Finanzierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU). Ein Vergleich zwischen Deutschland und Großbritannien


Bachelorarbeit, 2020

50 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Mittelstand
2.1 Qualitative und Quantitative Definition
2.1.1 Mittelstandsdefinition des IfM Bonn
2.1.2 KMU Definition der Europäischen Kommission
2.2 Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Mittelstands
2.2.1 KMU in der deutschen Volkswirtschaft
2.2.2 KMU in der britischen Volkswirtschaft

3 Das Bankensystem
3.1 Das deutsche Bankensystem
3.2 Das britische Bankensystem

4 Finanzierungformen- und Instrumente
4.1 Innenfinanzierung
4.2 Außenfinanzierung
4.3 Sonstige Finanzierungsformen und -instrumente

5 Kreditzugang von mittelständischen Unternehmen in Deutschland und Großbritannien
5.1 Zugang zu Bankdarlehen
5.2 Generelle Einflussfaktoren
5.3 Angebotsseitige Einflussfaktoren
5.4 Nachfrageseitige Einflussfaktoren

6 Finanzierung von KMU
6.1 Kapitalstruktur innerhalb der KMU
6.2 Nutzung von Finanzierungsinstrumenten

7 Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Kurzfassung

Die vorliegende Ausarbeitung mit dem Titel „Finanzierung von KMU – Ein Vergleich zwischen Deutschland und Großbritannien“ wurde als Abschlussarbeit im Rahmen des Bachelorstudiengangs Finance an der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe – Bonn verfasst. Das Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit ist es einen vergleichbaren Überblick über die Finanzierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen in Deutschland und Großbritannien zu geben. Hierbei wurde festgestellt, dass neben weiteren Einflussfaktoren die jeweiligen Bankensysteme einen Hauptgrund für einen unterschiedlich ausgeprägten Kreditzugang darstellen. Während im Vereinigten Königreich wenige Großbanken die Kreditvergabe zentral organisieren, versorgen in Deutschland hauptsächlich dezentral organisierte Sparkassen und Genossenschaftsbanken kleine und mittelgroße Unternehmen mit Fremdmitteln. Auf dieser Basis zeigen auch die jeweiligen Finanzierungsstrukturen Unterschiede auf.

1 Einleitung

Sowohl in Deutschland als auch im Vereinigten Königreich sind große Konzerne wie Daimler, Siemens, Vodafone oder British American Tobacco die schillerndsten Sterne am jeweiligen Wirtschafts-Himmel. Darin versinkt oft, dass mehr als 99 % aller Unternehmen jedoch eine kleine bis mittlere Größenstruktur aufweisen und demnach eine enorme (volks-)wirtschaftliche Bedeutung für das jeweilige Land darstellen. Als mittelständische Unternehmen bzw. KMU zusammengefasst bilden sie Menschen aus, schaffen neue Arbeitsplätze und prägen durch Investitionen und Innovationen die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Staaten. Von Handwerksbetrieb über Tante-Emma-Laden bis zum Tech-Unternehmen sind sie in diesem Rahmen entscheidend für den Wohlstand und das Wachstum der Volkswirtschaften verantwortlich.1 Eine elementare Grundlage für dieses Wachstum und die positive wirtschaftliche Entwicklung stellt dabei der Zugang zu Kapital für KMU dar.2 Doch der Finanzierungsprozess und die generelle Finanzierung von KMU gestaltet sich nicht in jedem Land gleich. Folglich ist es das Ziel dieser Arbeit im Rahmen eines Vergleichs einen Überblick über die verschiedenen Gemeinsamkeiten als auch Unterscheide zwischen Deutschland und Großbritannien zu erarbeiten, um Schlussfolgerungen hieraus zu ziehen.

Zu diesem Zweck soll zu Beginn dieser Ausarbeitung eine Abgrenzung der betrachteten Unternehmen erfolgen, um eine einheitliche Vergleichsbasis zu bilden. Hierbei werden die KMU-Definition des Instituts für Mittelstandforschung Bonn, als auch die der Europäischen Kommission behandelt. Nachfolgend wird die, eingangs erwähnte, besondere volkswirtschaftliche Bedeutung von KMU in Deutschland und Großbritannien dargestellt. Die darauffolgende Gegenüberstellung des deutschen britischen Bankensystems und daraus resultierenden Erkenntnisse gestalten eine Basis für das Verständnis und den weiteren Verlauf dieser Arbeit. Um Finanzierungsformen und -instrumente in der Praxis einordnen zu können gilt es diese vorab zu definieren. Kapitel 5 umfasst den Kreditzugang von deutschen und britischen KMU, wobei speziell auf den Zugang zu Bankdarlehen sowie darauf einwirkende generelle, angebots- und nachfrageseitige Einflussfaktoren eingegangen wird. Nach einer Analyse der externen Finanzierung von KMU wird die Arbeit mit der Schlussfolgerung des Vergleichs abgeschlossen.

2 Mittelstand

In diesem Kapitel soll zunächst der zentrale Begriffe des Mittelstands, hinsichtlich quantitativer und qualitativer Kriterien, klar definiert und abgegrenzt werden. Auf dieser Basis wird im Weiteren dessen besondere Bedeutung in der deutschen, als auch in der britischen, Volkswirtschaft behandelt.

2.1 Qualitative und Quantitative Definition

Um eine adäquate Grundlage hinsichtlich des Vergleichs zwischen dem Mittelstand in Deutschland und Großbritannien zu schaffen, muss vorab festgelegt werden, was unter dem Begriff des Mittelstands zu verstehen ist. Dies rückt insbesondere in den Fokus, da die Begrifflichkeiten „Mittelstand“, „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ oder „Familienunternehmen“ unter anderem auch in der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Forschung als Synonyme verwendet, oder mindestens nicht klar voneinander getrennt werden. Im Blick auf Großbritannien gilt nahezu Identisches, da es für die Begrifflichkeiten „Small Medium-Sized Enterprises“ und „Family Firms“ keine klar definierte Unterscheidung gibt.3 Mit Hilfe der Untersuchung qualitativer und quantitativer Unternehmensmerkmale soll im Nachfolgenden des Kapitals eine klare und notwendige Abgrenzung erarbeitet werden. Im Besonderen soll ein Überblick über die verschiedenen KMU-Definition des Ifm Bonn und der Europäischen Kommission gegeben und eine einheitliche Vergleichsgrundlage erarbeitet werden.

2.1.1 Mittelstandsdefinition des IfM Bonn

Mittelständische Unternehmen sind, aus betriebswirtschaftlicher Sicht, grundsätzlich ein Segment in der Gesamtheit aller Unternehmen, die sich durch bestimmte Definitionskriterien auszeichnen. Die in Deutschland führende und gängige Mittelstandsdefinition des Instituts für Mittelstand Bonn (IfM) unterscheidet diese Kriterien in quantitativer und qualitativer Dimension. Während die quantitative Ebene empirisch leicht messbare Merkmale bezüglich der Unternehmensgröße beinhaltet, definiert sich die qualitative Ebene über ökonomische, gesellschaftliche und psychologische Merkmale.4

Im Genaueren zählt ein Unternehmen, dessen Rechtsform im Übrigen unabhängig hiervon ist, quantitativ als KMU, sofern dieses die Schwellenwerte von maximal 499 Beschäftigten und 50 Millionen Euro Jahresumsatz nicht übersteigt. Weiter segmentiert das IfM Bonn innerhalb dieser Grenze, ebenfalls auf Basis der oben genannten Indikatoren, in kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen. Kleine Unternehmen beschäftigen weniger als 50 Mitarbeiter und generieren einen maximalen Jahresumsatz in Höhe von 10 Millionen Euro. Bei Kleinstunternehmen liegen Schwellenwerte bei maximal 9 Beschäftigten und 2 Millionen Euro Jahresumsatz.5 Hierbei beziehen sich die Beschäftigtenanzahl auf den Jahresdurchschnitt und die Umsatzerlöse auf den zum Bilanzstichtag ausgewiesenen Jahresumsatz.

Anders als bei der KMU-Definition zeichnen sich mittelständische Unternehmen durch ihre qualitativen Unternehmensmerkmale aus. Das zentrale qualitative Element ist die Einheit von Eigentum und Leitung.6 Dies ist vorhanden, sofern die Eigentümer der Unternehmungen strategische und operative Entscheidungen unmittelbar selbst treffen. Eigentümer in diesem Sinn sind maximal zwei Personen oder deren direkte oder indirekte Familienangehörige, welche mindestens 50 % der Anteile des Unternehmens halten. Daneben können weitere qualitative Merkmale zur Einordnung von Unternehmen in den Mittelstand herangezogen und betrachtet werden. Mittelständische Unternehmen besitzen die Einheit von Leitung, Entscheidung und Verantwortung. Entscheidungen werden im eigenen Interesse von der eigenen Unternehmensführung selbst gefällt. Diese trägt folglich auch die Verantwortung und Konsequenzen hieraus. Dementsprechend kann es bei Fehlentscheidungen grundsätzliche auch zur persönlichen Haftung kommen. So lässt sich festhalten, dass es die Einheit aus Eigentum, Risiko und Kontrolle ebenfalls ein ergänzendes Merkmal darstellt. Diese Merkmale grenzen in der Regel schon an dieser Stelle stark zu Großunternehmen, bei denen die Unternehmensführung durch ein angestelltes Management besetzt ist, ab.

Innerhalb mittelständischer Unternehmen prägen flache Hierarchien die innere Aufbauorganisation. Dies bedeutet im Besonderen, dass zwischen den führenden strategischen und operativen Stellen im Unternehmen wenige Instanzen vorhanden sind. Die Leitungstiefe ist, auch aufgrund der meist relativ geringen Beschäftigtenzahl, somit gering.7

Zusammenfassend liegt offensichtlich eine enge Beziehung zwischen Personal und Leitung vor. Die Einflussnahme von Mitarbeiten in Unternehmensentscheidungen ist damit als hoch einzustufen. In Großunternehmen dagegen haben einzelne Mitarbeiter aufgrund der meist hohen Führungsbreite und -tiefe nur sehr schwer die Möglichkeit Entscheidungen des Managements herbeizuführen oder zu beeinflussen. Mittelständische Unternehmen prägen über die Unternehmensgrenzen hinausgehende persönliche Beziehungen zu dessen Umfeld und der jeweiligen Region. Dies kann in verschiedensten Ausprägungen und Formen vorkommen. Von Trikotwerbung des örtlichen Sportvereins bis hin zur Gründung oder Unterstützung einer wohltätigen regionalen Stiftung und weit darüber hinaus ist Vieles denkbar.

Kleine und mittlere Unternehmen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem Konzern nicht wirtschaftlich und rechtlich selbstständig sind zählen nicht zum deutschen Mittelstand, da diese nicht als unabhängig bezeichnet werden können. Eine Konzernunabhängigkeit liegt dann vor, sofern ein anderes Unternehmen nicht mit mehr als 25% am Stammkapital des mittelständischen Unternehmens beteiligt ist.8

Tatsächlich erfüllt die Mehrheit der KMU die qualitativen Kriterien für mittelständischen Unternehmen. Rein auf dieser Basis können aber auch Großunternehmen zum Mittelstand zählen. Es wurde aufgezeigt, dass kleine und mittlere Unternehmen wie beschrieben quantitativ definiert werden, während bei mittelständischen Unternehmen die qualitativen Mittelstandskriterien maßgeblich inkludiert werden.

Demnach bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass die Begriffe „Mittelstand“ und „kleine und mittlere Unternehmen (KMU) keineswegs Synonyme sind.9

2.1.2 KMU Definition der Europäischen Kommission

Um eine einheitliche Basis für wissenschaftliche Untersuchungen und Vergleiche von mittelständischen Unternehmen auf europäischer und internationaler Ebene zu bilden, hat die Europäische Kommission die Begrifflichkeit „small and medium-sized enterprises“, kurz SME, etabliert und definiert. Weiter dient die Abgrenzung auch im eigenen Interesse für Strategien, Maßnahmen und Programme der Kommission.10 In Ihrer Definition bezieht sich die Europäische Kommission, analog der KMU-Definition des IfM Bonn, grundsätzlich auf die Indikatoren der Quantifizierung von Umsatzerlösen und der Zahl der Beschäftigten. Als Alternativkriterium zu den Umsatzerlösen erlaubt diese jedoch auch die Berücksichtigung der Bilanzsumme. Im Bezug hierauf gilt ein Unternehmen als mittelgroßes KMU, sofern es weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigt und einen Jahresumsatz von maximal 50 Mio. Euro bzw. eine Bilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro aufweist. Weiter segmentiert die Europäische Kommission innerhalb dieser Grenze, ebenfalls auf Basis der genannten Indikatoren, in kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen. Kleine Unternehmen beschäftigen weniger als 50 Mitarbeiter und generieren einen maximalen Jahresumsatz bzw. eine Bilanzsumme von höchstens 10 Millionen Euro. Bei Kleinstunternehmen liegen Schwellenwerte bei maximal 9 Beschäftigten und 2 Millionen Euro Jahresumsatz bzw. Bilanzsumme.11

Um eine vergleichbare Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse von Unternehmen durchzuführen und jene Unternehmen auszuschließen, die keine echten KMU sind, kategorisiert die Europäische Kommission diese hinsichtlich der Art der Beziehung, die es mit einem anderen Unternehmen kann in eigenständige Unternehmen, Partnerunternehmen und verbundene Unternehmen. Als eigenständig gilt ein Unternehmen, sofern es völlig unabhängig ist oder es eine oder mehrere Minderheitsbeteiligungen von jeweils weniger als 25% besitzt. Bei Partnerunternehmen beläuft sich die Beteiligung an einem anderen Unternehmen auf mindestens 25 %, aber maximal 50 %. Überschreitet diese Beteiligung den Schwellenwert von 50%, handelt es sich um ein verbundenes Unternehmen.12

Um einen einheitlichen Maßstab für länderübergreifende Analysen und Vergleiche im weiteren Verlauf dieser Arbeit zu gewährleisten, beziehen diese sich auf die KMU-Definition der Europäischen Kommission.

Sofern es zu Abweichungen hiervon kommt, wird dies entsprechend kenntlich gemacht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 Vergleich der KMU-Definitionen13

2.2 Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Mittelstands

Bevor auf die Finanzierung der nun definierten KMU in Deutschland und Großbritannien in dieser Arbeit eingegangen werden kann, soll deren besondere volkswirtschaftlichen Bedeutung im jeweiligen Land verdeutlicht werden.

2.2.1 KMU in der deutschen Volkswirtschaft

Der deutsche Mittelstand wird in Sprache und Literatur oft als Rückgrat, Herzstück oder Motor der gesamten deutschen Wirtschaft bezeichnet. Diese Bezeichnungen werden jedoch nicht ohne Grund benutzt. Aus Basis der KMU-Definition der Europäischen Kommission zählten im Jahr 2018 hierzu rund 3,47 Mio. Unternehmen. Dies ergibt einen relativen Anteil in Höhe von 99,5 % aller deutschen Unternehmen, die ihre Umsätze aus Lieferung und Leistungen generieren. Im Absoluten betrugen die Umsatzerlöse dieser KMU in 2018 knapp 2,4 Billionen Euro und trugen damit mit 34,4 % zum Gesamtumsatz deutscher Unternehmungen bei. Weiter steuerten die KMU rund 61 % zur gesamten Nettowertschöpfung aller Unternehmen bei und hatten mit 10,4 Milliarden Euro einen 11,2 prozentigen Anteil der gesamten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen aller Unternehmen.

Hinsichtlich der gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bedeutung des Mittelstands gilt es auch die Beschäftigung innerhalb kleiner und mittlerer Unternehmen hervorzuheben. Diese beschäftigten 2018 rund 17,8 Mio. sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, was einen relativen Anteil von 57,6 % auf Basis aller Unternehmen ausmachte. Daneben befanden sich 81,7 % aller Auszubildenden in KMU.14 Auch in Krisenzeiten, wie beispielsweise die Finanzkrise 2009, welche die bislang stärkste Rezession der Nachkriegsgeschichte darstellt, konnten kleine und mittlere Unternehmen, trotz der starken negativen Auswirkungen, einen deutlich geringeren Abbau von Arbeitsplätzen als Großunternehmen verzeichnen, was die Relevanz von KMU hinsichtlich der deutschen wirtschaftlichen Stabilität nochmals aufzeigt.15

In 2018 wurden 39,1 % aller gewerblichen Bruttoinvestitionen in Sachanalagen durch kleine und mittlere Unternehmen getätigt.16 In diesem Zusammenhang wird der Stellenwert der Mittelstandsfinanzierung stark verdeutlicht. Sparkassen und Genossenschaftsbanken, als große und wichtige Finanzdienstleister und -partner, partizipieren von diesem Investitionsvolumen und -potential.

Trotz des wirtschaftlichen Erfolgs verfügt Deutschland bei Weitem nicht über die höchste absolute Anzahl von KMU/SME in Europa. Frankreich und Spanien haben bspw. rund 15% mehr, Italien sogar knapp 80%. Allerdings liegt bei deutschen KMU die durchschnittliche Beschäftigungszahl bei 7,4 und ist damit nahezu doppelt so hoch wie die der genannten Vergleichsländer.17 Daraus resultierend lässt sich festhalten, dass dadurch auch die interne Segmentierung abweicht. Deutschland hat innerhalb aller seiner KMU einen relativen Anteil an Kleinstunternehmen in Höhe von 81,9% und liegt weist damit den geringsten Wert innerhalb eines Landes in der Europäischen Union auf. Dagegen aber besitzt es mit 15,5 % kleinen Unternehmen und 2,6 % mittleren die höchste Anzahl im jeweiligen Segment.18

Darüber hinaus besitzt der deutsche Mittelstand die mit Abstand höchste Anzahl an so genannten Hidden Champions.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Hidden Champions im Ländervergleich19

Die in 2018 ca. 1300 „heimlichen Gewinner“ stellen etwa die Hälfte deren Gleichen weltweit dar. Hierbei muss jedoch erwähnt werden, dass in der Darstellung Unternehmen enthalten sind, die über die KMU-Grenzen hinausgehen. Typischerweise findet man den Großteil deutscher Hidden Champions aber im Mittelstand, da diese oft Nischenmärkte bedienen, welche trotz relativ geringer Finanzkraft mit Knowhow und Innovationskraft zu erobern sind.20

Trotz der Reihe an positiven Tatsachen gilt es die aktuellen Probleme und Herausforderungen, mit denen der deutsche Mittelstand und KMU konfrontiert ist, zu beleuchten. Ein großer und weitläufiger Begriff hierbei ist die Digitalisierung, die immer weiter voranschreitet. Diese erfordert technologische Kompetenzen und Kapazitäten und stellt ggf. einige Geschäftsmodelle auf die Probe. Im Gegenzug erlaubt die heutige technische Entwicklung neue Geschäftsmodelle und ermöglicht einen zügigen Markteintritt von marktfremden Unternehmen, die zu potentiellen Mitbewerbern und Konkurrenten werden können. Demnach besteht insbesondere für KMU, je nach Geschäftsmodell und Marktumfeld, große Gefahr aus dem Markt auszuscheiden, wenn man sich dem Thema Digitalisierung nicht annimmt. Auch wenn es in diesem Zusammenhang in der Regel Investitionen in Material, Technologie und Personal bedarf.21 Aufgrund fehlender amtlichen Statistiken schätzt das IfM Bonn für den Zeitraum 2020 bis 2022 über 90.000 Unternehmen, bei der eine Nachfolgeregelung getroffen werden muss. Besonders bedeutsam sind hier die über 1,44 Millionen Angestellten in diesen Unternehmen.22 Neben der wohl in großen Teil verhaltenen Nachfrage ist die Nachfolgefähigkeit und -würdigkeit ebenfalls in Frage zu stellen. Ein weiteres zentrales Problem ist der, in nahezu allen Branchen und Bereichen, herrschende Fachkräftemangel. KMU haben es ohnehin oft schwer, in Konkurrenz zu großen Konzernen, qualifiziertes Personal in quantitativer und qualitativer Hinsicht für sich zu gewinnen. Weiter beschäftigen mittelständische Unternehmen, im Besonderen in einem sehr Export lastigen Staat wie Deutschland es ist, inländische und ausländische politische Gefahren. Hierzu zählen derzeit z.B. Ungewissheiten der Brexit-Nachwehen und die Spannungen zwischen den USA und China.23

2.2.2 KMU in der britischen Volkswirtschaft

Auch in Großbritannien ist der Mittelstand bzw. die SME ein zentrales Element der nationalen (Volks-)Wirtschaft. Ähnlich wie in Deutschland stellen sie die mit Abstand größte Anzahl der Unternehmungen dar. So wurden in 2019, auf Basis der KMU-Definition der Europäischen Kommission, etwa 5,9 Millionen KMU ermittelt, was Im Relativen 99,9 % aller britischen Unternehmen entspricht. Den mit Abstand größten Teil davon bilden die Kleinstunternehmen mit etwa 5,6 Millionen Stück und 95 %, gefolgt von den kleinen Unternehmen mit 211 Tsd. Stück und 4 % sowie letztendlich den mittleren Unternehmen mit einer Stückzahl in Höhe von 36 Tsd. und einem relativen Anteil von 0,9%. Im Absoluten betrugen die Umsatzerlöse dieser SME in 2019 ca. 2,4 Billionen Euro und trugen damit mit 52% zum Gesamtumsatz aller britischer Unternehmungen bei. Weiter wird enorme volkswirtschaftliche Bedeutung der SME aufgrund des Anteils von 60 % aller Beschäftigten verdeutlicht.24 Unterteilt man die Kleinstunternehmen hinsichtlich der Beschäftigtenanzahl nochmals, sticht die Tatsache, dass knapp 4,5 der 5.6 Millionen keine Beschäftigten neben dem Eigentümer aufweisen, heraus. Die elementare Bedeutung der SME hinsichtlich des Arbeitsmarktes und als Einkommensquelle in der britischen Marktwirtschaft zeigt sich trotzdem auf Basis der wachsenden Stückzahlen in den vergangenen Jahren. Im Jahr 2000 wies das Vereinigte Königreich ca. 3,5 Millionen KMU auf. Wie bereits beschrieben waren es im Jahr 2019 ca. 5,9 Millionen, was einem relativen Wachstum von +69 % entspricht. In Bezug auf das Jahr 2000 wuchs die Anzahl an Kleinstunternehmen um +89 %, an kleinen Unternehmen um +33 % und an mittleren Unternehmen um 27%. Auch in der Finanzkriese 2009, bei der diese Entwicklung kurzzeitig stagnierte, zeigten sich KMU als sicherer Bestandteil der Wirtschaft.25 Dies lag hauptsächlich daran, dass KMU in ihrer internen Struktur oft deutlich anpassungsfähiger als große Unternehmen und Konzerne sind und somit Veränderungen und Justierungen schneller und effektiver durchführen können.26

Neben diesen hauptsächlich quantitativen Fakten tragen SME maßgeblich zur Ausbildung und Qualifizierung der Bürger in Großbritannien bei und legen somit den Grundstein für eine industrielle und gesellschaftliche Expansion. Weiter wird durch eine niedrige Arbeitslosenquote und florierende Wirtschaft das Bruttoinlandsprodukt positiv beeinflusst und stärkt die Vereinten Nationen in ihrem Wohlstand und deren der Bürger.27

Betrachtet und vergleicht man die Verteilung der KMU auf die einzelnen Wirtschaftssektoren mit Deutschland, so lässt sich ein sehr homogenes Bild feststellen. In beiden Ländern ist der Dienstleistungssektor mit mehr als Dreiviertel aller Unternehmen führend. Diesem folgt die Baubranche mit ca. 15 % und der Herstellung/Produktion mit ca. 7 %. Die Übrigen Unternehmen entfallen auf den landwirtschaftlichen Sektor.28

Um die Zukunftsfähigkeit britischer small and medium-sized enterprises sicherzustellen, stehen diese ebenfalls vor Problemen und Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Die verhältnismäßig extrem hohe Anzahl von Kleinstunternehmen und die damit verbundene geringe Anzahl an Beschäftigten pro Unternehmen stellt eine großer Herausforderung hinsichtlich der immer mehr zunehmenden und komplexeren Regulatorik und Digitalisierung dar. Durch das oft nicht vorhandene Personal wird der Unternehmer mehr oder weniger selbst dazu gezwungen sich damit auseinanderzusetzen. Wie eingangs erwähnt ermöglicht die Digitalisierung auch in der britischen Wirtschaft den Markteintritt von marktfremden Unternehmen, die zu potentiellen Mitbewerbern und Konkurrenten werden können. Das Geschäftsmodell der Einzelunternehmers ohne Angestellten wird aufgrund der eigentlich erforderlichen Investitionen in Material, Technologie und Personal stark auf die Probe gestellt. Daneben stehen im Rahmen des Austritts aus von Großbritannien aus der EU weitestgehend ungewisse gesellschaftliche, politische und handelstechnische Herausforderungen bevor.29

3 Das Bankensystem

Bezüglich eines lückenlosen Zusammenhangs und einer hinführenden Grundlage für die nachfolgenden Kapitel, bedarf es vorab der Untersuchung der jeweiligen Banksystem. Ziel des einen vergleichen Überblick zu erschaffen.

3.1 Das deutsche Bankensystem

Mit mehr als 1.700 Banken und 28.000 Filialen gehört die deutsche Bankenbranche zu einer der größten der Welt. Hierbei stellt das deutsche Bankensystem einer der elementarsten Bestandteile der nationalen Volkswirtschaft dar.30 Um dessen Struktur genauer zu beleuchten, muss innerhalb des Systems jedoch genauer differenziert werden. Auf der ersten Ebene wird prinzipiell zwischen dem Universal- und Trenn-/Spezialbankensystem unterschieden. Das Universalbankensystem zeichnen sich dadurch aus, dass das jeweilige Institut eine Vielzahl von Bankgeschäften unter einem Dach beherbergen und abbilden darf, während beim Trennbankensystem nur ein bestimmter Teil der Bankgeschäfte angeboten werden darf. Da in Deutschland traditionell die Symbiose von Kredit- und Einlagengeschäft eine hohe Bedeutung haben, gibt es im deutschen Banksektor derzeit etwa 95% Universalbanken.31 Demnach gibt es nur einen kleinen Anteil an Spezialbanken, die sich auf bestimmte Bankdienstleistungen fokussieren. Dazu zählen beispielweise Bausparkassen, Hypothekenbanken oder die Förderbanken bzw. Banken mit Sonderaufgabe. Teilweise entstehen Spezialbanken aber auch die Auslagerung eines Geschäftszweiges von Universalbanken.32 Zur Klassifizierung der Universalbanken werden diese in drei Säulen, die das deutsche Bankensystem stützen, aufgeteilt. Hierbei stellt die erste Säule den Sektor der Privatbanken dar. Hierzu zählen die Großbanken, die Zweigstellen ausländischer Banken, einige private Regionalbanken und sonstige Kreditbanken. Beispiele aus der Praxis sind die deutsche Bank, HypoVereinsbank und die Commerzbank. Als zweite Säule wird der öffentlich-rechtliche Bankensektor betitelt, wozu Sparkassen und deren Landesbanken zählen. Die Namensgebung des Sektors bezeichnet die öffentlich-rechtliche Trägerschaft der Institute durch Gemeinden, Landeskreise oder das jeweilige Bundesland. Demnach ist das jeweilige Geschäftsgebiet in der Regel auf das Gebiet des jeweiligen Trägers begrenzt. Zentraler Grundgedanke der Institute ist die Förderung des Sparens und Vermögensaufbaus sowie die Kreditversorgung der Bevölkerung und des Mittelstands. Dies wird insbesondere durch das flächenübergreifend dichte Filialnetz in Form von derzeit etwa 9.500 Filialen vorangetrieben, welche im Übrigen ein Drittel aller Bankfilialen in Deutschland darstellen. Landesbanken erfüllen weitere Funktionen, wie die Abwicklung von internationale Finanzgeschäften oder die Organisation/Koordination von Konsortialkrediten für die angeschlossenen Sparkassen, sofern sie diese aufgrund ihrer Größe selbst nicht anbieten können. Die dritte Säule bilden die Genossenschaftsbanken, bei denen die Besonderheit auftritt, dass Kunden durch eine Mitgliedschaft Teilhaber bzw. Anteileigner der Genossenschaftsbanken werden. Ähnlich der Funktion der Landesbanken auf Sparkassenebene bildet die DZ Bank ein Zentralinstitut, das bei Bankgeschäften unterstützt, welche durch die einzelne Genossenschaftsbank nicht abgebildet werden können.33 Analog des Grundgedankens der Sparkassen steht in diesem Sektor die Dezentralität der Bankfilialen im Vordergrund. Mit derzeit 9.300 Filialen trägt die dritte Säule ein weiteres Drittel aller Bankfilialen in Deutschland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Anteil der Bilanzsumme und Kreditvolumens je Bankengruppe in 201934

Betrachtet man den in Abbildung 3 visualisierten Vergleich zwischen dem relativen Anteil der Bilanzsumme und der Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige fällt im ersten Moment insbesondere der Hohe relative Anteil von Kredit- und Großbanken an der gesamten Bilanzsumme aller deutschen Banken auf. Mit 41 % liegt der Wert über der Kumulierung der Anteile von Landesbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften. Die Bilanzsumme einer Bank hat jedoch wenig Aussagekraft über deren wirtschaftlichen Erfolg und Marktanteil, da diese mit geschäftspolitischen Entscheidungen verhältnismäßig leicht aufgebläht werden kann. Bezieht man im Schaubild die Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige mit ein, so ist bemerkenswerter Weiße festzustellen, dass die Kreditvolumina von Landesbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen mehr als doppelt so hoch wie die der Kredit- und Großbanken ist. Demnach engagieren diese sich deutlich stärker in der Unternehmensfinanzierung als Großbanken. Zurückzuführen ist die Erkenntnis insbesondere auf die Tatsache, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken keine strikte Gewinnmaximierungsabsicht verfolgen, einen öffentlichen Auftrag haben und aufgrund des Regionalbankenprinzips und des relativ dichten Filialnetz einen sehr hohen Anteil an mittelständischen Kunden besitzen, zurück zu führen.35

[...]


1 Vgl. LABS (Hrsg.) (2020), S. 2

2 Vgl. Beck, T.; Demirgüç-Kunt, A. (2006), S. 29

3 Vgl. Deloitte Mittelstandsinstitut an der Universität Bamberg (Hrsg.) (2008), S. 7-8.

4 Vgl. Reinemann (2019), S. 2.

5 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.) (2020a), S.1.

6 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.) (2020b), S.1.

7 Vgl. Reinemann (2019), S. 5-6; vgl. Deloitte Mittelstandsinstitut an der Universität Bamberg (Hrsg.) (2008), S. 15-18

8 Vgl. Wirtschaftslexikon24 (2020), S.1

9 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.) (2020c), S.1.

10 Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.) (2019), S. 6

11 Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.) (2020), S.1

12 Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.) (2019), S. 9

13 Eigene Darstellung, Daten entnommen aus Europäische Kommission (Hrsg.) (2020), S.1; Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.) (2020a), S.1

14 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.) (2020d), S.1.

15 Vgl. Europäische Generaldirektion interne Politikbereiche (Hrsg.) (2012), S. 3,5.

16 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2020), S.1

17 Vgl. Tchouvakhina, M./Schwartz, M. (2013), S.1.

18 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2020), S.1.

19 Eigene Darstellung, vgl. Ulrich, K. (2012), S.2.

20 Vgl. Mittelstandswiki (Hrsg.) (2020), S.1

21 Vgl. Handelsblatt (Hrsg.) (2020), S. 1-2.

22 Vgl. Kay, R.; Suprinovic, O.; Schlömer-Laufen, N.; Rauch, A. (2018), S.3.

23 Vgl. Europäische Nachrichten (Hrsg.) (2020), S.1.

24 Rhodes, C., Ward, M. (2020), S.5

25 Vgl. Department for Business, Energy & Industrial Strategy (Hrsg.) (2020), S. 1-2.

26 Vgl. Growthbusiness (Hrsg.) (2020), S. 1.

27 Vgl. LABS (Hrsg.) (2020), S. 2.

28 Vgl. Rhodes, C., Ward, M. (2020), S. 8, vgl. Schwartz, M., Gerstenberger, J. (2019), S. 8-9.

29 Vgl. Dutta, D., (2020), S. 2

30 Vgl. Bankenverband (Hrsg.) (2020), S. 5

31 Vgl. Jugend und Finanzen (Hrsg.) (2020), S.1

32 Vgl. Hartmann-Wendels, T, Pfingsten, A., Weber, M. (2019), S. 22-23

33 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des deutschen Bundestags (Hrsg.) (2009), S. 4

34 Eigene Darstellung, vgl. Bundesbank (Hrsg.) (2019)

35 Vgl. Hellenkamp, D. (2019), S. 28-34

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Finanzierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU). Ein Vergleich zwischen Deutschland und Großbritannien
Hochschule
Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe Bonn
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
50
Katalognummer
V987455
ISBN (eBook)
9783346344922
ISBN (Buch)
9783346344939
Sprache
Deutsch
Schlagworte
finanzierung, unternehmen, vergleich, deutschland, großbritannien
Arbeit zitieren
Jens Mücke (Autor:in), 2020, Finanzierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU). Ein Vergleich zwischen Deutschland und Großbritannien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/987455

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