Verortung der Professionalisierung von ErzieherInnen. Akademisierung der Ausbildung


Masterarbeit, 2020

114 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit

2. Professionstheoretische Rahmung im Erzieher*innenberuf
2.1 Profession
2.2 Professionalisierung

3. Von der Mütterlichkeit zur Professionalisierung: Die Entwicklung der Erzieher*innenausbildung
3.1 Historische Entwicklung
3.2 Aktuelle Entwicklungen
3.2.1 Ausbildungsinhalte und Zugangsvoraussetzungen
3.2.2 Wege der Professionalisierung

4. Frühpädagogische Einrichtungen: Gesellschaftliche, bildungspolitische und strukturelle Herausforderungen
4.1 Gesellschaftliche und bildungspolitische Erwartungen an frühpädagogische Einrichtungen
4.2 Strukturelle Herausforderungen an frühpädagogische Einrichtungen

5. (Früh-)pädagogisches Personal – Die gegenwärtige Ausbildungssituation: ein Überblick
5.1 Zuständigkeiten im System der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung
5.2 Ausbildungsstandorte der frühpädagogischen Qualifizierungslandschaft
5.3 Aktuelle Zahlen in der sozialpädagogischen Ausbildungslandschaft
5.3.1 Frühpädagogisches Personal in Kindertageseinrichtungen
5.3.2 Erzieher*innen im sozialpädagogischen Sektor
5.3.3 Akademische Qualifikation in Kindertageseinrichtungen

6. Professionalisierung durch Akademisierung
6.1 Kindheitspädagogik als neues Professions- und Forschungsfeld
6.1.1 Die früh- bzw. kindheitspädagogischen Hochschulstudiengänge
6.1.2 Ein Vergleich zum aktuellen Stand früh- und kindheitspädagogischer Studiengänge in Niedersachsen und Baden-Württemberg
6.2 Forschungsergebnisse aus der Früh- und Kindheitspädagogik
6.3 Früh- bzw. Kindheitspädagogik an Fachschulen und (Fach-)Hochschulen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

7.Professionalisierung von Erzieher*innen durch Weiterbildung

8. Ausblick und Perspektive

Literaturverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AGJ Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe

AK DQR Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen

AWiFF Ausweitung der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte

B.A. Bachelor of Arts

BAGKE Bundesarbeitsgemeinschaft katholischer Ausbildungsstätten für Erzieher*innen

BeA Bundesarbeitsgemeinschaft evangelischer Ausbildungsstätten für Sozialpädagogik

BGW Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)

BöfAE Bundesarbeitsgemeinschaft öffentlicher und freier nicht konfessionell gebundener Ausbildungsstätten für Erzieher*innen

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Soziales, Frauen und Jugend

bpb Bundeszentrale für politische Bildung

BRD Bundesrepublik Deutschland

bzw. beziehungsweise

DBSH Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit

DDR Deutsch Demokratische Republik

Destatis Statistische Bundesamt

DGfE Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft

DJI Deutsches Jugendinstitut

DQR Deutsche Qualifikationsrahmen

ebd. ebenda

EQR Europäische Qualifikationsrahmen

FBBE Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung

FH Fachhochschule

FKB Autorengruppe Fachkräftebarometer

JFMK Jugend- und Familienministerkonferenz

Kita Kindertageseinrichtungen

KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz

KMK Kultusministerkonferenz (Ständige Konferenz der Kultus-minister der Länder in der Bundes­republik Deutschland)

M.A. Master of Arts

MBJS Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg

MK Niedersächsisches Kultusministerium

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development

PISA Program for International Student Assessment (Programm zur internationalen Schülerbewertung)

SGB VIII Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe

URL Uniform Resource Locator

VBW Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V.

vgl. vergleiche

WiFF Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische

Fachkräfte

z.B. zum Beispiel

zit. n. zitiert nach

1. Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

„Das vornehmlichste Erziehungsziel ist, Menschen zu schaffen, die fähig sind, neue Dinge zu tun, nicht einfach das zu wiederholen, was andere Generationen taten - Menschen, die schöpferisch, erfinderisch, die Entdecker sind. Das zweitwichtigste Erziehungsziel ist, Geister heranzubilden, die kritisch sind, verifizieren können und nicht alles hinnehmen, was man ihnen anbietet“ (Jean Piaget zit. nach Pulaski 1979: 170).

Das Ziel der Erzieher*innen ist, die ihr anvertrauten Kinder zu erziehen, zu betreuen und zu bilden. Kinder sind von Beginn ihres Lebens an auf Fürsorge und individuelle Förderung angewiesen, sodass eine der wesentlichen gesellschaftlichen Aufgaben darin liegen, bestmögliche Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten zu eröffnen, da in den ersten Lebensjahren das Fundament für die gesamte Lebens- und Lernzeit gelegt wird (vgl. BMFSFJ 2005: 9ff.).

Die Qualität von Einrichtungen der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung und damit auch die Qualifizierung und Professionalisierung des pädagogischen Fachpersonals ist in den letzten Jahren in den Fokus der öffentlichen und politischen Diskussion geraten (vgl. OECD 2001, 2006). Seit Beginn der frühpädagogischen Diskussion um die Veröffentlichung der Ergebnisse der PISA-2000-Studie und dem sogenannten Bologna-Prozess1 gewinnt die vorschulische Erziehung und Bildung und damit einher die Kindheitspädagogik als Profession sowie die Pädagogik der frühen Kindheit als wissenschaftliche Disziplin zunehmend an Bedeutung (vgl. Müller et al. 2020: 7; Rauschenbach 2006:14; König 2015a: 9). In jüngster Zeit gelangen die Qualifizierungswege, aber auch die Frage nach der Zusammensetzung des pädagogischen Personals erneut in die Diskussion, vor allem auch im Hinblick auf den derzeitigen Fachkräftemangel (vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer 2017; König et al. 2018). Verstärkt durch den wiederholten internationalen Vergleich mit den Ausbildungsprofilen anderer europäischer Länder, wurde dabei auch die bundesweite Erzieher*innenausbildung2 erneut in Deutschland auf den Prüfstand gestellt. Sowohl bei der Qualität der Kinderbetreuung als auch der frühkindlichen Bildung und der zur Verfügung stehenden Betreuungsplätze besteht Entwicklungsbedarf (vgl. Rauschenbach 2006: 14f.). Zudem ist in den letzten Jahren ein starker Ausbau der Ausbildungskapazitäten an den Fachschulen für Sozialpädagogik3 zu verzeichnen (vgl. wiFF Fachkräftebarometer 2019: 168). Dies hat unter anderem zu Rahmen- bzw. Orientierungsplänen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen4 geführt (vgl. Mischo 2017: 93), die den Bildungsauftrag innerhalb der Institutionen verbindlich festlegen und hohe Bildungsqualität für alle Kinder im vorschulischen Bereich sicherstellen soll (vgl. Fthenakis 2009: 85f.). Dieser Druck setzt sich fort auf die Ebene der Erzieher*innen, sodass höhere Anforderungen an ihre beruflichen Qualifikationen und an die Qualität ihrer Arbeit bestehen. Die Antwort auf die neueren Entwicklungen in diesem Bereich lautet: Professionalisierung von Erzieher*innen.

Aus einer professionstheoretischen Sichtweise wird in der vorliegenden Masterthesis der Frage nachgegangen: Ist die Professionalisierung von Erzieher*innen an Fachschulen für Sozialpädagogik richtig verortet? Welche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich auf den unterschiedlichen Handlungsebenen der Fachschule für Sozialpädagogik, sodass diese einen Beitrag zur Professionalisierung der Erzieher*innenausbildung erzielen kann?

Dabei wird insbesondere die aktuelle Debatte um die Akademisierung der Erzieher*innenausbildung aufgegriffen, die nach den inhaltlichen und strukturellen Veränderungen an den Fachschulen seit 2004 zur Entstehung der ersten Studiengänge im Bereich „Pädagogik der frühen Kindheit“ an Fachhochschulen und Universitäten führte. Diese Arbeit hat vor diesem Hintergrund das Ziel eine kritische Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Ausbildungssituation von Erzieher*innen vorzunehmen.

Die Ausbildung der Erzieher*innen ist nicht nur die älteste, sondern auch das zahlenmäßig größte Qualifikationsprofil für die gesamten nicht-schulischen pädagogischen Arbeitsfelder, insbesondere für die Kinder- und Jugendhilfe (vgl. Rauschenbach; Schilling 2013: 104). In den meisten EU-Ländern ist die Ausbildung der Erzieher*innen ein akademischer Bildungsgang. In der deutschen Fachöffentlichkeit lassen sich an dem meist kontrovers geführten Diskurs eine häufige Polarisierung zwischen akademischer und nicht-akademischer Ausbildung pädagogischer Fachkräfte beobachten (vgl. Rudolph 2012: 12). Diese beiden Entwicklungen, sprich die der bildungsbezogenen Nach-PISA-Debatte und die hochschulpolitisch rasche Ausweitung neuer Hochschulstudiengänge, sollten nun „die Rahmenbedingungen für eine erneute Debatte um die Gestalt, die Höhenlage und das inhaltliche Profil einer zukunftsfähigen Erzieher*innenausbildung so erheblich verbessern“ (Rauschenbach 2006: 16), dass man nun vor der Herausforderung steht, über eine konkrete Neugestaltung dieser Ausbildung nachzugehen. Damit wurde für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eine (Teil-) Akademisierung vorangetrieben, die die Professionalisierungsdebatte im gesamten Arbeitsfeld verstärkt (vgl. König 2015: 283). Die Hochschulausbildung verfolgt das Ziel, den Beruf gesellschaftlich aufzuwerten, einer besseren Bezahlung zuzuführen, zugleich diesen für Männer attraktiver zu gestalten und die Absolvent*innen wettbewerbsfähiger auf einem globalisierten Arbeitsmarkt zu machen. Im Hinblick auf die gestiegene Komplexität der Anforderungen an das Fachpersonal bezüglich der Förderung heterogener Kindergruppen, der Einführung von Bildungsplänen sowie einer stärkeren Beachtung der Übergänge zur Grundschule, erfordern demnach eine höhere Qualifikation des Fachpersonals, die gegebenenfalls durch eine Hochschulbildung zu erreichen wäre. Dieser Vielfalt von Erwartungen, die teilweise nur eingeschränkt durch Forschung abgesichert sind, stehen Unklarheiten bezüglich der praktischen Umsetzung gegenüber (vgl. vbw 2012: 15). Die Debatte wirft noch viele unbeantwortete Fragen im Hinblick auf die Zukunft der Erzieher*innenausbildung auf, wobei die Tradition und die Potenziale der Fachschulen für Sozialpädagogik häufig aus dem Blick geraten. Dennoch befindet sich die Erzieher*innenausbildung derzeit im Umbruch, sodass die Erzieher*innen im Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe durch die Konkurrenz hochschulisch qualifizierter Fachkräfte zunehmend unter Druck geraten, ihre Professionalität unter Beweis zu stellen (vgl. Cloos 2008: 151; Diller, Rauschenbach 2006: 9ff.).

1.2 Aufbau der Arbeit

Der Aufbau der vorliegenden Arbeit gliedert sich in acht Kapitel. Zunächst wird eine Annäherung an die Begriffe Profession und Professionalisierung im Erzieher*innenberuf vorgenommen. Um die heutigen Professionalisierungsanstrengungen der Erzieher*innen nachzuvollziehen, ist es wichtig, einen Blick auf die Entstehungsgeschichte dieses Berufsbildes zu werfen.

Im dritten Kapitel wird diesbezüglich der Fokus auf die Entstehung der institutionellen Kleinkinderziehung in Verbindung mit der Entwicklung des Erzieher*innen-berufs gerichtet.

In einem weiteren Schritt werden die gesellschaftlichen, bildungspolitischen und strukturellen Herausforderungen an die frühpädagogischen Einrichtungen sowie ihren Akteur*innen dargestellt.

Im fünften Kapitel wird ein Überblick über die gegenwärtige Ausbildungssituation hinsichtlich des (früh-)pädagogischen Personals gegeben. Es wird danach gefragt, wer auf welcher Ebene ausgebildet wird und welche Ausbildungskapazitäten dem bis zum Jahr 2025 entstehenden Personalbedarf gegenüberstehen.

Im darauffolgenden Kapitel wird die Erzieher*innenausbildung auf Fach- und Hochschulebene betrachtet. Aufgrund der derzeitigen Debatte um die Akademisierung der Erzieher*innen-ausbildung gerät die Fachschule mit ihren strukturellen und inhaltlichen Bedingungen jedoch zunehmend in Kritik und eine Anhebung auf Hochschulniveau wird gefordert. Diesbezüglich werden die Konzepte der Fachschul- und Hochschulausbildung gegenübergestellt und kritisch hinterfragt.

Mit den großen Veränderungen und neuen Anforderungen an die Fachkräfte wird der Weiterbildung der im Arbeitsfeld der Kindertageseinrichtungen bereits tätigen Fachkräfte eine immer größer werdende Bedeutung zugesprochen, welche im siebten Kapitel näher dargestellt wird.

Abschließend soll ein Ausblick mit möglichen Perspektiven gezogen werden.

2. Professionstheoretische Rahmung im Erzieher*innenberuf

Um dieser Arbeit zunächst eine theoretische Grundlage darzulegen, bedarf es einer Definition und Abgrenzung der Begrifflichkeiten der Profession als auch der Professionalisierung. Die Entwicklung neuer professioneller und professionalisierungsbedürftiger Felder geht der Frage nach, was eine Profession ist, wie Professionalisierungsprozesse verlaufen und was professionelles Handeln kennzeichnet. Hierbei werden die professionellen Akteur*innen der Elementarpädagogik, die Erzieher*innen, fokussiert, um die Entwicklung ihres professionellen Selbstverständnisses besser nachzuvollziehen. Dennoch lässt sich die Professionalisierungs-frage in der Frühpädagogik aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Oft entsteht erst durch die Beschäftigung mit der inhaltlichen Ausrichtung Klarheit darüber, welche Bedeutung die verwendeten Begriffe tatsächlich haben. Der nachfolgende Abschnitt nimmt die Bestimmung der verwendeten Begriffe vor.

2.1 Profession

Der Begriff der Profession ist weit umfassend. Aus professionstheoretischer Sichtweise stehen allerdings der Anerkennung der außerschulischen Sozial- und Erzieherberufe als eigene Profession einige Barrieren entgegen. Die Geschichte zeigt auf, dass zu den klassischen gesellschaftlich anerkannten und etablierten Professionellen Ärzte, Juristen und Theologen zählen (vgl. Nittel 2011: 250; Combe, Helpser 1996: 97). Professionen werden somit als besondere oder spezielle Berufe konzipiert, deren Mitglieder in der heutigen modernen Wissensgesellschaft in besonderer Weise tätig sind. Dieses gesellschaftliche Bezugssystem ist deshalb bedeutend, weil Professionen sich innerhalb dieser Rahmung entwickeln und von den bestehenden Begebenheiten mitgeprägt werden. „Eine theoretisch fundierte Einordnung von Professionen wird daher vielmehr durch interaktions- und strukturtheoretische Ansätze geleistet, die den Aspekt der Problemlösung betonen bzw. professionelles Handeln als Vermittlung zwischen Theorie und Praxis in Hinblick auf die Lösung manifester Probleme von Klienten begreifen“ (Hogrebe et al. 2012: 250). Eine Profession ist innerhalb einer Gesellschaft eine Berufsgruppe, welche für einen bestimmten gesellschaftlichen Problem- und Wissensbereich zuständig ist und welcher für die Ausübung der entsprechenden Tätigkeit eine «gewisse Autonomie» (Mieg 2016: 28) zugesprochen wird.

Nach Combe, Helsper (1996) und Stichweh (1996) lassen sich fünf Merkmale von Professionen ausweisen:

1. Berufswissen
2. Berufsethik
3. Berufsrolle
4. Klientenbezug
5. Kontingenz

Die Funktion des Berufswissens geht weit über das reguläre wissenschaftliche Wissen hinaus und zeigt eine besondere reflexive Handhabung auf (vgl. Combe, Helsper 1996: 51). Der Aspekt der Berufsethik lässt sich vor allem in pädagogischen Berufen, insbesondere auf den Schutz der „Interessen und das investierte Vertrauen des Klienten“ (Stichweh 1996: 62) festmachen. Aufgrund des engen „Professionellen-Klienten-Verhältnisses“ (Stichweh 1996: 60) ist die berufliche Rolle gleichwohl eine Leistungsrolle des Systems und trägt dabei eine eher strategische Stellung. Zuletzt lässt sich das Merkmal der Kontingenz auf den Beruf des Pädagogen übertragen, indem der Professionelle nicht für das Differenzproblem verantwortlich ist, jedoch Problemlösungen anbietet (vgl. Combe, Helsper 1996: 12).

Im Gegensatz dazu definieren Thole (2008: 273f.) und Dippelhofer-Stiem (2012: 141) andere relevante Kriterien einer Profession. Diese sind jedoch an denjenigen von Combe angelehnt:

1. Akademisches Studium mit ausgewiesenem Wissen und Berufstitel
2. Berufliche Zugangsregelungen und juristische Autonomie
3. Ausgeprägte Berufsethik und Orientierung am Gemeinwohl
4. Berufsorganisation und Interessenvertretung
5. Gesellschaftlicher Expertenstatus

Somit stellt sich die Frage, inwieweit Professionen in der modernen Gesellschaft eine Rolle spielen, wenn selbst klassische Berufsgruppen wie Mediziner oder Juristen zunehmend als abhängige Arbeitnehmer weisungsgebunden agieren. Dies kommt umso mehr auch dem Erzieher*innenberuf nahe, denen allenfalls der Status einer „Semiprofession“ (Combe; Helsper 1996: 140) zugesprochen wird, da sie „relativ klienten-, aber nur schwach organisationsautonom“ sind (Daheim 1992: 26). Demzufolge ist ihre Autonomie innerhalb der Organisation wenig ausgeprägt, zudem weisen sie ein geringes Maß an Spezialisierung auf, verfügen über keinen Expertenstatus und infolge dessen übernehmen sie ihr Wissen aus der Forschung aus anderen Professionen (vgl. Dippelhofer-Stiem 2012: 141).

Ausgehend von diesen Definitionen besteht die Option den Berufsstatus einer Profession zu erreichen, den Prozess der Professionalisierung zu wählen.

2.2 Professionalisierung

Der Begriff der Professionalisierung verweist im Grundsatz jeweils auf einen sozialen Prozess oder eine Entwicklung, dessen Ausgang unbestimmt ist (vgl. Nittel 2000: 49). „Professionalisierung beschreibt den Prozess der Begründung und Entwicklung einer eigenständigen beruflichen Identität in einer modernen Gesellschaft, die durch funktionale Differenzierung gekennzeichnet ist“ (Kraimer 2002: 729). Dahingehend werden „kollektive und individuelle Prozesse der Verberuflichung“ (Nittel 2002: 254) in den Blick genommen, welche die Entwicklung einer Profession, sprich den ablaufenden Vorgang der Qualifizierung und Reifung im Berufsfeld, zur Folge haben können (Nittel 2000: 17).

Der Aktionsrat Bildung geht in seinem Gutachten zur „Professionalisierung in der Frühpädagogik“ von folgender Definition des Begriffs der Professionalisierung aus:

„Der Begriff der Professionalisierung wird im Gutachten pragmatisch im Sinne einer stärker wissenschaftlich abgesicherten Form von Beruflichkeit und im Sinne der Suche nach einer Steigerung der Effektivität und Qualitätsverbesserung der pädagogischen Arbeit verwendet und umfasst nicht nur die bloße Akademisierung der Ausbildung an sich “ (VBW 2012: 16f.).

Um die unterschiedlichen Felder pädagogischer Professionalisierung zu betrachten, wird im Folgenden auf die Ausführungen von Anke König (2015) in Anlehnung an Nittel, Seltrecht (2008) Bezug genommen. Diesbezüglich wird ein differenztheoretischer Zugang vorgesehen, bei dem der Begriff der Professionalisierung von dem der Profession losgelöst wird. Hierbei wendet sich der Blickwinkel von der Struktur- auf die Prozessmerkmale, die sich in fünf zentrale Bereiche im Feld der Frühpädagogik wiederfinden:

Zum einen handelt es sich um die Verrechtlichung, die einen Rechtsanspruch auf einen Kindergarten- bzw. Krippenplatz darlegt. „Das Mandat, das mit der Ausbildung bzw. der „Staatlichen Anerkennung“ vergeben wird, zeigt den Standard im Berufsfeld, der hier durch die Breitbandausbildung bestimmt wird“ (König 2015: 285). „Die Umsetzung der Verrechtlichung spiegelt sich am Grad der Institutionalisierung “ (ebd.), die durch verschiedene Messinstrumente anhand eines „Monitoringsystems“ (ebd.) bspw. die Personalentwicklung, Ausbildungsniveau, Arbeitsmarkt und Inanspruchnahme von Kindertageseinrichtungen) analysiert. Als dritter Aspekt wurde durch die Einführung der Studiengänge wie bspw. „Erziehung und Bildung in der Kindheit“ die Akademisierung vorangebracht. Weiterhin kann man im Prozess der Verwissenschaftlichung subjektive Aneignungsverläufe bezüglich wissenschaftsbasierten Wissens und die daran verbundene Lernkultur (frühkindliche Erziehung als Forschungsschwerpunkte, Intensivierung der beruflich verwertbaren Forschung) zählen, die wiederum nicht verpflichtend an einer Hochschule geknüpft sein muss. Darunter zählen auch Fort- und Weiterbildungen als auch Zertifikats- und Aufbaustudiengänge an den Hochschulen. Zuletzt soll durch die Verberuflichung eine einzigartige berufliche Haltung entwickelt werden als auch die Stärkung von Netzwerkarbeit sowie eine Ausdifferenzierung von Karrierewegen im Berufsfeld (vgl. König 2015: 285ff.; Nittel 2000: 16f.; Nittel, Schütz 2013: 125).

Die Ausbildung nimmt einen besonderen Stellenwert für die Professionalisierung eines Berufsfeldes ein. Insbesondere für die Ausbildung der Kindertagesbetreuung greifen dabei drei unterschiedliche, ineinander übergehende Dimensionen, nämlich die der Erziehung, Bildung und Betreuung, ein (vgl. Balluseck 2017: 11). In der deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur wird der Bildung die größte Bedeutung zugesprochen (ebd.). „Professionalisierung ist eng verbunden mit dem Wissen und Können pädagogischer Fachkräfte und gilt derzeit als Mittel, um den gewachsenen Anforderungen im frühkindlichen Bildungssektor besser Rechnung zu tragen“ (König 2015: 284 in Anlehnung an Thole 2010). Zielt man nun darauf ab pädagogisches Handeln zu professionalisieren, einerseits mit dem Blick auf die Professionalisierungsbedürftigkeit der pädagogischen Fachkräfte und andererseits als Professionalisierungsanforderungen an die pädagogischen Fachkräfte, wird spezifisches, wissenschaftliches Wissen zur Untermauerung der pädagogischen Handlungsfähigkeit benötigt (vgl. Müller et al. 2020: 7 in Anlehnung an Thole 2008). Zudem zielt eine Professionalisierung auf eine höhere Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte respektive einer adäquaten Weiterbildung bereits ausgebildeter Fachkräfte ab (vgl. Müller et al. 2020: 8).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Begriff der Professionalisierung in der Pädagogik der Kindheit auch direkt an die Qualifikation bzw. die professionelle Handlungskompetenz5 der Pädagog*innen gebunden ist.

Betrachtet man die Entwicklung von Kindertageseinrichtungen als Arbeitsfeld rückblickend, so lässt sich feststellen, dass eine fortschreitende „Verberuflichung“ und „Verfachlichung“, insbesondere durch die Etablierung des Berufes der staatlich anerkannten Erzieher*in gekennzeichnet war. Nunmehr ist die gegenwärtige Entwicklung durch eine zunehmende Professionalisierung und Akademisierung geprägt (vgl. Roßbach et al 2010: 464 in Anlehnung an Schmidt 2005; Thole 2008).

3. Von der Mütterlichkeit zur Professionalisierung: Die Entwicklung der Erzieher*innenausbildung

3.1 Historische Entwicklungen

Um die heutigen Professionalisierungsanstrengungen der Erzieher*innen nachzuvollziehen, ist es wichtig, einen Blick auf die Entstehungsgeschichte dieses Berufsbildes zu werfen.6 Wurden die Institutionen an sich durch gegebenen Anlass schon relativ früh als notwendig empfunden, war dies bei der Ausbildung mit einer Verzögerung verbunden. Die Ansicht, dass eine fachliche Ausbildung für die Arbeit in den Einrichtungen notwendig ist, entwickelte sich unter dem Einfluss verschiedener Pädagog*innen erst nach und nach. Aus diesem Grund wird zunächst der Fokus auf die Entstehung der institutionellen Kleinkinderziehung in Verbindung mit der Entwicklung des Erzieher*inneberufs gerichtet.

Die Entstehung des professionellen erzieherischen Berufsstandes

Der Erzieher*innenberuf weist eine lange geschichtliche Entwicklung bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts auf. In der Zeit zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert wurden die Stellen durch nicht einheitlich ausgebildete Kräfte in den Institutionen der Kleinkinderschulen oder Bewahranstalten besetzt. Es wurden Frauen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen in diesen Einrichtungen beschäftigt. Unter ihnen waren sowohl Lehrerinnen, die in den gehobenen Schichten keine Anstellung fanden, Ordensschwestern, berufslose Frauen, als auch junge Mädchen, die allenfalls von gebildeten Damen, deren berufliche Rolle der häuslichen Erziehung als auch das Unterrichten galt, angeleitet worden (vgl. Nagel 2000: 11 ff.). Aufgabe der sogenannten "Wartefrauen, Wärterinnen, Bewahrerinnen, Kindermägde, Kinderfrauen oder Bonnen" (vgl. Gary 1995: 44) war zum einen die Betreuung der Kinder, damit die Mütter einer Erwerbstätigkeit nachgehen konnten, zum anderen aber auch die Erziehung zu einem Verhalten, welches vor allem die Genügsamkeit der ärmeren Schichten zum Ziel hatte (vgl. Erning 1987: 13 ff.). In diesem Sinne ging es hierbei nicht um einen pädagogischen Auftrag, der sich mit der kindlichen Entwicklung auseinander setzen sollte, sondern eher um einen politischen Auftrag, mit dem Ziel die Klassenverhältnisse zu erhalten und ein Auflehnen der ärmeren Schichten zu vermeiden (vgl. ebd.). In diesem Sinne war eine institutionalisierte Ausbildung zunächst nicht notwendig und wurde nicht forciert. So entstanden ab dem Jahr 1800 Einrichtungen zur außerfamiliären Versorgung und Erziehung von Kindern im Vorschulalter, dessen fortschreitender Aufbau von umfassenden beruflichen Qualifizierungsbemühungen privater Träger der damaligen Sozialen Arbeit befördert wurde (vgl. Amthor 2003: 545). Im Jahr 1802 wurde die erste Kinderbewahranstalt durch die Fürstin Pauline von Lippe-Detmold in Deutschland errichtet, deren „Wärterinnen“7 von erfahrenen Aufseherinnen für deren Tätigkeit vorbereitet wurden (vgl. Amthor 2003: 545). Somit kann diese Ausbildung ein stückweit im Sinne einer Berufsvorbereitung angesehen werden, da hierbei die älteren Schülerinnen der Erwerbsschule und des Waisenhauses auf ihre spätere Tätigkeit als Kinderwärtnerinnen und Dienstmädchen vorbereitet wurden (vgl. Krecker 1974: 123 ff.).

Mit dem gesellschaftlichen Wandel und den veränderten ökonomischen Verhältnissen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und den damit verbundenen veränderten Anforderungen an die Betreuerinnen, neben der Betreuung auch die Vorbereitung auf die Schule und die Förderung der Persönlichkeit zu übernehmen, rückte die Frage nach Qualifizierung und Verberuflichung der Mitarbeiterinnen auf breiterer Ebene in den Fokus (vgl. Derschau 1987: 68). Die institutionelle Kinderbetreuung wurde dahingehend maßgeblich von Johann Georg Wirth, Theodor Fliedner und Friedrich Fröbel geprägt (vgl. Roßbach et al. 2010: 463).

So machte einst Johann Georg Wirth im Jahre 1834, der unter seiner Leitung stehenden Kinderbewahranstalt, Vorschläge für eine Schule, in der junge Mädchen darauf vorbereitet werden sollten, Mütter zu Hause oder die Wartefrauen in den Bewahranstalten zu unterstützen. Bei der Ausbildung sollte es sich um eine einjährige Ausbildung handeln, wobei im theoretischen Teil u.a. die Aufgaben einer „Kindsmagd“ sowie teilweise auch pflegerische Aspekte erlernt und praktische Erfahrungen in den Bewahranstalten gesammelt werden sollten. Kennzeichnend für Wirth war seine Einstellung bezüglich der handelnden Funktion der Männer, in dem sie als Leitung einer solchen Einrichtung fungieren sollten und Frauen eher als "Hilfskräfte“ angesehen wurden (vgl. Metzinger 1993: 35 f. in Anlehnung an Gehring 1929; Wirth 1838). Weitere Anregungen von Wirth gelten als bemerkenswert, weil er mit seiner Ansicht, dass Fachkräfte auch in Kleinkindereinrichtungen eine Ausbildung benötigen, seiner Zeit voraus war (vgl. Metzinger 1993: 36).

Den ersten wesentlichen Schritt, um eine Ausbildung in dem Bereich der vorschulischen Erziehung hervorzubringen, tätigte der evangelische Pfarrer und Gründer der christlichen Kleinkinderschul-Bewegung Theodor Fliedner (1800-1864) mit seinem Ausbildungskonzept für Kleinkinderschul-Lehrerinnen, welches 1836 an die Diakonissenanstalt in Kaiserwerth angeschlossen war (vgl. Nürnberg/Schmidt 2018: 38). In den Kursen, die zu Beginn nur ein bis zwei Monate dauerten, wurden hauptsächlich ältere Frauen ausgebildet. Die Ausbildungsdauer innerhalb der Kurse war von den Vorkenntnissen und der Bildung der Teilnehmer abhängig. Bis zum Jahr 1854 wurde die Kursdauer auf ein Jahr ausgeweitet, da sich vermehrt jüngere und unerfahrenere Mädchen für den Beruf entschieden (vgl. ebd.). In den Kursen sollten sowohl Methoden und Gegenstände (Material) der Arbeit kennen gelernt, als auch ein spielerischer und bildender Umgang mit den Kindern erlernt werden. Weiterhin wurde die einseitige Ausrichtung der Ausbildung hinsichtlich christlicher Werte kritisiert, in dem pädagogische Grundkenntnisse wenig Platz fanden (vgl. Metzinger 1993: 39 ff.). „Die Ausbildung nach Fliedner war ausschließlich Frauen vorbehalten“ (Derschau 1987: 69), sodass diese nicht mehr einer männlichen Autorität unterstellt waren, sondern darin ausgebildet wurden, eine Kleinkinderschule eigenständig zu leiten (vgl. König 2020a: 1354). Auf der Konzeption Fliedners bauten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Ausbildungsstätten der evangelischen Kirche auf, die zunehmend ausgebaut wurden (vgl. Metzinger 1993: 75).

Auch die Einrichtung von Julius Fölsing (1818-1882), einer der bedeutendsten Vorschulerzieher seiner Zeit, errichtete im Jahr 1843, auf Basis seiner Analyse verschiedener Kleinkinderschulen, eine "Kinderschule für Kinder höherer Stände“, an der auch eine Ausbildungsstätte für Erzieherinnen angeschlossen wurde. Die Ausbildungszeit betrug zu diesem Zeitpunkt ein Jahr (vgl. Barow-Bernstorff 1974: 161). Im Gegensatz zu Fliedners Ausbildungskonzeption, in dem das Spiel einen geringeren Stellenwert trug, ist hierbei für die „Bildung und Erziehung vier bis sieben Jähriger Kinder in den Kleinkinderschulen“ das Spiel von großer Bedeutung (vgl. Nürnberg, Schmidt 2018:38). Neben der Ausbildung befasste sich Fölsing auch mit der Weiterbildung von Erzieherinnen und gestaltete diese durch ein "pädagogisches Kränzchen“, welches er regelmäßig abhielt und in diesem Rahmen pädagogische Konzepte diskutierte, sowie Vorträge ermöglichte und Literatur zu verschiedenen pädagogischen Themen hervorbrachte (vgl. Metzinger 1993: 38 in Anlehnung an Fölsing 1866; Gehring 1929).

In der darauffolgenden Zeit wurden die Forderungen nach einer Verstaatlichung der Ausbildung laut (vgl. Metzinger 1993: 80 f.), die jedoch durch die Ablehnung einer staatlichen Prüfung im Jahr 1885 noch nicht gewünscht war. Dies wurde insofern begründet, dass die Eigenschaften einer guten Erzieherin sich nicht durch ein theorie-basiertes Wissen, sondern vielmehr in ihrem Gemüt und ihrer Persönlichkeit verankert sind (vgl. Schneider, von Bremen 1886: 575).

Mit der Jahrhundertwende kam es schließlich zunehmend zu einer Verstaatlichung der Ausbildung zur Erzieherin und zu einer Einführung von Lehrplänen sowie Prüfungsordnungen (vgl. Reyer 2006: 135). Als Begründung für die Verstaatlichung wird das quantitativ angestiegene Wachstum an Kindertagesstätten herangezogen (vgl. Derschau 1987: 72). Neben den evangelischen und staatlichen Trägern veranlasste die katholische Kirche eigene Ausbildungsstätten einzurichten, welche jedoch quantitativ denen der evangelischen Kirche unterlegen waren (vgl. Metzinger 1993: 84). Um den höheren Zugangsvoraussetzungen aus dem Weg zu gehen, sahen die kirchlichen Träger zunächst davon ab, sich der staatlichen Anerkennung anzuschließen. Als diese jedoch zunehmend zu einer Voraussetzung für eine Anstellung wurde und damit verbunden die Schülerzahlen an den Schulen in kirchlicher Trägerschaft zurück gingen, schlossen auch die kirchlichen Träger sich den staatlichen Vorgaben an (vgl. ebd.: 90). Mit dem mittleren Bildungsabschluss als Zugangsvoraussetzung war die Erzieherinnenausbildung an die gleichen Bedingungen wie die Lehrerinnenausbildung geknüpft, jedoch lag ihr Einkommen in etwa bei der Hälfte (vgl. Konrad 2004: 115 f.). Da die Kirche sich zunächst den staatlichen Vorgaben nicht anschließen wollte, bildeten sich bis zum Jahr 1919 zwei Ausbildungsformen für Kindergärtnerinnen. Dies beinhaltete zum einen die Ausbildung der konfessionellen Träger, in welchem Schülerinnen mit einem Volksschul-abschluss aufgenommen und nach schuleigenen Plänen ausgebildet wurden und zum anderen das Kindergartenseminar, welches an die allgemeine Frauenschule angeschlossen war sowie eine höhere Schulbildung voraussetzte. Auf der Reichsschulkonferenz 1920 wurden mehrere Empfehlungen erarbeitet, die eine Grundlage für das darauffolgende Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt von 1922 darstellten. Mit diesem Gesetz wurde die institutionelle Kleinkinderziehung als sozialstaatliche Aufgabe anerkannt, während die öffentliche Hand die Finanzierung trägt und die freien und kirchlichen Träger das pädagogische Angebot gestalteten (vgl. Honig 2012: 97).

In den 20er Jahren etablierte sich zusätzlich zu den schulischen Ausbildungen unbezahlte, einjährige Praktika im Anschluss an die schulische Ausbildung. Daran schloss sich ein gestufter Aufstieg der Erzieherin als "Hilfskindergärtnerin“, "Kindergartenverweserin“ und schließlich zur "wirklichen Kindergärtnerin“ an (vgl. Bölling 1983: 73). In diesem Sinne kristallisierten sich die praktischen Anteile als erste Gemeinsamkeiten mit der heutigen Erzieher*innenausbildung heraus, welche heute bundesländerspezifisch integriert sind.

Die Ausbildung nach Friedrich Fröbel Während der Zeit von 1782 bis 1852, vor der Reichsgründung, wurde der Erzieherinnenberuf maßgeblich von dem Pädagogen Friedrich Fröbel beeinflusst und vorangetrieben. Geprägt durch den frühen Tod seiner Mutter und einen Mangel an Zuneigung in der frühen Kindheit, entwickelte er einen ausgeprägten Sinn für die Relevanz von Nähe und Zuwendung für Kinder und ein inniges Verhältnis zur Natur, welche ihm zum Ersatz für fehlende soziale Kontakte wurde (vgl. Frey et al. 2001: 15 ff.). Nach einem naturwissenschaftlichen Bildungsweg lernte er Pestalozzi kennen und begeisterte sich für seine Ideen der Pädagogik. Fröbel entwickelte ein eigenes philosophisches System, welches die Grundlage für seine Idee der ganzheitlichen Erziehung wurde (vgl. Frey et al. 2001: 15 ff.).

Die Ausbildung nach Friedrich Fröbel, der zeitlich betrachtet zu einer ähnlichen Zeit wirkte wie Wirth, Fliedner und Fölsing, sollte auf die Arbeit im Kindergarten vorbereiten. Fröbel gilt als einer der wichtigsten Elementarpädagogen des 19. Und 20. Jahrhunderts und als Schöpfer des Kindergartens, welches deutlich macht, dass er „Bildung“ nicht als „Schulung“ versteht (vgl. Ebert 2006: 33). Er betrachtete seinen Kindergarten als die erste Stufe des Bildungssystems und strebte die freie Entfaltung der Kinder, sowie die Unterstützung der Familien in Bezug auf Erziehungsfragen an (vgl. Derschau 1987: 69).

Die Ausbildung sollten zunächst nur Männer tätigen, da Fröbel den Einbezug von Männern in eine wissenschaftliche Ausbildung mit intellektuellem Anspruch einer hohen Bedeutung zusprach. Seine ersten Schüler waren tatsächlich auch nur den Männern vorbehalten, bis er auf die Erkenntnis (1838- 1839) stieß, dass die Erziehung von Kindern in den ersten Lebensjahren maßgeblich von der Mutter beeinflusst ist (vgl. Prüfer 1927: 90f.). Fröbel`s Idee über das öffentliche, weibliche Rollenmuster von Frauen und Erziehung wurde durch die bürgerliche Frauenbewegung aufgegriffen und begründete somit eine Forderung der Ausbildung für Kindergärtnerinnen. Zum einen ermöglichte der Beruf der Kindergärtnerin den bürgerlichen Frauen eine gesellschaftlich akzeptierte außerhäusliche Erwerbstätigkeit und andererseits eine geistige, seelische und rechtliche Unabhängigkeit vom männlichen Geschlecht (vgl. Wustmann 2012: 64).

Die Kindergärtnerin verstand sich somit nicht mehr nur als Bewahrerin in einer Kinderaufbewahrungsanstalt, sondern eben als pädagogische Fachkraft, die eine kindgerechte Erziehung gestaltet (vgl. Derschau 1987: 69ff.). In Fröbel‘s Pädagogik gab es zwei zentrale Grundannahmen, die sich zum einen in seiner Theorie von der seelisch-geistigen Entwicklung in der frühen Kindheit äußern als auch in der Entwicklung der Theorie des Spiels. Seine Pädagogik stand im Zeichen der Aufklärung und des Idealismus. Mit seiner Ausbildungskonzeption legt Fröbel ein differenziertes Konzept zugrunde, welches sich damit beschäftigt, wie Erziehungs- und Bildungsprozesse im Kindergarten von den Pädagoginnen unterstützt werden können. Fröbel sah, wie Pestalozzi auch, die Kindheit als einen eigenständigen Lebensabschnitt an und schrieb der Frühpädagogik eine entsprechend hohe Bedeutung für die gesamte Entwicklung von Kindern zu. Das vorrangige Ziel von Erziehung war die Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen (vgl. Aden-Grossmann 2011: 24).

Fröbel‘s Ideen wurden 1840 mit der Gründung des Kindergartens aufgegriffen und es entwickelte sich ein Verständnis, dass der Kindheit eine eigene Bildsamkeit und dem Kindergarten damit auch einen eigenen Bildungsauftrag zusprach (vgl. Kasüschke et al. 2008: 19). Mit der Grundidee bezüglich der Ausrichtung und Dauer der Ausbildung, strebte Fröbel eine umfassende Ausbildung von zwei Jahren an, wenn eine Vorbildung als Elementarlehrerin vorlag. Dieses Vorhaben scheiterte, aufgrund fehlender Mittel und einem geringen Interesse an dieser Ausbildung (vgl. Fröbel 1982 in Anlehnung an Derschau 1987: 69ff.). So kam es, dass die Ausbildung bei Fröbel, welche seit 1839 durchgeführt wurde, zunächst nur wenige Monate dauerte. Somit veranlasste er keine feste Ausbildungsdauer, sondern machte dies mit der Überzeugung deutlich, dass diese individuell verschieden war, demzufolge von der Entwicklung der sogenannten „Bildlinge“ abhängig (vgl. Gary 1995: 88f.). Die ersten Schüler, die er in Blankenburg unterrichtete, waren allesamt männlichen Geschlechts und wurden im Umgang mit den von Fröbel entworfenen Materialien geschult und zu sog. „Spielführern“ ausgebildet. Hierbei unterschied sich die Ausbildung nach Fröbel von denen bei Fliedner oder Fölsing, wohingegen von Beginn an Frauen ausgebildet wurden. Je mehr er jedoch Erfahrungen mit der Kleinkinderziehung gewann, desto mehr entwickelte sich die Überzeugung, dass Frauen mit ihrem „mütterlichen Sinn“ geeigneter für die Arbeit im Kindergarten waren (vgl. Metzinger 1993: 52). Zudem galt die Ausbildung zur Kindergärtnerin als erste professionelle Ausbildung für Frauen in Deutschland, bei der ein öffentliches Mitwirkungsrecht der Vertreterinnen des Bürgertums ermöglicht wurde (vgl. König 2020a: 1355).

Fröbel unterteilte seine Kurse in theoretische Teile, die sich wiederum auch auf die Praxis bezogen (vgl. Gary 1995: 88). Die Inhalte der Kurse umfassten Religionsunterricht, die Beschäftigung mit der Entwicklung des Kindes, den Bereich Pflege und Erziehung, das Erlernen des anregenden Sprechens mit dem Kind sowie die Aneignung eines "anregenden Kindergesangs“. Weiterhin sollte die Möglichkeit bestehen, die Kinder physisch und psychisch in ihrer Entwicklung zu unterstützen als auch der Umgang mit den Materialien Fröbels erlernt werden (vgl. Fröbel 1966: 496f.).

Im Jahr 1848 wurden bereits Empfehlungen an einzelne deutsche Staaten gegeben, Kindergärten nach dem Vorbild von Fröbel einzuführen, was zunächst durch das seit 1851 in Kraft tretende preußische Kindergartenverbot verhindert wurde. Damit war die Idee nach Fröbels Tod 1852 allerdings nicht Geschichte, sondern wurde durch einige seiner Schülerinnen weitergetragen (vgl. Derschau 1987: 71). Hervorzuheben sind in diesem Kontext unter anderem Henriette Goldschmidt und Henriette Schrader-Breymann.

Henriette Goldschmidt (1825-1920) setzte sich 1898 für die Integration der Fröbel‘schen Kindergärten und der Seminare in das staatliche System ein und forderte einen verpflichtenden Kindergartenbesuch vor dem Eintritt in die Schule sowie die staatliche Ausbildung und Prüfung von Kindergärtnerinnen und ihre Gleichstellung mit den Lehrerinnen (vgl. Metzinger 1993: 59f.). Durch ihren Einsatz für die Ausbildung "weiblicher Berufe" entstand 1910 in Leipzig die Frauenhochschule, wo Kindergartenseminare und andere Kurse für soziale Berufe angeboten wurden (vgl.: ebd.).

Henriette Schrader-Breymann (1827-1899), eine Nichte Friedrich Fröbels, absolvierte bei ihm kürzere Ausbildungskurse (1848-1849), die einen Einfluss auf ihr weiteres Handeln mich sich führte. Im Jahr 1854 gründete sie gemeinsam mit ihren erwachsenen Geschwistern in ihrem Elternhaus in Watzum eine Erziehungs- und Bildungsstätte für junge Mädchen, in der die Mädchen in wissenschaftlichen, musischen und sprachlichen Bereichen gebildet wurden und in die hauswirtschaftlichen sowie erzieherischen Tätigkeiten einbezogen wurden (vgl. Krecker 1974: 219). Durch ihre Person wurde der Begriff der „geistigen Mütterlichkeit“ im Jahr 1860 definierte und verbreitet (vgl. Berger 1999: 28). Darüber äußert sie: “[…] die Mädchen sollten hier eine Ausbildung ihrer natürlichen, spezifischen-weiblichen Hausfrauen- und Mütteranlagen erhalten, die sie dann zu einem echten Frauenberuf in der Öffentlichkeit befähigten, solange ihnen die eigene Heimgründung versagt bleibt“ (Schrader-Breymann 1958: 4). “Die bürgerliche Frauenbewegung wollte ursprünglich mit dem Konstrukt der „geistigen Mütterlichkeit“ am gesellschaftlichen Leben einer männlich dominierten Kultur teilnehmen, ohne dabei ihre weibliche Identität zu verlieren“ (Pölzl-Stefanec 2017: 32).

Mit ihrem Umzug nach Berlin 1872 und der Gründung eines Volkserziehungsvereins, aus dessen Beiträgen die Kosten eines Kindergartens finanziert wurden, entstand somit das einstige „Pestalozzi-Fröbel-Haus“ (vgl. Amthor 2003: 227). Hierbei wurde der Grundstein für eine Ausbildung zur Kindergärtnerin gelegt, die bis heute bestand hat. Ihr Ziel war es, Erzieherinnen auszubilden, die aus einer mütterlichen Haltung heraus die alltäglichen Dinge als Anlass zum Lernen nutzten (vgl. Hoffmann 1971: 40). Zudem schlug Schrader-Breymann, aufgrund der Verschiedenartigkeit des Arbeitsfeldes, unterschiedliche Ausbildungen für Erzieherinnen vor und entwickelte damit ein „wachsendes verzweigtes System von Schul- und Ausbildungsstätten für weibliche soziale und sozialpädagogische Berufe“ (Derschau 1976: 57) und wegweisend für die Weiterentwicklung sozialer Berufe werden sollte. Somit entstanden im Jahr 1899, durch die Übernahme einer ehemaligen Schülerin Klara Richter (1859-1913), für die Schülerinnen neben der Ausbildung zu Kindergärtnerin, mit dem Blick auf die verschiedenen Altersstufen und Aufgabenbereiche, auch weitere soziale Berufe. So ergab sich dann die Ausbildung zur Kinderpflegerin (Voraussetzung hierfür war lediglich ein Volksschulabschluss) und ab dem Jahr 1910 kam ein Seminar für Hortnerinnen hinzu. Überwiegend war die Ausbildungsstruktur für Kindergärtnerinnen im 19. Jahrhundert in Deutschland sehr heterogen. Erst 1911 erfolgte eine erste einheitliche Regelung der Kindergärtnerinnenausbildung, durch die nun auch eine staatliche Anerkennung erworben werden konnte. Das Professionsprofil war überwiegend an der Mütterlichkeit ausgerichtet (vgl. König 2008: 756ff.; Metzinger 2006: 350f., von Derschau 1976: 34ff.). Im Hinblick auf bestimmte Weiterbildungsangebote für Kindergärtnerinnen wurde die Ausbildung von leitenden Kräften wie auch für unterrichtende Tätigkeiten im Rahmen der Kindergärtnerinnen-ausbildung forciert, die letztlich in die Ausbildung zur „Jugendleiterin“ mündeten. Zudem beherbergte das Pestalozzi-Fröbel-Haus die „Soziale Frauenschule“, die aus dem Berliner Verein „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit“ entsprang und durch das Wirken von Alice Salomon bedeutsame Impulse für die Ausbildung in der Sozialarbeit setzte. Dem Berliner „Pestalozzi-Fröbel- Haus“ ist bis heute eine Fachschule für Sozialpädagogik angeschlossen (vgl. Amthor 2003: 226 ff.).

Die Erzieherinnenausbildung während der Weimarer Republik bis zum Ende des Nationalsozialismus

Ein weiterer Meilenstein der Institutionalisierung und Konsolidierung der Erzieherinnenausbildung vollzog sich in der Weimarer Republik, als 1928 vom preußischen Kultusministerium die gemeinsame Vereinbarung der Länder zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen veröffentlicht wurde. Dies führte zu einer Zusammen-legung der zuvor getrennten Hortnerinnen- und Kindergärtnerinnenausbildung mit der Zugangsvoraussetzung des mittleren Schulabschlusses im Sinne einer zweijährigen Ausbildung (vgl. Derschau 1987: 71f.). Ab diesem Zeitpunkt prägte nicht mehr nur das Gedankengut von Friedrich Fröbel, sondern insbesondere die reformpädagogische Bewegung die Kindergartenarbeit. Demzufolge gaben Reformpädagogen, wie bspw. Maria Montessori, einen wesentlichen Impuls zur Erziehung von Vorschulkindern und zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen (vgl. Metzinger 1993: 121ff.). Im Jahr 1930 wurden mitunter Ausbildungsrichtlinien erlassen, die eine eigene Ausbildung für die Kinder im Krippenalter vorsah, sprich die der Säuglings- und Kleinkinderpflegerin (vgl. Konrad 2004: 138).

Mit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft wurde die reformpädagogische Bewegung nach Montessori in Deutschland verboten. Im Jahre 1924 trat das Reichsjugend-wohlfahrtsgesetz (RJWG) in Kraft und somit wurde der Kindergarten dem Jugendhilfebereich zugeordnet und zeitgleich nicht mehr als Bildungseinrichtung angesehen. Demzufolge wurde ab dem Jahr 1933 eine strikte Ausrichtung der Ausbildung an ideologische Zielsetzungen ausgerichtet (vgl. Amthor 2003: 546). Ebenso hat die Wohlfahrts- und Volkspflege an Bedeutung gewonnen. Dennoch wurde das Ausbildungsniveau bewusst niedrig gehalten, sodass die Ausbildungsinhalte mit nationalsozialistischen Ideologien behaftet waren und die akademischen Verläufe willentlich unterbunden wurden. Die Zeit zwischen 1933 und 1945 kann in Bezug auf die Professionalisierungsentwicklung hinsichtlich der institutionalisierten Ausbildung, der Qualifizierung sowie den Forschungsbestrebungen historisch gesehen als Rückschritt betrachtet werden (vgl. Kruse 2010: 50).

Das Ausbildungssystem nach 1945 Mit dem Ende des Nationalsozialismus knüpften die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen an die Traditionen der Weimarer Zeit an (vgl. Ebert 2006: 174). Im Jahr 1960 kamen allmählich Diskussionen um die bestehenden Formen und Möglichkeiten im Rahmen der Neugestaltung des Ausbildungsweges sozialpädagogischer Berufe auf, die einen weiteren Ausbildungsweg des „Heimerziehers“ nach sich zogen. Der Theologe Johann Hinrich Wichern begründete in der Heimerziehung eine berufliche Qualifizierung für Männer, die zur Tätigkeit als „Hausvater“ und „Gehilfen“ in den damaligen Rettungsanstalten der Inneren Mission befähigte (vgl. Amthor 2003: 547). „Trotz der Zusammenführung unterschiedlicher sozialpädagogischer Berufswege (Schultheis 2008) ist es im Laufe der Zeit nicht gelungen, eine tatsächliche Professionalisierung des Berufes außerhalb der ‚geistigen Mütterlichkeit‘ zu etablieren“ (König 2020a: 1354 in Anlehnung an Ebert 2006; Ostendorf 2016; Rabe-Kleberg 1997).

Die erste „Rahmenverordnung über die Sozialpädagogischen Ausbildungsstätten“ wurde im Jahr 1967 von der Kultusministerkonferenz (KMK) für eine bundeseinheitliche Ausbildung der Erzieher*innen im Nachkriegsdeutschland erlassen. Sie vereinigte nun die Kindergärtner*innen- und Hortner*innenausbildung mit der Ausbildung für den Bereich der Jugend- und Heimerziehung. Das Berufsbild richtete sich von da an sowohl an Frauen als auch an Männer (vgl. Amthor 2003: 431 ff.). Dabei kam es zu der Einführung der Begriffs-bezeichnung der „Fachschulen/-akademien für Sozialpädagogik“ und das neue Berufsbild wurde bundesweit unter der Berufsbezeichnung „staatlich anerkannte/-r Erzieher/-in“ festgelegt. Die Ausbildung wurde dahingehend in das System der beruflichen Weiterbildung miteinbezogen und als vollzeitschulische Ausbildung organisiert. Der mittlere Schulabschluss galt für diese Ausbildung weiterhin als allgemeine Zulassungsvoraussetzung nach den Rahmenrichtlinien von 1967 (vgl. König 2008: 760; Metzinger 1993: 161; Metzinger 2006: 352). Zeitgleich wurde die Ausbildung der Sozialarbeiter*innen, der Jugendpfleger*innen und der Jugendleiter*innen zur Ausbildung der Sozialarbeiter*innen zusammengefasst und fortan an Fachschulen angeboten (vgl. Viernickel 2008: 124). Dennoch kam es im Jahr 1970 aufgrund eines erhöhten Fachkräftebedarfs zu einer Modifizierung der Aufnahmebedingungen der KMK-Vereinbarung, da sie eine zu große Kluft der Zulassungsanforderungen im Vergleich zur Sozialarbeiter*innenausbildung, insbesondere auch in Bezug auf Verdienst und Aufstiegsmöglichkeiten der Absolvent*innen, aufweist (vgl. Ebert 2006: 213f.). Demzufolge wurde das Mindestalter von 18 Jahren abgeschafft, berufliche Vorerfahrungen wurden nur vage formuliert und eine einjährige „geeignete“ praktische Tätigkeit genügte, um in die Ausbildung aufgenommen zu werden (vgl. ebd.). Die Ausbildung umfasste somit bundesweit einen zweijährigen Teil an der Fachschule, die eine fachtheoretische und praktische Grundausbildung und eine Erweiterung der Allgemeinbildung anstrebte. Innerhalb dieser Ausbildung fanden Praktika statt, die jedoch nach Dauer und Zielsetzung bundesweit sehr unterschiedlich waren. Insgesamt zielte man eine Deckung des Personalmangels ab und somit verlor der Berufsstand der Erzieher*innen innerhalb der Neukonzeption der sozialpädagogischen Berufe seinen Status. Eine gezielte Professionalisierung von Erzieher*innen und die damit einhergehende Vereinheitlichung der Erzieherberufe wurde mit den eingeleiteten Reformmaßnahmen 1967 abgewendet und führte zu einer Festigung hierarchischer Strukturen (vgl. ebd.: 215). Gleichzeitig folgte die Diskussion um eine Entschulung der Ausbildung und einer ernsthaften Reformation der Erzieher*innenausbildung und ging mit der Forderung von Dietrich von Derschau (1975) einher, dass „eine gewisse Übereinstimmung zwischen den Zielen der sozialpädagogischen Berufspraxis sowie den Inhalten und Methoden der dafür qualifizierten Ausbildung bestehen solle. Stattdessen würde viel doziert, diskutiert und rational verfügbar gemacht, jedoch eine Einübung in die damit verbundenen Fähigkeiten und Fertigkeiten fände kaum statt oder würde sogar oft verhindert werden“ (Dietrich von Derschau zit. nach Ebert 2006: 216). Bereits damals wurde in diesem Zusammenhang die Forderung nach einer Ausbildung für Erzieher*innen an Fachhochschulen laut. Die Ausbildung müsse u.a. differenziertes Wissen in Bereichen der Entwicklungspsychologie, Lernpsychologie u.w. vermitteln. Eine grundlegende Reform der Ausbildung blieb jedoch aus und das Konzept der Lehr- und Erziehungsmethoden blieb weitgehend unverändert bestehen (vgl. Schmidt 2005: 715; König 2008: 760).

Die KMK unternahm 1982 erneut den Versuch, die Ausbildung der staatlich anerkannten Erzieher*innen zu reformieren. Die Reform führte lediglich zur Angleichung der Ausbildungsunterschiede zwischen den Ländern. Der Erzieher*innen-Status wurde durch die Festschreibung einer neuen Fachlichkeit gestärkt und die Erzieher*innen als selbstständig tätige Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe anerkannt (vgl. Küster 2005: 831). Die jeweiligen Zugangsvoraussetzungen und Ausgestaltungen gestalten sich trotz der Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung von Erzieherinnen und Erziehern (1982) in den einzelnen Bundesländern sehr heterogen (vgl. Engelhardt, Ernst 1992: 424).

Entwicklungen in der DDR Erst nach dem zweiten Weltkrieg war die Frühpädagogik von einem kontinuierlichen quantitativen Ausbau des Kindergartenwesens strukturiert. Diese Entwicklung äußerte sich in der DDR aus politisch-ideologischen Gründen deutlich früher als in der Bundesrepublik (vgl. Nürnberg; Schmidt 2018: 46f. in Anlehnung an Rauschenbach et al.1995). Der Kindergarten wurde seit 1949 als schulvorbereitende Einrichtung gesehen und 1965 in das Bildungssystem formell zugeordnet. Währenddessen der Kindergarten als auch der Hort zum Schulsystem zählten und pädagogisch ausgerichtet waren, unterstanden die Krippen dem Volksgesundheitswesen. Die Hortnerinnen und Unterstufenlehrerinnen wurden zusammen ausgebildet (vgl. König 2020a: 1360 in Anlehnung an Rabe-Kleberg 2006). Der Beruf der Kindergärtnerin war ein Wunschberuf mit relativ hohem Sozialprestige und lebenslanger Perspektive. Primär sollte sich die Planung und Gestaltung von Erziehungsprozessen an die Gesamtgruppen richten und sekundär betrachtete man somit das Kind als Individuum mit dessen Bedürfnissen. Die Aufgabe der Kindergärtnerin war es somit die Erziehung im Kindergarten als politischen Auftrag zu begreifen. Die Ausbildung zur Kindergärtnerin hatte in der DDR den Status eines (Fachschul-) Studiums und unterlag der staatlichen Bildungs-planung. Die Voraussetzung für die Ausbildung zur Kindergärtnerin war der Abschluss der zehnten Klasse an einer Polytechnischen Oberschule. Insgesamt betrug die vollzeitschulische Berufsausbildung drei Jahre an einer Pädagogischen Fachschule und bildete somit keinen akademischen Abschluss. Dennoch wurden die Auszubildenden als Student*innen bezeichnet als auch die Ausbildungsabschnitte in Semester aufgeteilt, sodass die Ausbildung einen in gewissermaßen wissenschaftlichen Status zugeteilt wurde (vgl. Nürnberg; Schmidt 2018: 46f. in Anlehnung an Rauschenbach et al.1995).

Die Erzieher*innenausbildung nach der Wiedervereinigung bis heute Mit der Zuordnung der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland fielen auch die neuen Bundesländer unter Vereinbarung der Kultusministerkonferenz von 1982. Diese definierte die Erzieher*innenausbildung als eine Breitbandausbildung (vgl. Rauschenbach et al. 1996: 183) und bedeutete somit in Bezug auf die Spezialisierung der Ausbildung in den neuen Bundesländern eine enorme Umstellung, war diese ja bis zur Wiedervereinigung in die drei Bereiche Krippenerzieherin, Kindergärtnerin und Horterzieherin unterteilt. Insgesamt bedeutete die strukturelle Anpassung der Ausbildung eine Herabstufung der Ausbildung in der ehemaligen DDR. Dort war die Ausbildung zur Kindergärtnerin der Ausbildung für Lehrerinnen für die Unterstufe der Schule (Ausbildung an einer Fachschule) gleichgestellt, sodass im Rahmen der Anpassung ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Ausbildungen (Ausbildung der Unterstufenlehrerinnen an Universitäten) ergab (vgl. Konrad 2004: 256).

Dem folgt der gesetzliche Auftrag von Bildung, Betreuung und Erziehung, der im § 22 SGB VIII als Pflichtleistung der öffentlichen Jugendhilfeträger seit 1990 verankert ist. Familien stehen demzufolge eine bedarfsgerechte Unterstützung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ein entwicklungsangemessenes, förder- bzw. familienergänzendes Bildungsangebot der Kinder zu. Die damit verbundene Weiterentwicklung von Kindertagesbetreuungen kann mit dem Begriff der „Professionalisierung“ umschrieben werden, welcher dahingehend die verschiedenen Ebenen des Systems der Kindertagesbetreuung beinhaltet (vgl. Friederich/Schoyerer 2016: 38f.). Als das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) 1991 in den westlichen Ländern in Kraft trat, wurde der Kindergarten für Gesamtdeutschland eine Angelegenheit der Träger und Gemeinden. Der Rechtsanspruch für alle drei- bis sechsjährigen Kinder auf einen Kindergartenplatz wurde 1999 festgesetzt (vgl. König 2020: 583). Nach einem Umstellungsvorgang wurde 1991 durch die Kultusministerkonferenz beschlossen, unter welchen Voraussetzungen welche Formen der Erzieher*innenausbildungen der ehemaligen DDR (Krippenerzieherin, Kindergärtnerin, Horterzieherin u.a.) eine Anerkennung für welchen Bereich (Krippe, Kindergarten, Hort etc.) erhalten konnte. Die staatliche Anerkennung und damit die Möglichkeit, in allen sozialpädagogischen Tätigkeitsfeldern zu arbeiten, konnte allerdings nur über eine einjährige Anpassungsfortbildung, sprich einer Nachqualifikation vorgenommen werden, welche jedoch unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. berufliche Erfahrungen, Lebensalter) verkürzt oder erlassen werden konnte. Diese Regelung konnte jedoch länderspezifisch individuell ausfallen (vgl. Derschau/Thiersch 1999: 25).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich sowohl die Entwicklung der Frühpädagogik als auch die Entstehung des Erzieher*innenberufes nur im Kontext gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen verstehen und erklären lässt. Die Weichen für das Berufsbild der Erzieher*innen wurde vor über 160 Jahren gestellt und deren Auswirkungen sind bis in die heutige Zeit feststellbar. Sie bewegen sich zwischen Breitbandausbildung und Spezialisierung, zwischen Theorie und Praxis und rücken die Zugangsvoraussetzungen, die Ausbildungsdauer sowie die inhaltlichen und didaktischen Standards in den Fokus.

Als Grundlage für eine Diskussion zur Professionalisierung des Erzieher*innenberufes muss die bisherige Ausbildung genauer betrachtet werden. Dies führt nun zum nächsten Kapitel der vorliegenden Arbeit.

3.2 Aktuelle Entwicklungen

1982 wurde die erste Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung von Erzieher*innen geschlossen und löste somit den Beschluss der KMK von 1962 ab. Den Anstoß dafür bot die unterschiedliche Dauer und Gestaltung der beruflichen Vorbildung und damit verbunden auch die unterschiedliche Dauer des Gesamtausbildungsweges der Erzieher*innen (vgl. Fthenakis; Oberhuemer 2002: 40f.). In der Bundesrepublik Deutschland, zu der nun ja auch die neuen Bundesländer zählten, gab es die nächste Veränderung gegenüber den KMK-Rahmenvereinbarungen von 1982 im Jahre 2000. Im Rahmen der neuen Vereinbarungen wurde das Ziel der Erzieher*innenausbildung von "Befähigung, in sozialpädagogischen Bereichen als Erzieherin/ Erzieher selbstständig tätig zu sein" (KMK 1982) in „ Befähigung, Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen und in allen sozialpädagogischen Bereichen als Erzieher oder Erzieherin selbstständig und eigenverantwortlich tätig zu sein" (KMK 2000; Metzinger 2006: 353) umformuliert und damit inhaltlich konkretisiert. Die Rahmenvereinbarungen der KMK (2002: 21) setzt bei der Ausbildung der Erzieher*innen auf die im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankerte Aufgabentrias „Erziehung, Bildung, Betreuung“.

Im § 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) wird das Berufsprofil der Erzieher*innen insofern beschrieben, dass sie die Kinder und Jugendlichen in ihrem Recht auf Förderung in ihrer Entwicklung und Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten verhelfen. Zudem sollten sie darauf achten Benachteiligungen abzuwenden, den Erziehungsberechtigten beratend zur Seite zu stehen, der Schaffung positiver Lebensbedingungen als auch das psychische und physische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen zu schützen (vgl. KJHG § 1).

3.2.1 Ausbildungsinhalte und Zugangsvoraussetzungen

Betrachtet man zusätzlich die Zugangsvoraussetzungen der beiden Rahmenvereinbarungen, fällt auf, dass es nach der alten Verordnung wesentlich schneller möglich war, die Ausbildung als Erzieher*innen abzuschließen und nach der neuen Rahmenvereinbarung durch die Voraussetzung der einschlägigen Ausbildung ein deutlich längerer fachspezifischer Ausbildungsweg entstanden ist. Jedoch bleiben die Regelungen zu den Lernfeldern, die im Rahmen der Fachschulausbildung behandelt werden, im Einzelnen den Ländern vorbehalten. Dies führt dazu, dass „die Länderlehrpläne8 sich nicht nur nach Benennung der Lernfelder unterscheiden, sondern sich darüber hinaus einerseits auf komplexe Berufsaufgaben, andererseits auf viele ausdifferenzierte Tätigkeiten beziehen. Auch wenn kein Bundesland das länderübergreifende Qualifikationsprofil der Rahmenvorgaben übernommen hat, gibt es dennoch Qualifizierungsbereiche, die – wenn auch in unterschiedlichen zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben – in allen Länderlehrplänen vorkommen“ (Bröring 2017: 53).

Die genannten Lernbereiche enthalten nach Metzinger (2006: 353) folgende Inhalte:

- Kommunikation und Gesellschaft
- Sozialpädagogische Theorie und Praxis
- Musisch-kreative Gestaltung
- Ökologie und Gesundheit
- Organisation, Recht und Verwaltung
- Religion/Ethik

Bezüglich der Zulassungsvoraussetzungen in der Fachschule für Sozialpädagogik wird nun neben dem Realschulabschluss oder einem als gleichwertig anerkannter Bildungsabschluss gefordert und anstatt einer abgeschlossenen Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer oder einem einschlägigen Praktikum, nun eine einschlägige Berufsausbildung oder eine gleichwertige Qualifizierung vorausgesetzt (vgl. König et al. 2018: 23). Wenn von „gleichwertigen Qualifizierungen“ die Rede ist, gilt in dem einen oder anderem Bundesland als einer abgeschlossenen Berufsausbildung gleichwertig, wenn jene Person eine „tätigkeitsnahe Berufsausbildung in Hauswirtschaft, Pflege, Gesundheit, Rehabilitation bis hin zu Au-pair, Sozialem Jahr, Hausfrauenarbeit und einschlägigem Wehrdienst“ ausgeübt hat. Darüber hinaus sehen 13 der 16 Bundesländer eine „Zulassung durch Einzelfallentscheidungen“ als zulässig (vgl. Janssen 2010: 23).

Eine besondere Rolle wird der vorgeschalteten berufsfachschulischen Ausbildung der "Sozialassistent*innen“9 zugesprochen. Sie wird als "abgeschlossene Berufsausbildung" im Sinne des KMK-Beschlusses gewertet und ist in einigen Ländern (vor allem in Niedersachsen) die Regelvoraussetzung. In Bayern und Baden-Württemberg gilt dies ebenfalls für berufsfachschulisch ausgebildete Kinderpfleger*innen. Gleichzeitig ermöglichen diese Abschlüsse in einigen Bundesländern in Kindertagesstätten als Zweitkraft zu arbeiten. Dennoch bildet diese zweijährige Ausbildung auch eine gewisse Heterogenität der Schülerschaft ab, da es gleichzeitig auch ein „Auffangbecken“ für Jugendliche (meist junge Frauen) darstellt, die anderweitig keinen festen Ausbildungsplatz finden konnten. Anderseits gilt diese Ausbildung auch als Vorbereitung für den Eintritt in die Fachschule für Erzieher*innen.

Nicht zuletzt lässt die Tatsache, dass für die Aufnahme in eine Fachschule für Erzieher*innen je nach Bundesland höchst unterschiedliche Anforderungen gelten, "Zweifel an einer vergleichbaren Gesamtqualifikation ‚Staatlich anerkannte Erzieherin/Staatlich anerkannter Erzieher’ in Deutschland aufkommen" (Janssen 2010: 12). Weitere Untersuchungen, inwieweit die Erzieher*innen-ausbildung auf ein anschließendes frühpädagogisches Studium angerechnet werden kann, bestätigen diese Zweifel. Demzufolge werden bestimmte Ausbildungsinhalte der Absolvent*innen ausgewählter Fachschulen pauschal erlassen und Bewerber*innen aus anderen Fachschulen aber müssen ein individuelles Prüfverfahren durchlaufen. Voraussetzung für die Einmündung in die Fachschule ist bundesweit mindestens ein mittlerer Bildungsabschluss. Bei den darüber hinaus notwendigen beruflichen Vorqualifikationen aber gibt es erhebliche Unterschiede (vgl. bpb 2018, siehe Abbildung 1).

Die Ausbildung ist als eine Breitbandausbildung konzipiert und für alle sozialpädagogischen Tätigkeitsfelder, ausgerichtet auf die Altersgruppe 0 bis 27 Jahre, vorgesehen (vgl. Fthenakis, Oberhuemer 2002: 43). Dabei wird allerdings das Format der vollzeitschulischen Ausbildung beibehalten, sodass der gesamte Ausbildungsweg für Erzieher*innen in der Regel fünf (inklusiv ein Jahr Berufspraktikum), mindestens jedoch vier Jahre dauert, wobei die Fachschulausbildung selbst drei, mindestens jedoch zwei Jahre umfassen soll (vgl. Thole, Cloos 2006: 56). Die Ausbildung dieser Berufsgruppe findet an den Fachschulen für Sozialpädagogik statt (vgl. FKB 2019: 131).

3.2.2 Wege der Professionalisierung

Erst mit der Veröffentlichung von der OECD veranlassten ersten PISA-Studie im Jahr 2001 wurde deutlich sichtbar, dass Kindertagesstätten neben den Aufgaben der Betreuung und Erziehung (schon seit 1990) einen Bildungsauftrag leisten, womit sich die Frage nach der Qualifikation der Erzieher*innen erneut stellte (vgl. bpb 2018). Im Ländervergleich zeigten 15-jährige deutsche Schüler*innen unterdurchschnittliche Lesekompetenzen und mathematisch- naturwissenschaftliche Kompetenzen. Zudem erwies sich die soziale Herkunft als nach wie vor einflussreicher Faktor für den Schulerfolg im deutschen Bildungssystem (vgl. Aden-Grossmann 2011: 214). Diesbezüglich galt nun der Fokus dem Vorschulbereich hinsichtlich seiner nicht erbrachten Bildungsleistungen für die Schulfähigkeit aller Kinder (vgl. Honig 2012). Diese Reformstrategien sahen vor allem die Einführung von Bildungsplänen im Elementarbereich als ein notwendiges Mittel vor. Zunächst als „Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindereinrichtungen“ (2004) festgelegt, diente er den einzelnen Bundesländern als Basis zur Entwicklung eigener Pläne.

Die Festlegung auf das Prinzip einer ganzheitlichen Förderung der Kinder und die Fixierung von Lernbereichen stellen wesentliche Komponenten des Beschlusses und Leitlinien für die Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen dar “ (Beher 2006: 320). Damit erweiterte sich der Blickwinkel auf die Kindertageseinrichtungen, in dem sie nicht länger als reine Betreuungsinstitutionen, sondern eben als zentrale Bildungseinrichtungen betrachtet werden. „Erziehung, Betreuung und Bildung ist die Trias dieser Bildungsreform. Die gestiegenen Aufgaben einer Bildungseinrichtung können demnach nur erfüllt werden, wenn ihre Arbeit von hoher Qualität ist (vgl. VBW 2012: 15).

Seit dem KMK- Beschluss von 2009 hat sich der Erwerb der Abschlüsse während der Erzieher*innenausbildung insofern geändert, dass allen Absolvent*innen von Fachschulen mit dem Ausbildungsabschluss die allgemeine Hochschulreife zugesprochen wird. „Doch obwohl sich ihr Beruf mit Blick auf berufliche Entwicklungsmöglichkeiten als Sackgasse erweist, nutzen nur sehr wenige Erzieherinnen und Erzieher die Möglichkeit des Hochschulzugangs“ (bpb 2018). Da die Ausbildung der Erzieher*innen grundsätzlich nicht nur auf eine Arbeit in Kindertagesstätten vorbereitet, sondern auch auf Tätigkeiten in anderen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit, der Erziehungshilfe sowie in Heimen und Ganztagsschulen, so bereiten mehr als drei Viertel der Fachschulen (aufgrund der wenigen Arbeitsplätze) primär auf die Arbeit in Kindertagesstätten vor (vgl. Leygraf 2012: 22). Ein anderes Berufsfeld aufzugreifen, gestaltet sich für Erzieher*innen ebenfalls schwierig, denn anders als in anderen Berufsbereichen gibt es keine verwandten Berufe, in die sie sich ggf. einarbeiten könnten. Innerhalb der Kindertageseinrichtungen wiederum gibt es so gut wie keine Aufstiegsmöglichkeiten. Allenfalls können Erzieher*innen nach entsprechenden Fortbildungen in die Gruppe der "Erzieher*innen mit schwierigen Tätigkeiten" aufsteigen. Dazu zählt u.a. die Arbeit mit Kindern mit Behinderung als auch Kindern mit Migrationshintergrund. „Die Chancen, die Leitung einer Tagungsstätte übertragen zu bekommen, sind äußerst rar“ (bpb 2018).

Im Jahr 2011 wurde das "Kompetenzorientierte Qualifikationsprofil für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen und Fachakademien"10 von der Kultusministerkonferenz herausgegeben, welches die anderen geltenden Regelungen ergänzen soll und unter anderem das Ziel verfolgt, die an Fachschulen erworbenen Qualifikationen auf ein Hochschulstudium anrechnen zu lassen (vgl. KMK 2011). Das Qualifikationsprofil hat für alle Länder verbindliche Gültigkeit und führt fünf Querschnittsaufgaben in der Ausbildung sozialpädagogischer Fachkräfte an, die für die Fachkräfte von Bedeutung sind: Partizipation, Inklusion, Prävention, Sprachbildung und Wertevermittlung. Das Qualifikationsprofil bezieht sich auf die gestiegenen Anforderungen in allen Tätigkeitsfeldern der Pädagogik und verdeutlicht die Besonderheit der Ausbildung pädagogischer Fachkräfte an drei Unterrichtsprinzipien. Eine in den Unterricht integrierte Persönlichkeitsentwicklung, eine Theorie-Praxisverknüpfung und einer doppelten Vermittlungspraxis, die darauf abzielt, dass die angewandten Lernformen eine Relevanz für die spätere Berufspraxis aufweisen. In dem Qualifikationsprofil wird auf die Vernetzung zwischen dem Lernort Schule und der Praxis verwiesen, welche eine zentrale Stellung bei der Ausbildung der Fachkräfte einnimmt (vgl.: ebd.). In diesem Rahmen wird zwar auf die Zuständigkeit der Fachschulen für die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen verwiesen, jedoch gibt es weiterhin keine Vorgaben an die Praxiseinrichtungen bezüglich der Ausbildung der Fachschüler*innen.

Eine wichtige Rolle bei den Bemühungen um einen internationalen Abgleich spielt hierbei auch der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR), „der das gesamte mögliche Spektrum von Bildungsergebnissen abdeckt und in acht Niveaustufen differenziert beschreiben soll“ (Leu, Kalicki 2014: 197). Dies ist ein Referenzrahmen, der erstmals Abschlüsse der allgemeinen, beruflichen und akademischen Aus- und Weiterbildung europaweit in ein System zusammenfasst und auf der Grundlage von wesentlichen allgemeinen Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen in Vergleich setzt (vgl. König 2015a: 13). Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch der KMK eingeführt, welcher im März 2011 verabschiedet wurde und die Ausbildung der Erzieher*innen an einer deutschen Fachschule für Sozialpädagogik der Niveaustufe 611 (vgl. MK 2016: 2) zuordnet (vgl. ebd.; Rauschenbach, Schilling 2013: 115). Dieser hat sich im Zuge der Professionalisierungsdebatte, durch die „Etablierung von durchlässigen Strukturen zwischen Berufsbildung und Hochschulbildung, von dem Status einer Sackgassenausbildung gelöst“ (König 2020a: 1360 in Anlehnung an König et al. 2016). Die Kompetenzdimensionen des DQR sollen dazu dienen, Wissensentwicklungen und perspektivische Berufsanforderungen über eine Modernisierung bestehender Qualifizierungsniveaus zu synchronisieren (vgl. König 2016: 84 zit. nach Baethge 2013). „Seit 2012 liegt der Entwurf für einen länderübergreifenden Lehrplan (siehe Tabelle 3, LOAG 2012) vor, der von fast allen Bundesländern aufgegriffen wurde. Dennoch wird weiterhin mit einem relativ offenen Curriculum agiert, das die Profilbildung in der Hand der einzelnen Fachschulen lässt (KMK 2011). Das Einsatzfeld von Erzieher*innen ist vielfältig und reicht von der Kindertages-betreuung bis zu Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung. Trotz des generalistischen Anspruchs, wird im länderübergreifenden Lehrplan (LOAG 2012) die Bedeutung der Frühpädagogik besonders hervorgehoben. Der generalistische Anspruch wurde auch mit dem Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 17./18. Mai 2001 zum ‚Lernort Praxis‘ relativiert. In dieser Stellungnahme wird ausgeführt, dass mindestens in zwei klassischen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe Handlungskompetenzen erworben werden sollten“ (König 2020a: 1360).

Seit dem 01. Juli 2017 wurde die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) in Baden-Württemberg erstmalig umgesetzt und etablierte sich nun bereits in fünf weiteren Bundesländern in Deutschland. In den Ländern, in denen keine Modelle der PIA angeboten werden, existieren Teilzeitausbildungen mit Arbeitsverträgen. Dennoch gelten bisher keine einheitlichen Regelungen bezüglich der Ausbildungsvergütung. Hinzu kommt, dass in Bezug auf die Zuständigkeit und Ausbildungsverantwortung zwischen dem Lernort Fachschule und Praxis (Einrichtung), wie bspw. die Bereitstellung von Mentorinnen- und Mentorenstellen innerhalb der Kita, weiterer Entwicklungsbedarf besteht (vgl. FKB 2019: 132).

4. Frühpädagogische Einrichtungen: Gesellschaftliche, bildungspolitische und strukturelle Herausforderungen

In den letzten Jahrzehnten wurde das Berufsbild der Erzieher*innen von vielfältigen Anforderungen gezeichnet. Dabei spielen zum einen die gesellschaftlichen Veränderungen als auch die derzeitige Diskussion um die Förderung frühkindlicher Bildung eine tragende Rolle. Die heutigen Professionalisierungsanstrengungen bei den Erzieher*innen sind eng verknüpft mit gesellschaftlichen Entwicklungen und den daraus resultierenden Anforderungen an frühpädagogische Einrichtungen, insbesondere im Bereich der Bildung. Die bildungspolitischen Herausforderungen in Verbindung mit gesellschaftlichen Veränderungen ziehen weitere Herausforderungen auf der strukturellen Ebene nach sich, die im vorliegenden Kapitel genauer beleuchtet werden sollen.

[...]


1 Der Bologna-Prozess geht auf den Beschluss der „Errichtung eines europäischen Hochschulraums“ der Bildungsminister in Bologna zurück mit dem Ziel der Gestaltung eines Systems vergleichbarer Abschlüsse, die Einführung eines Leistungspunktesystems nach dem ECTS-Modell, welches mit der Modularisierung eines zweistufigen Systems (Bachelor, Master) einhergeht, die Förderung der Mobilität von Studierenden sowie die Förderung der Zusammenarbeit von Europa bez. der Qualitätssicherung (vgl. Speth 2010: 169f.).

2 Die vorliegende Arbeit setzt den Fokus vorrangig auf den frühpädagogischen Bereich. Es wird anfangs die weibliche Form der Berufsbezeichnung „Erzieherin“ verwendet (siehe Kapitel 3.1). Seit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) von 1967 richtete sich die Erzieher*innenausbildung nun auch männliche Erzieher. Da die Perspektive der männlichen Erzieher, zweifelsohne in diesem Berufsfeld dringend erwünscht ist und deren Anzahl in jüngerer Vergangenheit steigt, findet daher eine Berücksichtigung beider Geschlechter in dieser Arbeit statt. In zitierten Textstellen finden sich Schreibweisen, wie ErzieherInnen, Erzieher/innen, Erzieher*innen, die aufgrund des Zitatcharakters in dieser Form beibehalten werden mussten.

3 Im Folgenden wird aufgrund der besseren Übersicht die Bezeichnung „Fachschule für Sozialpädagogik“ als Sammelbegriff für die Schulen verwendet, an denen die Erzieher*innenausbildung stattfindet. Diese werden in Bayern als „Fachakademien für Sozialpädagogik“ und in Brandenburg und Rheinland-Pfalz als „Fachschulen für Sozialwesen“, und in allen anderen Bundesländern etablierte sich die Bezeichnung „Fachschulen für Sozialpädagogik“ (vgl. Schmidt 2005a: 715).

4 Die Begriffe frühpädagogische Einrichtung und Kindertageseinrichtung werden in dieser Arbeit synonym verwendet und umfassen Krippen (Kinder 0 - 3 Jahre), Kindergärten (Kinder 3 - 6 Jahre), Horte (Schulkinder) für die außerschulische Betreuung von Schulkindern und altersgemischte Einrichtungen (vgl. König 2020: 578). Die häufige Verwendung des Begriffs „Kindergarten“ bezieht sich auf Friedrich Fröbel und seine Gedanken zur vorschulischen Bildung.

5 Handlungskompetenz beschreibt hiermit „die Fähigkeiten, die Fertigkeiten, die Denkmethoden und die Wissensbestände eines Menschen, die es ihm erlauben, sowohl vertraute als auch neuartige Arbeitsaufgaben zu bewältigen“ (VBW 2012: 62). Daraus ergeben sich vier Elemente: Professionswissen, pädagogische Orientierungen und Einstellungen, motivationale und emotionale Aspekte und selbstregulatorische Fähigkeiten (vgl. VBW 2012: 62ff).

6 Ein historischer Überblick der Entstehungsgeschichte des Erzieher*innenberufs: siehe Tabelle 1.

7 Bezeichnung für Erzieherinnen.

8 „Bildungspläne verstehen sich als verbindliche Orientierungshilfen für die Praxis, die grundsätzlich offen sind für Anpassungen an die spezifischen Gegebenheiten einer Einrichtung vor Ort und dieser Anpassungen auch bedürfen“ (Roßbach et al. 2010: 463).

9 Die Berufsbezeichnungen differieren zwischen den Bundesländern. Häufig sind: Sozialassistent*in, Sozialbetreuer*in, Sozialhelfer*in, Sozialpädagogische*r Assistent*in und Kinderpfleger*in.

10 siehe Tabelle 2.

11 „Über Kompetenzen zur Planung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen […] in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet“ (AK DQR, 22.03.2011).

Ende der Leseprobe aus 114 Seiten

Details

Titel
Verortung der Professionalisierung von ErzieherInnen. Akademisierung der Ausbildung
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta
Note
2,3
Jahr
2020
Seiten
114
Katalognummer
V986924
ISBN (eBook)
9783346352897
ISBN (Buch)
9783346352903
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erzieher, Erzieherin, Professionalisierung, Profession
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Verortung der Professionalisierung von ErzieherInnen. Akademisierung der Ausbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/986924

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