Witz und Humor in den Werken Joseph Haydns. Analyse anhand einiger Beispiele


Hausarbeit, 2018

32 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Allgemeines zu Joseph Haydn

2. Einordnung von Haydns Werken in den zeitgenössischen Hintergrund

3. Witz und Humor in klassischer Musik
3.1 Definitionen des Komischen in der Musik
3.2 Gründe für Humor in der Musik
3.3 Witz und Humor bei Haydn
3.4 Beispiele für Witz und Humor in den Werken Joseph Havdns

4. Rezeption von Witz und Humor bei Havdn

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Joseph Haydn hat wie kaum ein anderer Komponist Witz und Humor in seine Kompositionen integriert und damit auch über seine Lebzeiten hinaus Äußerungen zum diesem Thema in der Musik angeregt.1 Der Witz und Humor in Haydns Musik wurde bereits von seinen Zeitgenossen wahrgenommen und Haydn wurde als Innovator auf diesem Gebiet bezeichnet. Aber auch nach seiner Zeit ist die Charakteristik von Witz und Humor in Haydns Musik innerhalb der breiten Literatur über ihn fortwährend erwähnt geblieben.2 Im Rahmen dieser Hausarbeit möchte ich deshalb Literatur untersuchen, die sich mit Witz und Humor in der Musik Joseph Haydns auseinandersetzt. Dabei werde ich zunächst einen Einblick in Haydns Biografie und seine Persönlichkeit geben und das Thema anschließend in den zeitgenössischen Kontext einordnen.

Daraufhin folgt der Hauptteil meiner Arbeit, welcher sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Witz und Humor in Joseph Haydns Musik beschäftigen wird. Hierbei werde ich Definitionen zu Witz und Humor in der Musik heraussteilen, um dann darauf eingehen zu können, wieso diese Eigenschaften in der Musik Anwendung gefunden haben und wie sie sich in Haydns Musik genau wiederfinden lassen. Dazu werde ich einige Beispiele nennen, die die vorangestellten Definitionen verdeutlichen und bestätigen werden.

Schließlich werde ich auf die Rezeption Haydns Zeitgenossen auf seine Werke und seinen innovativen Versuch, eine Veränderung im Aufbau klassischer Musik vorzunehmen, eingehen. Am Ende dieser Arbeit werde ich infolge meiner Untersuchungen zusammenfassen können, wie sich Witz und Humor in Haydns Musik auf seine zeitgenössische Umgebung ausgewirkt haben und welche nachhaltigen Veränderungen in der Kompositions- und Rezeptionsweise klassischer Musik er dabei bewirkt hat.

1. Allgemeines zu Joseph Haydn

Joseph Haydn wurde am 31. März 1732 in Österreich als das zweite von zwölf Kindern seiner Eltern geboren.3 Im Gegensatz zu anderen Komponisten seiner Zeit wie Mozart oder Beethoven entstammte Haydn keiner Künstlerfamilie, besaß jedoch einen unermüdlichen Fleiß und Lerneifer, was ihn stets emporstreben ließ. Karl Geiringer gibt in seiner Literatur über Joseph Haydn wieder, wie dieser in „humorvoll-sentimentaler“4 Art und Weise von seiner Kindheit und Jugendzeit erzählte und dass er in jungen Jahren bereits musikalisch sehr begabt zu sein schien. Seine Eltern ermöglichten ihm Musikunterricht, da sie darin eine Chance zum sozialen Aufstieg Haydns sahen, woraufhin er nach nur zwei Jahren vom Kapellmeister entdeckt wurde und im Alter von acht Jahren nach Wien zog.

Nach langjähriger musikalischer Ausbildung in Wien und ersten Verdiensten als freischaffender Musiker, sowie Musikdirektor beim Grafen Karl von Morzin auf Schloss Dolni Lukavice, verschlug es Haydn dann im Alter von 30 Jahren in den Dienst der Familie Esterhazy, in welchem er wiederum ca. 30 Jahre blieb. Dort arbeitete er schließlich als erster Kapellmeister, was ihm eine hohe Verantwortung, aber auch ein enormes Arbeitspensum zukommen ließ. Zwar konnte er sich in seiner Zeit bei der Familie Esterhazy erproben, sowie vielfältige eigene Stilelemente entwickeln, jedoch empfand er in seinen reiferen Jahren das einschränkende Dienstverhältnis zunehmend als Belastung, was äußere Faktoren wie das abgelegene Wohnverhältnis oder der Mangel an sozialen Kontakten und Unterhaltungsmöglichkeiten außerhalb seines beruflichen Daseins noch verstärkten.5

Mit Haydns Erlangen an universeller Berühmtheit durch Aufträge für Kompositionen in Europa und auch in Übersee, entstand nach und nach ein merkwürdiger Kontrast zwischen seiner Bekanntheit und seinem von der Außenwelt abgeschiedenen Dasein in Esterhâz. Nach dem Tod seines Dienstherrs 1790 verließ Haydn schließlich als freier Mann Esterhâz in Richtung Wien, wobei er neue Stellenangebote bewusst ablehnte. Nach einer Begegnung mit dem Impresario Johann Peter Salomon, welcher ihm einen Saisonkonzertvertrag anbot, nahm er diesen jedoch an und wurde so beruflich nach London versetzt.6

In England brachte man Haydn eine ihm bis dahin unbekannte Verehrung entgegen und seine Ankunft in London war ein öffentliches Ereignis, das von der Presse gefeiert wurde, welche ihm sogar die Ehre erwies, ihn mit Shakespeare zu vergleichen.7 Zwar stieg mit seinem neu gewonnenen Erfolg in England auch sein Erfolgsdruck und Haydn musste sowohl sein neues umfangreiches Sozialleben, als auch die Arbeit miteinander zu vereinbaren lernen, sowie sich unter anderem auch dem Konkurrenzdruck mit seinem Schüler Pleyel beugen, jedoch beschreibt er laut Nassauer seine Jahre in England als die glücklichsten in seinem Leben.8 Neben Haydn kamen noch die Komponisten Weigl, Hummel, Liszt und Joachim aus der gleichen Gegend wie er. Aufgrund gesellschaftlicher Gegebenheiten trafen Charaktereigenschaften wie „peinliche Genauigkeit“, Ordnungsliebe, Sauberkeit, Pünktlichkeit und Sparsamkeit auf ihn zu.9

Des Weiteren wird von Karl Geiringer eine ungebrochene Einheitlichkeit und Stetigkeit in den Grundzügen Haydns Wesens beschrieben.10 11 12 Er merkt zudem an, dass Haydn keine wirklichen Rückschläge und Sackgassen innerhalb seiner Entwicklung durchleben musste, sondern im Gegenzug dazu durch mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg in seiner Kunst fast unausgesetzt an Bedeutung gewann. Die Betrachtung Haydns Lebens als ein rundes, von Sinnlichkeit erfülltes Ganzes spiegelt sich auch in seinen Werken und seiner Musik wider. Der Mangel an Zwiespältigkeit und Zerrissenheit, wie er wohl eher bei Mozart zu finden war, sowie Charaktereigenschaften Haydns als einfachen und heiteren Menschen, führten zu der Bezeichnung des „guten Papa Haydn“11 12. Ebenfalls in seiner Musik wiederfinden lassen sich Haydns Naturverbundenheit und sein klarer, scharfer Blick auf die Welt im Allgemeinen, sowie die Grundzüge der Heiterkeit und Freude in seiner Persönlichkeit, die ihm auch im Alter allgegenwärtig blieben.

Haydn hegte einen siegreichen Optimismus und sah es laut eines Briefs von ihm an seine Freunde dabei selbst als Mission an, mit seiner eigenen Heiterkeit auch anderen Menschen die Lasten von den Schultern zu nehmen und durch das Hören seiner Musik in ihrem Leben positiver zu stimmen.13 In diesen Werteeinstellungen sowie charakterlichen Grundzügen wird bereits die humorvolle Einstellung Haydns zum Leben dargelegt, die sich auch in vielen seiner Werke wiederfinden lässt. Nach einer zeitgenössischen Einordnung von Haydns Kompositionen werde ich heraussteilen, wie sich dieser grenzenlose Humor in Haydns Musik definiert.14

2. Einordnung von Haydns Werken in den zeitgenössischen Hintergrund

Joseph Haydn lebte und wirkte in einer Zeit der großen Umwälzung bezüglich Weltanschauung, Politik und Kunst in der Gesellschaft. So rückten im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung, Naturwissenschaften durch Erkenntnisse von beispielsweise Newton oder Kepler deutlich in den Vordergrund und das Verständnis von natürlichen Zusammenhängen breitete sich bis in die geistige Welt aus, was als Zuwendung zum Verstand als Idealbild diente und die Abkehr vom Aberglauben mit sich zog.15

Haydn war dabei den geistigen Strömungen seiner Epoche zum einen unterworfen, bestimmte sie zum anderen aber auch mit. Die folgende Abkehr von aufklärerischen Idealen wie der Strenge und Vernunft im Sturm und Drang, mit Hinwendung zu gefühlsgeleiteten Wesenszügen, stellte eine „Rückkehr zur Natur“16 dar.

Um 1780 verschwand der revolutionäre Charakter schließlich allmählich, bildete jedoch den Grundstein einer neuen Welt- und Kunstanschauung, bei welcher in der Klassik die Ideen der Aufklärung und des Sturm und Drangs durch eine Ausgeglichenheit von Form und Inhalt, sowie Vernunft und Gefühl, miteinander verschmolzen. Ende des 18. Jahrhunderts begann schließlich das Zeitalter der Romantik zu folgen, welches Haydn in seinen letzten Lebensjahren ebenfalls mitbekam. Somit nahm Haydn mit seinem Schaffen an allen großen geistesgeschichtlichen Strömungen des 18. Jahrhunderts Anteil, was auch seiner „genialen Emeuerungsfähigkeit“ Ausdruck verleihen konnte.17 Karl Geiringer geht hier sogar noch weiter, in dem er konstatiert, dass Haydn sich schließlich vom Rokokostil ab und der Empfindsamkeit zuwandte, jedoch ebenfalls noch auf Ausdrucksmittel der Barockzeit zurückgriff.18 Des Weiteren fügt er hinzu, dass Joseph Haydn als Gegenpol zur düsteren Leidenschaftlichkeit des Sturm und Drang ,,[...] von einem gewissen Humor ergriffen [wird], der sich nicht bändigen lässt.“19

Auch Nassauer stellt heraus, dass Haydn zwar bewusst im Sinne des aufklärerischen Zeitgeistes komponierte, gleichzeitig jedoch versuchte, Witz in seine Kompositionen zu bringen, worunter man ein geistreich elegantes Spiel mit musikalischen Ideen und Gedanken, sowie deren Entfaltung und Verarbeitung verstand. „Dabei galt es, scharfsinnig und voller Subtilität mit der Hörerwartung des erfahrenen Hörers zu spielen.“20

Haydn konzipierte seine Werke gleichermaßen für Kenner wie für Liebhaber und war sich seines Titels des „Originalitätsgenies“ durchaus bewusst. Wer im ausgehenden 18. Jahrhundert Erfolg haben wollte, musste den Ansprüchen eines solchen Originalitätsgenies gerecht werden und die naturhafte Gabe besitzen, unverwechselbare musikalische Gestaltungen hervorzubringen, sowie sie auf eine einzigartige, vorbildliche Weise zu entfalten, sodass es unmöglich war, diese erfolgreich zu kopieren oder nachzuahmen.21 Nach diesen Ansprüchen führte Joseph Haydn im Hinblick auf sein Zeitalter seine Arbeit aus und nutze dabei den Witz und Humor in seiner Musik als originelle Eigenschaften für seine Unverkennbarkeit.

3. Witz und Humor in klassischer Musik

Der Begriff des Komischen wurde erst gegen Ende der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von der Komödie abgetrennt und für die ästhetischen Phänomene des Lustigen und Lächerlichen allgemein verwendet. Dabei entstanden starke Diskussionen zur Machart und Wirkung musikalischer Komik und die Frage nach der Bedeutung des Musikalisch-Komischen wurde zunächst im Bezug auf Vokalwerke diskutiert.22 Mit der komischen Oper hatte sich eine Gattung herausgebildet, die sehr populär wurde und mit ihren kompositionstechnischen Neuerungen die Musikästhetik zur Stellungnahme herausforderte. Dabei entstand viel Kritik an Zweideutigkeiten, an Effekthascherei sowie an der Bedachtheit in der Musik. Über die Komik des Librettos und der szenischen Darstellung hinaus wurde jedoch schließlich auch der Musik eine eigenständige Funktion bei der Erzeugung komischer Effekte zugesprochen.23 Seit Beginn des 19. Jahrhunderts zählen daher vor allem Regelabweichungen und die Verbindung ungleicher Teile zum Instrumentarium des musikalisch Komischen.

Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen für jede Gattung wird bei der Erforschung musikalischer Komik in reine Instrumentalmusik, Programmmusik und textgebundene Vokalmusik unterschieden.

Anders als bei der programmatischen und textgebundenen Musik bietet die reine Instrumentalmusik keinen Bezug zu außermusikalischen Gegenständen, die Anhaltspunkte für komischen Wirkungen liefern könnten. Die sprachliche Komik (wie z.B. Wortwitze), sowie handlungsbedingte Situationskomik wie im Theater, bleiben der Instrumentalmusik daher verwehrt.24 Der Musik, die das Erleben des Subjekts auf ganz besondere Weise in Anspruch nimmt, eröffnet sich jedoch eine Vielfalt von anderen Möglichkeiten, die Zuhörer durch Witz und Humor zu erheitern. Sowohl der zeitliche Verlauf musikalischer Kunstwerke, als auch die Möglichkeit, gleichzeitig mehrere Klangschichten miteinander zu verknüpfen, können für komischen Wirkungen in der Musik genutzt werden. Jedoch entwickelt sich nicht nur die Instrumentalmusik, sondern auch die Sprache in einem zeitlichen Verlauf und ist wie die Musik in der Lage, Erwartungen hervorzurufen, die durch den tatsächlich folgenden Fortgang getäuscht werden können.25

Im Laufe der Musikgeschichte haben sich Kompositionsnormen herausgebildet, die als Idealtypen anerkannt wurden - hierunter fallen beispielsweise Regeln der harmonischen, rhythmischen und metrischen Fortführung in einer Komposition. Mit dem Bewusstsein über diese Regeln kann ein bestimmter musikalischer Fortgang etwa der Kadenzbildung und der metrischen Symmetrie vom geschulten Hörer erwartet werden.26 Auch musikalische Formprinzipien sind geeignet, Erwartungen im Bezug auf den satztechnischen Fortgang zu wecken.

Mit der Voraussetzung solcher Erwartungen an ein Stück kann der Komponist sich leicht einen Scherz erlauben, indem er seine Hörer durch beispielsweise einen unerwarteten satztechnischen Fortgang in die Irre führt und ihnen so die eigene Begrenztheit im Bezug auf Regelwerke und Normen bewusst macht.27 Raffinierte Spielformen des Humorvoll-Heiteren können so auch als Kritik an ästhetischen Konventionen, wie die Dynamik, den Rhythmus, das Tempo, die Harmonie, die Melodie, die Satztechnik, die Form oder die Instrumente betreffende, gesehen werden.28 Nicht jede unerwartete Fortführung eines Stücks löst dabei jedoch unweigerlich eine komische Wirkung hervor - eine solche Überraschung kann ebenso als Schock erlebt werden. Michael Stille stellt daher heraus, dass eine heitere Grundstimmung des Werkes notwendig ist, damit ein Überraschungseffekt den Hörer zum Schmunzeln, Lächeln oder sogar Lachen bringen kann.29

Bei humorvollen Kompositionen muss deshalb zielgerichtet der Erwartungshorizont der Hörer mit einbezogen werden, denn wenn der Hörer den Ausbruch aus der Regelwelt nicht bemerkt, wird er den Humor auch nicht verspüren können. Im Ausbruch aus dem Regelwerk der Musik darf jedoch nicht etwa eine Unvollkommenheit entstehen, die dem Werk durch den Versuch des Einbezugs von Humor seinen Kunstwerkcharakter entziehen würde. Es muss vielmehr eine „Rekonstitution“ des traditionellen Kunstwerks stattfinden und das Humoristische als Kategorie des Ästhetischen verstanden und gestaltet werden, stellen Stephan Diedrich und Ute Jung-Kaiser heraus.30

Neben Joseph Haydn gilt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders Carl Ditters von Dittersdorf als Meister musikalischer Komik. Für das Hervorrufen einer derartigen Komik im 19. Jahrhundert kann der Komponist Charles Valentin Alkan als Beispiel dienen.

3.1 Definitionen des Komischen in der Musik

Um das Vorkommen von Witz und Humor in der Musik heraussteilen zu können, müssen erst einmal die Eigenschaften und Merkmale dieses Phänomens definiert sein. Hierzu habe ich Auffassungen und Erläuterungen von verschiedenen Autoren zu dem Thema herangezogen, die ich nun im Folgenden genauer vorstellen will.

Dabei möchte ich zu aller erst die Beobachtung Steven Pauls einbringen, dass bei der Unterscheidung zwischen Witz und Humor auch zwischen Vokal- und Instrumentalmusik unterschieden werden müsse. Bei Ersterem sei die Komik abhängig vom Text oder Libretto, sowie der Dramatik der Situation; bei Zweiterem basiere sie auf Methoden, welche mit den abstrakten Möglichkeiten der Hörerwartungen spielen und durch musikalische Sprache wie Kadenzen, Wendungen oder Endungen, sowie Tonmalerei zum Ausdruck kommen würden.31 Michael Stille stellt in seiner Literatur zu „Möglichkeiten des Komischen in der Musik“ heraus, dass Kriterien, die ein Objekt als komisch ausweisen, schwer feststellbar sind, da sie stark mit der subjektiven Wahrnehmung von Menschen verbunden sind. Er unternimmt dennoch den Versuch einer Definition und beschreibt das Komische darin als einen Gegenstand, der uns zum Lächeln oder Lachen anreizt, und dessen ästhetische Qualität in Vorführungen oder Kunstwerken zum Ausdruck kommt.32

Stephan Diedrich und Ute Jung-Kaiser gehen noch einen Schritt weiter, indem sie zwar bestätigen, dass Humor musikimmanent bzw. objektiv schwer zu definieren ist, jedoch hervorheben, dass er sich am leichtesten an eben genau der subjektiven Reaktion des Hörers messen lässt. Auch Stille plädiert über theoretische Untersuchungsmethoden hinaus auch für empirische Untersuchungen der Wirkung musikalisch-komischer Kompositionen beim Publikum. Friederike Wißmann konstatiert ebenfalls, dass für die Musik in besonderem Maße gelte, dass das Lachen an die subjektiven Voraussetzungen und Erfahrungen des Rezipienten gekoppelt sei. Wer nicht weiß, was die Norm ist, könne sich auch nicht über Varianten oder Normverletzungen wundern, bzw. überrascht werden, weshalb jedes komische Ereignis an seinen historischen Ort wie an sein soziokulturelles Umfeld gebunden ist.33 Durch die Abhängigkeit des Humors von der subjektiven Wahrnehmung der Hörer stellen Zeitgeist, Bildung, Erwartungshaltung und musikalische Sozialisation also bedingende Faktoren für diesen dar.34

Andreas Ballstaedt führt in seiner Lektüre zu „Humor“ und „Witz“ in Joseph Haydns Musik zwei Definitionsaspekte Zofia Lissas für Bedingungen des Komischen in der Musik auf: Den in einem Phänomen vorkommende Kontrast bzw. die Gegensätzlichkeit, sowie die Überraschung, Verblüffung und Verwunderung beim Rezipienten.35

Beschreibungsworte wie Spaß, Scherz, das Komische, Laune, Witz, Humor, oder wit seien dabei Begriffe, die nicht besonders streng oder allgemeinverbindlich voneinander abgegrenzt würden. Ballstaedt stellt demnach eine Uneinheitlichkeit, Unschärfe und Widersprüche in der Verwendung der Begriffe heraus.36

Als Definition von Humor geht er auf die ursprüngliche, aus der Humorallehre stammende Bedeutung des Temperaments (humor = Feuchtigkeit, Flüssigkeit, Saft) zurück, zeitgemäßer gefasst als Charaktereigenschaften (angeboren oder situationsbedingt). Der Humor sei eine menschliche Eigenschaft, die im 17. Jahrhundert im Sinne einer Stimmung, Gesinnung oder Laune angesehen wurde.37 Auch im 18. Jahrhundert war die Definition von Humor als Laune noch weit verbreitet und wurde nicht zwangsmäßig mit Heiterkeit in Verbindung gebracht. Ballstaedt verdeutlicht jedoch, wie eine übertriebene Laune auch lächerlich und somit belustigend sein kann, und wie sich die Konnotation des Begriffs Stück für Stück verändern konnte.38

In „Haydns Humor im Diskurs der Aufklärung“ gibt Ulrich Tadday wieder, dass Jean Pierre 1804 zum ersten Mal philosophisch den Humor als eine Widersprüchlichkeit des modernen Bewusstseins bezeichnete. Hierbei geht er auch auf den Begriff des „Welthumors“39 ein.

Auch der Begriff des Witzes hatte im 16. Jahrhundert im Englischen seine Bedeutung im Bereich des Verstandes, der Klugheit, der Erfahrung und des Wissens; ebenfalls wurde der Begriff im Deutschen bis ins 17. Jahrhundert ausschließlich im Sinne von Verstand kommuniziert. Im Laufe des 18. Jahrhunderts ging diese Bedeutung allmählich zu der des „Geistes“ über und wurde im Sinne einer scharfsinnigen, klugen und geistreichen Aussage gebraucht.40 Schließlich stand Witz für Vielfältigkeit, Unterhaltsamkeit, das Zusammenbringen von Gedanken, die scheinbar widersprüchlich sind, Schnelligkeit, sowie Überraschung.

[...]


1 Vgl. Ballstaedt, Andreas: „Humor“ und „Witz“ in Joseph Haydns Musik, in: Archiv für Musikwissenschaft, Hans Heinrich Eggebrecht(Hg.), Stuttgart, 1998, S.195.

2 Vgl. Paul, Steven E.: Comedy, Wit and Humour in Haydn's Instrumental Music, in: Haydn studies, Proceedings of the International Haydn Conference, Washington D.C., 1975, S. 450.

3 Vgl. Geiringer, Karl: Die Großen Meister der Musik, Joseph Haydn, 1980, S. 1-5.

4 Ebd..

5 Vgl. Nassauer, Bianca: „Wenn Haydn auf die Pauke haut...“ Zum musikalischen „Wiz“ im Andante der Sinfonie Nr. 94, in: Jung-Kaiser, Ute/ Diedrich, Stephan (Hg.): Musikalischer Humor als ästhetische Distanz? 15. Internationaler Kongress fürMusikforschung, Symposia, Band 1, Göttingen, 2015, S.139.

6 Vgl.ebd., S.140.

7 Vgl.ebd., S.141.

8 Vgl.ebd., S.139-142.

9 Vgl. ebd..

10 Vgl. Geiringer, Karl: JosephHaydn, Der schöpferische Werdegang eines Meisters der Klassik, Mainz, 1986, S.340.

11 Ebd., S.342.

12 Vgl. Ballstaedt, Andreas: „Humor“ und „Witz“ in Joseph Haydns Musik, in: Archiv für Musikwissenschaft, Hans Heinrich Eggebrecht(Hg.), Stuttgart, 1998, S.195.

13 Vgl. Geiringer, Karl: JosephHaydn, Der schöpferische Werdegang eines Meisters der Klassik, Mainz, 1986, S.343.

14 Vgl. Stille, Michael: Europäische Hochschulzeitschriften: Möglichkeiten des Komischen in der Musik, FrankfurtamMain, 1990, S.102.

15 Vgl. Geiringer, Karl: Die GroßenMeister der Musik, Joseph Haydn, 1980, S. 1-5.

16 Ebd., S. 2.

17 Vgl. Ebd..

18 Vgl. Geiringer, Karl: JosephHaydn, Der schöpferische Werdegang eines Meisters der Klassik, Mainz, 1986, S.340.

19 Ebd., S.343.

20 Nassauer, Bianca: „Wenn Haydn auf die Pauke haut...“ Zum musikalischen „Wiz“ im Andante der Sinfonie Nr. 94, in: Jung-Kaiser, Ute/ Diedrich, Stephan (Hg.): Musikalischer Humor als ästhetische Distanz? 15. IntemationalerKongressfür Musikforschung, Symposia, Band 1, Göttingen, 2015, S.144.

21 Vgl. ebd..

22 Wißmann, Friederike: Närrisches und Abseitiges. Musikästhetische Fragen an Joachim Ritters Überlegungen zum Lachen, in: Jung-Kaiser, Ute/ Diedrich, Stephan (Hg.): Musikalischer Humor als ästhetische Distanz? 15. IntemationalerKongress für Musikforschung, Symposia, Band 1, Göttingen, 2015, S.20.

23 Vgl. Stille, Michael: Europäische Hochschulzeitschriften: Möglichkeiten des Komischen in der Musik, Frankfurt am Main, 1990, S.24.

24 Vgl. ebd., S. 75.

25 Vgl. ebd., S. 85.

26 Vgl. ebd., S.81.

27 Vgl. Wißmann, Friederike: Närrisches und Abseitiges. Musikästhetische Fragen an Joachim Ritters ÜberlegungenzumLachen, in: Jung-Kaiser, Ute/Diedrich, Stephan (Hg.): Musikalischer Humor ais ästhetische Distanz? 15. IntemationalerKongress für Musikforschung, Symposia, Band 1, Göttingen, 2015, S. 24.

28 Vgl. Jung-Kaiser, Ute/ Diedrich, Stephan (Hg.): Musikalischer Humor als ästhetische Distanz? 15. IntemationalerKongressfür Musikforschung, Symposia, Band 1, Göttingen, 2015, S.13.

29 Vgl. Stille, Michael: Europäische Hochschulzeitschriften: Möglichkeiten des Komischen in der Musik, FrankfurtamMain, 1990, S.82.

30 Vgl. Jung-Kaiser, Ute/ Diedrich, Stephan (Hg.): Musikalischer Humor als ästhetische Distanz? 15. IntemationalerKongressfür Musikforschung, Symposia, Band 1, Göttingen, 2015, S.ll.

31 Vgl. Paul, Steven E.: Wit and Humor in the Operas ofHaydn, in: Joseph Haydn, Bericht über den intemationalenJosephHaydn Kongress, Hamburg, 1982, S.387.

32 Vgl. Stille, Michael: Europäische Hochschulzeitschriften: Möglichkeiten des Komischen in der Musik, FrankfurtamMain, 1990, S.13.

33 Vgl. Wißmann, Friederike: Närrisches und Abseitiges. Musikästhetische Fragen an Joachim Ritters ÜberlegungenzumLachen, in: Jung-Kaiser, Ute/Diedrich, Stephan (Hg.): Musikalischer Humor ais ästhetische Distanz? 15. IntemationalerKongress für Musikforschung, Symposia, Band 1, Göttingen, 2015, S. 18.

34 Vgl. Jung-Kaiser, Ute/ Diedrich, Stephan (Hg.): Musikalischer Humor als ästhetische Distanz? 15. IntemationalerKongressfür Musikforschung, Symposia, Band 1, Göttingen, 2015, S.12.

35 Vgl. Ballstaedt, Andreas: „Humor“ und „Witz“ in Joseph Haydns Musik, in: Archiv für Musikwissenschaft, Hans Heinrich Eggebrecht(Hg.), Stuttgart, 1998, S.196.

36 Vgl. ebd., S.200.

37 Vgl. ebd., S.201.

38 Vgl. ebd., S.202.

39 Tadday, Ulrich: Haydns Humor im Diskurs der Aufklärung. In: Geck, Martin: Festschrift zum 65. Geburtstag, Dortmund, 2001, S.203.

40 Vgl. Ballstaedt, Andreas: „Humor“ und „Witz“ in Joseph Haydns Musik, in: Archiv für Musikwissenschaft, Hans Heinrich Eggebrecht(Hg.), Stuttgart, 1998, S.203.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Witz und Humor in den Werken Joseph Haydns. Analyse anhand einiger Beispiele
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
32
Katalognummer
V985253
ISBN (eBook)
9783346343864
ISBN (Buch)
9783346343871
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Joseph Haydn, Musik, Klassik, Witz und Humor
Arbeit zitieren
Marie Tauermann (Autor:in), 2018, Witz und Humor in den Werken Joseph Haydns. Analyse anhand einiger Beispiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/985253

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