Die vorliegende Bachelor-Arbeit beschäftigt sich mit den Besonderheiten der gruppenspezifischen Hip- Hop-Sprache sowie deren Einfluss auf die Umgangs- beziehungsweise Alltagssprache in Deutschland. Hauptmotivation für dieses Thema ist primär meine persönliche Leidenschaft für jene Kultur. Hip-Hop begleitet mich seit meiner Kindheit und beinahe ebenso lange fällt mir auf, dass es der Kultur beziehungsweise deren Protagonist/-innen besonders durch Rap-Musik immer wieder gelingt, den deutschen Wortschatz mindestens zu erweitern. Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Lieblingsmusik und eigener Sprachproduktion? Es wird zu prüfen sein, ob diese Beobachtungen auch empirisch belegt werden könnten.
Als Methodik für diese Bachelor-Arbeit wurde die Literaturanalyse ausgewählt, allerdings soll an vereinzelten Stellen auch auf Statistiken aus verschiedenen Studien eingegangen werden, um bestimmte Thesen zu belegen. Unter der Verwendung verschiedener soziolinguistischer Theorien muss versucht werden, die szenespezifische Sprache der Hip-Hop-Subkultur zu definieren, linguistisch einzuordnen und anschließend ihre Bedeutung für die deutsche Umgangssprache (beziehungsweise die deutsche Sprache generell) einzuschätzen. In diesem Zusammenhang werden auch linguistische Fachbegriffe (wie zum Beispiel Varietät noch ausführlich zu erklären sein.
Der theoretische Teil beginnt mit einem Abriss der Hip-Hop-Kultur als solcher, anschließend sind hauptsächlich die linguistischen Aspekte von Interesse. Begonnen wird mit einer ausführlichen Betrachtung szenespezifischer Hip-Hop-Sprache in Deutschland, wobei deren Standort in der Soziolinguistik zu bestimmen ist. In diesem Zusammenhang sollen die Aspekte der Appropriation von Szene-Sprache denen regionaler Mundarten gegenübergestellt werden. Das Sub-Kapitel der Hip-Hop- Sprache schließen danach ausführliche Betrachtungen ihrer soziolinguistischen Besonderheiten und Funktionen ab. Darauf folgt eine Gegenstandsbestimmung von Umgangssprache, woraufhin der theoretische Teil mit einer soziolinguistischen Analyse des Transfers von Wörtern, Phrasen und Stilmitteln endet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Teil
2.1 Hip-Hop-Kultur
2.2 Hip-Hop-Sprache
2.2.1 Appropriationvon Szene-Sprache vs. Regionale Mundarten
2.2.2 Sprache & Identität: Besonderheiten derHip-Hop-Sprache
2.2.3 SoziolinguistischeErklärung: WelcheFunktionerfülltHip-Hop-Sprache?
2.2.4 Was genau ist ,Jugendsprache‘?
2.3 Umgangssprache
2.4 Transfer von Wörtern, Phrasen und Stilmitteln
3. Methodik
3.1 Erläuterung Methodik
3.2 ErläuterungAnalyse-Material
3.3 Textkorpus 1: Schlagwörter & Phrasen
3.3.1 Blumentopf
3.3.2 Haftbefehl
3.3.3 Money Boy
3.3.4 KC Rebell & Summer Cem
3.4 Textkorpus 2: Referenzen
3.4.1 DUDEN
3.4.2 Langenscheidt
3.4.3 Knaur
4. Ergebnisse
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Anhänge
1. Einleitung
,,(...) was ich super faszinierend an Rap finde: Er ist ein Kanal oder Multiplikator von so vielen Sachen. »Digger« zum Beispiel, ist eigentlich ein uralter Begriff, der seit (...) vielen Jahrzehnten in Hamburg benutzt wird. Die Rapper haben’s dann halt aufgenommen und sozusagen in den Mainstream und nach ganz Deutschland rausgetragen. Dann wurde man auch in München mit »Ey Digger« angequatscht. Dasselbe passiertjetzt mit »Brudi« oder »Bruder«.“ (Zitat von Falk Schacht, vgl. Ecke 2016)
Die vorliegende Bachelor-Arbeit beschäftigt sich mit den Besonderheiten der gruppenspezifischen HipHop-Sprache sowie deren Einfluss auf die Umgangs- bzw. Alltagssprache in Deutschland. Hauptmotivation für dieses Thema ist primär meine persönliche Leidenschaft fürjene Kultur. Hip-Hop1 begleitet mich seit meiner Kindheit und beinahe ebenso lange fällt mir auf, dass es der Kultur bzw. deren Protagonist/-innen besonders durch Rap-Musik immer wieder gelingt, den deutschen Wortschatz mindestens zu erweitern. Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Lieblingsmusik und eigener Sprachproduktion? Es wird zu prüfen sein, ob diese Beobachtungen auch empirisch belegt werden könnten.
Nicht nur mein eigenes Umfeld, sondern auch eine nicht unerhebliche Zahl junger Leute zitiert oder imitiert regelmäßig Reime wie auch Wortspiele aus der Hip-Hop-Kultur, ob zuhause oder im öffentlichen Raum. Junge Erwachsene, Jugendliche und nicht selten auch Kinder verändern ihre Sprachgewohnheiten nach einem individuell unterschiedlichen Konsum von Rap-Musik.
Woran liegt es, dass Jugendsprache sich offenbar so vieler Phrasen aus dem Hip-Hop bedient? Was genau soll - aus linguistischer Sicht - dieser Rapper-Jargon2 überhaupt sein und in welchem Verhältnis stehen Umgangs-, Standard- und Hip-Hop-Sprache zueinander? Wie verhält es sich mit Dialekten?
Als Methodik für diese Bachelor-Arbeit wurde die Literaturanalyse ausgewählt, allerdings soll an vereinzelten Stellen auch auf Statistiken aus verschiedenen Studien eingegangen werden, um bestimmte Thesen zu belegen. Unter der Verwendung verschiedener soziolinguistischer Theorien muss versucht werden, die szenespezifische Sprache der Hip-Hop-Subkultur zu definieren, linguistisch einzuordnen und anschließend ihre Bedeutung für die deutsche Umgangssprache (bzw. die deutsche Sprache generell) einzuschätzen. In diesem Zusammenhang werden auch linguistische Fachbegriffe (wie zum Beispiel Varietät3 noch ausführlich zu erklären sein.
Der theoretische Teil beginnt mit einem Abriss der Hip-Hop-Kultur als solcher, anschließend sind hauptsächlich die linguistischen Aspekte von Interesse. Begonnen wird mit einer ausführlichen Betrachtung szenespezifischer Hip-Hop-Sprache in Deutschland, wobei deren Standort in der Soziolinguistik zu bestimmen ist. In diesem Zusammenhang sollen die Aspekte der Appropriation von Szene-Sprache denen regionaler Mundarten gegenübergestellt werden. Das Sub-Kapitel der Hip-Hop- Sprache schließen danach ausführliche Betrachtungen ihrer soziolinguistischen Besonderheiten und Funktionen ab. Darauf folgt eine Gegenstandsbestimmung von Umgangssprache, woraufhin der theoretische Teil mit einer soziolinguistischen Analyse des Transfers von Wörtern, Phrasen und Stilmitteln endet.
Für den Referenzkorpus im methodischen Teil sind mehrere Literaturquellen u. a. vom DUDEN- sowie Langenscheidt-Verlag vorgesehen. Als Textkorpus sollen ausgewählte Songtexte aus dem Deutschrap verwendet werden. Es soll von der Hypothese ausgegangen werden, dass die Hip-Hop-Kultur - durch ihre szeneneigene Sprache - durch Identifikation einen stetig wachsenden sowie dynamischen Einfluss auf die deutsche Umgangssprache ausübt. Darauffolgend, gegebenenfalls als zweite Hypothese, soll anknüpfend auf das erste Hypothesenergebnis ein vermuteter Einfluss auf die deutsche Standardsprache geprüft werden.
2. Theoretischer Teil
Forschungsstand
Forschungen zum Thema Hip-Hop sind unter anderem in der Linguistik, Soziologie, Medien-, Musik- und Kulturwissenschaften seit rund 30 Jahren etabliert. „Die rein journalistische Beschäftigung mit Dokumentation von Hip-Hop ist fast so alt wie ihr Gegenstand selbst und setzte in den späten 1970er Jahren ein. Die wissenschaftliche Erforschung florierte in den Vereinigten Staaten bis auf wenige Ausnahmenjedocherstabden 1990erJahren. (...)“ (Dietrich 2018: 4).
Ebenfalls in den Zeitraum der 90er-Jahre (jedoch eher in die zweite Hälfte) fällt der Beginn von HipHop als Forschungsthema in Deutschland, mit einer merklichen Verzögerung zu den Forschungen in den USA. Erst seit etwa der Jahrtausendwende entstanden immer mehr Untersuchungen zum Thema in der deutschen Wissenschaft (vgl. ebd.: 5 f.), weswegen wir es mit einem hierzulande noch recht jungen Forschungsfeld zu tun haben.
Die Frage nach dem Forschungsstand im Hip-Hop ist immer auch eine Frage nach der zu untersuchenden Region. Es ergibt sich von selbst, dass der Bestand englischsprachiger Forschungsliteratur deutlich höher ist als beispielsweise deutschsprachige Analysen. Denn die Hip-Hop- Kultur entstand in den USA (siehe Folgekapitel) und hielt im wissenschaftlichen Kontext vor allem dank der britischen Cultural Studies in den letzten rund 20 Jahren Einzug an vielen angloamerikanischen Universitäten (vgl. Dietrich 2018: 5).
In der kontinentaleuropäischen Forschung begann die intensive Auseinandersetzung mit Hip-Hop infolgedessen leicht zeitverzögert, inzwischen ist Hip-Hop als Forschungsthemajedoch auch in Europa im Aufwind. So ist beispielsweise in der Romanistik eine Zunahme der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Hip-Hop zu beobachten; nicht nur hinsichtlich linguistischer Fragestellungen, sondern mit einem besonderen Fokus auf transregionale und transkulturelle Praktiken (vgl. Stemmier 2007: 13).
Als Sammelbegriff für die interdisziplinären Forschungen zum Gegenstand hat sich der Begriff HipHop Studies im internationalen Wissenschaftskontext etablieren können. Zunächst entstanden sie als eine Art Hybridwissenschaft zwischen den African-American Studies, der Medienwissenschaft und den britischen Cultural Studies. Vor allem in ihrer Anfangszeit stießen die Hip-Hop-Studien auf Ablehnung bei vielen konservativen Wissenschaftler/-innen, was in den ersten Jahren auch die Forschung behinderte (vgl. Forman 2007: 24 f.).
Zwar haben sich Qualität und Quantität der Hip-Hop-Forschung in den letzten Jahren stetig verbessert, insgesamt handelt es sich jedoch noch immer um einen „Randbereich der Forschung, der von traditionellen Drittmittelgebem oft missverstanden wird (...)“ (ebd.: 28), was dementsprechend den finanziellen Spielraum von Hip-Hop-Forschung generell einschränkt.
Dabei wird die Größe und gesellschaftliche Relevanz des Gegenstandes verkannt, denn nicht zuletzt seitdem der kommerzielle Stellenwert von Rap in der Musikindustrie größer denn je erscheint, muss auch die Forschung in anderen Dimensionen arbeiten: „Rap ist Pop. Rap ist eine Ökonomie, ist ,big businessf Rap wird bei CSIMiami genauso gespielt wie beim Tatort, wenn die Kamera in den sozialen Brennpunkt fährt; (...) Rap (...) fungiert als Werbejingle, läuft in Boutiquen, (Supermarkt-)Ketten, bei Großveranstaltungen (...) und wird zur politischen Hymne in politischen Konflikten. Rap ist nichts, was ausschließlich subculture studies (...) »herausethnographieren« müssten, Rap ist ominpräsent, sichtbarer Mainstream und makrosoziologisch relevant.“ (Dietrich 2016: 9) In diesem Sinne liegt auch der linguistische Ansatz dieser Arbeit auf einer ganzheitlichen Untersuchung.
Zu erwähnen ist, dass im März letzten Jahres das „European Hip-Hop-Studies Network“ an der Technischen Universität Dortmund gegründet wurde. Dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres Forschungsnetzwerk, welches unter anderem bereits an Universitäten in Deutschland, Italien, Finnland, Belgien, Frankreich, Russland, Dänemark, der Türkei, jedoch auch in Großbritannien arbeitet (vgl. European Hip-Hop-Studies Network 2019).
Abgesehen davon, dass weltweit zu diesem Thema geforscht wird, steht an dieser Stelle noch die Frage im Raum, was genau Hip-Hop eigentlich sei. Wie lässt sich dieser Begriff möglichst allgemein, dabei jedoch auch präzise genug beschreiben? Als Antwort auf diese Frage gibt es ein weitestgehend unumstrittenes, sowie seit Jahrzehnten bewährtes Defmitionsmodell: „Hip-Hop setzt sich laut traditioneller Definition aus vier Elementen zusammen, die von vier Rollen verkörpert werden: dem DJ (oder Tumtablist), dem Rapper (oder Master of Ceremony, im Folgenden MC), dem B-Boy/B-Girl (oder Breakdancer) und dem Graffiti-Writer.“ (Ogbar 2018: 12)
Diese Definition wird metaphorisch häufig mit der Formulierung von ,vier Säulen‘ (Rap, DJ/Tumtable, Breakdance und Graffiti) unter einem „Dach“ (Hip-Hop) zusammengefasst. „Hip-Hop wird seit dem Aufkommen in der Fiteratur um 1980 zumeist als urbane Jugendkultur bezeichnet (...). Die Kulturform gruppiert sich dabei (...) aus mehreren mehr oder weniger eigenständigen Bereichen, die sich als Kulturgattungen etabliert haben (...), wodurch Hip-Hop sich als mehrdimensionale kulturelle Praxis versteht.“ (Peschke 2010: 55) Doch wie kam es dazu?
2.1 Hip-Hop-Kultur
Hip-Hop4 ist eine globale5 Kultur und somit regional nicht (mehr) zu verorten, sie funktioniert dynamisch und sich selbst ausdifferenzierend (vgl. Androutsopoulos 2003: 14). Bereits zuvor wurde erläutert, welche vier Säulen den Hip-Hop per Definition ausmachen. „Historisch gehen diese vier Elemente auf die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wirren der frühen 1970er Jahre und die South Bronx in New York City zurück. Offiziell erfasst wurden sie im November 1973 von der ersten Hip-Hop-Organisation, der Universal Zulu Nation. Der Name dieser Organisation - in erster Finie eine Art Kulturverein junger Feute - spiegelt den fundamentalen politischen Einfluss und die kulturelle Wirkung der Black-Power-Bewegung wider, die ihren Höhepunkt erlebte, als sich Hip-Hop noch im Anfangsstadium befand.“ (Ogbar 2018: 12)
Ein exaktes Entstehungsdatum des Hip-Hops gibt es jedoch nicht, allerdings können Angaben dazu gemacht werden, welche Personen als die ersten wirklichen Hip-Hop-Künstler bekannt wurden. So sind sich sowohl die Beteiligten der Hip-Hop-Kultur, als auch die Forschung zur Szene grundsätzlich einig, dass als drei der wichtigsten Pioniere die Namen DJKool Here (Clive Campbell, *1955), Grandmaster Flash (Joseph Saddler, *1958) sowie Afrika Bamhaataa (Lance Taylor, *1957) zu nennen sind6. Ebenso ist unumstritten, dass die Ursprünge des Hip-Hops in der afroamerikanischen Subkultur der Bronx zu verorten sind (vgl. De Rentiis 2019: 7).
Als grober Entstehungszeitraum werden für Hip-Hop in der Regel die späten 1970er- bzw. frühen 1980er Jahre angegeben. Einige Forscher/-innen weisen bei der Frage nach einem genuinen Ursprung des Hip-Hops jedoch explizit auf die Griots hin, einem westafrikanischen Wandervolk aus berufsmäßigen Sänger/-innen, Geschichtenerzähler/-innen oder anderen Kunstschaffenden, zum Beispiel im Bereich des Dichtens (vgl. Weller 2003: 12). Es ist durchaus anzunehmen, dass bestimmte Elemente musikalischer oder künstlerischer Natur im Hip-Hop bereits in Afrika entstanden sind, auch wenn es für diese Theorie noch an Belegen fehlt, weshalb sie auch zum Teil kritisiert wird (vgl. Verlan 2003: 139).
Die Hip-Hop-Musik in ihrer (annähernd) heutigen Form, bzw. der Rap, kristallisierte sich ungefähr im Jahr 1978 heraus, als durch das interaktive Zusammenspiel von DJs (mit Hilfe sogenannter Breakbeats am Mischpult) und den ersten angehenden Rappern (durch Reime, Wortspiele und Flows7 ) die zuvor noch abstrakt wirkende Tanzmusik erstmals eine klassische Songstruktur mit Refrain und Vokalpassagen annahm (vgl. Breyvogel 2005: 61).
Das Fundament für diese Entwicklung wurde jedoch bereits früher erschaffen: „Die Ursprünge der Rapmusik wurzeln tief in den musikalischen Traditionen der afroamerikanischen Bevölkerung, deren klang- und textliche Strukturen seit jeher (...) deutliche Momente des Protests beinhalten. (...) Im Zeitalter der modernen Musik vermischen sich zum einen tradierte Einflüsse, im Besonderen der Sprechgesang des Raggamuffm in den jamaikanischen Dancehalls, zum anderen das in den 1950em entstandene 'Toasting', rhythmisch über Musik gesprochene Texte zum Anpreisen von Schallplatten, sowie das methodische Einsetzen betont gesprochener Textpassagen.“ (Zeise 2006: 5)
Auf das Wesentliche reduziert, soll an dieser Stelle empfohlen werden, als semantisch sinnvollster Defmitionsversuch, Hip-Hop als eine Art Chiffre zu denken: „Hip-Hop wird als Erkennungszeichen (Chiffre) geprägt, das auf ein komplexes (kulturbedingtes und kulturbildendes) Gesamtgeschehen verweist. Breakbeat, DJing, (...) rap, breaking, Graffiti usw. bezeichnen spezifische Formen des Handelns und Verhaltens, die (...) als Bestandteile dieses Gesamtgeschehens betrachtet werden, einschließlich ihrerErgebnisse.“ (De Rentiis 2019: 6).
In der kulturellen Praxis wird jene Chiffre mehrdimensional vermittelt, zum Beispiel mit Hilfe von „semiotischen Codes (...): Bild, Sound, Typografie, Körperbewegung, Sprache. Die Aneignung und Umsetzung (...) ist einerseits an bestimmte »globale« Stilregeln gebunden, andererseits wird sie immer wieder neu ausgehandelt und bleibt dadurch dynamisch.“ (Androutsopoulos 2003: 15).
Jugend- bzw. Szenesprachen können zweifelsfrei als semiotische Code in diesem Sinne bezeichnet werden (vgl. Peschke 2010: 46). Wie von Androutsopoulos als letztgenannter semiotischer Code erwähnt, ist die Sprache des Hip-Hops eine essentielle Dimension für die kulturelle Gesamtheit der Chiffre. Jene Chiffre kann heute als die weltweit konstant erfolgreichste jugendliche Populärkultur bezeichnet werden. Im Zuge von Globalisierung, der steigenden Popularität audio-visueller Musikmedien und nicht zuletzt weltweiter Vernetzung gelang es der Hip-Hop-Kultur, mittels ihrer semiotischen Codes, Einzug in die reale Alltagskultur junger Menschen zu finden, auch über subkulturelle Grenzen hinaus. Die sprachlichen Elemente jener Codes, also bestimmte Körper- und Bewegungssprachen sowie Begrüßungs- oder Sprechweisen, wirken dabei ebenso universalisierend, jedoch nicht homogenisierend, wie auch nachhaltig, (vgl. Ferchhoff 2011: 233 f.). Im folgenden Kapitel wird es darum gehen, die sprachlichen Elemente des Hip-Hops noch ausführlicher zu erläutern.
2.2 Hip-Hop-Sprache
Zuallererst muss festgelegt werden, was mit der Begrifflichkeit Hip-Hop-Sprache (fortlaufend als Synonym zu Hip-Hop-Jargon gebraucht) lexikalisch gemeint ist; nämlich kein eigenes, in sich geschlossenes Sprachsystem, sondern ein Soziolekt8. In der Soziolinguistik wird mit einem Klassifizierungssystem gearbeitet, um Soziolekte voneinander abzugrenzen (vgl. Löffler 2010: 115).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 Soziolekte nach (Löffler 2016:115)
Die Hip-Hop-Sprache ist nach dieser Klassifizierung als Sondersprache den „eigentlichen“ Soziolekten zuzurechnen. Linguistisch exakt ausgedrückt handelt es sich um einen habituellen Soziolekt. Als gemeinsamer Habitus9 der Sprechenden könnte die kollektive Identifikation mit der Hip-Hop-Kultur genannt werden, (vgl. ebd.: 121). Dennoch ist der Hip-Hop-Jargon auch nicht vollständig trennbar von den anderen beiden Formen der eigentlichen Soziolekte. Denn als die szeneneigene Sprache einer Jugendkultur besitzt Hip-Hop per Definition auch transitorische sowie auch temporäre (vgl. ebd.: 117 ff.) Elemente, beispielsweise insofern, dass die Hip-Hop-Affinität eines Jugendlichen auch auf eine spezifische „Phase“ beziehungsweise Lebensabschnitt zurückzuführen ist, wodurch auch der dazugehörige Soziolekt als zeitlich begrenztes Phänomen anzusehen wäre. Ein weiterer Anhaltspunkt für Hip-Hop-Jargon als temporärer Soziolekt wäre die kurzlebige Anwendung in Internet-Foren, ChatGruppen oder Kommentarspalten.
Ihre szenespezifische Sprache ist grundsätzlich eines der wichtigsten Merkmale der Hip-Hop-Kultur und Rap-Musik. Die Sprache der Hip-Hop-Szene, „die von Dynamik und Hybridität bestimmt ist (...)“, erscheint dahingehend so besonders, dass ,,[w]ie in keiner anderen musikgeprägten Jugendkultur zuvor (...) die Sprache zum zentralen Element [wird], das die Kultur abbildet und die Sprecher in der Szene positioniert. Nicht nur im Rap, sondern auch im Alltag verwendet, wird sie zum Faktor, der (...), die Ein- oder Ausgrenzung bestimmt“ (Zeise 2006: 19).
Auch diesbezüglich, also auf soziolinguistischer Ebene, lohnt sich die Theorie von Hip-Hop als Chiffre. In diesem Sinne ist mit der Chiffre ein sprachliches Erkennungszeichen gemeint, welches »durch kulturelle Interaktion kollektiv« oder »aus bestehendem Sprachgebrauch übernommen und als Chiffren verwendet werden« kann (ReRentiis 2019: 6). Bekannt ist, dass viele Elemente der Chiffre Hip-Hop durch ihre weltweit steigende Beliebtheit Einzug in die allgemeine Populärkultur hielten, (vgl. Ferchhoff 2011: 234) Hieraus ließe sich schließen, dass die Sprache (als ein generell wichtiges Element der Chiffre) ebenfalls Teil einer breiteren, nicht mehr szenespezifischen Popkultur geworden sein muss.
Generell fallt auch bei Betrachtung der kulturellen Geschichte des Hip-Hops die enorme Relevanz von Sprache ins Auge. Hierfür ist erneut die Frühphase der Rap-Musik (also ab dem Jahr 1978 und die Folgejahre) von großem Interesse: „Mit der (An-)Sprache kam eine neue Form der Verständigung (...). Afroamerikanische Sprachkunst, Sprachwitz, nicht Schriftkultur, aber lebendige Sprechkultur, wie sie im Jazz bereits vorzufmden war, konnte sich (...) entfalten und (...) der Sprachhoheit des ,weißen‘ Amerikaentgegenstellen.“ (Breyvogel 2005: 61)
In diesem Kontext muss generell entschieden darauf hingewiesen werden, dass die Geschichte szenespezifischer Hip-Hop-Sprache in allererster Linie eine afroamerikanische Geschichte darstellt. „Was immer die stadtplanerischen, sozialen, geschichtlichen Hintergründe waren, die Jugendlichen in der Bronx brauchten nichts davon zu wissen, um Hip-Hop zu erfinden (...) [Für sie] eine Möglichkeit, Spaß zu haben und sich zu verwirklichen. Hip-Hop war für sie ein Ausdrucksmittel geworden, das sie (...) sichtbar machte und (...) sogleich aus der Menge hervorhob. Sie konnten durch Manhattan gehen, ihren Rap-Slang auf den Lippen, über die Leute reden und keiner verstand sie.“ (Verlan 2015: 274 f.)
Anhand dieses Zitates ist festzustellen, dass es sich bei der originären Hip-Hop-Sprache um eine diastratische10, also sozialgruppenspezifische Sprachvariation handelte. Unserer Ausgangshypothese zu Folge wird im Laufe des theoretischen Teils noch zu erklären sein, auf welche Weise einzelne Elemente eines englischsprachigen Soziolektes in die deutsche Alltagssprache transferiert werden.
Nicht zuletzt der kommerzielle Erfolg des Rap trug dazu bei, dass jener dazugehörige Slang in den folgenden Jahrzehnten weltweit Gehör fand. Für unsere Untersuchung ist hauptsächlich der deutsche Sprachraum von Interesse. In diesem Zusammenhang ist aufzuzeigen, was einen (in der Regel jungen oder jugendlichen) Menschen dazu bewegt, Elemente einer Szenesprache11 in den eigenen Sprachgebrauch zu adaptieren. Eine wichtige Rolle dabei spielt Appropriation bzw. kulturelle Aneignung, im hier untersuchten Fall auf sprachlicher Ebene. Nicht nur für Hip-Hop-DJs durch das Prinzip des Samplings (vgl. De Rentiis 2019: 8) ist Appropriation im Hip-Hop präsent, sie ist auch ein wichtiger Faktor bei der Betrachtung von deutscher Hip-Hop-Sprache.
„Die Appropriation der ursprünglich in New York entstandenen Hip-Hop-Kultur durch schwarze und asiatische Migrantenjugendliche in London sowie durch Jugendliche in anderen Metropolen der Welt, erfolgte (...) auf der Basis der Identifikation mit einer Jugendgeneration und deren spezifischen Ausdrucksstilen.“ (Weller 2003: 17) Unter Berufung auf den amerikanischen Soziologen Paul Gilroy12 nennt Weller drei mögliche Formen der Appropriation von Hip-Hop als Kultur auf Grundlage gemeinsamer Erfahrungen (überregional): Alltagserfahrungen in einer Metropole, Zugehörigkeit zu (imaginären) Gemeinschaften & Identifikation mit der kollektiven Geschichte der versklavten Afrikaner/-innen bzw. deren Nachkommen in Amerika, (vgl. ebd.)
Motive für das Benutzen von Hip-Hop-Slang sind demzufolge individuell unterschiedlich. Bereitsjetzt kristallisiert sich heraus, dass für die Betrachtung von Hip-Hop-Sprache eine Differenzierung hinsichtlich ihrer Verwendung in den USA und Europa bzw. Deutschland zwingend notwendig ist. Es ist aus soziolinguistischer Sicht ein wichtiger Unterschied, ob die Appropriation von Hip-Hop-Slang bei Jugendlichen in englischsprachigen Ländern stattfmdet oder nicht. Dies ist besonders für den europäischen Raum von Bedeutung: „Ob in Italien, Deutschland, Griechenland oder der Schweiz, Rap- Lyrics stehen der gesprochenen Alltagsprache nah. Allerdings ist die Sprachlage des europäischen Rapsongs differenzierter zu betrachten. Die ursprüngliche weitgehende Einschränkung auf eine spezifische ethnische Varietät des [amerikanischen Englisch wird abgelöst durch die innere und äußere Mehrsprachigkeit in jedem einzelnen europäischen Land: Regionalsprachen, soziale Dialekte, Migrantensprachen und nicht- muttersprachliche Varietäten der Landessprache finden Eingang in die Raptexte.“ (Androutsopoulos 2003: 120)
In einem kurzen Exkurs soll der Appropriationsvorgang nun etwas konkreter beschrieben werden. Hierfür soll die verwendete Sprachvariation, welche in diesem Fall als zu übernehmender Code einer Subkultur verstanden werden muss, während der Appropriation von Hip-Hop- bzw. Rap-Slang der Verwendung regionaler Mundarten bzw. Dialekten gegenübergestellt werden.
2.2.1 Appropriation von Szene-Sprache vs. Regionale Mundarten
Aus linguistischer Sicht ist hierbei jener Zeitpunkt interessant, an dem ein/-e Rezipienten/-in der HipHop-Sprache selbstständig beginnt, in einen künstlerischen Schaffungsprozess zu treten. Der Versuch von (in der Regel) Jugendlichen, sich der Rap-Sprache zu ermächtigen, bewirkt an dieser Stelle eine Art soziolinguistischen Transformationsprozess: „Rap wurde als Ausdrucksform und -technik übernommen und zunächst in einer »Lemphase« nachgeahmt. (...) Nach dieser Phasejedoch wird Rap stark anjeweils lokale Ausdrucksbedürfnisse angepasst, wobei die Wahl der eigenen Sprache jeweils den (...) wichtigsten Schritt der Appropriation darstellt. Man kann sogar behaupten, dass die gewählte Sprache (...) tendenziell nicht die Standardsprache ist, sondern eine regionale Umgangssprache, ein Dialekt (...) bzw. die Umgangssprache, in die jeweils lokale (...) Textpassagen integriert werden.“ (Scholz 2003a: 160 f.)
Es kann davon ausgegangen werden, dass mit steigender Popularität, Kommerzialisierung oder auch Professionalisierung ein Rückgang13 jenes persönlich-umgangssprachlichen Anteils in der jeweiligen Rap-Sprache zu erwarten ist (vgl. ebd.). Scholz spricht in diesem Zusammenhang, in Anlehnung an Peter Koch und Wulf Oesterreicher (Gesprochene Sprache in der Romania, 1990, Tübingen: Niemeyer), von sogenannten Substandards und weist gleichzeitig auf den wertenden Charakter des Terminus hin (vgl. ebd.: 112). Für das gesprochene Französisch, Italienisch und Spanisch geht er übergeordnetjeweils von universellen sowie einzelsprachlichen Merkmalen aus. ,Darunter‘ folgen „Jugendsprache und medienvermittelte intemationale/globale subkulturelle Adstrate“ bzw. „lexikalische Regionalismen“ (ebd.: 116) als dem Standard untergeordnete Sub-Formen in der jeweiligen Standardsprache. Demzufolge wären Soziolekte und regionale Mundarten gleichermaßen als Substandards zu bezeichnen.
Fraglich bleibt, inwiefern dieses Konzept ohne Weiteres übertragbar auf andere indogermanische Sprachen wäre. Als ein möglicher Untersuchungsgegenstand hierfür könnte die aktuell steigende Beliebtheit von sogenanntem Mundart-Rap14 in Österreich genannt werden (vgl. Schilling 2016), was esjedoch bis heute nicht gibt, ist kommerziell erfolgreicher Deutschrap mit beispielsweise bairischem, sächsischem oder schwäbischem Dialekt.
2.2.2 Sprache & Identität: Besonderheiten derHip-Hop-Sprache
Wie viele Menschen in Deutschland hören eigentlich aktiv Hip-Hop (und sind damit im unmittelbaren Kontakt mit der ihr zugehörigen Sprache)? Und welche statistischen Angaben gibt es zum Alter und Geschlecht des Rezipienten-Kreises?
In einer rund zehn Jahre alten Studie des Portals Jugendszenen.com (betrieben vom Soziologen Prof. Dr. Ronald Hitzier15 ) wird die Größe der Hip-Hop-Szene in Deutschland auf weit über drei Millionen Personen geschätzt. Die Zahl derer, diejeweils in einer der vier Sparten des Hip-Hops aktiv seien, läge schätzungsweise bei mehreren Hunderttausend (vgl. Peschke 2010: 107).
Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Zahlen in der vergangenen Dekade seitdem kontinuierlich angestiegen sein sollten. Zudem gibt es Möglichkeiten, den prozentualen Anteil einer bestimmten Musikszene für den gesamten Markt herauszufmden. Der Deutsche Musikrat e. V. (Dachverband aller deutschen Musikfachverbände und der 16 Musikräte der Bundesländer) käme diesbezüglich als Datenquelle in Frage. Das vom Musikrat betriebene Deutsche Musikinformationszentrum hat für das Jahr 2017 eine repräsentative Personenstichprobe durchgeführt. Befragt wurden rund 23.000 in der Bundesrepublik gemeldete sowie deutschsprachige Personen ab 14 Jahren. Die Umfrage wurde mündlich-persönlich (also nicht telefonisch) durchgeführt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Bevorzugte Musikgruppe nach Altersgruppen - Rap & Hip-Hop (Deutsches MIZ 2018a) Screenshot vom 24.10.19, 12 Uhr.
Die Erhebung des MIZ kam zu dem Ergebnis, dass Hip-Hop bzw. Rap (was mit ,Dance‘ gemeint ist erschließt sich nicht, gemeint sein könnte Club-Musik mit Rap-Elementen) insgesamt von 32,8 % der Befragten, also rund einem Drittel, sehr bzw. auch gern konsumiert wird, damit belegt Hip-Hop immerhin den sechsten Platz der zur Wahl stehenden Musikrichtungen. Bemerkenswert ist der lineare Verlauf in der Verteilung nach Alterskohorten: So steigt die Beliebtheit des Hip-Hops entgegensetzt zum Alter der Befragten.
Weiterhin gaben durchschnittlich vier von fünf befragten Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren an, Hip-Hop gerne zu hören. Zudem sind in allen Altersgruppen steigende Beliebtheitswerte im Zeitraum der letzten zehn Jahre festzustellen (vgl. Deutsches MIZ 2018a). Bei der Verteilung nach Geschlechtern lassen sich in der Stichprobe keine signifikanten Unterschiede feststellen: 31,4 % der befragten Frauen, sowie 34,3 % der Männer gaben an, Hip-Hop gerne zu hören (vgl. Deutsches MIZ 2018b).
Wie verhält es sich nun mit denjenigen Rezipienten, welche nicht nur Hip-Hop- bzw. Rap-Musik konsumieren, sondern die dazugehörige Sprache in Form von Begrifflichkeiten oder Phrasen in den eigenen Sprachgebrauch adaptieren?
In ihrer Dissertation Kommunikative Aspekte der Rap-Musik in Deutschland definiert Zeise diesen Personenkreis wie folgt: „[Diejenigen Rezipienten, zu deren Rap-Lebensgefühl es gehört[,] den typischen Rap-Slang zu verwenden, rappen gerne Texte nach. Sie benutzen den Rap-Slang auch im Alltag und finden den deutschen Rap akustisch sehr verständlich. Der Slang-Sprecher (...), besucht Websites zum Thema Rap, sucht das direkte Gespräch mit Rap-Künstlern [und] kommuniziert häufig mit anderen Rap-Interessierten (...).“ (Zeise 2006: 110)
Festgehalten werden kann nun, dass die Anwender/-innen von Hip-Hop-Sprache u. a. von medialen (Internet), soziolinguistischen (Alltagssprache) und metasprachlichen16 (Slang-Sprechende kommunizieren miteinander über Hip-Hop bzw. die Hip-Hop-Sprache) Parametern beeinflusst werden. Die Szene-Sprache ist ferner von elementarer Bedeutung für die Identitätsbildung des RezipientenKreises. So dient ihnen Rap als Orientierung für das eigene Leben, die Musik wird aktiv angehört und das Wahrgenommene in der Regel reflektiert. Die Rap-Sprache selbst wird von den Rezipienten als ,sehrbildhaft‘ wahrgenommen (vgl ebd.).
2.2.3 SoziolinguistischeErklärung: WelcheFunktionerfülltHip-Hop-Sprache?
Um Hip-Hop-Sprache linguistisch präzise einordnen zu können, soll in diesem Unterkapitel mit zwei ausgewählten Theorien der Soziolinguistik gearbeitet werden. Hierfür wird zuerst auf die Sprachfunktionstheorie nach Roman Jakobson (*1896, f 1982) zurückgegriffen. Anschließend findet Norbert Dittmars (*1943) Konzept von Ordnungsdimensionen der Sprachvarietäten Anwendung.
Voraussetzung für diesen Modellversuch ist die Illokution eines beliebigen Begriffes oder einer Phrase aus dem Wortschatz der Hip-Hop-Sprache. Genau hier, zu diesem Zeitpunkt des Sprechens, muss angesetzt werden17. Jakobsons Modell geht von sechs verschiedenen Funktionen der Sprache aus. Diese lauten (unterAngabe desjeweiligen Bezugspunktes):
- Referentielle (Kontext),
- metasprachliche (Code),
- emotive (Sender bzw. Addresser),
- konative (Empfänger bzw. Adressee),
- sowie die phatische (Kontaktkanal) und
- poetische (Botschaft) Funktion (vgl. Jakobson I960: 3 ff.).
Nun besteht die Herausforderung darin, aufzuzeigen, wie die Hip-Hop-Sprache (anhand des fiktiven Beispiels) diese Funktionen erfüllen könnte. Hierfür wurde folgende Tabelle erdacht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2 Sprachfunktionen nach Jakobson (1960) und Hip-Hop-Sprache
Bereits an dieser Stelle kann also die titelgebende Frage dieses Unter-Kapitels beantwortet werden. Soziolinguistisch ausgedrückt erfüllt die Hip-Hop-Sprache eine ausdrücklich poetische Funktion. Gewiss ist dieses Gedankenexperiment insofern schwierig, dass Jakobsons Modell älter ist als der HipHop selbst. Auch das Konzept der Hip-Hop-Sprache auf die metasprachlichen, konativen und phatischen Sprachfunktionen zu projizieren erscheint leider schwierig. Sieht man von diesen Einschränkungen ab, so könnte auf Grundlage der getroffenen Erkenntnisse die These aufgestellt werden, dass Hip-Hop-Jargon eine modernere Form von poetischer Sprache bzw. Literatursprache darstellt, mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese sich explizit nicht an ein elitäres Publikum richtet (vgl. Löffler 2016: 103).
Eine alternative Interpretation für Jakobsons‘ Modell wäre beispielsweise die Überlegung des Hip-Hop- Künstlers als Sender, des Hörenden als Empfänger und des Songs als Übertragungskanal (vgl. Zeise 2006: 4). Auf dieser Grundlage ließen sich die metasprachlichen, konativen und phatischen Funktionen von Sprache problemlos auch auf den Hip-Hop übertragen.
Schlussendlich soll versucht werden, die Hip-Hop-Sprache anhand der Ordnungsdimensionen von Norbert Dittmar entsprechend soziolinguistisch zu klassifizieren. Es sei eingangs daraufhingewiesen, dass Dittmar selbst von einem „vortheoretischen Ordnungsschema“ schreibt, woraus sich schließen lässt, dass es hier um ein recht allgemein gehaltenes Modell geht. Jene „Klassifizierungshilfe“ sei ebenfalls in Form einer Tabelle zusammengefasst (vgl. Dittmar 1997: 179 f.):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3 Ordnungsdimensionen nach Dittmar (vgl. Dittmar 1997:179f.)
Anders als im Modell zuvor von Jakobson, gilt es nun, die szenespezifische Hip-Hop-Sprache möglichst einer Dimension eindeutig zuzuordnen. Man könnte argumentieren, dass die Hip-Hop-Sprache der südlichen Bronx in New York, also in ihrer originären Form, sich der zweiten Ordnungsdimension zuordnen ließe. So handelte es sich in den späten 1970er Jahren durchaus um eine lokal abgrenzbare Umgangssprache, die sowohl im musikalisch-künstlerischen Rahmen als auch auf der Straße oder im Alltagsleben verwendet wurde.
Allerdings ist es uns heute nur noch möglich, diese Sprachform rückblickend beziehungsweise über einen gegebenen Zeitraum zu untersuchen, wodurch es sich um eine Analyse auf Grundlage der Synchronie handeln würde (vgl. Metzler 2010: 692). Zur Bearbeitung der Ausgangshypothese benötigen wir jedoch den Zustand einer Diachronie, was bedeutet, dass verschiedene Sprachentwicklungsstufen analysiert werden (vgl. ebd.: 144).
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Abbildung 2 Diachronie und Synchronie - Grafik von Christian Lehmann: https://www.christianlehmann.eu/termini/synchronie_diachronie.html (Stand: 01.11.19, 00:30 Uhr)
Mit anderen Worten: Wir beschränken uns nicht auf einen zeitlich abgrenzbaren Zustand von Sprache, sondern wollen über Gesamttendenzen nachdenken und ganzheitliche Entwicklungen reflektieren, also eine dialektische Entwicklung nachvollziehen. Als verdeutlichendes Beispiel greifen wir erneut das Konzept der Substandards von Scholz (Kapitel 2.2.1) auf.
So könnte beispielsweise bei einer synchronen Betrachtung der Substandard lediglich als Abweichung des Standards verstanden werden; diachronjedoch muss dem unbedingt die „Auffassung des Standards als Abstraktion aus unterschiedlichen Varietäten angesehen werden, die einer verhältnisbewertenden Dichotomie Standard vs. Substandard vorausgeht“ (Scholz 2003b: 112) vorangestellt werden. Im HipHop, als Subkultur, ist diese Voranstellung per se gegeben.
Dementsprechend sollte die Hip-Hop-Sprache der dritten Ordnungsdimension (also Gruppe) zugeordnet werden. Innerhalb der gruppenspezifischen Varietäten könnte die Hip-Hop-Sprache entweder als eigene Varietät oder als Sub-Form der Jugendsprache gedeutet werden. In diesem Zusammenhang ist nun zu klären, worum genau es sich eigentlich bei Jugendsprache handelt und in welchem Verhältnis sie zur Hip-Hop-Szenesprache steht.
2.2.4 Was genau ist ,Jugendsprache‘?
In welchem Verhältnis zueinander befinden sich Hip-Hop- und Jugendsprache generell? Dieser Frage könnte sich über die Definition von Szenesprache angenähert werden: „Eigene Worte, die zunächst in den Szenen (...) für bestimmte Umstände, Verhaltensweisen oder Dinge gebildet werden, oder die von den Vorreitem einer Kultur aus deren Hintergründen (...) „mitgebracht“ werden, können sich bei (...) allgemeiner Annahme durch weitere Kulturanhänger festigen und überregional etablieren.“ (Peschke 2010: 46)
Wie im Kapitel 2.1 beschrieben, ist Hip-Hop eine globale Kultur, weshalb die ihr eigene Sprache ebenso als überregional zu bezeichnen ist. Weitere Gemeinsamkeiten zwischen (deutscher) Hip-Hop- und Jugendsprache sind beispielsweise die große Häufigkeit von Anglizismen, Direktheit in der Ansprache oder Bedeutungserweiterungen bzw. -Verluste von einzelnen Begriffen (vgl. Block 2009: 13 ff.) Trotz der zahlreichen Gemeinsamkeiten sind Jugendsprache und Hip-Hop-Jargon keinesfalls bedeutungsgleich. Dies hängt unter anderem mit der unklaren Semantik von Jugendsprache zusammen.
Der Begriff Jugendsprache ist terminologisch eine „zusammenfassende Bezeichnung für ein breites Spektrum altersspezifischer Sprechweisen, differenziert u. a. hinsichtlich Gruppen-/Szene- Zugehörigkeit (...)“. (Bußmann 2002: 326)
In der Sprachforschung spielt Jugendsprache im heutigen Sinne18 seit rund 40 Jahren eine Rolle, wobei sie vor allem öffentlich häufig als ein Indiz für einen angeblichen Sprachverfall des Deutschen wahrgenommen wurde. Neben der breiten Kritik war auch die massenmediale Benutzung des Begriffes ein Grund dafür, warum sowohl das öffentliche als auch das wissenschaftliche Interesse an Jugendsprache in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen ist, wobei die Formulierung immernoch als umstritten gilt (vgl. Block 2009: 4). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass es sich um einen terminologisch nicht präzisen Begriff handelt (vgl. Metzler 2010: 315).
Jugendsprache erfüllt exakt jene sprachliche Transferfunktion, welche in der Ausgangshypothese für die Hip-Hop-Sprache vermutet wird: „[Jugendsprache] unterliegt einem raschen Wandel, wozu (...) nicht zuletzt die »Restandardisierung« beiträgt, wie sie sich in der Dokumentation jugendspezifischer Ausdrucksweisen in Wörterbüchern der Gegenwartssprache spiegelt, (...)“ (Bußmann 2002: 327).
Jene Restandardisierung soll im methodischen Teil der Hip-Hop-Sprache nachgewiesen werden. Zwar wurde bereits darauf hingewiesen, Jugendsprache und Hip-Hop-Jargon differenziert voneinander zu betrachten, allerdings ist festzustellen, dass beide durch eine gewisse Dynamik geprägt sind. Dadurch befinden sie sich in einem stetigen Wandel: Restandardisierung führt dazu, dass Jugendsprache „ihren (geheim)gruppenspezifischen Code-Charakter einbüßt, der nur durch neue Produktivität wiederhergestellt werden kann.“ (ebd.) Nachzuweisen wird sein, ob auch die Hip-Hop-Sprache nach diesem Mechanismus standardisiert wird. (vgl. Kapitel 3.3.3. Money Boy)
„Verschiedene Positionen sprechen von Jugendsprache als Umgangssprache, als umgangssprachlicher Sprechstil oder als Varietät. Einigkeit herrscht in der Annahme, dass es nicht eine Varietät der Jugendsprache gibt.“ (Block 2009: 15). Um die in den zurückliegenden Abschnitten verwendeten Fachbegriffe aus der Uinguistik nicht ungeklärt zu lassen, folgt nun, gemäß der Chronologie unserer Ausgangshypothese, der zweite theoretische Teil dieser Bachelor-Arbeit. Es muss noch geklärt werden, was Umgangssprache genau ist, bevor der Einfluss von Hip-Hop(-Sprache) auf jene überhaupt untersucht werden kann.
2.3 Umgangssprache
Für die Umgangssprache (engl.: colloquial speech; firz.: langue famili) gibt es zunächst keine einheitliche Begriffsdefmition. Im Lexikon der Sprachwissenschaft finden sich zwei lexikalische Semantiken, welche sich an dieser Stelle als Definitionen anbieten (vgl. Bußmann 2002: 718):
- Der grammatikalisch verwendete Terminus Umgangssprache kann als eine ,Ausgleichsvarietät‘ {Kontinuum) zwischen einerseits Standardsprache und andererseits Dialekt verstanden werden. Zwar ist Umgangssprache immer regional gefärbt, dabei jedoch ohne extreme Dialektismen. Durch Prozesse der Konvergenz19 und Divergenz20 zwischen Standard- und Dialektsprache bildet sich ein großer (in sich weitestgehend normloser) sprachlicher Variationsraum heraus, der als Umgangssprache definiert wird. Dabeijedoch handelt es sich nicht um eine eigenständige, abgrenzbare Varietät.
- Ferner wird Umgangssprache ebenso als Bezeichnung für eine sprachliche Stilschicht verwendet, welche in privaten bzw. informellen Situationen angewandt wird.
Während die erste Definition stark linguistisch gefärbt ist, erscheint die zweite als eher allgemein gehalten. Doch neben den theoretischen und praktischen Bedeutungen sind zudem wesentliche Merkmale der Umgangssprache zu nennen, um diese umfassend als Gegenstand zu bestimmen, was hinsichtlich der Ausgangshypothese unumgänglich ist. Vorangestellt werden muss, dassjene Merkmale ausschließlich von genereller Natur sind, weil Umgangssprache zwangsläufig großräumigen Sprechtendenzen folgt, kleinräumig hingegen erheblich unterschiedlich ist (vgl. Uöffler 2016: 97). Aufgrund dessen, dass Umgangssprache eben im höheren Maße regionale Sprachvariationen beinhaltet als Standardsprache, wird Umgangssprache auch mitunter als Regiolekt21 bezeichnet (vgl. Pittner 2013: 16).
Als allgemeine Merkmale können darüber hinaus genannt werden, dass Umgangssprache primär mündlich (vgl. Metzler 2010: 732),jedoch auch schriftlich vermittelt wird; ihre Sprechweise ist geprägt durch regionale, soziokulturelle sowie stilistische Eigenschaften und geformt anhand von Faktoren wie dem sozialen Milieu, Bildungsstand oder (sozio-)kulturellem Hintergrund der sprechenden Person, (vgl. Brockhaus 2019). In der Sprachwissenschaft wird Umgangssprache mitunter auch als ,lockere Verwendung‘ der Standardsprache angesehen: „Für die mündliche Kommunikation wird in der Regel eine durch landschaftliche Merkmale (...) geprägte und durch Sprecherleichterung (...) gekennzeichnete »Umgangssprache« gebraucht. Sie kennzeichnet einen großen Teil der Sprachwirklichkeit in Deutschland.“ (Uöffler 2002: 126)
Zwar ist Bußmanns Definition zu entnehmen, dass Umgangssprache nicht als eigens abgrenzbare Varietät verstanden werden sollte, allerdings wird sie durchaus als sogenannte Hauptvarietät der deutschen Alltagssprache22 bezeichnet (vgl. Metzler 2010: 732). An dieser Stelle verhalten sich die Definitionsangaben von Metzler und Bußmann demzufolge antithetisch zueinander.
Mit der Bezeichnung von Umgangssprache als Kontinuum wird die Schwierigkeit verdeutlicht, dass Formen dialektal-regionaler Umgangssprachen (z. B. in urbanen Ballungszentren) nicht genau abgrenzbar sind von »rein dialektalen« Sprechausprägungen (vgl. Bernhard 2018: 158).
Der in der Dialektgeographie gebräuchliche Terminus soll ausdrücken, dass bei „einer großen Anzahl von Dialekten zwischen (...) jeweils benachbarten nur geringfügige Unterschiede bestehen und diese damit gegenseitig verstehbar sind, die beiden ,Endpunkte‘ jedoch große Unterschiede aufweisen und nicht mehr ohne Weiteres gegenseitig verstehbar sind.“ (ebd.)
„Heute ist [Umgangssprache] die [Sprache] des Alltagsverkehrs, sie ist weniger schichten- als vielmehr [situationsspezifische] Ausdrucksweise; die Ausbreitung in die [Uiteratursprache] macht plausibel, warum die Uexikographie sie zunehmend aufnimmt.“ (Metzler 2010: 732) Mit dieser These ,modemisiert‘ Metzler quasi die zweitgenannte Definition von Bußmann, wonach die Umgangssprache schichtenbezogen sei. Metzler weist auf ihren ,spontan-informellen‘ Charakter hin und begründet damit die Aufnahme umgangssprachlicher Uexik in Wörterverzeichnisse. Dieser Punkt wird im methodischen Teil dieser Arbeit noch von großer Bedeutung sein.
Neben der regionalen Dimension spielt für unsere Betrachtungen der Umgangssprache besonders die soziale Dimension eine tragende Rolle. Umgangssprache gilt deshalb heutzutage als weniger stilbezogen, weil die meisten Menschen in der modernen Welt eine größere Anzahl sprachlicher Varietäten für unterschiedliche Sozialsituationen besitzen müssen. Diesbezüglich macht es mehr Sinn, zwischen Standardsprache und Sondersprachen (zu denen auch Jugendsprache und Hip-Hop-Jargon gezählt werden könnten) zu unterscheiden (vgl. Stedje 1989: 183), wobei die Umgangssprache auch an dieser Stelle die Rolle eines Kontinuums zwischen beiden Seiten einnehmen könnte.
Nach dem Modell der Ordnungsdimensionen ließe sich die Umgangssprache der vierten (Kodifizierung) und der zweiten Dimension (Raum) zuordnen. Jugendsprache und Hip-Hop-Jargon gehören beide zur dritten Ordnungsdimension (Gruppe), (vgl. Dittmar 1997: 179 f.) An dieser Stelle sollte das dreigliedrige Verhältnis zwischen Umgangs-, Jugend- und Hip-Hop-Sprache skizziert werden:
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Abbildung 3 Hip-Hop-Sprache, Jugendsprache und Umgangssprache im Verhältnis (eigene Darstellung)
Nachdem nun Hip-Hop- und Umgangssprachejeweils für sich ausführlich dargestellt wurden, muss im folgerichtig nächsten Schritt zwischen beiden Varietäten aufgezeigt werden, auf welche Weise Wörter, Phrasen oder Stilmittel zwischensprachlich transferiert werden könnten.
2.4 Transfer von Wörtern, Phrasen und Stilmitteln
Die Transferenz von Wörtern aus (habituellen) Peersprachen, wie beispielsweise eben der Hip-Hop- Sprache, in eine andere Varietät, wie die Umgangssprache23, ist bereits ein komplexer, soziolinguistischer Prozess. Vermutet wird, dass es ausgehend von der Umgangssprache, mindestens einen weiteren soziolinguistischen Transfer gibt, nämlich in die Alltagssprache.
Erst ab diesem Punkt könnte die Aufnahme von Wörtern, Phrasen oder Stilmitteln aus einer in sich geschlossenen Peersprache in die gesellschaftlich allgemein verbindliche Standardsprache geschehen, beispielsweise durch den Eintrag eines neuartigen Begriffes in ein Wörterverzeichnis, wie beispielsweise den Duden. Dieser abstrakte Prozess der Transferenz soll mit Hilfe einer vereinfachten Grafik anschaulich gemacht werden:
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Abbildung 4Modellhafte Darstellung des soziolinguistischen Transfers von Wörtern, Phrasen -undStilmitteln vom soziolektalen UrsprungbisStandardsprache (eigeneDarstellung) inAnlehnung an (Löffter2016: 98) und (Stedje 1989: 223)
1. Transfer: Die Szene-Sprache entsteht durch Selbststilisierung und aufgrund von Distinktionsbedürfnissen. (vgl. Verlan 2015: 274 f.) Appropriation bzw. transkulturelle Adaption der (Sub-)Kultur bewirken einen kontinuierlichen Anstieg der Sprecher/-innen. Dadurch verbreiten sich Wörter, Phrasen und Stilmittel überregional.
2. Transfer: Durch sprachliche Integration der Szene-Sprache in den Alltag (vgl. Zeise 2006: 19) gelangen einzelne Elemente des ursprünglichen Soziolektes in die Umgangssprache.
3. Transfer: Da Umgangs- und Alltagssprache nur schwer voneinander zu trennen sind (vgl. Metzler 2010: 30), wurde ihr Verhältnis an dieser Stelle als wechselseitig dargestellt, im Sinne eines fließenden Überganges. Wichtig ist hier die Klarstellung, dass Umgangs- und Alltagssprache in keinerWeise eigenständige Varietäten darstellen.
4. Transfer: Durch den sprachlichen Alltagsgebrauch (unter Annahme einer kontinuierlich steigenden Anwendung der Wörter und Phrasen mit Hip-Hop-Bezug) werden die Termini langfristig geläufig24. Schlussendlich erfolgt - im Idealfall - die Aufnahme in lexikalische Verzeichnisse.
Diese modellhafte Beschreibung von soziolinguistischer Wort-Transferenz wird anschließend außerdem eine wichtige theoretische Grundlage für den methodischen Teil darstellen. Zuvorjedoch sind noch zwei offene Fragen zu klären: Wie genau ließe sich das Modell aus linguistischer Sicht fundiert beschreiben und inwiefern sind Nachlagewerke wie der Duden überhaupt verbindlich für die deutsche Sprache?
Linguistisch einzuordnen ist das Modell als ein Vorgang der Sprachveränderung auf lexikalischer Ebene, welcher Veränderungen im Wortbestand auslöst (vgl. Stedje 1989: 16). Betrachten wir als Beispiel des zu beschreibenden Vorgangs das Substantiv Homie25. Im linguistischen Sinne handelt es sich hierbei zunächst um ein Neuwort, welches als Lehngut in die Sprache Einzug hält. Genauer ausgedrückt ist Homie ein (aus dem Englischen stammendes) Fremdwort. Im Gegensatz zum Lehnwort behalten Fremdwörter (ebenso wie Zitatwörter) ihre Orthographie, Lautform und Flexion bei. (vgl. ebd.: 23) Doch wie verhält es sich beispielsweise mit dem Wort Dissenl
Zunächst benötigen wir eine Definition: „Durch ihre traditionellen Hintergründe ist die Rapkultur seit jeher auch eine wettbewerbsartige Streitkultur, zu der die verbale Herausforderung der 'Battle' genauso gehört, wie die Aberkennung des gegenseitigen Respekts (das 'dissen' oder 'dissin')“ (Zeise 2006: ll)26. Ursprünglich leitet sich die Infinitiv-Bezeichnung Dissen vom englischen Verb to disrespect ab, welches im Kontext der Hip-Hop-Umgangssprache zu to diss verkürzt wurde. Es wird im Deutschen als schwaches Verb konjugiert, (vgl. DUDEN 2019d) Darum handelt es sich um ein sogenanntes Lehnwort, dass durch die Bildung einer , eigenen1 Infinitiv-Form quasi eingedeutscht wird. Einen fremdsprachlichen Ausdruck zu ,verdeutschen‘ bedeutet, ihn an morphologische, phonologische oder orthografische Regeln der deutschen Sprache anzugleichen (vgl. Metzler 2010: 170), was in unserem Beispiel geschehen ist (englischer Infinitiv: to diss, deutscher Infinitiv: dissen). Wir können anhand der Wortbildung festhalten, dass der Slang einer globalen Jugendkultur an vereinzelten Stellen Einzug in das morphologische System der deutschen Sprache gehalten hat. Hip-Hop wird eingebettet in das Deutsche. Ein weiterer Beleg hierfür wäre zum Beispiel die Konversion, also der „Prozess der Wortbildung durch Wortartwechsel“ (Bußmann 2002: 380) im vorliegenden Fall: Die Tätigkeit (jemanden oder etwas zu) dissen steht als deverbales Substantiv im Duden (das Dissen).
Ferner können Hip-Hop-Formulierungen in der deutschen Sprache auch als sogenannte Realien bezeichnet werden. Auch das Wort Hip-Hop als selbstständiger Begriff im Deutschen ist eine Realia (vgl. Zifonun 2000: 71). Bei Realien (der Begriff stammt aus der Translationswissenschaft) handelt es sich um kulturkreisspezifische Sachverhalte, sie zu übersetzen vollzieht sich durch eine „kompensatorische zielsprachliche Vertextung“ (Kupsch-Losereit 2002: 98). Gemeint ist, dass entlehnte Wörter (wie jugendsprachliche Anglizismen und/oder Hip-Hop-Lexik) in einer Zielsprache aus einem Benennungsbedarf resultieren (Zifonun 2000: 70f.).
Differenziert werden sollte zwischen der Realia aus einerseits terminologischer sowie andererseits translationswissenschaftlicher Sicht. Terminologisch handelt es sich um ein „Phänomen, für das (...) die (...) Bezeichnung lexikalische Lücke verwendet wird.“ (Drössiger 2017: 43) In anderen Worten: Dass das Wort dissen heute im DUDEN steht, liegt daran, dass zuvor keine andere lexikalische Formulierung für genau diese Semantik im deutschen Wortschatz vorzufmden war. Aus Sicht der Übersetzungswissenschaften stellen Realien zwar eine Herausforderung dar, gleichzeitigjedoch dienen sie dem Erkenntnisgewinn hinsichtlich »Erörterung von Verfahren, Techniken und Strategien des Übersetzens« bei ihrem Transfer von einer Kultur- bzw. Sprachgemeinschaft in eine fremde (vgl. ebd.).
Zifonun stellt die These auf, dassjugendkulturelle Realien für die alltägliche Formulierungspraxis nur eine marginale Rolle spielen würden (vgl. Zifonun 2000: 71). Sie bezeichnet ihre Verwendung in Bereichen ohne Benennungsbedarf als „luxurierend“ und gibt diesbezüglich als Motive unter anderem „Sprachökonomie, Ausdrucksvariation, (...) Euphemisierung [oder] Prestigewert (...)“ (ebd.) an. Aus synchroner Perspektive ließe sich über die marginale Rolle der Realien diskutieren, diachron betrachtet erscheint diese Sichtweise allerdings hinsichtlich der vorliegenden Demografie als zu verkürzt gedacht - zumindest in Bezug auf Hip-Hop. Wenn, wie im Kapitel 2.2.2 dargestellt wurde, im Jahre 2017 vier von fünf Teenagern regelmäßig Hip-Hop hören, so ist davon auszugehen, dass die im Hip-Hop verwendete Lexik zum Beispiel schon 2027 öffentlich anders wahrgenommen werden sollte.
Den theoretischen Teil abschließend ist nun noch die Verbindlichkeit des Dudens bzw. Nachschlagewerken im Allgemeinen zu klären. Über ein Jahrhundert lang, nämlich von der 2. Orthografischen Konferenz 1901 bis zur Rechtschreibreform 2006, war der Duden das einzige allgemein verbindliche Rechtschreibwörterbuch. Seit jener Reform ist nur noch das amtliche Regelwerk des deutschen Rechtschreibrates sowie das Wörterverzeichnis des deutschen Rechtschreibrates bindend, (vgl. GfdS 2019) Mit Ausnahme von „Rappen“ bzw. „Rap“ befindet sich jedoch im angesprochenen Wörterverzeichnis keine Begrifflichkeiten mitHip-Hop-Bezug. (vgl. IDS 2019).
Häufig wird heute davon gesprochen, der Duden besäße aufgrund von Auflagenstärke und der jahrzehntelangen Reputation immer noch ein ,ideelles MonopoT, trotz seiner verlorenen Verbindlichkeit (vgl. GfdS 2019). Die Aufnahme einer Begrifflichkeit in den Duden ist also heutzutage nicht mehr automatisch gleichbedeutend mit einer gesetzlich-verbindlichen Schreibweise des Wortes in einem Nachschlagewerk. Viel mehr bedeutet dies, dass der Dudenverlag (ebenso wie die Verlagskonkurrenz auf dem Markt der Wörterverzeichnisse auch) die gesetzlichen Regeln der Reform von 2006 in seinem Sinne auslegt und dementsprechend publiziert, (vgl. ebd.) Trotz alledem besitzt die Aufnahme eines Begriffes in den Duden noch immer eine starke Signalfunktion.
Nachfolgend beginnt der methodische Teil dieser Arbeit. Zunächst muss vor allem erklärt werden, welches Analyse-Material verwendet wird und wie die angewandte Methodik genau funktioniert.
3. Methodik
3.1 Erläuterung Methodik
Zur Prüfung der Ausgangshypothese wird in zwei Schritten verfahren. Im ersten methodischen Teil wird es um deutschsprachige Rap-Songs gehen, deren Textkörper auf Schlagwörter und Phrasen hin untersucht werden sollen, welche für die Hip-Hop-Sprache von Relevanz erscheinen. Gleichzeitig besitzen die Songtexte einen demonstrativen Charakter, was die sprachliche Ausgestaltung von RapMusik angeht. Die Texte des Liedguts sind vollständig und mit allen wichtigen Angaben in den Anhängen zu finden. Da der Song „König der Alpen“ von Crack Ignaz im theoretischen Teil bereits erwähnt wurde, ist der dazugehörige Text als erster Anhang beigefügt (um den Gegenstand des MundartRap mit einem zeitgemäßen Beispiel vorzustellen).
Der zweite Teil der Methodik besteht aus einer Analyse von Hip-Hop-Referenzen in Nachschlagewerken bzw. Wörterverzeichnissen. Wie bereits erwähnt, wird hierbei auf den Duden zurückgegriffen. Im Fokus steht jedoch auch ein Verzeichnis von Knaur sowie die Wahlen der Jugendwörter des Jahres des Langenscheidt-Verlages. Danach folgt die Konklusion mit der schlussendlichen Bearbeitung der Ausgangshypothese auf Grundlage der Ergebnisse. Kann tatsächlich ein dynamischer Einfluss der Hip-Hop-Kultur auf die deutsche Umgangssprache nachgewiesen werden und, wennja, sogar auf die deutsche Sprache generell?
An einigen Stellen in der Analyse werdenjoumalistische Artikel aus bekannten deutschen Gazetten als Hilfsmittel zur Interpretation verwendet. Damit soll einerseits die Öffentlichkeitswirksamkeit von Rap demonstriert werden, andererseits soll explizit darauf hingewiesen werden, dass es kaum Forschungspublikationen oder anderes wissenschaftliches Material für die hier untersuchten Textkörper gibt.
Als theoretisches Konzept für die Bearbeitung soll auf das Prinzip der Vertikalen Intertextualität zurückgegriffen werden, (vgl. Androutsopoulos 2003: 114 ff.). Dafür kategorisieren wir die Texte der Rap-Künstler als primäre Texte; moderierendejoumalistische sowie auch wissenschaftliche Texte mit Bezug auf einen Primärtext, werden als sekundäre Texte bezeichnet. Tertiäre Texte sind solche, die eine direkte oder mediale Fan-Kommunikation beinhalten. Der methodische Teil dieser Arbeit wird nun daraus bestehen, den Transfer von Wörtern oder Stilmitteln von primären Texten hin zu tertiären (der Gebrauch von Hip-Hop-Sprache als Soziolekt) mit Hilfe von Sekundärtexten aufzuzeigen.
3.2 Erläuterung Analyse-Material
Die Songtexte sind nach den Interpreten geordnet. Jedes Unter-Kapitel beginnt mit Text-Auszügen, die zur Beschreibung, Bearbeitung und letztendlichen Beantwortung der Ausgangshypothese als besonders wichtig erscheinen. Die Nachschlagewerke, beziehungsweise die Liste der sogenannten Jugendwörter, sind nach ihren Verlagen geordnet (Duden, Langenscheidt & Knaur). Zur Deutung der Hip-HopBegriffe wird an geeigneten Stellen das Urban Dictionary zu Rate gezogen, dabei handelt es sich um ein englischsprachiges Online-Wörterverzeichnis, welches seit 1999 verstärkt Slang-Begriffe dokumentiert. Zur Generierung des Wortgutes ist die Website allen Interessierten zur freien Mitarbeit offen zugänglich. Dementsprechend umfangreich ist heute der Bestand an Neologismen, Phrasen und Stilmitteln. Das Jugendwort des Jahres war ein von 2008 bis 2018 veranstalteter Wettbewerb, bei dem eine Jury (unter anderem bestehend aus Jugendlichen, Sprachwissenschaftler/-innen oder Joumalist/- innen) jährlich bis zu 30 Wörter nominierte, welche ihres Erachtens nach als jugendsprachlich zu deklarieren seien.
In kurzen Steckbriefen werden nun, vor dem Analyse-Teil, die zu zitierenden Rapper vorgestellt. Blumentopf war eine von 1992 bis 2016 bestehende Rap-Band (mit wechselnder Besetzung) aus Oberbayem. Mit der Selbstbezeichnung „Die Jungs aus dem Reihenhaus“ beschrieben sich Blumentopf selbst als Hip-Hopper aus der deutschen Mittelschicht, auch thematisch behandelte die Band hauptsächlich humorvolle Themen oder fiktive Geschichten - Battle-Themen oder rabiate Sprache spielen kaum eine Rolle. Bei Haftbefehl verhält es sich anders: Aykut Anhan wurde 1985 in Offenbach geboren und ist seit seinem Debüt-Album „Azzlack Stereotyp “ Ende 2010einerder wichtigsten Rapper in Deutschland. Seinen musikalischen Erfolg verdankt der Rapper nicht zuletzt seinem ikonischen Rap-Stil, bei dem auf komplexe Reimstrukturen konsequent verzichtet wird. Haftbefehls Texte enthalten unter anderem Begriffe und Phrasen aufDeutsch, Kurdisch, Arabisch, Englisch, Französisch und Türkisch. Der 1981 in Wien geborene Money Boy arbeitet dagegen hauptsächlich mit der deutschen und englischen Sprache. Zum Rap kam Sebastian Meisinger vor allem aufgrund seiner Affinität für Basketball und nicht zuletzt als großer Fan der Hip-Hop-Kultur.
KC Rebell (*1988, bürgerlich: Hüseyin Kökseqen) ist kurdischer Abstammung und kam mit sieben Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Sein Rap-Kollege Summer Cem (Toraman) stammt aus Mönchengladbach (*1983). Beide sind seit den 2000em als Deutschrapper tätig und feierten ihre größten Erfolge in den letzten Jahren, (vgl. laut.de 2019a, b, c,d& e) Die wichtigsten Textstellen sind mit Hintergrundfarbe markiert.
3.3 Textkorpus 1: Schlagwörter & Phrasen
3.3.1 Blumentopf
- Blumentopf - Ich bin so (20011 [Part 1: Heinemann]
Yo, ich bin so Hip-Hop, dass ich immer "Yo!" sag, bevor ich anfang zu reden So, dass ich nicht "Hallo"sag, sondern "eyAlter, wasgeht?"
So, dass ich bei Radioversionen alle zensierten Stellen rap So, dass ich nur in Reimen sprech -und das noch nicht mal selber check (...)
SoHip-Hop, dass ich kopfnickend durch Strassen bounce Und erst hinterher merk - ich hatte imMinidiscja gar kein Sound So Hip-Hop, manchmal ist das echt ein Problem
Ich ess mit Teller aufden Knien, -weil aufdem Tisch meine zwei Technics stehn Bin so Hip-Hop, dass ich nur von undfürMusik leb' So Hip-Hop, ich kenne meinen Geburtstag nicht, nur mein Releasedate So, dass ich meinen bürgerlichen Namen nicht weiss So Hip-Hop, dass ich nicht -weiss, -was im Club bezahlen heisst Ich bin so Hip-Hop, ich -weiss -welche Platten du kaufen musst Und -weil ich so Hip-Hop bin, hatte ich auch schon Werbung aufdem Bus Ich bin so Hip-Hop, ich hab hier echt 'was Fettes am Start Vermutlich habt ihr es eh gemerkt, also checktjetzt mal das [Refrain] Es ist egal, was du anhast, egal, wie -viel du kiffst Egal, -welches Mag du liest, egal, -welchen Slang du sprichst Egal, -wie du drauf, oder mit -wem du -unten bist Entwederfühlst du Hip-Hop - oder dufühlst Ihn nicht (...)
Der erste zu analysierende Textauszug besitzt an dieser Stelle eine deskriptive Funktion. Aus der Ich- Perspektive wird das Verschmelzen von Hip-Hop-Jargon und Alltagssprache nicht nur geschildert, sondern auch anhand von Beispielen sinnbildlich dargestellt. Beschrieben wird jener Vorgang, der im zentralen Modell des Kapitels 2.4 als „2. Transfer“ bezeichnet wurde.
Insbesondere sei auf die ersten beiden Textzeilen verwiesen, in denen zwei für die Hip-Hop-Szene übliche Begrüßungsrituale erwähnt werden. Die Interjektionen „Ey“ sowie „Yo“ sind beispielsweise auch bei Money Boy (vgl. 3.3.3) oder KC Rebell (3.3.4) vorzufmden. Außerdem fallt aus linguistischer Sicht „‘was Fettes am Start“ auf, denn das Eigenschaftswort „fett“ (hier substantivisch gebraucht als etwas Fettes) war vor allem in der Zeit um die Jahrtausendwende als Polysem27 in der deutschen HipHop-Szene beliebt. In Anbetracht dessen, dass dieser Liedtext beinahe 20 Jahre alt ist, wird anhand des Begriffes Minidisk28 auch eine gewisse zeitgeschichtliche Dimension dieses Songs deutlich.
3.3.2 Haftbefehl
- Haftbefehl - Chabos wissen der Babo ist (2013) [Refrain]
Chabos -wissen, werderBabo ist HaftiAbi istder, der im Lambo und Ferrari sitzt Saudi ArabiMoney Rieh Wissen, -werderBabo ist Attention, mach bloß keine Harakets Bevor ich komm' -und dir deine Nase brech' Wissen, -werderBabo ist Immer noch derselbe Chabo, Bitch Den du am Bahnhof triffst, -wie er grade Nasen snifft Wissen, -werderBabo ist W-W-Wissen, -werderBabo ist [Parti: Haftbefehl] (,..)Du kannst Wing Tsun undKungFu -wie BruceLee Kampfstil Tunceli,Altmi$ iki kurdi Magnums -und Uzis durchlöcherten den Tatort, oglum Und du liegst danach dort tot rum, Straßenmorde, Tagesordnung Amina kodum, es geht um schwarze Porsches mit den Magnum Motors Vollgas,Monte Carlo, Touren â la Formula Uno HaftiAbi, Baby, Straßenstarintemational Biji, biji Kurdistan, ich mach's aufdie Babo-Art (...)
Haftbefehl benutzt in diesem Song viele Wörter und Ausdrücke unterschiedlicher Sprachen. So finden sich im Text zu Chabos wissen wer der Babo ist unter anderem Elemente aus der deutschen, englischen, französischen, türkischen, kurdischen, arabischen oder serbischen Sprache. Im Kapitel 2.2.3 wurde noch die Schwierigkeit erwähnt, Metasprache nach Jakobson im Hip-Hop festzustellen. Haftbefehl würde an dieser Stelle als ein Gegenbeleg in Frage kommen, wenn man einem der zahlreichen Interpretationsvorschläge zum Song aus den deutschen Feuilletons folgen würde: „Ein Idiom, das sich durch die Nationalsprachen sämtlicher Migrantengruppen in Deutschland fräst; das Bruce Fee auf Tunceli, eine kurdische Provinz, reimt; ein Slang, der Slangformen verwurstet, also Hyperslang, Metasprache geworden ist: Das kriegt so keiner hin wie Haftbefehl.“ (Haas 2013)
Babo wurde ein Jahr nach Veröffentlichung des Fiedes zum Jugendwort des Jahres gewählt. Der Ausdruck ,,‘Babo‘ kommt aus der Sprache der Roma und bedeutet eigentlich ,Vater‘. Auf dem Balkan, in Bosnien, in der Türkei, in der zazaischen Sprache in der östlichen Türkei, im Persischen, im Aramäischen und unter Kurden ist der Begriff auch bekannt, ebenso wie in der Gaunersprache Rotwelsch. Er wird teils auch mit „Papa“ oder „Chef“ übersetzt.“ (Kurby 2019a) Diese Übersetzung erscheint stimmig, vor allem in Anbetracht der kulturellen Herkunft des Rappers. Damit der Refrain des Fiedes auch vollständig interpretiert werden kann, muss auch der zweite verwendete Begriff geklärt werden. „Chabo kann wörtlich wie folgt übersetzt werden: Typ, (...), Junge, Mann, Kumpel, Brüder (bevorzugte Übersetzung)“ (Kurby 2019b). Auch dieses Wort hat Bezug zur Roma-Sprache beziehungsweise Rotwelsch. Im Deutschen wird hauptsächlich sinngemäß übersetzt, im Sinne von einem männlichen Freund oder Bekannten. Das weibliche Pendant lautet „Chaya“ (vgl. ebd.). Die Kemaussage des Songs lautet also, dass „Brüder“ (Chabos) wüssten, wer ihr „Chef“ (Babo) sei.
Sowohl Babo als auch Chabo sind seit dem Erfolg des Songs zu etablierten Begriffen in der deutschen Hip-Hop-Sprache avanciert, jedoch auch darüber hinaus. Denn vor allem in vermeintlich höher gebildeten Kreisen, wie der Presselandschaft oder in der Medienbranche, erhielt das Fied durchaus positive Kritiken. Auch andere Rapper arbeiten seit der Veröffentlichung von „Chabos wissen wer der Babo ist“ mit den beiden Begriffen (vgl. zum Beispiel KC Rebell - Anhörung oder SSIO - Pibissstrahlen auf808 Bässe). Der Rapper Haftbefehl hat also durch nur einen Song bewirkt, dass zwei Begriffe, die im Rotwelsch verwendet werden, in der deutschen Öffentlichkeit etabliert wurden. Dies ist insofern bemerkenswert, dass dank Haftbefehl in der größten deutschen Jugendkultur mehrere Wörter aus der Roma-Sprache als angesagt und im Trend liegend gelten.
3.3.3 Money Boy
- Money Boy - Rap Up (2017)
Eyyo, 2017 -war einMovie Takeoffsagte: "Do it look like I'm lefioffBad andBoujee?" (...) Apple-Music -und Spotify (yeh) Wenn du nichts an hast -von Supreme bist du not sofly (...) DasJugendwortdesJahres lautet "Ibims" (true) AberwerwarderErfinder? Yo, ibims!(...) Polizisten killen Leute aufder Straße, Farn Aber kriegen dafür keine Strafe — damn (...) Ich bin nicht der, der bestimmt wasjetzt cool ist (no) Man muss mit der Zeit gehen (ye) Oder mit der Zeit gehen und das müssen alle Rapper einsehen Snitchen bei den Cops ist beliebt,yo (...) Eyyo, -was gibt es sonst noch zu sagen? (huh?) Fier und Farid Bang haben sich -vertragen (is that right?)(...) Eyyo, gottverdammt es -wird spooky (spooky) 2018 -wird einMovie!
Dieser Textauszug verdeutlicht auf den ersten Blick mehrere signifikante Merkmale der Sprache in HipHop-Texten: Viele Anglizismen, Verwendung von Neologismen oder die Verwendung von „Yo“ als einleitende Interjektion oder Begrüßungsritual, aber auch Kritik an staatlichen Behörden (gemeint ist in diesem Text die rassistische Polizeigewalt in den USA im Jahr 2017) und Referenzen zu anderen RapPersönlichkeiten („Fier und Farid Bang“). In Zeile 4 wird fly als ein Adjektiv, im Sinne von cool sein, verwendet, wie es im englischsprachigen Rap schon lange üblich ist (vgl. Urban Dictionary 2005). Darüber hinaus wurde ,fly sein‘ zum Jugendwort des Jahres 2016 gewählt (siehe Kapitel 3.4.2) und es ist davon auszugehen, dass mit „not so fly [sein]“ auf eine wenig später folgende Textstelle angespielt wird.
In den Zeilen 5 und 6 wird nämlich die Jugendwort-Thematik unmittelbar aufgegriffen, in dem Money Boy sich selbst als Urheber des Jugendwortgewinners des Folgejahres („I bims“) proklamiert. Damit hat der Rapper auch nicht Unrecht, denn tatsächlich entstammt die Phrase originär aus unterschiedlichen Fangruppen von Money Boy in sozialen Online-Netzwerken. Als Entstehungszeitraum dieser Gruppen und des dazugehörigen, digitalen Soziolekts, können die Jahre 2012 - 2014 genannt werden. Nur wenige Jahre später wurde diese gruppenspezifische Umgangssprache bereits unter anderem von diversen Werbe-Agenturen adaptiert, (vgl. Bortot & Wehn 2019: 397 f.) Dabei sind „fly sein“ und ,,i bims“ nur zwei von unzähligen Beispielen einer Sprachvariation, die von Money Boy maßgeblich initiiert wurde. - Money Boy - Dreh den Swag auf (2010) [2xRefrain] Steige aus dem BettDreh den Swag auf Schaue kurz in den Spiegel Sag "What up?"Yeah, I'm gettin' money Ohh(...) [Part 1] Zähle so viel moneyjeden Tag, ichfinde es echt geil Mein Swagger ist total außerKontrolle, ich bin echtnice (...) [Part2J Oh Oh! Swagger on the Zillion(...) Gangsters -wollen spitten doch mein Swag is so official Mein neuesMixtape gibt es nur als Crackdealer-Edition(...) Ich hebe ab undflieg zumMarsjetzt Tum my Swagger on Ich spitte hunderttausend Bars, Yes! [2xRefrain]
Unter anderem mit diesen Zeilen wurde Money Boy in Österreich, beziehungsweise allen deutschsprachigen Ländern, erstmals bei einem größeren Publikum bekannt. Dabei ist „Dreh den Swag auf“ primär eine Persiflage des Songs „Tum my Swag on“ des erfolgreichen US-Rappers Soulja Boy, wobei der Refrain mehr oder weniger wörtlich von Money Boy übersetzt wurde. Der inhaltliche Fokus (in beiden Versionen) liegt auf dem sogenannten Swag, Der Ursprung dieses Wortes ist nicht vollständig geklärt und wird unter anderem in der Hip-Hop-Szene,jedoch ebenso bei William Shakespeare oder in der Militärsprache vermutet (vgl. Urban Dictionary 2019).
Nichtsdestotrotz wurde Swag vom Langenscheidt-Verlag zum Jugendwort des Jahres 2011 in Deutschland gekürt, drei Jahre nach der Veröffentlichung des Originals von Soulja Boy, eines nach der Version von Money Boy. Der Sieger im Folgejahr („Yolo“) war zudem der Titel eines im selben Jahr erschienenen Mixtapes von Money Boy (veröffentlicht am 17.10.12).
3.3.4 KC Rebell & Summer Cem
- KC Rebell feat. Summer Cem - Havvan (2014) [Intro]
KCR: Ey, Cem, was bist dufür'nMensch,Alter?
SC: Was meinst du, Bruder?
KCR: Ja, -was -war das letztens schon -wieder? Was bist dufür 'n Hayvan?
SC: Was ichfür 'n Hayvan bin? Ich zeig dirjetztmal, -was ichfür 'n Hayvan bin (...) [Refrain]
Wersagt, dasLeben -wäre einfach?
Viel zu -viele Pläne sind gescheitert Scheißegal, ich gehe immer -weiter Augen zu und benehmen -wie ein Hayvan (...)
Anhand dieses Beispiels soll exemplarisch dargestellt werden, wie die Mehrsprachigkeit deutscher Rapper Einfluss daraus ausüben kann, welches Wortgut aus der Hip-Hop-Szene Einzug in das gesprochene Deutsch erhält. Hayvan bedeutet auf Türkisch unter anderem Tier29 und wurde im
Zusammenhang mit dem gleichnamigen Song zu einem beliebten Ausdruck in der Hip-Hop-Szene. Nach dem Erfolg von KC Rebell & Summer Cem avancierte Hayvan zu einem geflügelten Wort im deutschen Hip-Hop, aber auch darüber hinaus. Der Begriff wurde infolgedessen von anderen Rappern adaptiert, die zumindest biografisch keinen Bezug zur türkischen Sprache aufweisen30. Hayvan wird im Deutschrap-Kontext als substantiviertes Eigenschaftswort verwendet und bedeutet hauptsächlich triebgesteuert oder impulsiv. Der Begriff belegte bei der Wahl zum Jugendwort des Jahres 2014 den dritten Platz.
3.4 Textkorpus 2: Referenzen
3.4.1 DUDEN
- „Rap [rep], der; -[s], -s <engl.-amerik.> (rhythmischer Sprechgesang in der Popmusik)
- Rapper ['rep...], der; -s, - <zu Rap> (Rapsänger);
- Rapping, das; -s {svw. Rap) (DUDEN 2000: 791)
Bei diesem fast zwanzig Jahre alten Dudeneintrag ist vor allem die phonologische Schreibweise sehr interessant, da heute so gut wie einheitlich [rap] verwendet wird. Es fallt auf, dass die aktuelle OnlineAusgabe auf eine Angabe der Lautschrift für dieses Wort verzichtet und auch das eigentümliche Synonym zu Rapper („Rapsänger“) nicht mehr angegeben wird. - „dissen <amerik.> {Rapperjargon verächtlich machen, schmähen)“ (ebd.: 297)
Ausführlich definiert wurde dieses Wort bereits im Kapitel 2.4, nun geht es um den Dudeneintrag dieses Verbs. Kulturhistorisch betrachtet (sowie nach den Erkenntnissen aus dem theoretischen Teil) ergibt es Sinn, dass eine Dudenausgabe aus dem Zeitraum der Jahrtausendwende nur einen verschwindend geringen Bestand an Wörtern mit Hip-Hop-Bezug aufweisen kann.
Umso bemerkenswerter erscheint wiederum, dass neben den beiden wichtigsten Begriffen, Rap und Hip-Hop, es tatsächlich auch Dissen als Lehnwort bereits zu diesem Zeitpunkt in ein Nachschlagewerk der deutschen Sprache geschafft hat. Dies ist vor allem insofern außergewöhnlich, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung jener zitierten Ausgabe der Duden noch sechs Jahre lang (bis zur Reform 2006) das verbindliche Standardverzeichnis der deutschen Sprache darstellte.
Abgesehen von Breakdance (vgl. ebd.: 245) und Graffito (433) finden sich nach meinen Recherchen keine weiteren Begriffe mit Hip-Hop-Bezug in der Ausgabe.
3.4.2 Langenscheidt
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Abbildung 5 Janson & Voronet (2018): Die nicesten Jugendwörter. Screenshot von https://de.statista.com/infoerafik/16123/das-iueendwort-des-iahres/ (Stand: 26.10.19, 13:45 Uhr)
Obige Grafik listet alle Jugendwörter des Jahres vom Langenscheidt-Verlag auf. Im Kapitel 3.3 wurden die Begriffe „Swag“ (2010), „Babo“ (2013), „Fly sein“ (2016) und ,,i bims“ (2017) bereits auf deren soziolektale Ursprünge in der deutschen Hip-Hop-Szene hin untersucht. Auf dieser Grundlage kann demzufolge davon ausgegangen werden, dass mindestens 30 Prozent aller Jugendwörter des Jahres vom Langenscheidt-Verlag auf die Hip-Hop-Sprache zurückzuführen sind (ungeklärt bleibt der Wortursprung von „Swag“, nachgewiesen werden konnte lediglich der Anteil von Money Boy an der Popularität im deutschsprachigen Raum).
Der letzte siegreiche Begriff (2018: Ehrenfrau bzw. Ehrenmann), beziehungsweise dessen Popularität, wird häufig auf den 2013 veröffentlichten Song „Leben und Tod des Kenneth Glöckler“ des Deutschrappers Bushido zurückgeführt. Jener Disstrack (also ein Rap-Lied, welches inhaltlich darauf ausgerichtet ist, einen realen Gegner verbal anzugreifen) endet sehr eindringlich mit dem Wort „Ehrenmann“. Seit der Veröffentlichung auf YouTube am 22.11.13 wurde das Musikvideo auf YouTube mehr 50 Millionen Mal angesehen (Stand: 30.10.19, 18 Uhr). Es ist sehr wahrscheinlich, dass Bushido für die Renaissance einer Bezeichnung verantwortlich ist, welche seit mindestens 500 Jahre existiert und sogar in Goethes Faust verwendet wird31, (vgl. Heine 2018)
3.4.3 Knaur
Abschließend ist ,Das Wörterbuch der Jetztsprache‘ vom Knaur Taschenbuch-Verlag zu analysieren. Das Buch erschien 2008 unter dem Titel ,Die SprachnudeT. Das Werk soll ein Lexikon umgangssprachlicher Wörter und Phrasen im Taschenbuchformat darstellen. Die Begrifflichkeiten sind hier in zwei Kategorien unterteilt: Zum einen solche, bei denen in der Bedeutungsbeschreibung der Bezug zum Hip-Hop explizit genannt wird, und zum anderenjene, die mit Hip-Hop assoziiert werden.
MitNennung:
- „bumen: Im Hip-Hop bedeutet [b.], die Konkurrenz (...) zu übertreffen. (...)“ (Badalgogtapeh & Maaß 2008: 40)
- „crossen: Das Übermalen eines Graffitis“ (ebd.: 46)
- „derb: Wenn etwas (...) besonders krass ist, wird es in Hip-Hop-Kreisen - und nicht nur dort - als [d.] bezeichnet. (...)“ (ebd.: 49)
- „Dissen: (...) Wortgefechte zwischen Rappern oder das Kräftemessen von GraffitiSprayern und DJs.“ (ebd.: 52)
- „wack: Das Wort stammt (zumindest in dieser Bedeutung) aus den USA und ist via Hip- Hop-Lyrics nach Deutschland gekommen. »Wack« ist alles, was (...) schlecht (...) und mies (...) ist.“ (ebd.: 223)
Ohne Nennung:
- „Homie: Ein guterKumpel (...).“ (ebd.: 95)
- „Props geben: Jemandem seine Anerkennung und seinen Respekt aussprechen.“ (ebd.: 161)
- „tight: Erläutert Dinge, die positiv sind“ (ebd.: 206)
- „Welle: Wer »auf Welle macht«, neigt zur Übertreibung und damit zur sicheren Beachtung durch andere“ (ebd.: 227)
Die Begriffe, bei denen der Bezug zum Hip-Hop nicht erwähnt wurde, lassen sich recht schnell damit in Verbindung bringen. „Homie“ wurde bereits im Kapitel 2.4 als Hip-Hop-Lexik gekennzeichnet. Der Ausdruck „Props geben“ ist der in den 1980er Jahren aufstrebenden Rap-Szene zuzurechnen (vgl. Urban Dictionary 2006). Anhand des Erscheinungsjahres (2008) ließe sich schließen, dass „tight“ und „Welle“ wohl im Zusammenhang mit dem mittlerweile eingestellten Deutschrap-Label Aggro Berlin (von 2001 bis 2009) ihren Weg in das Wörterverzeichnis gefunden haben. B-Tight ist das Pseudonym von einem der drei erfolgreichsten und bekanntesten Künstler des Labels (neben Pier und Sido). In den Zeitraum großer medialer Präsenz von Aggro Berlin in Deutschland fällt auch die Veröffentlichung des Wörterbuches. Der Ausdruck „Welle“ bzw. „Welle machen“ kommt wiederholt im Text zum Lied NDW2005 von Pier vor.
An dieser Stelle endet der methodische Teil. Was bedeuten die zurückliegenden Erkenntnisse für unsere Ausgangshypothese?
4. Ergebnisse
a. Vorstellung der Ergebnisse
Nachdem die umfangreichen theoretischen sowie methodischen Teile abgehandelt wurden ist es nun an der Zeit für eine stichpunktartige Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse:
- Hip-Hop als Jugendkultur, sowie Rap als Musik, fördern weltweit die Entstehung szeneneigener Soziolekte, welche mittels derjeweiligen Umgangssprache Einfluss auf die Standardsprache ausüben können. Umgangssprache funktioniert dabei als ein Kontinuum zwischen Dialekt/Regiolekt oder Soziolekt einerseits und Standardsprache andererseits.
- Die Hip-Hop-Kultur wird als Chiffre verstanden und aufgrund von identitätsbildenden Aspekten sowie Gründen der Selbststilisierung adaptiert. In diesem Zusammenhang kommt es auch zur Appropriation von diastratischen Sprechweisen. Untrennbar von dieser Adaption der Hip-Hop-Sprache sind individuelle Sprachparameter, wie zum Beispiel regionale Dialekte.
- Der in der Hip-Hop-Sprache verwendete Wortschatz ist breit gefächert, als häufige Stilmittel sind Anglizismen, Kontraktionen, Bedeutungserweiterungen, Übertreibungen oder auch Interjektionen zu nennen. Als Varietät der Jugendsprache gehen manche Wörter aus dem HipHop-Jargon in diese (und somit die Allgemeinheit) über, andere bleiben ausschließlich Bestandteile des Soziolekts.
- Durch die Aufnahme vonjugendsprachlicher Lexik in Wörterbücher, beziehungsweise allgemeine Verzeichnisse, wird diese standardisiert. Dieses Prinzip kann auf die Hip-Hop- Sprache übertragen werden. Dadurch verlieren einzelne Phrasen und Begriffe ihren CodeCharakter gegenüber der Standardsprache (siehe Money Boy ^ Langenscheidt-Verlag). Die Sozialgruppen müssen infolgedessen neues Wortgut generieren und bleiben dadurch in sich dynamisch und lebendig. Auf diese Weise reproduziert sich szenespezifische Sprache, wovon nicht nur Hip-Hop zu ständiger Innovation verpflichtet ist.
- Zwar liegt der sprachliche Fokus im Hip-Hop, auch in Deutschland, in erster Linie auf der englischen Sprache, doch Polysemen wie „fett“ oder „Welle“ beweisen, dass Hip-Hop- Sprache auch in der Lage ist, Einfluss auf nicht-englische Sprachen zu nehmen und diese punktuell zu erweitern. In den romanischen Sprachen ist zum Beispiel festzustellen, dass Substandardmerkmale heutzutage mittels Hip-Hop-Musik häufiger alsje zuvor Einzug in das Geschriebene halten (vgl. Scholz 2003b: 126).
- Rap-Musik in den USA beschränkt sich trotz unterschiedlicher Variationen hauptsächlich auf die englische Sprache. Die Sprachvielfalt in den europäischen Rap-Ländern erscheint demgegenüber als größer. In Frankreich zum Beispiel bietet die Jugendsprache Verlan eine komplette Alternative zur Standartsprache, so wird ,flic‘ (Polizist) zu ,keufl oder ,femme‘ zu ,meufl. Vor allem in Rap-Texten aus den Pariser tchatche de banlieue finden sich zahlreiche Verwendungen von Verlan. (vgl. ebd.: 116 f.). In Deutschland finden Begriffe aus vielen unterschiedlichen Herkunftsregionen, beispielsweise dem Türkischen (wie ,Hayvan‘) oder Jenischen (wie ,Babo‘), über den Soziolekt Hip-Hop-Sprache und die Umgangssprache ihren Weg in die Standardsprache, wie im methodischen Teil aufgezeigt wurde.
- Hip-Hop und insbesondere Rap besitzen vor allem für Jugendliche auch eine politische Dimension. Resultierend aus der kulturellen Entstehungsgeschichte bietet vor allem die RapMusik emanzipatorische, anti-rassistische und gesamtgesellschaftlich relevante Inhalte an. „Jugendlichen, die frustriert, wütend und ausgegrenzt sind, bietet Hip-Hop die perfekte Plattform zur Erörterung der Gründe dafür und für die Debatte darüber, wie man es besser machen könnte.“ (Peschke 2010: 166) Jene politische Dimension muss bei einer soziolinguistischen Arbeit mit der Hip-Hop-Sprache auch berücksichtigt werden.
b. Mögliche Erklärung der Ergebnisse
Rapper wie KC Rebell und Summer Cem sind nur zwei Beispiele von vielen Rappern, die türkische Wörter und Phrasen in deutsche Rap-Texte einbauen. Eko Fresh, ebenfalls wie Summer Cem ein deutscher Rapper aus Mönchengladbach mit türkischer Abstammung, hat beispielsweise 2011 den Song Türkenslang/Straßendeutsch veröffentlicht, auf dem er türkische Begriffe auf Deutsch umschreibt (vgl. Bortot & Wehn: 280). Während deutscher Rap bis in die 2000er hauptsächlich auf Deutsch und mit vielen englischen Einflüssen vorgetragen wurde, zeichnet sich inzwischen eine Tendenz zur steigenden Sprachvielfalt im kommerziell erfolgreichen Deutsch-Rap ab. Die Hip-Hop-Kultur ist traditionell ein Spiegelbild von Migrationsbewegungen, ob in den USA oder in Europa. „Der Umgang mit anderen Sprachen wird zum Gegenstand der populären wie der elitären Kulturformen - von der Rap-Musik und Hip-Hop-Kultur (...) bis hin zum Avantgarde-Theater -, wobei wir auf ein Klientel treffen, die auf hoch produktive Weise sprachlich kreativ ist und auf die Ethnisierungsprozesse vor allem im urbanen Milieu reagiert.“(Erfurt2003: 13)
Haftbefehl ist an dieser Stelle wahrscheinlich das beste Beispiel, um Mehrsprachigkeit in deutschen Texten darzustellen. Im Zusammenhang mit der großen Aufmerksamkeit, welche der Rapper vom Feuilleton-Journalismus in Deutschland erhält, ist dementsprechend auch von Polyglossie (also der Fähigkeit, mehrere Sprachen zu beherrschen) die Rede (vgl. Hackbarth & Volkmann 2013). Die Strahlkraft des Songs war vor einigen Jahren noch so groß, dass sogar ein Kommunalpolitiker der CSU den Begriff „Babo“ in seinem Wahlkampf nutzte (vgl. Schäffer 2014). Es ist bemerkenswert, wenn Elemente aus einem Soziolekt ihren Weg bis hin zur öffentlichen Wahlwerbung finden. Besonders an dieser Stelle wird deutlich, dass es der Hip-Hop-Kultur immer wieder gelingt, sprachliche Innovationen auch über die eigene Szene hinaus zu transportieren.
Sebastian „Money Boy“ Meisinger ist ein Magister der Publizistik und Kommunikationswissenschaften, seine Abschlussarbeit (eingereicht bei der Universität Wien) trägt den Titel Gangsta-Rap in Deutschland32. Es ist davon auszugehen, dass Meisinger mit wissenschaftlichen Aspekten der deutschen Sprache vertraut ist beziehungsweise sehr genau weiß, wie mit Slang innerhalb sozialer Gruppen gearbeitet werden kann. Es geht auch hier um Identitätsbildung, Abgrenzung nach Außen und kollektive Identifikation. Innerhalb geschlossener Peergroups entwickelt Sprache eine Eigendynamik, mittels derer wiederum Soziolekte lebendig und sich selbst erneuernd bleiben. Der Erfolg Money Boys mit Hilfe von Sprache ist kein Zufall, es ist ein Kalkül. Und dieses funktioniert erstaunlich gut.
Häufig wird die Hip-Hop-Sprache für ihren übermäßigen Hang zum Englischen kritisiert. Anglizismen sind jedoch als Codes zu verstehen, über die sich die Hip-Hop-Szene weltweit verständigt. „Während englische Wörter, Phrasen oder größere Textsegmente in allen bisher untersuchten lokalen Varianten des Rap Vorkommen, wenn auch in unterschiedlicher Häufigkeit, ist der Gebrauch von Migrantensprachen und Ethnolekten (ethnisch markierten Varietäten der Mehrheitssprache) länderspezifischunterschiedlich“. (Androutsopoulos2003: 121)
Der Nutzen von Anglizismen im Hip-Hop würde zum Beispiel an dem Punkt deutlich werden, wenn zwei Hip-Hop-Fans aus unterschiedlichen Kulturen beziehungsweise Sprachräumen aufeinander treffen würden. Die Sprache desjeweils anderen wäre nicht verständlichjedoch Hip-Hop-Jargon als Soziolekt für beide ein Kommunikationsansatz miteinander. Dies ist einer der Hauptgründe, warum mittels der Hip-Hop-Kultur in erster Linie englische Fremd- und Lehnwörter ins Deutsche übergehen.
Auch die Rechtschreibreform 2006 und der damit einhergegangene Verlust der Duden-Verbindlichkeit ist als ein wesentlicher Faktor zu nennen, wie und wodurch jugendkulturelle Begrifflichkeiten zum Standard werden. Zwar bedeutet eine Aufnahme in den Duden nicht mehr zwangsläufig die Standardisierung eines Begriffes, doch solange der Dudenverlag immerhin noch das ideelle Monopol besitzt, ist zumindest die Signalwirkung durch eine Dudenaufnahme nicht von der Hand zu weisen.
In diesem Zusammenhang gewinnen auch die Wortverzeichnisse anderer Verlage (wie eben zum Beispiel Langenscheidt oder Knaur) an Bedeutung. Sie besitzen heutzutage die Möglichkeit, gesetzliche Vorgaben zum deutschen Wortbestand eigens zu interpretieren und dadurch häufiger individuelle Vorschläge zu berücksichtigen. Nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet auch das Urban Dictionary in den USA, welches sich vor allem durch die hohe Aktivität in der Netzgemeinschaft als Nachschlagewerk für Umgangssprache etablieren konnte.
c. Grenzen und Einschränkungen meiner Untersuchungsmethode
Die Jugendwörter des Jahres von Langenscheidt sind nur bedingt als empirisch oder repräsentativ zu betrachten. So handelte es sich bei dem Votumjedes Jahr um eine frei zugängliche Wahl, weshalb nicht gewährleistet ist, dass auch tatsächlich nur Jugendliche daran teilnahmen. Weiterhin sagt der Gewinn dieser Wahl nichts über die reale Sprachpraxis von Jugendlichen aus, sondern deutet maximal darauf hin, dass eine Nominierung gegenüber den anderen als origineller oder witziger bei der breiten Masse ankommt. Aufzuzeigen, dass diese Marketing-Aktion des Verlages keine wirkliche Repräsentativität aufzeigt (sondern eher einen referentiellen Charakter besitzt), war eines meiner Anliegen im methodischen Teil.
In der zurückliegenden Arbeit wurde hauptsächlich auf Grundlage der Diachronie gearbeitet. Eine soziolinguistische Analyse auf Grundlage der Synchronie wäre eine hervorragend geeignete Ergänzung zu den von mir erarbeiteten Ergebnissen. Hierfür könnte man experimentell Vorgehen und die verwendete Sprache in Rap-Foren zu einem bestimmten Zeitpunkt untersuchen, um nur ein mögliches Forschungsbeispiel aufzuzeigen.
Außerdem findet sich zu den betrachteten Rappern und ihren Songs kaum wissenschaftliches Material, weswegen häufig auf Online-Artikel zurückgegriffen werden musste. Grund für diesen Mangel an Publikationen ist sicherlich, dass die wichtigsten untersuchten Textkörper noch nicht allzu alt sind (Money Boy oder Haftbefehl), darum bleibt zu hoffen, dass in den nächsten Jahren weitere wissenschaftliche Analysen folgen werden.
5. Fazit
„Haftbefehl (...) wird den Duden der Zukunft mitprägen. So wie die Dusche, die du benutzt, das ist kein deutsches Wort. Das ist eigentlich französisch. Genauso werden Babo und irgendwelche Begrifflichkeiten, die eben über Rap in die deutsche Sprache und von (...) Jugendlichen (damit meine ich auch deutsche Jugendliche mit Migrationshintergrund) benutzt werden, in die deutsche Sprache eingefügt. Das finde ich gut und für mich ist Deutsch-Rap deutsch, ohne Problem.“ (Zitat von Falk Schacht, vgl. Ecke 2016)
In dieser Bachelor-Arbeit wurde demonstriert, dass die Nutzung von szenespezifischer Sprache im HipHop auch über die künstlerische Ebene hinausgeht, indem sie ein Teil des persönlichen Alltagslebens seiner Anhänger/-innen wird. Dies hängt unter anderem zusammen mit ihrer poetischen Sprachfünktion und dem sprachlichen Code-Charakter von Jugendszenen. In der Ausgangshypothese wurde spekuliert, dass Hip-Hop-Jargon einen stetig wachsenden sowie dynamischen Einfluss auf die deutsche Umgangssprache ausübe. Insgesamt kann die These als belegt angesehen werden. Die Folgehypothese, nämlich ein Einfluss auf die deutsche Standardsprache generell, ist jedoch höchstens marginal festzustellen.
Denn auch wenn die Hip-Hop-Kultur sich in einem exponentiellen Wachstum zu befinden scheint (siehe Abbildung 1 in Kapitel 2.2.2), so sind Jugendliche immer noch ein verhältnismäßiger kleiner Teil der deutschen Demografie. Die Sprachforschung zu Hip-Hop könnte aus diesem Grund auch als eine Art Investition in die Zukunft betrachtet werden. So wie die in dieser Arbeit betrachtete Lexik sich auf die ersten kommerziell erfolgreichen Hip-Hop-Generationen zurückführen lässt, ist auch davon auszugehen, dass mit steigender Zahl der Rezipient/-innen auch der Wortbestand im Hip-Hop stetig wachsen wird.
Auf Grundlage meiner Forschungsergebnisse würde ich mir erhoffen, dass die geisteswissenschaftliche Forschung zum Thema Hip-Hop in Deutschland sich in Zukunft linguistisch breiter aufstellt. Es gibt eine Vielzahl sozial- und kulturwissenschaftlicher Arbeiten, die sich mit Hip-Hop oder jeweils einem Element der Subkultur auseinandersetzen. Andere Disziplinen, welche ob ihrer wissenschaftlichen Ausrichtungen prädestiniert für eine gehaltvolle Hip-Hop-Forschung wären, sind im Gegensatz dazu in der klaren Unterzahl.
Dabei wäre es meines Erachtens gerade die Linguistik, welche eine wissenschaftliche Schlüsselrolle spielen könnte, um Hip-Hop besser erklären und verstehen zu können. Trotz spielfilmreifer Videoproduktionen, hochprofessioneller Musikbearbeitung und persönlichen Netzwerken (welche zahlenmäßig bei vielen Hip-Hop-Künstler/-innen problemlos mit den Bevölkerungszahlen deutscher Großstädte mithalten könnten) ist die Sprache auch 2019 immer noch das wichtigste Werkzeug aller berufsmäßigen Rapper/-innen und Rapper. Ein guter linguistischer Ansatz findet sich beispielsweise bei Saskia Waibel, welche eine Untersuchung „szenetypische Sprache in der Schweizer Hip-Hop-Chat- Kommunikation“ durchgeführt hat (vgl. Bock, Meier & Süss 2007: 105 ff.).
Eine Möglichkeit zur soziolinguistischen Weiterbearbeitung meiner Ergebnisse könnte ich mir in Form einer statistischen Erhebung auf Grundlage der empirischen Sozialforschung vorstellen. Die von Zeise erhobene Studie (im Zusammenarbeit mit der Seite rap.de), auf welche sich im theoretischen Teil mehrfach bezogen wurde, war ein für diese Zeit geeigneter Ansatz (Stichprobengröße: „500 RapHörer“), ließe sich jedoch, mit nahezu identischem Design, heute auch in einem größeren Umfang durchführen. Das Fragebogen-System könnte beibehalten werden (vgl. Zeise 2006: 75 ff.),jedoch wurde bereits beim Langenscheidt-Verlag kritisiert, dass Online-Surveys als Umfragemethode schnell Gefahr laufen, manipuliert zu werden.
Dass die Wahl zum Jugendwort des Jahres zunächst nicht mehr stattfindet, bedauert maximal eine überschaubare Zahl Jugendlicher, auch auf die Hip-Hop-Szene wird diese Abschaffung wohl kaum Auswirkungen haben. Eine sich alljährlich wiederholende Reaktion (die sich durch alle Altersgruppen zog) auf die Nominierungen des Uangenscheidt-Verlages war stets: ,Wer redet denn so?‘ Und genau hier liegt der entscheidende Punkt. Die meisten Nominierungen bei Uangenscheidt haben eher wenig mit der realen Sprachpraxis zu tun.
Den Hip-Hop-Begriffen könnte noch am ehesten eine tatsächliche Alltagsnutzung zugesprochen werden (durch die Anwendung im Soziolekt), in den anderen Fällen handelt es sich in der Regel um kurzlebige sowie kleinräumige Trends („Gammelfleischparty“) oder zuvor eher unbekannte Neologismen („Niveaulimbo“). Selbiges Prinzip gilt ebenso für einen Großteil der Begrifflichkeiten im Wörterbuch der Jetztsprache des Knaur-Verlags.
Sprachvielfalt ist für die Uinguistik ein Geschenk und Herausforderung zugleich. Nur mit sorgfältiger Arbeit, interkultureller Kompetenz und soziolinguistischen Ansätzen wird es in Zukunft weiterhin möglich sein, der Dynamik von Soziolekten und Umgangssprache wissenschaftlich folgen zu können. Die Hip-Hop-Kultur bietet sich hierfür als hervorragender Untersuchungsraum an, sie rein quantitativ alle anderen Jugendkulturen in den Schatten stellt. Wer Hip-Hop spricht, der redet global.
Abschließend möchte ich an alljene, die wissenschaftlich tätig sind und etwas für die Hip-Hop-Kultur übrighaben, appellieren, sich in die interdisziplinäre Forschung einzubringen. „Wer sich an der wissenschaftlichen Debatte zu Rap beteiligt, der tut nicht nur was fürs HipHop-Herz, sondern auch noch etwas anderes - er leistet einen Beitrag zu einer Diskussion, die als Vermittlungsebene zwischen Szene- und Breiten-Medien bislang zu kurz gekommen, aber dem Wesen nach (...) für Wegweisendes prädestiniert ist.“ (Dietrich 2014:4)
6. Literaturverzeichnis
Primärquellen
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DUDEN Band 1 (22., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, 2000). Mannheim: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG / Dudenverlag.
Janson, Matthias (2018): Die nicestenJugendwörter. Ihttps://de.statista.com/infografik/16123/das-iugendwort-des-iahres/l (Stand: 06.10.19, 18:30 Uhr) (Grafik: Levi Voronet)
Urban Dictionary (2005): I’m sofly. (Topdefinition)
Ihttps://www.urbandictionarv.com/defme.php?term=I%27m%20So%20Flvl (Stand: 28.10.19, 17:45 Uhr)
UrbanDictionary (2006): props (Topdefinition) Ihttps://www.urbandictionarv.com/define.php?term=propsl (Stand: 29.10.19,18:30 Uhr)
Urban Dictionary (2019): Swag (mehrere Definitionen) Ihttps://www.urbandictionarv.com/defme.php?term=Swagl (Stand: 29.10.19,21:45 Uhr)
[Songtext] Crack ignaz - König derAlpen: https://genius.com/Crack-ignaz-konig-der-alpen-lvrics tStand: 08.09.19, 21 Uhr) [Songtext] Blumentopf - Ich bin so: https://genius.com/Blumentopf-ich-bin-so-lvrics (Stand: 08.09.19, 21 Uhr)
[Songtext] Haftbefehl - Chabos wissen wer der Babo ist: https://genius.com/1338059 (Stand: 08.09.19,21 Uhr)
[Songtext] Money Boy - Rap Up 2017: https://genius.com/Monev-bov-rap-up-2017-lvrics (Stand: 09.09.19,14 Uhr) [Songtext] Money Boy - Dreh den Swag auf: https://genius.com/Monev-bov-dreh-den-swag-auf-lvrics (Stand: 09.09.19,14 Uhr)
[Songtext] KC Rebell & Summer Cem - Hayvan: https://genius.com/Kc-rebell-havvan-lvrics (Stand: 31.10.19,20 Uhr)
Sekundärquellen
Literatur:
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Breyvogel, Wilfried (2005): Eine Einführung in die Jugendkulturen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Bußmann, Hadumod (2002): Lexikon derSprachwissenschaft (Dritte, aktualisierte -und erweiterteAuflageAuflage). Stuttgart: Alfred Kroner Verlag.
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rhttps://europeanhiphopstudiesnetwork.wordpress.com/countries-and-regions/central-europe/l (Stand: 29.10.19, 16:30 Uhr)
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1 Bevorzugte Musikgruppe nach Altersgruppen - Rap & Hip-Hop (Deutsches MIZ 2018a) Screenshot vom 24.10.19,12 Uhr
Abbildung 2 Diachronie und Synchrone - Grafik von Christian Lehmann: https://www.christianlehmann.eu/termini/synchronie_diachronie.html (Stand: 01.11.19, 00:30 UHR)
Abbildung 3 Hip-Hop-Sprache, Jugendsprache und Umgangssprache im Verhältnis (eigene Darstellung)
Abbildung 4 Modellhafte Darstellung des soziolinguistischen Transfers von Wörtern, Phrasen und Stilmitteln vom soziolektalen Ursprung bis Standardsprache (eigene Darstellung) in Anlehnung an (Löffler 2016: 98) und (Stedje 1989:223)
Abbildung 5 Janson & Voronet (2018): Die nicesten Jugendwörter. Screenshot von https://de.statista.com/infografik/16123/das-jugendwort-des-jahres/(Stand: 26.10.19, 13:45 UHR)
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1 Soziolekte nach (Löffler 2016:115)
Tabelle 2 Sprachfunktionennach Jakobson (I960)
Tabelle 3 Ordnungsdimensionen nach Dittmar (vgl. Dittmar 1997:179 f.)
7. Anhänge
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 In Deutschland haben sich mit „HipHop“, „Hip-Hop“ und „Hip Hop“ drei unterschiedliche Schreibweisen etabliert. Im Sinne der Einheitlichkeit soll im Verlaufe der Arbeit ausschließlich die vom Duden empfohlene Variante Hip-Hop (vgl. DUDEN 2019a) verwendet werden. Ferner istHip-Hop ein Eigenname („nomen proprium“).
2 Ein Jargon ist definiert als eine Varietät, deren Ausdrücke (...) nur Angehörigen einer spezif. Gruppe (...) geläufig sind, also nicht zur Gemeinsprache gehören. (...) Man kann im Wesentlichen zwei Arten (...) unterscheiden, sog. Berufsjargons, (,..)und sog. Gruppenjargons (...), deren sichMenschen bedienen, die durch eine gemeinschaftl. nichtberufl. Beschäftigung (...) zusammengeführt werden (...). Unter J. versteht man keine eigenständige Sprache, (...) Ein J. kann zur Konstitution der Identität einer Gruppe beitragen und diese nach außen abgrenzen helfen. (...). Die Abgrenzung zu Slang ist fließend.“ (Metzler2010: 313)
3 Varietät bezeichnet die eine jeweilige Ausprägung eines Sprachverhaltens in einem polydimensionalen Varietätsraum. Jene Dimensionen können sozial, situativ, regional oder historisch ausdifferenziert sein und wirken sich in Form unterschiedlich vieler sprachlicher Merkmale einer bzw. mehrerer linguistischen Ebenen aus. Als definierende Parameter einer Varietät fungieren zum Beispiel Region, Situation oder Gruppe/Schicht. Varietäten werden durch das Suffix ,,-lekt“ gekennzeichnet, (vgl. Bußmann2002: 730)
4 Essentiell wichtig ist hierbei, von Anfang an zwischen den Begrifflichkeiten Hip-Hop und Rap konsequent zu differenzieren. „Im (...) Sprachgebrauch wird selten unterschieden zwischen ,Rap‘ (...) im Sinne einer musikalischen Teildisziplin und ,Hip-Hop‘ im Sinne einer mehrere Teildisziplinen umfassenden Kulturform. Der synonyme Gebrauch ist vor allem durch die mediale Dauerpräsenz von Rap begründet, (...) andere Hip-Hop-Disziplinen wie Graffiti oder Breakdance [werden] marginalisiert.“ (Dietrich2018: 9)
5 „Längst hat die Kultur die Grenzen des Ghettos, die Grenzen der USA hinter sich gelassen. Hip-Hop hat Jugendliche auf der ganzen Welt begeistert und aufgerüttelt (...) Sie brachten ihre [individuell unterschiedlichen] kulturellen Wurzeln in die Hip-Hop-Kultur ein und machten sie so zur ersten wirklich globalen Kultur.“ (Verlan 2003: 139)
6 Auch gelten jene drei Künstler als musikalische Vorreiter des Rap, denn „[w]as sie (...) initiierten, war ein neuer DJ- und Party-Stil, der sich in(...) Etappen zum Musikstil entwickelte.“ (De Rentiis 2019: 7)
7 Definition ,Flow‘: „sprachlicher und rhythmischer Fluss, mit dem Musiker, insbesondere Rapper, ihre Texte reimen und vortragen“. (DUDEN 2019b)
8 „Soziolekt (auch: Gruppensprache): Gesamtheit der spracht. Besonderheiten einer sozialen Gruppe. Damit nichtjede Varietät (...) gilt, muss die Gruppe anders konstituiert sein als allein spracht, z.B. durch ein gemeinsames Hobby (...). Von S. wird auch in Bezug auf bloße soziale Gruppierungen (Merkmalgruppen) gesprochen, nicht nur in Bezug auf aktuelle Gruppen(...).“ (Metzler 2010: 628)
9 Der Begriff stammt aus der Soziologie und wird unter anderem von Norbert Elias und Pierre Bourdieu benutzt. Definition ,Habitualisierung‘: „In der Sprachkontaktforschung mitunter Bez. für die Integration von Lehngut, v. a. in sozialer Hinsicht.“ (ebd.: 257)
10 Definition ,Diastratisch‘: „Bezeichnung für soziokulturell/schichtenspezifisch differenzierte Subsysteme ( A Soziolekt) innerhalb eines Sprachsystems.“ (Bußmann 2002: 166)
11 Als Definition für Szene soll fortlaufend der Erklärungsversuch des Soziologen Ronald Hitzier gelten, wonach (JugendSzenen als thematisch-fokussierte bzw. kulturelle Netzwerke von Personen anzusehen sind, welche unter anderem materiale und/oder mentale Formen der Selbststilisierung teilen, (vgl. Dietrich 2016: 11)
12 „How the appropriation of these forms, styles, and histories of struggle was possible at such great physical and social distance is in itself an interesting question for cultural historians. It was facilitated by a common fund of urban experiences, by the effect of similar but by no means identical forms of racial segregation, as well as by the memory of slavery, (...), and a stock of religious experiences defined by them both. (...) The inescapably political language of citizenshio, racialjustice and equality was one of several discourses which contributed to this transfer of cultural and political forms and structures of feeling“. (Gilroy 1993: 83)
13 Der australischen Rapperin Iggy Azalea wurde beispielsweise bereits mehrfach vorgeworfen, sie hätte ihren Akzent im Laufe ihres ansteigenden kommerziellen Erfolges mehr und mehr dem amerikanischen Englisch angepasst, (vgl. Jarvis 20141
14 vgl. hierzuu. a. Anhang 1: Songtextzu Crackignaz - König derAlpen 120151.
15 vgl. http://www.iugendszenen.com/7page id=49 (Impressum).
16 Nicht ausschließlichjedoch sehr häufig erfolgt der Austausch über die Hip-Hop-Sprache in sozialen Medien, (vgl. Bortot & Wehn 2019: 398 f.)
17 „An outline of these functions demands a concise survey of the constitutive factors in any speech event, in any act of verbal communication.“ (Jakobson I960: 3)
18 Historisch korrekt ist die heutige Semantik des Wortes eher die sechste Jugendsprache. Edgar Lapp erstellte bereits 1989 eine Chronologie der Jugendspracheforschung: 1. Vorläufer (Historische Studenten- und Schülersprache), 2. Fünfziger Jahre (,Halbstarken-Chinesisch‘), 3. Sechziger Jahre (,Teenagerdeutsch‘), 4. Siebziger Jahre (,APO-Sprache‘ oder ,Szene-Sprache‘), 5. Achtziger Jahre (,Die große Vielfalt'). Für die neunziger Jahre wird vom ,Mythos der Jugendsprache' und Jugendlichen Sprachregistemund Sprachstilen' gesprochen, (vgl. Schlobinski & Heins 1998: 9 f.)
19 Definition ,Konvergenz‘: „Tendenz zur gegenseitigen Annäherung zweier Elemente, deren Resultat in ihrer Verschmelzung bestehen kann. (...) z.B. als Annäherung benachbarter Phoneme oder Morpheme aneinander und ihr schließliches Zusammenfallen in einer Einheit.“ (Metzler 2010: 365)
20 Definition ,Divergenz‘: „Tendenz zur Auseinanderentwicklung von Varianten eines Elements, deren Resultat in der Etablierung zweier distinkter Elemente derselben Ordnung bestehen kann. [Divergenz] kann auf verschiedenen Ebenen des Sprachsystems auftreten, z.B. als Auseinanderentwicklung von Allophonen (A Phonemspaltung) oder Allomorphen und ihre letztliche Autonomie, oder im Bereich von Wortbildung und Phraseologisierung (...).“ (ebd.: 160)
21 Überregionale bzw. räumliche Varietäten werden in der Linguistik als Regiolekte bezeichnet. Übergeordnet handelt es sich um eine diatopische Varietät, abhängig von der lokalen Identität der Sprecher/-innen. (vgl. Baier 2009)
22 Alltagssprache, also der „alltägliche Bereich der Standardsprache“, deren Funktion „die Sicherheit sozialer Beziehungen“ ist, kann nur ungenau von der Umgangssprache als solcher abgegrenzt werden (vgl. Metzler 2010: 30).
23 An dieser Stelle muss die gruppenspezifische Umgangssprache unbedingt ausgeklammert werden! Gemeint sind hier explizit nicht diastratische Umgangssprachen.
24 Dr. Kunkel-Razum, Leiterin der Dudenredaktion, umschreibt diesen Vorgang wie folgt: „In den Rechtschreibduden werden Wörter aufgenommen, wenn sie gebräuchlich sind. Das heißt: Sie müssen in unserer elektronischen Textsammlung, (...), häufig Vorkommen. Sie müssen (... )in unterschiedlichen Quellen wie Zeitungen, Büchern etc. nachweisbar sein und über einen gewissen Zeitraum auftreten (...) Wenn diese Kriterien erfüllt sind, entscheidet die Dudenredaktion (...) über die Aufnahme ins Wörterbuch.“ (DUDEN 2017)
25 „Homie, der; Wortart: Substantiv, maskulin; Gebrauch: Rapperjargon; (...); Bedeutung: Freund(...) Dieses Wort stand 2009 erstmals im Rechtschreibduden.“ (DUDEN 2019c)
26 Ebenso sollte zumindest skizziert werden, welche Semantik hinter dieser Tätigkeitsbezeichnung steckt: „Die Bezeichnung und (...) Interaktionspraktiken gehen zurück auf die amerikanische Hip-Hop-Szene, die ihrerseits in der Kultur der Black Americans verankert ist, und gelangten im Kontext derjugendkulturellen Aneignung des HipHop nach Deutschland. (...) Andere Szenemitglieder zu ,dissen' bedeutet ihnen ihre (...) Authentizität - ihre credibility - abzusprechen. Im ,Dissen' wird dabei versucht zu zeigen, dass man schlagfertiger, origineller und kreativer texten kann als der Konkurrent. ,Dissen' bemisst sich also eher an performativen als an inhaltlich-argumentativen Kriterien. (...)“ (Deppermann & Schmidt 2001: 81 f.)
27 Definition Polysemie: „Typ lexikalischer Ambiguität, bei der ein Ausdruck mehrere Bedeutungen aufweist, denen ein gemeinsamer Bedeutungskem zugrunde liegt (...)“. (Bußmann 2002: 524)
28 Die Minidisk ist ein tragbares Speichermedium zur digitalen Aufnahme und Wiedergabe von Musik, sie wird seit Beginn der 1990er Jahre verkauft und war vor allem in dieser Zeit im Hip-Hop sehr beliebt.
29 vgl. PONS Türkisch-Deutsch: Hayvan. (Stand: 28.10.19, 13:45 Uhr)
30 vgl. beispielsweise Capital Bra - „Zu viel, zu wenig“ oder Mosh36 feat. PA Sports - „Moonrocks“.
31 J. W. Goethe (1808): „Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann./ Der über die Natur und ihre heilgen Kreise,/ In Redlichkeitjedoch auf seine Weise,/ Mit grillenhafter Mühe sann.“ vs. Bushido (2013): „Für Jaysus und Crime Payz, deine Jungs im Süden / Menschen, die dir einfach nicht genügten / Für meine Tochter, der ich später mal erzählen kann / Ihr Vater war ein Ehrenmann.“
32 Siehe: https://ubdata.univie.ac.at/AC06945975 (Stand: 28.10.19, 20:20 Uhr)
- Arbeit zitieren
- Maximilian Baran (Autor:in), 2019, Einfluss szenespezifischer Hip-Hop-Sprache auf die deutsche Umgangssprache. Warum das Wort 'dissen' heute im Duden steht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/988021