht hinnehmen möchte. Der Tatbestand der Beleidigung sei insbesondere kein Auffangtatbestand, der es erlaube, Handlungen allein deshalb zu bestrafen, weil sie der Tatbestandsverwirklichung eines Sittlichkeitsdelikts nahekommen. Zu einer Änderung dieser Rechtslage sei allein der Gesetzgeber befugt.10

3. Upskirting ist eine Ordnungswidrigkeit

Aber auch ohne Änderung des Strafrechts nahm die Rechtsordnung das Upskirting nicht sanktionslos hin, worauf der Bayerische Gerichtshof mit seinem Beschluss vom 07.05.2009 zum Az.: 10 CS 09.747 bereits hingewiesen hatte.11

Denn das Fotografieren von Frauen ohne deren Einwilligung unter ihren Rock erfülle den objektiven Tatbestand einer Belästigung der Allgemeinheit gemäß § 118 Abs. 1 OWiG, da es einen erheblichen Eingriff in das durch Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen (insbesondere das Recht auf Achtung des Intim- und Sexualbereichs) darstelle und somit eine grob ungehörige Handlung im Sinne von § 118 Abs. 1 OWiG sei. Der Fotograf habe durch sein Handeln in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen in Gestalt des Rechts am eigenen Bild sowie des Rechts auf Achtung des Intim- und Sexualbereichs eingegriffen und so grundlegende Werte der in unserer Gesellschaft geltenden Gemeinschaftsordnung verletzt. Diese Handlungen seien auch geeignet, die Allgemeinheit zu belästigen und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Es bestehe zudem die sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller solche Handlungen auch künftig vornehmen werde. Ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- Euro für den Fall der Nichtbeachtung der Anordnung, während eines Zeitraums von 12 Monaten ab Bescheidszustellung bayernweit foto- oder videotaugliche Multimediageräte an Treppenanlagen nur in verschlossenen Behältnissen mitzuführen sowie keine Fotos oder Videoaufnahmen mit sexuellem Hintergrund von Personen ohne deren Einwilligung anzufertigen, sei daher nicht zu beanstanden.12

4. Upskirting soll Straftat werden

a) Petition „Verbietet #Upskirting in Deutschland!“

Das Upskirting lediglich im Bereich des Ordnungswidrigkeitsrechts mit strafbewehrten Sanktionen verortet zu sehen erschien allerdings vielen Bürgern nicht ausreichend, so dass unter der Regie von Hanna Seidel und Ida Marie Sassenberg Anfang 2019 unter dem Motto „Verbietet #Upskirting in Deutschland!“ erfolgreich eine Petition auf den Weg gebracht wurde, welche schließlich über 100.000 Unterstützer fand.13

Begründet wurde diese Initiative gegen Upskirting wie folgt: „In Deutschland ist diese Praxis nicht hinreichend vom Gesetz abgedeckt: Strafbar macht man sich erst durch die Verbreitung der Aufnahmen, das Fotografieren ist weiterhin legal. Laut § 201a im Strafgesetzbuch sind diese Aufnahmen nur in privaten und geschlossenen Räumen verboten (Gesetz ist in den weiterführenden Links angehängt.) Auch die sexuelle Belästigung (§ 184i) greift nicht, weil bei dem Vorgang des Upskirting häufig keine Berührung stattfindet. Eine betroffene Frau müsste sich also an ihren Belästiger wenden und darauf hoffen, dass er ihrer Forderung nachkommt, die Bilder oder Videos zu löschen - vorausgesetzt sie hat den Übergriff überhaupt mitbekommen. Erst wenn der Übergriffige sich weigert, kann ein kompliziertes Zivilverfahren angestrebt werden. Der fehlende Straftatbestand führt aber dazu, dass die betroffene Frau in solch einem Fall nicht einmal die Polizei rufen kann.“14

b) Initiative der FDP-Bundestagsfraktion

Bereits im Juni 2019 stellten Abgeordnete die FDP-Fraktion im Bundestag den Antrag, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern möge, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der das unbefugte gezielte Anfertigen von Film- oder Bildaufnahmen intimer oder sexueller Bereiche einer Person unter Strafe stellt, um damit das Upskirting unter Strafe zu stellen. Denn dies könne im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich Opfer dazu gezwungen fühlten, in der Öffentlichkeit und im Alltag die Wahl ihrer Kleidung zu überdenken, damit keine unbefugten Aufnahmen ihrer Intimbereiche in Treppenhäusern oder auf Rolltreppen angefertigt würden. Eine Verurteilung des Fotografierenden wegen sexueller Belästigung gem. § 184i StGB scheide aus, da diese Norm eine körperliche Berührung voraussetze und eine Strafbarkeit wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gem. § 201a StGB kämme nicht in Betracht, weil dieser Schutz nur bei Aufnahmen innerhalb einer Wohnung oder eines gegen Einblick besonders geschützten Raumes greife.15

c) Initiative der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Saarland

Im September 2019 hatten dann die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland einen gemeinsamen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Strafbarkeit der Bildaufnahme des Intimbereichs - für eine Initiative des Bundesrats mit dem Antrag übermittelt, dass der Bundesrat diesen Entwurf im Bundestag einbringen möge.16

Begründet wurde diese Gesetzesinitiative damit, dass durch Upskirting nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verletzt werde, sondern speziell das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Diesem sei das Recht des Einzelnen zuzuordnen, nicht gegen seinen Willen zum Objekt sexuellen Begehrens anderer gemacht zu werden und auch das Recht, selbst darüber zu bestimmen, ob und in welcher Weise eine Person durch die Abbildung ihres Intimbereichs zum Gegenstand sexuell konnotierter Betrachtung durch andere wird. Mit einer Strafvorschrift solle erreicht werden, dass das Unrecht derartiger Taten in das Bewusstsein der Bevölkerung gebracht wird, potentielle Täter abgeschreckt werden, ein wirksamerer Schutz der Opfer bewirkt wird und Täter auch strafrechtlich wegen eines Sexualdelikts zur Verantwortung gezogen werden können. Mit der Einstufung einer Strafnorm als Sexualdelikt sei - insbesondere im Hinblick auf die Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger und die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand - der Schutz der betroffenen Opfer weiter zu verbessern.17

[...]


1 Deutscher Bundestag Drucksache 19/11113, 19. Wahlperiode, 25.06.2019; https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/111/1911113.pdf

2 Deutscher Bundestag Drucksache 19/15825, 19. Wahlperiode, 11.12.2019; https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/158/1915825.pdf

3 Deutscher Bundestag Drucksache 19/17795, 19. Wahlperiode, 11.03.2020, S.1; http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/177/1917795.pdf

4 Landtag Nordrhein-Westfalen 17. Wahlperiode, Plenarprotokoll 17/58, 23.05.2019, S. 122; https://landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMP17-58.docx

5 Berghäuser, Upskirting und ähnliche Verhaltensweisen; Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik, Ausgabe 10/2019, S. 463, 464; http://www.zis-online.com/dat/artikel/2019_10_1319.pdf

6 Deutscher Bundestag Drucksache 19/17795, 19. Wahlperiode, 11.03.2020 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/177/1917795.pdf

7 Küpper, Augsburger Allgemeine vom 12.03.2014; https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Buergermeister-verurteilt-Er-fotografierte-Frauen-unter-den-Rock-id29167787.html

8 Utz, Augsburger Allgemeine vom 18.09.2014; https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Unter-den-Rock-Fotos-keine-Straftat-Urteil-gegen-Ex-Buergermeister-aufgehoben-id31369717.html

9 Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 03.11.2010, Az.: 1 St OLG Ss 219/10; https://www.rechtsanwaltmoebius.de/urteile/olg-nuernberg_1-st-olg-ss-219-10_upskirting-nicht-strafbar.html

10 Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 03.11.2010, Az.: 1 St OLG Ss 219/10; https://www.rechtsanwaltmoebius.de/urteile/olg-nuernberg_1-st-olg-ss-219-10_upskirting-nicht-strafbar.html

11 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 07.05.2009, Az.: 10 CS 09.747; https://www.rechtsanwaltmoebius.de/urteile/vgh-bayern_10-cs-09.747_upskirting-ordnungswidrigkeit.html

12 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 07.05.2009, Az.: 10 CS 09.747; https://www.rechtsanwaltmoebius.de/urteile/vgh-bayern_10-cs-09.747_upskirting-ordnungswidrigkeit.html

13 https://www.change.org/p/verbietet-upskirting-in-deutschland

14 https://www.change.org/p/verbietet-upskirting-in-deutschland

15 Deutscher Bundestag Drucksache 19/11113, 19. Wahlperiode, 25.06.2019; https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/111/1911113.pdf

16 Bundesrat Drucksache 443/19, 17.09.19; https://www.bundesrat.de/drs.html?id=443-19

17 Bundesrat Drucksache 443/19, 17.09.19; https://www.bundesrat.de/drs.html?id=443-19

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Details

Titel
Upskirting, heimliches Fotografieren unter den Rock. Die neue Gesetzgebung ab Januar 2021
Autor
Jahr
2020
Seiten
17
Katalognummer
V981424
ISBN (eBook)
9783346339966
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Upskirting, § 184k StGB
Arbeit zitieren
Ralf Möbius (Autor:in), 2020, Upskirting, heimliches Fotografieren unter den Rock. Die neue Gesetzgebung ab Januar 2021, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/981424

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