Postpartale psychische Störungen


Hausarbeit, 1999

28 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Gliederung:

Einleitung

I. weibliche Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, vor allem unter Berücksichtigung der hormonellen und psychischen Veränderungen:

1. Menstruationszyklus

2. Schwangerschaft

3. Geburt

4. Wochenbett

5. postpartum blues

6. psychische Anpassungsleistung der Mütter im Wochenbett

7. Forschungsinteressen im Zusammenhang mit postpartum blues

II. postpartale psychische Erkrankungen:

1. Bezeichnungsmöglichkeiten postpartaler Störungsbilder

a) hinsichtlich ihrer Ursache

b) hinsichtlich typischer Störungsmuster

c) hinsichtlich der Entstehung im Wochenbett

2. milde-mittelschwere depressive Störungsbilder im Wochenbett

2.1. postpartale Erschöpfungsdepression

2.2. allgemeine Überlegungen zum Konzept Erschöpfungsdepression

III. postpartale psychiatrische Erkrankungen:

1. Wochenbettpsychosen

1.1. körperlich begründbare Wochenbettpsychosen

1.2. endogene Wochenbettpsychosen

2. einige historische Gedanken zu Wochenbettpsychosen

3. endogene Wochenbettpsychosen

3.1. amentielle und schizo-affektive Psychosen im Wochenbett

3.2. endogene Depression im Wochenbett

Einleitung:

Wenn Frau und Mann ein Kind gezeugt haben, sind die nachfolgenden Monate bis zur Entbindung meist angefüllt mit Freuden und Sorgen, Ängsten und Hoffnungen und Vorbereitungen für das erwartete Kind.

Für jede Frau ist das Mutterwerden eine Herausforderung, eine einmalige und individuelle Erfahrung und eine einzigartige Leistung, für die ihr vor allen Dingen Verehrung und Anerkennung gebührt. Das eine Herausforderung zu einer individuellen Krise führen kann, erwartet man normalerweise nicht von einem so positiv besetzten Ereignis, wie der Geburt eines Kindes.

Anscheinend entwickeln Frauen während der Schwangerschaft einen besonderen Schutz gegen psychische Störungen, wogegen Frauen nach der Entbindung besonders anfällig für psychische Störungen zu sein scheinen ( Huhn & Drenk 1973 ).

Das Postpartum, die nachgeburtliche Phase der Mutter, ist eine Zeit vielfältiger körperlicher und psychischer Veränderungen für die Frau. Dieser Zeitraum, nach der Geburt der Plazenta bis zur vollständigen körperlichen Rückbildung der Veränderungen am weiblichen Körper durch Schwangerschaft und Geburt, dauert ca. 6 - 8 Wochen und wird in der Medizin Puerperium oder Wochenbett genannt. Und traditionsgemäß werden Frauen in dieser Zeit als Wöchnerinnen bezeichnet.

Es gibt unterschiedliche psychische Störungen, die Frauen im Wochenbett entwickeln können. Diese werden zusammengefaßt als postpartale psychische Störungen bezeichnet, wobei sich diese Bezeichnung nicht auf ein zugrundeliegendes einheitliches postpartales Störungsmuster bezieht, sondern auf den Zeitraum, in dem die Störung sich entwickelt.

Denn gerade einige der postpartalen Störungsbilder sind besonders durch ihre Symptomvielfalt und Wandelbarkeit augenfällig, wogegen sich andere anscheinend nicht von psychischen Störungen zu anderen Zeitpunkten, unabhängig von Schwangerschaft und Geburt, unterscheiden.

In der neueren Literatur zu diesem Thema findet man häufig die Einteilung postpartaler psychischer Störungen in postpartale Depression und Wochenbettpsychosen.

Weiterhin gibt es die Einteilung postpartaler psychischer Störungen auf der Grundlage diagnostischer Kriterien des ICD-10 ( 1992 ) oder DSM-IV ( 1994 ). Diese Diagnosen werden von Psychiatern und Psychologen in den Kliniken erstellt, in denen die betroffenen Patientinnen behandelt werden.

Strittig bleibt die Frage, ob postpartale psychische Störungen hauptsächlich durch Geburt und Mutterschaft verursacht werden, oder ob Geburt und Mutterschaft als auslösende Faktoren einer psychischen Störung wirken, die auch unabhängig von der Entbindung zu einem anderen Zeitpunkt in Erscheinung getreten wäre. Bei der Betrachtung dieser Fragen muß unbedingt zwischen einzelnen klinischen Störungsbildern differenziert werden.

Ein allgemeiner Konsens herrscht aber darüber, daß die Geburt eines Kindes mit den sich vollziehenden körperlichen und vor allem hormonellen Veränderungen, in jedem Fall als mitwirkender Faktor berücksichtigt werden sollte.

Meine Arbeit nimmt darum ihren Anfang bei den hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Anschließend beschreibe ich Stimmungsschwankungen bei Wöchnerinnen um den 3. - 5. Tag nach der Entbindung, die gewöhnlich als postpartum blues bezeichnet werden.

Danach wende ich mich den eigentlichen postpartalen psychischen Störungsbildern zu. Dazu gehören die bei Frauen wohl am häufigsten in Erscheinung tretenden postpartalen depressiven Erschöpfungszustände von mild - moderat. Hier zeigt sich die depressive Antriebsminderung vor allem in gestörten Vitalgefühlen.

Im Anschluß beschreibe ich ein selteneres, durch die Schwere der depressiven Erkrankung charakteristisches klinisches Bild, das traditionell als endogene Depression bezeichnet wird und den Wochenbettpsychosen zugeordnet werden kann.

Und weiterhin ein als typisch geltendes Störungsmuster, welches ebenfalls zur Gruppe der Wochenbettpsychosen gehört, Psychosen mit amentieller Symptomatik ohne organischen Befund.

Meine Arbeit stützt sich hauptsächlich auf Literatur und vereinzelte Gespräche mit Hebammen, Psychiatern und betroffenen Frauen. Allen Gesprächspartnern möchte ich für ihre Auskunftsbereitschaft und Hilfe danken.

Besonders möchte ich hervorheben, daß ich durch Fiona Shaw überhaupt erst angeregt wurde, über dieses Thema so intensiv nachzudenken. In ihrem Buch „Zeit der Dunkelheit“, berichtet Fiona Shaw ( 1998 ) über die Zeit ihrer postpartalen Depression und ihren Versuch, ihre Erkrankung zu bewältigen und zu verstehen.

Meine Idee bei dieser Arbeit war es, den klinischen Bildern postpartaler psychischer Störungen auch ein individuelles Gesicht zu geben, denn hinter allen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten in diesem Bereich steht ja das Schicksal von Frauen, von Männern und Kindern und von Familien, die alle auf ihre Weise versuchen, mit diesen Erfahrungen weiterzuleben.

I. weibliche Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, vor allem unter Berücksichtigung der hormonellen und psychischen Veränderungen

Der allmonatliche Zyklus der weiblichen Fruchtbarkeit wird vor allem vom Hypothalamus aus, unter Beteiligung der Hypophyse und der Eierstöcke, gesteuert.

Der Hypothalamus besteht aus Ansammlungen von Nervenzellen im Gehirn ( Nervenkerne ) und ist neben anderen Gehirnstrukturen Bestandteil des limbischen Systems, einem phylogenetisch alten, dem Archipallium zugehörendem funktionellen System. Das limbische System steuert den Ausdruck des Erlebens und die affektive Färbung von Empfindungen im Zusammenhang mit vegetativen Funktionen und Gedächtnisfunktionen.

Über den Hypophysenvorderlappen ( HVL ) steuert der Hypothalamus die Ausschüttung von Hormonen an den endokrinen Drüsen ( Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Eierstöcke, Nebennierenrinde ), die wichtige vegetative Funktionen, wie Schlaf, Wasserhaushalt, Körpertemperatur, Nahrungsaufnahme, Stoffwechsel, Herz-Kreislaufgeschehen und Sexualfunktionen regulieren.

Weiterhin befindet sich im Hypothalamus das Steuerzentrum für die Produktion von Hormonen, die für Eisprung ( Ovulation ) und Menstruation verantwortlich sind.

Hormone sind chemische Botenstoffe des Organismus. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Hormonen, die jeweils einige wenige Aufgaben innehaben, aber von vielen Faktoren beeinflußbar sind.

Die Wissenschaftler, die das Hormonsystem erforschen ( Endokrinologen ), haben längst nicht alle Hormone, die im menschlichen Organismus wirken, entdeckt. Bei der Beschäftigung mit diesem Thema kann man immer wieder staunen, welche weitreichenden körperlichen und psychischen Wirkungen ein winziger Baustein, wie ein bestimmtes Hormon, im Organismus auslöst und wie die einzelnen Bausteine in einem kompliziert erscheinenden System ganz selbstverständlich für die Aufrechterhaltung der menschlichen Lebensfunktionen sorgen.

1. Menstruationszyklus:

Im weiblichen Organismus sind spezielle Hormone für Menstruation und Schwangerschaft verantwortlich.

Spezifische Nervenzellen in den hypothalamischen Kerngruppen sind in der Lage, Gonadotropin-Releasing oder Gonadotropin-Inhibiting-Hormone zu produzieren. Diese gelangen über die Verbindungsleitungen zwischen den Nervenzellen in den Hypophysenvorderlappen ( HVL ), und Releasing-Hormone können dort die Ausschüttung gonadotropiner Hormone bewirken, wogegen Inhibiting-Hormone diese Ausschüttung hemmen. Dadurch wird die Ausschüttung und Neusynthese der beiden gonadotropinen Hormone FSH ( Follikelstimulierendes Hormon ) und LH ( Luteinisierendes Hormon ) im HVL gesteuert.

Von der Hypohyse aus bringt der Blutstrom das FSH in die Eierstöcke, wo es bewirkt, daß einer von vielen unreifen Follikeln im Eierstock heranreift. Außerdem regt das FSH die Eierstockzellen zur Bildung des Hormons Östrogen an, das über das Blut in die Gebärmutter gelangt und dort das Wachsen der Gebärmutterschleimhaut bewirkt.

Das LH gelangt ebenfalls in die Eierstöcke und bewirkt dort, das der reife Follikel platzt und die befruchtungsfähige Eizelle freisetzt.

An der Stelle des geplatzten Follikels werden durch die Wirkung des LH Zellen gebildet, die Progesteron produzieren ( Corpus luteum / Gelbkörper ).

Ca. 12 - 14 Tage nach dem Eisprung kommt es bei ausgebliebener Befruchtung zur Rückbildung des Corpus luteums. Dadurch nimmt die Progesteronkonzentration ab, und es kommt zur Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut und zur Menstruationsblutung.

Die Konzentration von Östrogen und Progesteron ist während der unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklusses unterschiedlich hoch.

Der Rhythmus der Freigabe des Gonadotropin-Releasing-Hormons ( GnRH ) im Hypothalamus wird auch durch die unterschiedliche Konzentration dieser beiden Geschlechtshormone gesteuert, d.h. Östrogen und Progesteron können auf die ihnen übergeordneten Substanzen zurückwirken und somit einen selbstorganisierten Steuerkreislauf bewirken: GnRH stimuliert die Ausschüttung von FSH und LH. FSH stimuliert die Östrogenproduktion und LH die Progesteronproduktion. Hohe Östrogendosen können z.B. auf den Hypothalamus zurückwirken und die GnRH Ausschüttung hemmen.

Auf die GnRH produzierenden Nervenzellen im Hypothalamus wirken neben Östrogen und Progesteron auch Katecholamine, Neuropeptide und endogene Opiate, wie Dopamin, Serotonin, Noradrenalin.

Auch die Geschlechtshormone stehen mit zahlreichen anderen Hormonsystemen in Verbindung und beeinflussen sich gegenseitig.

Dadurch wird der Menstruationszyklus von körperlichen Vorgängen, wie z.B. Erkrankungen oder Überbelastung und von psychischen Vorgängen, wie z.B. belastende Erfahrungen oder seelische Probleme mit beeinflußt und wirkt durch unterschiedliche hohe Hormonkonzentra- tionen in den verschiedenen Zyklusphasen selber auch auf körperliche und psychische Prozesse zurück.

2. Schwangerschaft:

Wenn Frau und Mann ein Kind gezeugt haben, beeinflußt die befruchtete Eizelle schon binnen weniger Stunden die Hormonsituation. Über Hormonsignale bewahrt sie das Corpus luteum vor dem Absterben und hält somit die Progesteronproduktion aufrecht, wodurch das Abstoßen der Gebärmutterschleimhaut verhindert wird.

Anfangs erfolgt die Produktion von Progesteron und Östrogen noch im Corpus luteum, doch im Verlaufe der Schwangerschaft gehen Hormonproduktion und - steuerung allmählich auf die mütterliche Plazenta und den Fötus über.

Die Zyklussteuerfunktion des Hypothalmus kommt während der Schwangerschaft zum Erliegen.

Typische, von der Plazenta produzierte Hormone, die normalerweise nur in der Schwangerschaft gebildet werden, sind das humane Choriongonadotropin ( HCG ) und das humane Plazentalaktogen ( HPL ). Das HCG ist vor allem für die Erhaltung des Corpus luteums und Verhinderung der Menstruationsblutung verantwortlich und das HPL wirkt u.a. entzündungshemmend, regt das Wachstum der Milchdrüsen an und ist mit für die Milchproduktion verantwortlich.

In der Plazenta werden allmählich auch die anderen Hormone gebildet, vor allem die Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron, deren Konzentration während der Schwangerschaft beständig ansteigt.

Östrogene sind für die Bindegewebeauflockerung verantwortlich, haben ebenfalls entzündungshemmende Wirkung und beeinflussen die Körperwasserzunahme und Gefäßerweiterung.

Progesteron wird als eigentliches Schwangerschaftshormon angesehen, weil es auf vielfältige Art und Weise generell im Sinne der Erhaltung der Schwangerschaft wirkt, z.B. durch die Ruhigstellung ( Relaxation ) der glatten Muskulatur im Uterus bis zum Geburtstermin.

Ein anderes Hormon, das während der Schwangerschaft vermehrt von der Hypophyse ausgeschüttet wird, ist Prolaktion. Es ist für die Vorbereitung der Brust auf die Milchproduktion ( Laktation ) verantwortlich.

Diese beispielhaft vorgestellten Hormone dienen der Anpassung des weiblichen Körpers an die Schwangerschaft und Vorbereitung auf die Mutterschaft und beinflussen in diesem Sinne wahrscheinlich auch die Stimmungslage der schwangeren Frauen.

Die hormonellen wie auch körperlichen Veränderungen während der 37 - 40 Schwanger- schaftswochen gehen allmählich von statten.

3. Geburt:

Nach 37 - 40 Wochen ist das Kind im Uterus ungefähr 52 cm lang und hat ein Gewicht von ca. 3400 g. Warum nach diesen 280 Tagen die Geburt ausgelöst wird und welche Faktoren in welcher Reihenfolge die Geburt auslösen, ist noch nicht vollständig geklärt.

Aber auch hier scheinen Hormone die entscheidende Rolle zu spielen.

Man vermutet als geburtsauslösenden Faktor eine steigende Kortisolproduktion der Nebennieren des Fötus, die durch ein Signal der Hypothalamus-Hypophysen-Verbindung des Fötus ausgelöst wird und wiederum eine veränderte Produktion von Geschlechtshormonen und die Oxytocinsensibilisierung bewirkt und weitere, noch nicht bekannte Veränderungen

( Dudenhausen & Schneider 1994 ).

Die Ruhigstellung der glatten Muskulatur im Uterus wird aufgehoben und die Kontraktionen der Uterusmuskulatur ( Wehen ) führen zur Öffung des Muttermundes. Diese Eröffnungsphase kann unterschiedlich lange dauern, der Muttermund muß sich ca. 8 - 12 cm öffnen, damit der Kopf des Kindes hindurchpaßt. Es ist vor allem diese Phase, die von vielen Frauen als besonders schmerzhaft erlebt wird, wenn Wehen in kurzen Abständen mit starken, krampfartigen Schmerzen 1 - 2 Minuten andauern und kaum eine Entspannungsphase vor der nächsten Wehe bleibt.

Wenn der Muttermund nahezu geöffnet ist, springt bei regelrechtem Verlauf die Fruchtblase. Während der Austreibungsperiode gelangt das Kind in das mütterliche Becken, und wenn sein Kopf auf dem Beckenboden angekommen ist, löst sein Druck auf den mütterlichen Enddarm den Drang zum Pressen aus. Mit den Preßwehen rutscht das Kind immer tiefer und dehnt dabei das Gewebe um Damm und Scheide.

Im Normalfall erscheint zuerst der Kopf des Kindes zwischen den Schamlippen. Dann dauert es nur noch wenige Preßwehen, bis das Kind geboren ist.

Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, sein Kind das erste Mal in den Armen zu halten. Manche Frauen spüren ihren Körper kaum noch, er scheint betäubt zu sein von den Anstrengungen der Geburt. Viele Frauen sind erschöpft, und so wird diese erste, lang ersehnte Begegnung ganz unterschiedlich erlebt.

Im Anschluß an die Geburt des Kindes erfolgt die Ablösung der Plazenta von der Gebärmutterwand. Durch das Zusammenziehen der Gebärmutterwand löst sich die Plazenta nach und nach ab und wird durch unterstützende Streichbewegungen des Geburtshelfers über die Bauchdecke mit bis zu einem Liter Blut aus der Scheide herausgedrückt.

4. Wochenbett:

Die Zeit nach der Geburt der Plazenta bis zur vollständigen Rückbildung der Veränderungen am weiblichen Körper durch Schwangerschaft und Geburt dauert ca. 6 - 8 Wochen und wird Wochenbett oder Puerperium genannt.

In dieser Zeit bilden sich Gebärmutter, Beckenboden, Bauchdecke, Blase, Darm, Wassereinlagerungen u.a. zurück.

Durch das Ausscheiden der Plazenta im Anschluß an die Geburt fallen die schwangerschafts- typischen Hormone HCG und HPL und das in der Plazenta produzierte Östrogen und Progesteron schlagartig aus. Der Östrogenspiegel sinkt ab und die Progesteronproduktion wird zeitweise eingestellt.

Die hormonelle Steuerung des Menstruationszyklusses geht wieder auf den Hypothalamus über, doch die Hypophyse reagiert vorübergehend nicht auf das hypothalamische GnRH. Die Produktion von LH mit seiner Wirkung auf die Eierstöcke wird zeitweise eingestellt und somit bleibt auch die Menstruationsblutung aus.

Nach dem Ausstoßen der Plazenta und dem drastischen Ausfall der plazentaren Geschlechtshormone, die die Milchproduktion während der Schwangerschaft gehemmt haben, wird die Milchsekretion in den Brustdrüsen jetzt angeregt.

Das Saugen des Neugeborenen an den Brustwarzen, was eine vermehrte Ausschüttung von Oxytocin in den Hypophysenhinterlappen ( HHL ) bewirkt und die Prolaktionproduktion im HVL sind für das Stillen entscheidende Voraussetzungen.

Im Anschluß an die Geburt führen Kontraktionen der Gebärmutter ( Wochenbettwehen ) und Reizwehen, die durch das Saugen an der Brust ausgelöst werden, zur Verminderung der Blutversorgung der Uterusmuskulatur, wodurch der Abbau von Muskelfasern in der Gebärmutter und die Ausstoßung des Wundsekrets ( Lochien ) aus der Gebärmutter unterstützt werden. In der Gebärmutter heilt die anfangs blutende, wundartige Fläche, von der sich die Plazenta gelöst hat, langsam ab. Zeichen dieser Wundheilung ist der Wochenfluß, der in den ersten 3 Tagen nach der Geburt sehr stark und blutig ist und in den folgenden 3 Wochen immer weniger wird und in einen weißen Wochenfluß übergeht.

Der Muskelabbau in der Gebärmutter und das Ausstoßen des Wundsekrets verursachen eine Gewichtsverminderung und Verkleinerung der Gebärmutter im Wochenbett von 1000 g auf 50 - 70 g.

Während des Wochenbettes kommt der monatliche Menstruationszyklus allmählich wieder in Gang. Bei stillenden Frauen setzt der steuernde Kreislauf zwischen Hypothalamus - HVL - Eierstöcke meist erst nach dem Abstillen wieder ein. Bis dahin bleibt dann die Menstruationsblutung aus.

Die Zeit des Wochenbettes ist eine Zeit der körperlichen Regeneration und eine Zeit des gegenseitigen Aufeinandereinstellens zwischen Mutter und Kind. Da viele Frauen ihr Kind in dieser Zeit voll stillen, benötigen sie Ruhe und Geduld, um einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Über das Saugen gibt das Kind wichtige Impulse an das mütterliche Hormonsystem. Der mütterliche Körper antwortet mit vermehrter oder verminderter Milchproduktion, aber auch die Zusammensetzung der Milch änderts sich im Laufe der Zeit und im Zusammenhang mit den kindlichen Botschaften.

Durch die Beschreibung der körperlichen, vor allem hormonellen Prozesse während Menstruation, Schwangerschaft und Wochenbett sollte ein Bild von den beeindruckenden Veränderungen vermittelt werden, zu denen der weibliche Organismus in der Lage ist.

Alle weiteren Ausführungen basieren auf der Annahme, daß Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett eine Zeit körperlicher und psychischer Veränderungen sind.

Die sich in dieser Zeit vollziehenden körperlichen Anpassungsprozesse wirken auf die psychischen Prozesse und führen zu Veränderungen im Denken, Fühlen und Verhalten, was sich z.B. in schwangerschaftsförderlichem Verhalten, Toleranz den körperlichen Veränderungen gegenüber, Bewältigung des Geburtserlebnisses und Übernahme der Fürsorge und Verantwortung für das neugeborene Kind zeigen kann.

Das auch die psychischen Vorgänge auf körperlichen Prozesse wirken, ist heute noch nicht so detailliert erforscht, wie die Wirkungsweise körperlicher Vorgänge auf die Psyche.

Der Idee der wechselseitigen Beeinflussung von Körper und Psyche wird in neuerer Zeit aber kaum noch widersprochen.

In den nun folgenden Ausführungen werden die psychischen Veränderungen, die das Wochenbett für Frauen mit sich bringt, stärker im Vordergrund stehen.

5. postpartum blues:

Ein für die erste Woche im Wochenbett charakteristisches psychisches Phänomen ist die zunehmende Sensibilität der Frauen um den 3. - 5. Tag nach der Geburt.

Die damit verbundenen Stimmungsschwankungen werden umgangssprachlich als Wochenbettblues bezeichnet.

In Englisch hat sich die Bezeichnung post partum blues ( Yalom et al. 1968 ) durchgesetzt. In einigen Zeitschriften findet man auch die Bezeichnung Heultag ( Derbolowsky 1980 ).

In der Literatur findet man übereinstimmend die Aussage, daß ca. ein Viertel bis die Hälfte aller Wöchnerinnen für einige Stunden, höchstens aber 1 - 2 Tage für den postpartum blues typische Verhaltensweisen zeigen oder körperliche Mißempfindungen erleben ( z.B. Dalton 1984, O’Hara et al. 1991 ).

Die Frauen sind emotional hoch empfindlich, Weinen, fühlen sich schwunglos und körperlich erschöpft, machen sich übertrieben scheinende Sorgen um ihr Kind, haben Angst davor, ihr Kind zu stillen oder zu windeln, haben das Gefühl, der Mutterrolle nicht gerecht zu werden, was bis zu schweren Selbstvorwürfen gehen kann. Plötzliche Stimmungsschwankungen von Ausgelassenheit und Beschwingtheit zu Weinen und Besorgtheit kommen in diesem Zusammenhang häufig vor und erscheinen dem Außenstehenden völlig grundlos ( Schorsch & Müller-Neff, 1968 ).

J.A. Hamilton ( 1962 ) fügt bei seiner ausführlichen Beschreibung dieses Phänomens noch Verwirrtheit, Vergeßlichkeit und Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Sorgen über körperliche Symptome und eine negative Haltung dem Partner gegenüber hinzu. Allgemein findet man oft den Hinweis, daß das grundlose in Tränen ausbrechen der Mütter ein sehr typisches Zeichen für den postpartum blues sei.

Bei genauerem Nachfragen und geduldigem Zuhören bringen die Frauen aber meistens ganz unterschiedliche Gründe für das Weinen hervor, z.B. die Häßlichkeit des Neugeborenen, zuviel oder zuwenig Beachtung seitens der Schwestern, wenn eine Zimmergenossin die Klinik verläßt, zu wenig Milch für das Baby, Erleichterung über die überstandene Geburt, das Gefühl, bei der Geburt versagt zu haben, Ängstlichkeit in bezug auf Kinderpflege und Stillen, die Behandlung des Säuglings während des Klinikaufenthaltes usw. ( Dalton 1984, Nicolson 1998 ).

Die meisten Frauen reagieren in dieser Zeit überempfindlich gegen kleine Zurückweisungen. Die postpartale Empfindlichkeit bleibt in der Regel auf die Dauer eines Tages beschränkt und klingt von selber ab, noch ehe die Frauen mit ihren Kindern die Klinik am 6. - 7. Tag verlassen. Als gesichert gilt, daß sich die hormonellen Veränderungen nach der Geburt auf die Befindlichkeit der Frauen auswirken, aber scheinbar nicht als alleiniger Faktor, sondern im Zusammenwirken mit Persönlichkeitsmerkmalen der Frauen und sozialen Faktoren ( Derbolowsky 1980 ).

6. psychische Anpassungsleistung der Mütter im Wochenbett:

An dieser Stelle ist es mir wichtig, die Bewältigung der veränderten Lebenssituation im Wochenbett als eine besondere psychische Anpassungsleistung der Frauen hervorzuheben und einige Überlegungen hierzu anzuführen.

Die Situation der Frau hat sich ja grundsätzlich dadurch geändert, daß sie jetzt Verantwortung für ihr neugeborenes Kind übernimmt, unabhängig davon, ob schon Kinder da sind, oder nicht. Um für ihr Kind zu sorgen, muß sie sich, gerade beim ersten Kind, von einem Teil der eigenen Kindheit verabschieden. Sie ist nicht mehr selber nur Kind, sondern auch Mutter. Das bedeutet auch den eigenen kindlichen Bedürfnissen wieder zu begegnen, Erinnerungen an die Fürsorge von Mutter und Vater, Trauer über unerfüllt gebliebene Wünsche und Erwartungen und die Auseinandersetzung mit der Vorstellung, wie man selber als Mutter sein möchte.

Mit dem Beginn der Mutterschaft ändert sich jede Facette des vorherigen Lebens. Dieser Veränderungsprozeß vollzieht sich zwar allmählich, aber die völlig veränderte Lebenssituation wird meist nach der Entbindung schlagartig bewußt.

Vor allem in den ersten Monaten nach der Geburt wird ein großer Teil an Autonomie durch Fürsorge für das Kind ersetzt. Dadurch verändert sich die Beziehung zum Partner, zur Freundin, zu Bekannten und auch die Beziehung zu sich selber.

Hinzu kommt, daß sich der weibliche Körper nach der Geburt oft völlig anders anfühlt, als vorher. Manche Frauen sind enttäuscht, daß sie nicht sofort ihre vorherige Figur zurückerlangen, daß sich plötzlich an den Hüften, am Po oder an den Schenkeln Rundungen abzeichnen, die länger bleiben. Daß sich mit Schwangerschaft und Geburt der Körper verändern wird, wissen die meisten Frauen. Wie sich der mütterliche Körper aber wirklich anfühlt, ist nicht vorherzusagen und das Annehmen und Akzeptieren dieser Veränderungen erfolgt in einem langfristigen Prozeß. Zumal ja zu Beginn des Wochenbettes noch gar nicht abzusehen ist, wie sich Stillen und Abstillen oder Nichtstillen auswirken werden.

Zusätzlich können Risse oder Schnitte im Scheiden - Dammbereich noch einige Zeit nach der Geburt Schmerzen beim Sitzen oder beim Toilettenbesuch bereiten, auch die Narbe einer Kaiserschnittgeburt verursacht Schmerzen usw.

Manche Frauen sind über die große Menge an Blut, die in den ersten Tagen nach der Entbindung aus der Scheide fließt, überrascht bis erschrocken.

Frauen die Stillen sind gerade anfangs über die Zunahme ihrer Brüste befremdet. Da sich die weiblichen Brustdrüsen auf die Menge der Milch, die das Neugeborene will, erst einstellen müssen, gehören Mütter mit zuviel oder zuwenig Milch zum Alltag der Wochenbettstationen. Dies ist natürlich nicht immer ein Trost für die jeweils betroffenen neuen Mütter, die ja auch erst lernen müssen, geduldig zu vertrauen, daß der eigene Körper die kindlichen Botschaften schon richtig zu deuten vermag.

Das Wochenbett ist eine Zeit, in der sich viele Frauen vor allem Schutz und Geborgenheit wünschen und eine Zeit, in der Frauen diesen besonderen Schutz auch dringend brauchen, weil ihre gesamte Energie jetzt darauf gerichtet ist, die körperlichen Rückbildungsvorgänge voranzutreiben und sich auf das neugeborene Kind einzulassen. Nach der für Frau und Kind anstrengenden Geburtsleistung verläuft die erste Begegnung zwischen ihnen ja nicht immer sofort zur vollständigen beiderseitigen Zufriedenheit. Realistischerweise ist es eher so, daß auch die Mutter-Kind-Beziehung eine sich allmählich entwickelnde Beziehung ist, die vor allem mit der liebevollen Fürsorge der Mutter wächst.

Die weibliche Fähigkeit, eine fürsorgliche, mütterliche Beziehung zum Kind aufzubauen, ist eine Leistung, die mit Einsatz verbunden ist.

Aus dem Blickwinkel dieser Überlegungen ist auch die Aussage der Geburtshelferin E. Geisel ( 1997 ) besonders treffend, die das Weinen der Frauen nach der Geburt nicht als Anzeichen von postpartalen depressiven Verstimmungszuständen versteht, sondern als Zeichen großer Offenheit und damit verbundener Verletzlichkeit, die darauf gerichtet sind, empfindsam für die Signale des Kindes zu sein.

Das Neugeborene sendet ja sensorische Botschaften, die die nahen Bezugspersonen übersetzen müssen, wofür eine hohe Sensibilität anscheinend hilfreich, wenn nicht sogar notwendig ist.

Und obwohl das Weinen von Außenstehenden oft nicht als Traurigkeit erlebt wird, könnte sich auch ein Stück Trauer um das alte, das vorherige Selbst darin ausdrücken. Das Geschenk, Kinder zu zeugen und aufwachsen zu erleben, beinhaltet besonders für die Frau auch, sich von ihrer vorherigen Identität zu trennen. Sie gibt ihre Arbeit und die damit in Verbindung stehenden sozialen Kontakte und Anerkennungen vorübergehend auf. Die Zeit für sich selber wird jetzt viel knapper bemessen sein, einige Freunde werden sich verabschieden, die Beziehung zum Partner verändert sich, das Neugeborene stellt unaufschiebbare Forderungen, vielleicht sind schon Kinder da, die ihrerseits ihre Wünsche und Bedürfnisse anmelden und auch Körpergefühl und Sexualität bleiben von einer Schwangerschaft selten unberührt.

Alle diese Veränderungen bedeuten Verlust der vorherigen Identität und allmähliches Finden einer neuen Identität. Manches geht dabei unwiderbringlich verloren und die Traurigkeit darüber ist ein dazugehörendes Gefühl.

7. Forschungsinteressen im Zusammenhang mit postpartum blues:

Für die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet von psychischen Erkrankungen im Wochenbett hat das Phänomen postpartum blues Brückenfunktion.

Untersucht wird vor allem, wie die hormonellen Veränderungen nach der Entbindung mit der veränderten Befindlichkeit der Frauen im Zusammenhang stehen und ob Frauen, die den postpartum blues erleben, im weiteren Wochenbettverlauf schwerere Störungsbilder entwickeln.

Um diesen Fragen nachzugehen, wurde ein wissenschaftliches Konzept entwickelt, bei dem operationalisierbare Kriterien des Phänomens postpartum blues im Vordergrund stehen.

Diese Kriterien beruhen weniger auf dem subjektiven Erleben der Frauen auf der Basis ihrer individuellen Lebensgeschichte, sondern vielmehr auf beobachtbaren, generellen Merkmalen des Erlebens und Verhaltens.

Dieses Konzept beschreibt postpartum blues als das Vorhandensein folgender Kriterien: Stimmungsschwankungen, häufiges unbegründetes Weinen, Konzentrationsmangel, Unruhe, unbegründete Ängste und Sorgen über das Kind, Verwirrtheit, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Versagensgefühle. Je nach vorherrschendem Bild, wird der postpartale blues eher als affektives oder organisches Syndrom interpretiert.

Für die Wirksamkeit der Forschung ist ein objektives Konzept zwingend notwendig, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Man erhofft sich Erkenntnisse über biologische und psychische Auslösemechanismen von Psychosen und Fortschritte bei der Beantwortung der Frage, wodurch Psychosen verursacht werden.

Berücksichtigt man den wissenschaftlichen Hintergrund dieses Forschungskonzeptes nicht, kann der Eindruck entstehen, als handele es sich beim postpartum blues um eine psychische Störung im frühen Wochenbett.

Es sollte aber immer wieder betont werden, daß der postpartale blues an sich keine psychische Erkrankung ist, sondern ein Phänomen, daß durchaus seine Berechtigung hat, gerade im Hinblick auf die beträchtlichen körperlichen und psychischen Veränderungen im Wochenbett.

II. postpartale psychische Erkrankungen

1. Bezeichungsmöglichkeiten postpartaler Störungsbilder:

Für die postpartalen psychischen Störungsbilder gibt es eine Vielzahl von Bezeichnungsmöglichkeiten,

a) hinsichtlich ihrer Ursache ( psychogen, endogen, exogen ),

b) hinsichtlich typischer Störungsmuster ( ICD-10 und DSM-IV ) oder

c) hinsichtlich des Entstehungszeitpunktes im Wochenbett ( PPD und Wochenbettpsychosen ).

a) hinsichtlich ihrer Ursache:

Die vielen differenzierten fallorientierten Beschreibungen psychiatrischer Störungsbilder im Wochenbett und deren Verläufe, die uns die Psychiater und Mediziner der Vergangenheit hinterlassen haben, beruhen auf der traditionellen Einteilung psychischer Erkrankungen in neurotische vs. endogene ( Neurose vs. Psychose ) vs. körperlich bedingte psychische Störungen. Die Basis dieser Einteilung ist die Annahme, daß psychische Erkrankungen durch psychogene, endogene oder exogene Faktoren verursacht werden können.

psychogene Störungen:

Bei den Neurosen, die zu den psychogen verursachten Erkrankungen gehören, führt eine gestörte Konfliktverarbeitung zu langandauernden gestörten Reaktionen im Erleben und Verhalten.

Psychogene und psychoreaktive Störungen sind psychologisch verständliche, aber unangemessene ( krankhafte ) Reaktionen, die sich auf der Grundlage einer gestörten Persönlichkeitsentwicklung in Wechselwirkung mit störenden Umwelteinflüssen entwickeln, d.h. psychologisch geschulten Fachkräften ist es meist möglich, die Entstehung der Erkrankung auf dem Hintergrund der individuellen Lebensgeschichte der Betroffenen zu rekonstruieren, die subjektive Bedeutung der Krankheitssymptome aufzudecken und ein individuelles Verstehen zu ermöglichen.

Psychogene Störungen gelten im eigentlichen Sinne nicht als Geisteskrankheiten. Zwar können einige Formen der Neurosen in ihrem klinischen Bild Geisteskrankheiten zum Verwechseln ähneln, die kognitiven Fähigkeiten bleiben bei Neurosen aber weitestgehend erhalten.

Postpartale neurotische Reaktionen können sein: neurotische Depression, Angstneurose, Phobie, Zwangsneurose, Konversionshysterie, Hypochondrie und psychogene Sexualstörung ( Zerssen 1977 ).

endogene Störungen:

Von endogenen Erkrankungen wird gesprochen, wenn man über die Ursachen nichts sicheres weiß, aber eine genetische Anlage ( Disposition ) als Hauptverursachungsfaktor angenommen wird. Die Unterteilung endogener Erkrankungen in zyklothyme und schizophrene Erkrankungen hat in der Psychiatrie eine lange Tradition ( Anhang: Bild 1 )

Beide Erkrankungsformen zählen zu den eigentlichen Geisteskrankheiten, da die Betroffenen in wichtigen psychischen Grundfunktionen ( Denken, inneres Selbsterleben, Willen und Antrieb, Affekte ) schwere Beeinträchtigungen zeigen, wobei in akuten Krankheitsphasen meist jeglicher Realitätsbezug verloren ist ( Psychose ).

Die endogenen Störungsbilder gehören zu den schwersten klinischen Bildern, und ein Verstehen der Erkrankung und der Krankheitssymptome scheint hier außergewöhnlich schwierig.

Gerade die Schwierigkeiten, den Sinn der Erkrankung zu verstehen, im Zusammenspiel mit den schweren Leidenszuständen der Betroffenen, die oft stationär behandelt werden müssen und einer langfristigen psychiatrischen Betreuung bedürfen, sind typisch für die schizophrenen und zyklothymen Erkrankungen. Bei Patienten mit endogenen Störungen gibt es in vielen Fällen ein gehäuftes Auftreten von psychiatrischen Störungen in der Familiengeschichte.

Die Bezeichnungen endogene Psychosen, endogene psychiatrische Erkrankungen oder endogene Geistesstörungen sind als Oberbegriffe für schizophrene und zyklothyme Erkrankungen ebenfalls gebräuchlich.

Endogene postpartale Störungsbilder sind depressive, manische, schizophrene und gemischte klinischen Bilder, die zur Gruppe der Wochenbettpsychosen gehören.

exogene Störungen:

Exogene Faktoren sind außerhalb der Psyche liegende, körperliche Faktoren, die eine psychische Erkrankung verursachen ( körperlich begründbare Faktoren ).

Die psychische Störung kann dabei durch eine direkte Schädigung des Gehirns selber verursacht werden ( organische Psychose ), oder durch eine körperliche Krankheit, die zu einer indirekten Schädigung der Gehirnfunktionen führt ( symptomatische Psychosen ).

Die Schädigung und damit Beeinträchtigung der Gehirnfunktionen zeigt sich meist in schweren Bewußtseinsstörungen, die zu einem unterschiedlichem Ausmaß an Verwirrtheit und Desorientiertheit führen, wobei die Betroffenen auch hier in akuten Phasen den Bezug zur Realität verlieren. Darum spricht man bei diesen klinischen Störungsbildern auch von exogenen Psychosen oder organisch bedingten Geisteskrankheiten.

Es ist besonders ein Verdienst von K. Bonhoeffer ( 1917 ), daß der Kenntnisstand über körperliche Krankheiten als Verursacher von psychischen Störungen in diesem Jahrhundert so weit fortschreiten konnte. Er beschrieb das Prinzip der akuten exogenen Reaktionstypen und ordnete ihnen eine begrenzte Anzahl von klinischen Bildern zu, u.a. Delir und amentielles Syndrom.

Bei Frauen können körperliche Schädigungen während der Geburt, Infektionen oder Entzugssyndrome die Gehirnfunktionen beeinträchtigen, was zu amentiellen und deliranten Zuständen im Wochenbett führen kann.

b) hinsichtlich typischer Störungsmuster ( Syndrome ):

Verglichen mit dem Wissensstand über exogene Psychosen, sind die Ursachen nicht körperlich bedingter Psychosen trotz intensiver Forschungsbemühungen und vielfältigen Entdeckungen der Gehirnforschung heute immer noch weitestgehend unbekannt.

Die traditionelle Unterscheidung endogener Erkrankungen wird in den neuesten Klassifikationssystemen zur Diagnose psychischer Störungen ( ICD-10 und DSM-IV ) nicht mehr beibehalten. Hier erfolgt die Einteilung der schweren psychiatrischen Erkrankungen hinsichtlich ihrer typischen Störungsmuster in organische, affektive und schizophrene Störungen.

Mögliche Diagnosen für postpartale psychische Störungen wären z.B. schizoptype Störung, schizoaffektive Störung, bipolare affektive Störung, depressive Episode von leicht - schwer, organisch amnestisches Syndrom, organisch bedingte psychische Störung, usw. , wobei jeweils der Zusatz mit postpartalem Beginn beigefügt wird.

Für die wissenschafltiche Forschung und für den Austausch von vergleichbaren Informationen innerhalb des medizinischen Systems sind solche, auf der Basis von exakt beschriebenen Krankheitskriterien beruhende Diagnosen, außerordentlich wichtig.

In der psychiatrischen Praxis sorgen einige postpartale Störungsbilder durch ihre Symptomvielfalt und Veränderbarkeit aber gerade dadurch für Zuordnungsschwierigkeiten. Im DSM-IV und ICD-10 werden postpartale psychische Störungen nicht als eigenständige Krankheitseinheit aufgeführt.

c) hinsichtlich der Entstehung im Wochenbett:

Neben den oben beschriebenen Einteilungsmöglichkeiten wird in neueren Veröffentlichungen häufig die Einteilung postpartaler psychischer Erkrankungen in postpartale Depression ( PPD ) oder postnatale Depression ( PND ) und Wochenbettpsychosen oder Puerperalpsychosen verwendet ( z.B. Beriger 1998, O’Hara 1987, Riecher-Rössler 1997 ) Unter der Bezeichnung Wochenbettpsychosen werden organische und schizophrene Störungen im Wochenbett verstanden und affektive Störungsbilder mit psychotischer Symptomatik. Unter der Bezeichnung PPD werden depressive Störungsbildern im Wochenbett zusammengefaßt.

2. milde - mittelschwere depressive Störungsbilder im Wochenbett:

Gerade die milden - mittelschweren depressiven Störungsbilder werden in vielen Fällen von den Frauen selber, dem Partner oder nahen Verwandten und Freunden, manchmal auch von den gynäkologischen Betreuern nicht ernsthaft als Erkrankung wahrgenommen. Einige Frauen investieren viel Kraft, ihrem eigenen Bild einer guten Mutter zu entsprechen und hoffen, daß die Verstimmungszustände und körperlichen Mißempfindungen allmählich, wenn sie sich auf die Situation eingestellt haben, wieder von alleine verschwinden. Oft spitzt sich die familiäre Situation drastisch zu, Partner und Angehörigen zeigen wenig Verständnis für das Verhalten der neuen Mutter, Hilflosigkeit und Streit beherrschen das häusliche Bild.

Der Begriff PPD scheint dazu beizutragen, daß bei Frauen der Eindruck ensteht, als würde es eine typische postpartale Depression geben. Dabei gibt es schon für den Begriff PPD unterschiedliche Definitionskriterien.

Pitt ( 1968 ) - Diagnosekriterien für PPD:

- depressive Verstimmung mit Antriebsmangel
- Energielosigkeit
- Freudlosigkeit
- Müdigkeit, Schlafstörungen, Appetitstörungen
- Konzentrationsstörungen
- Ängste, Sorgen, Schuldgefühle
- Suizidgedanken

In alltäglichen Unterhaltungen mit Müttern machte ich oft die Erfahrung, daß PPD kein erwünschtes Gesprächsthema ist. Es sind die mit dem Begriff PPD verbundenen Vorstellungen, die Frauen dazu bewegen, PPD weit aus der eigenen Erfahrungswelt auszugrenzen ( Nicolson 1998 ).

Immerhin entwickeln ca. 10 % der Frauen innerhalb 9 Wochen nach der Entbindung eine PPD ( O’Hara et al., 1990 ).

Es ist aus diesem Grunde wichtig hervorzuheben, daß jede postpartale Depression unweigerlich die individuellen Züge der Frauen trägt, die sie durchleben,und daß sich die depressiven Bilder voneinander unterscheiden können, wobei ein individuelles Verstehen in vielen Fällen möglich und oft sogar nötig ist, um die Erkrankung, die auch als Lebenskrise aufgefaßt werden kann, zu bewältigen.

Aus diesem Grunde erscheint es mir hilfreich, die milden - mittelschweren depressiven Störungsbilder im Postpartum vor allem als psychogene Erkrankung zu kennzeichnen, mit gestörtem Erleben und Verhalten im affektiven Bereich, bei erhaltener Realitätskontrolle. Die depressiven Symptome können direkte Reaktionen auf die als affektive Dauerbelastung erlebte Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft sein und/oder neurotische Reaktionen auf der Grundlage nicht bewältigter früherer Konflikte, die durch die Erfahrungen der Mutterschaft aktualisiert wurden oder Reaktionen auf dem Hintergrund von defizitären persönlichen Erlebens - und Verhaltensweisen. Hinzu kommt eine biologische Komponente, deren Mitwirken bei psychischen Störungen niemals ausgeschlossen werden kann.

Meine Annahme ist, daß ein großer Teil der milden - mittelschweren depressiven Störungsbilder im Postpartum neben körperlichen vor allem psychische Ursachen hat.

Es ist wichtig, parallel zur medizinischen Behandlung auch die individuellen psychogenen Faktoren zu berücksichtigen, damit sich die Beziehung zwischen Mutter und Kind und die Liebesbeziehung zum Partner nach dieser Krise weiterentwickeln kann.

2.1. postpartale Erschöpfungsdepression:

Typisch an diesem depressiven Störungsbild im Wochenbett mit milder - mittelschwerer Symptomatik ist, daß sich hier die Traurigkeit als körperliche Traurigkeit in gestörten Vitalgefühlen ausdrückt.

Erste Krankheitszeichen zeigen sich oft erst nach der Entlassung aus der Geburtsklinik. Das vollständige Störungsbild entwickelt sich allmählich, meist erst 2 - 3 Wochen nach der Entbindung.

Vitalsymptome:

- allgemeine Abgeschlagenheit
- ständige Müdigkeit
- keine Erholung durch Schlaf
- Verstopfung
- Appetitstörungen
- Druckgefühl, v.a. im Brust - und Bauchraum
- Kopf wie Blei
- Druck um den Körper
- Unruhegefühle
- fehlende sexuelle Lust

( vgl. „vitale Traurigkeit“ Bleuler 1983 )

Viele Frauen klagen über allgemeine Abgeschlagenheit und ständige Müdigkeit. Diese körperliche Erschöpfung kann nicht durch ausreichenden Schlaf aufgefangen werden, sondern aller Schlaf der Welt hilft nichts. Die Mütter fühlen sich ausgepumpt.

Alltägliche Aufgaben und Entscheidungen, z.B. welche Kleider man dem Kind anziehen soll, sich selber zu duschen und anzukleiden, den Einkauf zu organisieren, die Wohnung einigermaßen in Ordnung zu halten, anstehende Arztbesuche mit dem Kind zu erledigen, Essen zu kochen usw., werden zu unüberwindbaren Problemen und können nur mit großem Kraftaufwand bewältigt werden.

Viele berichten, daß sie sich andauernd nach Schlaf sehnen und nie genug davon kriegen können, daß sie ihre eigene Erschöpfung selber gar nicht verstehen können, weil sie das Gefühl haben, den ganzen Tag über nichts vollbracht zu haben.

Dies steht oft in krassem Gegensatz zur vorherigen Schaffenskraft und ist ein deutliches Symptom der Erkrankung.

Die körperliche Erschöpfung geht mit einer geistigen Erschöpfung einher. Nichts scheint mehr von Interesse zu sein, jeglicher Anlaß zur Freude scheint verloren und durch ein verlangsamtes Denken werden alltägliche Entscheidungen zur Qual.

Oft haben betroffene Frauen das Gefühl, ihre Familie und vor allem ihr Kind, nicht mehr zu lieben, nichts mehr für sie zu empfinden. Sie kümmern sich nicht mehr um ihr Kind und haben scheinbar jegliche Interessen verloren.

Für Außenstehende ist dies schwer zu ertragen. Sie sehen vielleicht nur die desinteressierte und kalt wirkende Mutter, die ihr Kind vernachlässigt.

Doch die betroffenen Frauen schämen sich unendlich. Sie leiden unter dem Gefühl, nichts mehr für ihr Kind zu empfinden. Gerade dieses Gefühl der inneren Leere und Gefühllosigkeit ist typisch für die depressiven Störungen und verursacht einen großen Leidensdruck bei den Betroffenen.

Oft geben sich die Frauen die Schuld für ihren Zustand und machen sich schwere Vorwürfe, was das Gefühl des eigenen Unvermögens und der Minderwertigkeit noch verstärkt und zu Suizidgedanken führen kann. Äußerungen über die Sinnlosigkeit des Lebens und dem Wunsch, sterben zu wollen, müssen immer als akute Gefahrenzeichen ernstgenommen werden.

Charakteristisch für postpartale Erschöpfungszustände scheint auch zu sein, daß Frauen ganz extreme Stimmungsschwankungen erleben, mit Phasen von Resigniertheit, Weinen und Erschöpfung, und plötzlichen Zuständen außerordentlicher Gereiztheit, die sich in Wutanfällen entladen können. Die Betroffenen schmeißen mit Geschirr oder schweren Gegenständen um sich, geraten wegen Geringfügigkeiten in Wut, Beschimpfen oder Schlagen nahe Familienangehörige ( meist den Partner ), was sich zu Zuständen steigern kann, in denen die Frauen offensichtlich keine Kontrolle mehr über ihren Körper und ihr Verhalten haben. Oft enden solche Wutanfälle damit, daß die Frauen weinend zusammenbrechen, fassungslos über den Verlust der Selbstkontrolle und über das Gefühl, der Situation hilflos ausgeliefert zu sein. Viele Frauen haben Angst, ihrem Kind in ihren Wutanfällen etwas anzutun.

Häufig kämpfen die Frauen dagegen an, sich einzugestehen, daß sie unter ihrem Zustand leiden und Hilfe brauchen.

Neben der Hilfe im Haushalt und bei der Kinderfürsorge sind in Abhängigkeit von der Schwere der Krankheitssymptome Medikamente notwendig und gleichzeitig Gespräche mit psychologisch erfahrenen Fachkräften wichtig. Sie haben zu Anfang besonders auch entlastende Funktion, denn viele Frauen glauben, sie seien die Einzigen, die den neuen Anforderungen nicht gewachsen sind, die Einzigen, die frustrierende und demotivierende Erfahrungen mit der Mutterschaft machen, die Einzigen, die sich nicht über ihr Kind freuen können.

Wünschenswert ist eine Behandlung, in die auch die Lebenspartner mit einbezogen werden. Viele Männer erleben das Verhalten ihrer Partnerin in der Krankheitsphase als massive Kränkung und sind durch ihre berufliche Tätigkeit und die neue Situation nach der Geburt ihres Kindes oftmals überfordert.

Unterstützung gibt es in größeren Städten in Selbsthilfegruppen und Angehörigengruppen, die sich mit dem Thema PPD auseinandersetzen. Erste Anlaufstellen können Frauenzentren sein, aufgeklärte Frauenärzte oder Familienberatungsstellen. Die medizinische Betreuung erfolgt normalerweise in einer Frauenklinik oder auf der psychosomatischen Abteilung eines Krankenhauses.

2.2. allgemeine Überlegungen zum Konzept der Erschöpfungsdepression:

P. Kielholz ( 1957 ) beschreibt die Erschöpfungsdepression aus folgenden Gründen als klinische Einheit innerhalb der depressiven Krankheitsbilder:

1. Weil sie psychisch verursacht wird. ( Durch affektive Dauerbelastung über einen längeren Zeitraum. )

2. Weil es einen typischen Verlauf gibt.

Typischer Verlauf der affektiven Dekompensation:

1. hyperästhetisch - asthenisches Stadium ( schnelle Ermüdbarkeit, Kraftlosigkeit, erhöhte Sensibilität gegenüber Berührungsreizen )
2. psychosomatisches Stadium ( körperliche Beschwerden und Symptome )
3. depressives Stadium ( depressive Symptome mit deutlicher Tendenz zur Vitalisierung und Stimmungsschwankungen zwischen dysphorisch-resigniert oder dysphorisch-aggressiv )

3. Weil der Charakter der depressiven Stimmung meist nicht typisch zyklothym ist.

Dieses Konzept paßt gut zu der Wochenbettsituation, denn die Mutter muß in der ersten Zeit nach der Geburt eine gewaltige Anpassungsleistung vollbringen. Sie muß die körperlichen, psychischen und sozialen Veränderungen der Mutterschaft bewältigen, was in jedem Fall eine affektive Dauerbelastung darstellt.

Dafür spricht auch, daß sich das klinische Bild erst nach Verlassen des Geburtshauses entwickelt oder wenn die Hebamme die Mutter ( Hausgeburt ) nicht mehr besuchen kommt oder eine zusätzliche Belastung auftritt.

Wenn die Mutter die Hausarbeit wieder voll übernehmen muß, das Waschen, Putzen, Kochen, Einkaufen und Versorgen der anderen Familienmitglieder, entwickelt sich durch den Zeitanspruch des Säuglings eine Situation, die neben der Freude über das Kind auch eine Belastung darstellt.

Niemand kann vorhersagen, welches Wesen ein Säugling mitbringt. Schläft er unruhig, weint viel, verlangt in kurzen Abständen gestillt zu werden, läßt sich schwer beruhigen ? Dann ist es nachvollziebar, daß die eine oder andere Mutter ihr Gleichgewicht verliert, Angst hat, mit dem Kind und der Arbeit nicht mehr fertig zu werden,und vielleicht das Gefühl entwickelt, sie mache alles verkehrt oder die Freude an der neuen Situation verliert.

Wieviel Unterstützung erhält die Frau von ihrem Partner, von ihrer Mutter, von ihrer Schwiegermutter und von Freundinnen ? In den 6 - 8 Wochen nach der Entbindung sind für die Wöchnerin ja vor allem Ruhe und Erholung wichtig. Eine konflikthafte Beziehung mit dem Vater des Kindes, der eigenen Mutter oder Schwiegermutter und/oder das Gefühl von Isolation und fehlender Unterstützung sind Faktoren, die die Verletzlichkeit der Mutter erhöhen und eine zusätzliche Belastung darstellen.

Wieviel Belastung eine Frau noch bewältigen kann, wann sie psychisch und physisch nicht mehr dazu in der Lage ist, und wie sie dann reagiert, hängt entscheidend auch von individuellen Persönlichkeitsfaktoren ab, von unbewältigen Konflikten und von Eigenschaften, die die Entwicklung bestimmter psychogener Störungen unterstützen.

Mit der postpartalen Erschöpfung habe ich ein Bild aus der Vielzahl von möglichen psychogenen Störungen im Wochenbett beschrieben, das mir besonders typisch erscheint.

Wie bei den meisten psychogenen Störungsbildern mit leichter - mittelschwerer Symptomatik ist hier eine langfristige Veränderung des individuell gestörten Verhaltens durch Unterstützung und therapeutische Behandlung gut möglich. Es ist bei diesen Leidenszuständen vor allem wichtig, die Erkrankung zu erkennen und Hilfe zu suchen. Dabei sind die betroffenen Frauen oft auf geduldiges Zuhören und liebevolle Unterstützung angewiesen, was besonders für die Lebenspartner eine große Herausforderung darstellt.

III. postpartale psychiatrische Erkrankungen

1. Wochenbettpsychosen:

Zu Wochenbettpsychosen werden jene Psychosen gezählt, die bei Frauen innerhalb von 6 Wochen nach der Entbindung hervortreten. Sie werden nicht als eigenständige Krankheitseinheit aufgefaßt, sondern ihr Name leitet sich aus dem Zeitraum ab, in welchem sie entstehen.

1.1. körperlich begründbare Wochenbettpsychosen:

Psychosen im Wochenbett können körperliche Ursachen haben, z.B. Sauerstoffmangel im Gehirn durch hohen Blutverlust bei der Geburt, Infektionen, Kreislaufstörungen, Vergiftungen, körperliche Reaktion auf Alkohol - oder Drogenentzug, usw., was eine organisch bedingte Beeinträchtigung des Gehirns zur Folge hat und vor allem zu Störungen des Bewußtseins führt. Zu den typischen klinischen Bildern gehören amentielle und delirante Syndrome ( Anhang, Bild 3 ). Psychosen bei Komplikationen im Wochenbett gehören zu den körperlich begründbaren Psychosen. Sie klingen ab, wenn die Krankheit ausgeheilt ist und treten unabhängig von der körperlichen Erkrankung nicht wieder in Erscheinung ( Gödtel 1965 ).

1.2. endogene Wochenbettpsychosen:

Bei einem großen Teil der Psychosen im Wochenbett findet man keine körperlichen Ursachen. In den Krankheitsbildern zeigen sich schwere Störungen in unterschiedllichen psychischen Grundfunktionen, vor allem im Denken und Ich-Erleben, im Antrieb und in den Affekten.

Die Patientinnen wirken meist realitätsfremd. Die Symptome führen zu einer Beeinträchtigung im allgemeinen Lebensvollzug und sind für Außenstehende schwer nachvollziehbar.

Es besteht in vielen Fällen akute Selbstmordgefahr und Gefahr für das Leben des Kindes. Traditionell werden diese Krankheitsbilder den endogenen Psychosen zugeordnet.

Es gibt affektive Psychosen im Wochenbett ( meist endogene Depressionen ), schizophrene Psychosen im Wochenbett und Psychosen, bei denen sich affektive und schizophrene Symptome mit phasischem Verlauf mischen ( schizo-affektive Psychosen ). Hinzu kommen jene amentielle Psychosen, die in ihrem Erscheinungsbild den exogenen Psychosen ähneln, obwohl bei den Betroffenen keine körperlichen Ursachen gefunden werden können.

2. einige historische Gedanken zu Wochenbettpsychosen:

Im vergangenen Jahrhundert beschrieben vor allem zwei französische Psychiater auf der Grundlage von systematischen Studien sehr differenziert psychiatrische Symptome bei Wöchnerinnen.

J.E.D. Esquirol veröffentlichte im Jahre 1838 „Des maladies mentales“ und von L.V. Marcè erschien 1958 „Traitè de la folie des femmes encientes, des nouvelles accouchè set des nourrices“.

L.V. Marcè unterschied in seinen Veröffentlichungen vor allem die zwischen 3. - 5. Tag nach der Entbindung einsetztenden Störungsmuster mit agitierter Symptomatik, die sich zu deliranten Zuständen entwickeln können, wobei die Wöchnerinnen im Nachhinein meist keine Erinnerung an akute Episoden haben, von vorwiegend depressiven Störungsmustern, die sich zwischen der 3. - 6. Wochen nach der Entbindung entwickeln.

Als typisch für beide Störungsmuster beschrieb L.V. Marcè die Tendenz zu wechselhaften Verläufen, was seiner Meinung nach in engem Zusammenhang mit den körperlichen Veränderungen im Wochenbett stehen mußte.

Die Auffassung, daß psychiatrische Störungen im Wochenbett körperliche Ursachen haben, vertrat auch der deutsche Psychiater C. Fürstner ( 1875 ). Er prägte den Begriff Wochenbettpsychosen, worunter er psychiatrische Erkrankungen in den ersten 6 Wochen nach der Entbindung verstand und grenzte diese von Schwangerschaftspsychosen einerseits und Laktationspsychosen andererseits ab.

Fürstners Ansicht war, daß die Psychosen im Wochenbett hinsichtlich ihrer Symptomatik nichts spezifisches gegenüber Krankheitsbildern bieten, die außerhalb des Wochenbettes auftreten.

Eine gewisse Sonderstellung räumte er jedoch einem klinischen Bild im frühen Wochenbett ein, das er als halluzinatorisches Irresein der Wöchnerinnen erstmals 1875 als eigenständiges Krankheitsbild beschrieb.

Diese Psychose setzt im Anschluß an die Geburt mit einem akuten Stadium halluzinatorischen Irresein ein, kann vorübergehend remittieren ( Nachlassen der Symptome ), in eine nächste Phase mit vorwiegend stumpfem Verhalten und Sinnestäuschungen übergehen und nach einer Rekonvaleszenzphase mit allmählichem Schwinden der Sinnestäuschungen kehren die Patientinnen wieder vollständig zu ihrer vorherigen Wesensart zurück, wobei sie sich meist nicht an akute Krankheitsphasen erinnern können ( Anhang, Bild 2 ).

Fürstner fand bei den meisten Frauen mit dieser Symptomatik, die er untersuchte, entzündliche Komplikationen ( z.B. Kindbettfieber ), also körperliche Ursachen.

Meynert führte 1890 für das von Fürstner beschriebene klinische Bild, das auch unabhängig von einer Entbindung in Erscheinung trat ( bei Frauen und Männern ), den Begriff Amentia ein. Bonhoeffer hat später u.a. Delir und amentielles Syndrom als körperlich begründbare Psychosen den akuten exogenen Reaktionstypen zugeordnet.

Amentielle und delirante Syndrome ( Anhang, Bild 3 ) gehörten um die Jahrhundertwende zu den typischen Erscheinungsformen bei Psychosen im Wochenbett, doch ihre Auftretens- häufigkeit ging im Laufe dieses Jahrhunderts durch den Gebrauch von Desinfektionsmitteln seitens der Ärzteschaft und durch zunehmendes Wissen im geburtsmedizinischen Bereich immer mehr zurück ( Huhn & Drenk 1973 ).

In der neueren Literatur findet man keine Angaben darüber, wie häufig körperlich begründbare Psychosen im Wochenbett heute noch vorkommen, sondern den Hinweis, daß sie heute, da sie so selten geworden sind, kaum noch ins Gewicht fallen ( v. Zerssen 1977 ).

3. endogene Wochenbettpsychosen:

Für diejenigen Wochenbettpsychosen, die keine körperlichen Ursachen haben, ist die Erkrankungshäufigkeit leider nicht gesunken. Zu dieser Gruppe zählen schizophrene, affektive und schizo-affektive Psychosen. Aus statistischen Untersuchungen schließt man eine Häufigkeit von 0,1% - 0,2%, d.h. eine bis zwei von 1000 Wöchnerinnen entwickeln in den ersten 3 Monaten nach der Entbindung eine Psychose ( Kendell et al. 1987 ).

Aus der Vielfalt endogener Störungsbilder beschreibe ich im Anschluß die endogene Depression im Wochenbett, ein Störungsbild, das als schwerste Form einer depressiven Verstimmung von PPD abgegrenzt werden muß.

Und zum anderen jene Psychosen im Wochenbett, deren klinisches Bild durch sich abwechselnde oder gemischt in Erscheinung tretende katatone, affektive und amentielle Symptome geprägt wird, wobei einige Symptombilder an körperlich begründbare Psychosen erinnern, obwohl bei den Patientinnen kein organischer Befund vorliegt.

3.1. amentielle Psychosen und schizo-affektive Psychosen im Wochenbett:

Besondere Schwierigkeiten bei der Einordnung machen amentielle Bilder im Wochenbett ohne erkennbare körperliche Ursachen bei den Wöchnerinnen und jene klinischen Bilder, bei denen die Kombination von schizophrenen und affektiven Symptomen zu atypischen Krankheitsbilder führt.

Gerade diese Störungsmuster fallen durch die Vielfalt der Symptome, einen raschen Syndromwandel und plötzliche Veränderungen im Schweregrad der klinischen Symptome auf ( v.Zerssen 1977 ).

amentielle Psychosen:

Diese Psychosen setzen meist um den 3. - 4. Tag nach der Entbindung mit akuten Verwirrtheitszuständen und psychomotorischer Erregung ein.

Huhn und Drenk ( 1973 ) verfolgten in einer Studie den Lebensverlauf von 208 Frauen, die während der Schwangerschaft oder im Wochenbett erstmals psychotisch erkrankten und zwischen 1951 - 1966 an der Universitäts-Nervenklinik-Köln behandelt wurden, hinsichtlich Einordnung und Prognose von Wochenbettpsychosen.

Sie kamen zu dem Ergebnis, daß Wochenbettpsychosen im Querschnitt eine ähnliche Symptomatik wie typische endogene Psychosen zeigten, hoben aber die Sonderstellung einer Gruppe von Frauen hervor, die Anfangs mit Verdacht auf Schizophrenie diagnostiziert wurden sind, deren Erkrankung aber einen kurzen Verlauf nahm und die schon im akuten Krankheitsstadium klinische Besonderheiten zeigten ( Anhang, Bild 4 ).

Sie hoben die amentielle Färbung des klinschen Bildes hervor und betonten den besonders günstigen Verlauf.

schizo-affektive Psychosen:

D.v. Zerssen unterscheidet in seiner Systematik amentielle Bilder von schizo-affektiven Psychosen ( Anhang, Bild 5 ). Er betont, daß sich im Unterschied zu den typischen Formen endogener Psychosen bei postpartal ausbrechenden Psychosen häufig schizophrene und affektive Symptome zu atypischen Krankheitsbildern mit wechselhaften Verläufen kombinieren ( v. Zerssen 1977 ).

zycloide Psychosen:

M. Lanczik, J. Fritze und H. Beckmann ( 1990 ) plädieren dafür, auf der Grundlage der Einteilung der endogenen Psychosen nach Leonhard , atypische Störungsmuster im Wochenbett den zycloiden Psychosen zuzuordnen.

Die zycloiden Psychosen verlaufen bipolar mit rasch wechselnden Phasen zwischen 2 Polen

( Anhang, Bild 6 ). In ihrer Symptomatik ähneln sie den unsystematischen Schizophrenien aber in ihrem Verlauf den phasischen Psychosen mit günstiger Prognose. Die Persönlichkeit bleibt erhalten und die Erkrankungen heilen vollständig aus.

Hervorzuheben ist, daß alle Autoren trotz Unterschiede in der Zuordnung und Bezeichnung den frühen Beginn kurz nach der Geburt und den günstigen Verlauf der amentiellen und atypischen Psychosen im Wochenbett hervorheben.

Es kommt zur vollständigen Ausheilung der Erkrankung, die auch keine Wesensveränderungen hinterläßt, innerhalb weniger Wochen. Die Mutter - Kind - Beziehung verbessert sich mit zunehmender Gesundung der Patientinnen und stellt nach der Entlassung aus der psychiatrischen Klinik meist kein Problem mehr dar.

Spätere Rückfälle sind zwar im Zusammenhang mit einer erneuten Geburt möglich, heilen aber auch dann wieder vollständig aus. Unabhängig vom Wochenbett treten keine erneuten Rückfälle auf.

Meist zeigen sich erste Krankheitssymptome noch auf der Wochenbettstation, besonders zunehmende Unruhe und Schlaflosigkeit können Vorboten sein. Eine Beobachtung der Symptomatik und die diagnostische Abklärung durch einen Psychiater dienen dazu, die sich ankündigende Psychose medikamentös abzufangen. Falls dies nicht möglich ist, erfolgt eine störungsspezifische Behandlung auf einer psychosomatischen oder psychiatrischen Station der Klinik.

Verrückt erscheinende Bemerkungen der Mutter z.B. ihr Kind sendet Botschaften an sie oder ist vom Teufel/Bösem besessen und sie muß es töten oder fremde Mächte haben sie/ihr Kind besetzt oder befehlen ihr, daß Kind zu töten u.ä. sind psychotische Krankheitssymptome. Es besteht eine akute Gefahr für das Leben der Mutter und des Kindes, darum ist eine sofortige Trennung von Mutter und Kind und eine psychiatrische Behandlung der Mutter lebensnotwendig. Man muß unbedingt betonen, daß diese Trennung vorübergehend ist, denn die psychotischen Symptome klingen bei professioneller psychiatrischer Behandlung meist binnen 2 - 3 Wochen ab. Es gibt also außerordentlich gute Heilungsmöglichkeiten, was oft im krassen Gegensatz zu den schweren Krankheitssymptomen steht.

In naher Zukunft wird in Deutschland hoffentlich die gemeinsame stationäre Behandlung von psychotischen Müttern mit ihren Kindern möglich sein, so wie das in England verbreitete Praxis ist. Hier spielen Sicherheitsvorkehrungen für das Leben der Kinder und Mütter eine entscheidende Rolle, was natürlich kurzfristig einen hohen Kostenfaktor im Gesundheitssystem darstellt. Langfristig ergibt sich aber dadurch die Chance, Schuldgefühle bei den Erkrankten zu verringern, Kontinuität in der Mutter-Kind-Beziehung zu ermöglichen und Entlastung für den Lebenspartner anzubieten. Es ist ja auf lange Sicht hin notwendig, solche Bedingungen zu schaffen, die allen Beteiligten dabei helfen, diese Lebenskrise durchzustehen.

4. endogene Depression im Wochenbett:

Die endogene Depression gehört zur schwersten Form einer depressiven Verstimmung im Wochenbett und muß deshalb von den Störungsbildern, die man unter PPD zusammenfaßt, abgegrenzt werden. Die Patientinnen müssen manchmal über Monate hinweg stationär betreut werden und eine medikamentöse Behandlung ist bei allen notwendig.

Bei dieser schweren Depression im Wochenbett werden hormonelle Veränderungen und Anpassungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Wochenbett als psychoseauslösende Faktoren zwar allgemein anerkannt, als verursachender Faktor wird aber eine genetisch bedingte depressive Bereitschaft angenommen. Dafür spricht auch, daß ein großer Teil der Patientinnen mit endogener Depression im Wochenbett im späteren Leben unabhängig von einer Schwangerschaft und Geburt weitere depressive Episoden erleben (z.B. Pauleikhoff 1964, Gödtel 1965, v. Zerssen 1977 ).

Auf Grundlage des DSM-III-R wird dieses Störungsbild auch als Major Postpartum Depression bezeichnet ( Hamilton et al. 1992 ).

Erste Anzeichen einer Depression können sich schon im Anschluß an die Entlassung aus der Geburtsklinik zeigen, z.B. die unbegründete Furcht, das Kind nicht richtig versorgen zu können, alles falsch zu machen, nicht mit dem Kind alleine bleiben zu wollen usw.

Manche Frauen berichten anfangs auch von einer schrecklichen Müdigkeit und Angst, den Tag nicht zu bewältigen, was ihnen angesichts der anstehenden Aufgaben selbst übertrieben vorkommt.

Andere Frauen erleben noch eine kurze Phase in gehobener ( manischer ) Stimmungslage mit gesteigertem Antrieb. Sie fühlen sich voller Tatendrang und Energie, schlafen wenig, in einigen Fällen entwickeln Frauen, der gehobenen Stimmungslage entsprechende Wahngedanken. Im Anschluß fallen sie in eine lange Phase einer tiefen Depression, die unbehandelt viele Monate anhalten kann ( 6 - 12 Monate ).

Meist entwickelt sich das Vollbild der Depression allmählich ( schleichend ) innerhalb von 2 - 3 Wochen nach der Entbindung.

Bei fast allen Frauen sind die Vitalgefühle stark betroffen. Die Befindlichkeit ist morgens am schlechtesten und verbessert sich im Laufe des Tages ( endogene Tagesschwankungen ).

In Abhängigkeit zu diesen Stimmungsschwankungen sind die Mütter meist dazu in der Lage, ihre Kinder gegen Abend besser zu versorgen.

Betroffene berichten von einem frühen Aufwachen am Morgen und ängstlichem hin- und herwälzen im Bett, ohne wieder einschlafen zu können. Sie denken verzweifelt daran, wie sie den Tag überstehen, und den Abend erreichen sollen.

Die depressive Symptomatik wird vor allem durch eine krankhafte Verminderung bis hin zu einer Hemmung des Antriebs, des Willens und der Entschlußkraft verursacht.

Die Antriebsminderung führt zu einer Verlangsamung oder Verminderung der meisten psychischen Abläufe, z.B. langsames Denken, Entschlußunfähigkeit, gehemmte Bewegungsabläufe, Gefühl des völligen Verlustes der Gefühle, Interessenlosigkeit, Minderwertigkeit, usw.

Selbstvorwürfe können zu schwerem Schuldwahn oder Versündigungswahn führen. Angehörige sind über das veränderte Verhalten betroffener Frauen oft erschüttert. Diese wirken ängstlich, mißtrauisch, gehemmt, ziehen sich innerlich zurück, nehmen keine Kontakte mehr auf, versorgen ihr Kind nur noch mit größter Anstrengung oder zeigen gar kein Interesse mehr an ihrem Kind.

Diese Erkrankung bedeutet für die meisten Patientinnen ein so großes Leid, daß sie permanent der Gefahr ausgesetzt sind, ihr Leben und das Leben ihres Kindes zu beenden.

Frauen, die im Wochenbett an einer so schweren depressiven Verstimmung leiden, brauchen unbedingt psychiatrische Hilfe, da die Erkrankung unbehandelt monatelang anhalten kann und akute Suizidgefahr besteht.

Teilweise gelingt eine Verbesserung durch antidepressive Medikamente bei ambulanter Versorgung, in schwierigen Fällen müssen die Mütter für eine bestimmte Zeit auf einer psychiatrischen Station behandelt werden.

Im Anschluß an den Klinikaufenthalt dauert es oft noch einige Monate, bis die Frauen wieder ihre Lebensfreude zurückerlangen. Die meisten Betroffen sind für mindestens ein Jahr auf medikamentöse Unterstützung angewiesen, viele auch noch länger. Gerade bei diesem Störungsbild sind Rückfälle häufig ( Gödtel 1965 ).

Bei der Behandlung von schweren Depressionen im Wochenbett gibt es intensive Bemühungen, die Behandlungsbedingungen für die Betroffenen zu verbessern.

An einigen psychiatrischen Abteilungen in Deutschland gibt es Mutter-Kind-Stationen, ein Behandlungskonzept, bei dem die Trennung von Mutter und Kind vermieden wird.

An der Universitätsklinik in Erlangen wurden unter der Leitung des Oberarztes Dr. Lanczik und dem Krankenpflegerteam auf der psychiatrischen Station P 21 zwei Mutter - Kind - Zimmer eingerichtet, um Frauen mit postpartaler Depression zu behandeln und ihnen eine Trennung von ihrem Kind zu ersparen.

Betroffene Frauen sind dankbar über die ihnen gebotene Hilfe und die Nachfrage ist entsprechend groß. Die verbreitete Meinung, daß psychiatrische Störungen im Postpartum so gering sind, daß die gemeinsame Betreuung von Mutter und Kind auf einer Station zu aufwendig wäre, entspricht nicht der realen Situation.

Frauen mit postpartalen Erkrankungen erleben neben sozialen Schwierigkeiten oft zusätzlich medizinische Unwissenheit bei Nervenärzten, allgemeinen Ärzten und Frauenärzten, an die sie sich hilfesuchend wenden. Dabei gibt es durchaus wirksame Medikamente, die die Stimmung und den Antrieb verbessern und therapeutische Behandlungskonzepte, die Partner und Angehörige integrieren und die Betroffenen darin unterstützen, einen Weg zu finden, mit der Erkrankung zu leben.

Die Überzeugung zu bewahren, daß die Betroffenen mit dem Abklingen der Erkrankung allmählich ihre Liebe zum Leben zurückerlangen werden, ist besonders für die Angehörigen eine große Herausforderung. Neben der medizinischen Betreuung ist dieser Glaube eine wichtige Unterstützung bei der Heilung.

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Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Postpartale psychische Störungen
Note
sehr gut
Autor
Jahr
1999
Seiten
28
Katalognummer
V98640
ISBN (eBook)
9783638970914
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Postpartale, Störungen
Arbeit zitieren
Katrin Flensborg (Autor:in), 1999, Postpartale psychische Störungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98640

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