Großdemonstration des 4. Novembers 1989 und deren Einfluss auf den Mauerfall. Der Herbst 1989 als Wendepunkt in der Geschichte der DDR


Hausarbeit, 2020

13 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Vorgeschichte- Der Herbst 1989 als Wendepunkt in der Geschichte DDR
2.1. Aufstand in Leipzig
2.2. Neues Forum

3. Vorbereitung der Großdemonstration- die InitiatiorInnen

4. Der 4. November- Der Protest, die Menschen, die Reden

5. Die Tage bis zum Mauerfall- Wirkung und Rezeption des 4. Novembers

6. Fazit- „Stell dir vor es ist Sozialismus und keiner geht weg“

7. Quellen- und Literaturverzeichnis
7.1. Quellenverzeichnis
7.2. Forschungsliteratur

1. Einleitung

„Pluralismus statt Parteimonarchie“ - Mit diesen und vielen anderen, seinerzeit mutigen Sprüchen, demonstrieren die DDR- BürgerInnen am 4. November 1989 auf dem Ostberliner Alexanderplatz für eine freie Zukunft. Heutzutage profitieren wir, als Teil der Gesellschaft, von den Freiheitsbestrebungen der Menschen damals und leben in einem wiedervereinten Deutschland, in dem es jedem Bürger und jeder Bürgerin theoretisch möglich ist in Freiheit ein individuelles Leben zu führen. In der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik blieb dieser Novembertag des Auslebens der Versammlungs-, Presse- und Meinungsfreiheit einmalig.1 Die Protest geht als einzige offiziell genehmigte und auch größte Demonstration in die Geschichte ein und steht bis heute für den Umbruch eines Landes und den Freiheitsgedanken der Menschen. Im Herbst 1989 nehmen die BürgerInnen das angeschlagene politische Klima zum Anlass um offensiver denn je gegen die Missstände der Republik zu protestieren. Die Deutsche Demokratische Republik befindet sich im Krisenstatus. Eine Reihe von Friedens- und Freiheitsbewegungen entsteht aus den verschiedensten gesellschaftlichen Kreisen und alle haben ein gemeinsames Ziel zur Vision: die Öffnung der Grenzen.

In der vorliegenden Arbeit wird der Einfluss der Geschehnisse des 4. Novembers auf den fünf Tage später erfolgten Mauerfall untersucht und insbesondere auch das Zutun von zuvor stattgefundenen Ereignissen und die Planungsstruktur der Großdemonstration hinzugezogen. Hierbei widme ich mich zunächst der Vorgeschichte und parallel handelnden AkteurInnen der Opposition in Berlin und Leipzig. Zudem werde ich, stellvertretend für die vielen oppositionellen Gruppen, einen detaillierteren Blick auf die daraus entstandene Gruppierung „Neues Forum“ und dessen Beitrag zur Initiierung des 4. Novembers werfen.2 Die misslungene Wirtschaftsführung3 und außenpolitischen Einflüsse der Sowjetunion, welche sicherlich auch einen erheblichen Anteil an der (Selbst)Auflösung der DDR hatten, werde ich nicht gesondert analysieren.

Die Quellen- und Textgrundlage der Arbeit bilden vorwiegend Chroniken zur Opposition, dessen Neuformierungen ab Ende der achtziger Jahre und detaillierte Materialien zur Dokumentation und Berichtserstattung von der Demonstration auf dem Alexanderplatz.4

2. Vorgeschichte- Der Herbst 1989 als Wendepunkt in der Geschichte DDR

Die Fassade der Deutschen Demokratischen Republik beginnt zu bröckeln und somit nimmt Ende der achtziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts die sogenannte „friedliche Revolution“ ihren Lauf. Seit Monaten wagten sich immer mehr Menschen aus der Deckung und gingen mit Parolen wie „Friedensbrücken statt Friedensgrenzen“5 auf die Straße. Ein Teil der neu entstandenen Opposition kehrt dem zum Zerfall drohenden Staat den Rücken zu. Die „Republikflüchtlinge“ stellen in den Augen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zunehmend eine Bedrohung für den kommunistischen Staat dar. Der Zerfall der SED- dominierten Öffentlichkeit wird durch mehrere parallele Entwicklungen beeinflusst. Zum einen entsteht eine sich ständig ausweitende Gegenöffentlichkeit dem Staat gegenüber. Zum anderen häufen sich Fälle des Rückzugs in sich neuformierende soziale und kulturelle Peripherien. Ab September 1989 wird durch die politischen Unternehmungen der Oppositionellen erstmals eine pluralistische Gesellschaft in der DDR angedeutet.6 Ein Protestbewusstsein und der wahrgenommene Einfluss dessen ergreift die Menschen und verzeichnet seit Mai 1989 stetigen Zuwachs. Aus kleineren Protesten entwickelten sich im Herbst rasch Zusammenkünfte größeren Ausmaßes.7 Die Welle dessen weitet sich abseits der Hauptstadt auch in kleineren Städten wie Rostock, Erfurt, Cottbus, sowie der ehemaligen Karl-Marx-Stadt aus. Jene entstandenen, zunächst meist unorganisierten Gruppen, solidarisieren sich, beispielsweise mittels regelmäßiger Mahnwachen, mit den politischen Inhaftierten in Berlin und Leipzig.8 9

Zusätzlich zum kritischen Grundtenor im Lande begünstigten auch die Makroereignisse in Osteuropa das Erstreben einer Wende. Durch die zunehmende Liberalisierung und Demokratisierungsprozesse des Ostblocks, insbesondere durch den großen Bruder der DDR, entstand im Vergleichsdenken der BürgerInnen der DDR eine noch größere Unzufriedenheit.10

2.1. Aufstand in Leipzig

In Leipzig demonstrierten seit September tausende Menschen regelmäßig für Meinungs- und Reisefreiheit. Die Demonstrierenden bilden die bedeutungsvollste Bewegung, mit der in Berlin. Angefangen mit wöchentlichen Friedensgebeten der Kirche und Opposition entwickelte sich innerhalb eines Monats ein Aufstand der Leipziger Bevölkerung, der zur Initialzündung der friedlichen Revolution in der ganzen Republik werden sollte.11 Die zunächst von den Forderungen der Ausreiseantragsteller geprägten Zusammenkünfte sprengten bald die Kapazitäten der Leipziger St. Nikolaikirche und es wurden andere Kirchen und folglich neue Gemeindegruppen hinzugezogen.12 Nicht nur Austragungsorte, sondern auch Forderungen wurden erweitert. Während im Sommer noch viele Ausreisewillige mit „Wir wollen raus!“ protestieren, so werden nun die Stimmen derjenigen lauter, die nicht mehr vor den Zuständen in der DDR fliehen wollen. „Wir bleiben hier!“ hieß es nun im Protestvolk.

Die Montagsdemonstration, die jeweils um 17 Uhr stattfand, war ein geschickt gewählter Termin. Es erlaubte der arbeitenden Bevölkerungen die Teilnahme am Gebet und das Risiko der Spionage konnte durch die Gebundenheit der SED- Mitglieder an die montägliche Parteiversammlung minimiert werden. Des Weiteren ermöglichte es den westdeutschen Fernsehsendern Berichtserstattungen in die Hauptsendezeit einfließen zu lassen.13 Die wöchentlich wachsende Zusammenkunft verblieb jedoch nicht ohne Störungen des Machtapparats und es kam bald zu gewaltsamen Ausschreitungen durch die Sicherheitsorgane. Die Unterdrückungsversuche der SED- Herrschenden legten ihren Fokus auf den sich immer stärker artikulierenden gesellschaftlichen Konflikt.14 Die Friedensgebete rückten aus dem Zentrum und hatten fortan eine Katalysatorfunktion. Durch die Proteste gegen die Vorgehensweisen der Sicherheitskräfte politisierte sich die inhaltliche Gestaltung der Gebete stark und das allesbeherrschende Thema wurde die Gewaltfrage.15 16

Der durch Kerzen gestützte Ruf „Keine Gewalt!“ fungierte sowohl als Antwort auf den gewaltbereiten Staat als auch als Anregung für das eigene gewaltfreie Handeln. Die Arbeitsgruppe Mensch (AGM) unter Christoph Wonneberger predigte, dass der Ausruf als Warnung vor Provokateuren in den eigenen Reihen verstanden werden solle und ebenfalls davor mahnen solle den Sicherheitskräften keinerlei Anlass zur Gewalt zu geben.17 Die Leipziger Montagsdemonstrationen gelten als Vorreiter der friedlichen Revolution in puncto Gewaltfreiheit.

2.2. Neues Forum

Das Neue Forum (kurz NF) wurde am 9. September von dreißig BürgerrechtlerInnen im Haus von Katja Havemann, Witwe des Oppositionellen Robert Havemann, gegründet. Unter den ErstunterzeichnerInnen waren, neben vielen anderen, auch die Malerin Bärbel Bohley, die später zur Symbolgestalt der emanzipatorisch-pazifistischen DDR-Revolution wurde.18 Mit dem Ziel der gesellschaftlichen Reformation skandierten sie in ihrem Gründungsaufruf: „In unserem Lande ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört.“.19 Sie forderten zunächst eine tiefgreifende, demokratische Umgestaltung und appellierten an die BürgerInnen Teil einer erstmals tatsächlich mitwirkenden Gesellschaft zu werden. In Berlin trat die Gruppe damit als erste aus dem Ghetto der Oppositionsbewegungen und den engen kirchlichen Räumen.20 Die Gründung des NFs wurde zum größten oppositionellen Ereignis in der Öffentlichkeit und auch in den Westmedien.21 Sie steht repräsentativ für den Konsens der Bewegungen im sogenannten Wendeherbst. Nach dem erfolglosen, ersten Versuch des NF sich beim Ministerium des Inneren offiziell anzumelden, schlägt der Vereinigung eine große Welle der Zustimmung und neuen Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen entgegen.

Fortan wird in vielen Städten auch für die Zulassung des NFs demonstriert. Die Masse der Oppositionellen solidarisiert sich mit den politisch Unterdrückten und wortwörtlich umstellten Mitgliedern.22 Von diesem Punkt an wurde das Konzept eines bloßen Dialogforums verlassen und die Grundlage für eine politische Organisation gelegt. Das NF erhält in den Anfangstagen auch seitens der KünstlerInnenszene außergewöhnlich viel Zulauf. Dies ist vor allem auf die populäre Kunstschaffende und jahrelang engagierte Mitglied Bohley und zurückzuführen. Sie gilt als Kommunikatorin zwischen der Opposition und den großen Schauspiel- und Kunsthäusern.

3. Vorbereitung der Großdemonstration- die InitiatiorInnen

Der Grundstein des 4. Novembers wird von einer Initiative des noch informellen NFs und Schauspielern der Schaubühne am Abend des 14. Oktobers gelegt. Auf deren Anregung hin, starteten sie den Versuch als aktiv kritische KünstlerInnenszene Berlins die Hürden für eine Demonstration zu überwinden. Durch das Bewusstsein der Ideenhabenden Jutta Seidel und Jutta Wachowiak, dass auch in der DDR Künste im Allgemeinen einen besonderen Stellenwert genossen, ergab sich die realistische Hoffnung für erstmaligen, öffentlichen Widerspruch gegen das Regime. Im weiteren Vorgehen beschlossen VertreterInnen des NF konsequent mit möglichst demokratischen und legalistischen Ansprüchen fortzufahren. Sie stellten über einen Vertrauensmann, der Gewerkschaftsgruppe des Berliner Ensembles Wolfgang Holz, einen offiziellen Antrag auf Genehmigung einer Demonstration „für die Inhalte der Artikel 27 und 28 der Verfassung“23. Der Verband der Bildenden Künstler, der Verband der Film- und Fernsehschaffenden und das Komitee für Unterhaltungskunst fungierten im Schreiben als VeranstalterInnen. Dieser wurde zunächst von der zentralen Genehmigungsstelle ignoriert. Indes beschlossen die AntragstellerInnen auch im Falle einer Ablehnung zu demonstrieren, bis sie am 26. Oktober dann die offizielle Zusage erreicht.24

Bis zum geplanten Demonstrationstag verbreitet sich die Nachricht der Genehmigung via Mundpropaganda. Während die rund 800 Kulturschaffenden der Anfangsversammlung schon über die künstlerische Gestaltung und die RednerInnen debattierten, machte sich parallel Misstrauen gegenüber der SED- Führung bezüglich der Unabhängigkeit und Ungestörtheit der Demonstration breit. Die Vorbereitungsgruppe vereinbarte daraufhin eine „Sicherheitspartnerschaft“ mit der Polizei. Für alle Beteiligten25 wurden Schärpen mit der Aufschrift „Keine Gewalt“ als Präventivmaßnahme und Symbol der Konsequenz ausgegeben.26 Die Proteste wurden bis zur geplanten Großdemonstration kontinuierlich weitergeführt.

[...]


1 Vgl. Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968, Artikel 27 und 28.

2 Vgl. Neubert, Ehrhart, Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989, Bonn 1997, S. 835.

3 Vgl. Krakat, Klaus, Probleme der DDR- Industrie im letzten Fünftjahrplanzeitraum, 1986-1989/90, in: Kurt Bd.2, Berlin 1996, S. 147 ff.

4 Vgl. Biederman, Andreas u. Hahn, Annegret, 4. November '89- Der Protest, die Menschen, die Reden, Berlin 1990.

5 Vgl. Biederman, Andreas u. Hahn, Annegret, 1990.

6 Vgl. Von zur Mühlen, Patrik, Aufbruch und Umbruch in der DDR, Bonn 2000, S. 190.

7 Vgl. Opp, Karl- Dieter, DDR ´89. Zu den Ursachen einer spontanen Revolution, Wiesbaden 2017, S. 572, Tabelle 1.

8 Vgl. Schuller, Wolfgang, Die Deutsche Revolution 1989, Berlin 2009.

9 Vgl. Opp, Karl- Dieter, 2017, S. 572- 582.

10 Vgl. Ebd. S. 577- 578, Tabelle 2 und Abbildung 1.

11 Vgl. Neubert, 1997, S. 830.

12 Vgl. Ebd., ab dem 2. Oktober fanden die Montagsgebete auch in vier weiteren Kirchen in der Leipziger Innenstadt statt.

13 Vgl. Schade, Jochen, Massenpsychologie Der Leipziger Montagsdemonstrationen, S. 43.

14 Vgl. Neubert, 1997, S. 830- 831.

15 Vgl. Ebd., S. 830.

16 Vgl. Hertle, Hans- Hermann, Chronik des Mauerfalls, Berlin 1996, S. 81.

17 Vgl. Dietrich, Christian, Fallstudie Leipzig 1987-1989, S. 604 ff.

18 Vgl. Neubert, 1997, S. 837.

19 Robert- Havemann- Gesellschaft, Text des Gründungsaufrufs.

20 Vgl. Kukutz, Irena, die Gründung des neuen Forums. Eine Initialzündung: Der Gründungsaufruf «Aufbruch 89 – Neues Forum», Berlin 2009, S.11.

21 Vgl. Neubert, 1997, S. 836.

22 Vgl. Ebd., S. 836: Die MitgliederInnen des NF wurden bei einem Treffen in Sebastian Pflugbeils Berliner Wohnung von der Volkspolizei umstellt. Die Tatsache der Einschränkung durch den Sicherheitsapparat führte zu stark negativer Resonanz und Mobilisierung der geistigen AnhängerInnen.

23 Vgl. Neubert 1997, S. 874.

24 Vgl. Von zur Mühlen, S. 223.

25 Vgl. Neubert 1997, S. 874, auch für die Ordner aus den Reihen der Opposition wurden diese ausgeteilt.

26 Vgl. Ebd.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Großdemonstration des 4. Novembers 1989 und deren Einfluss auf den Mauerfall. Der Herbst 1989 als Wendepunkt in der Geschichte der DDR
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
2,0
Jahr
2020
Seiten
13
Katalognummer
V984463
ISBN (eBook)
9783346361943
ISBN (Buch)
9783346361950
Sprache
Deutsch
Schlagworte
großdemonstration, novembers, einfluss, mauerfall, herbst, wendepunkt, geschichte
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Großdemonstration des 4. Novembers 1989 und deren Einfluss auf den Mauerfall. Der Herbst 1989 als Wendepunkt in der Geschichte der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/984463

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