Die Zulässigkeit der Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung. Diskussion am Beispiel der Pandemieforschung


Hausarbeit, 2020

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


GLIEDERUNG

1 Einleitung

2 Überblick über die sozialdatenschutzrechtlichen Normen
2.1 Regelungen im Unionsrecht
2.2 Regelungen im Bundesrecht
2.3 Regelungen zur Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung ..

3 Erörterung eines fiktiven Forschungsprojektes
3.1 Schilderung des Sachverhaltes
3.2 Die Zu- bzw. Unzulässigkeit des Forschungsvorhabens

4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Überblick über die Arten von Sozialdaten. Quelle: Marburger: SGB X - Verwaltungsverfahren und Datenschutz, S. 29

Abbildung 2: Die Möglichkeiten der Datenverarbeitung. Quelle: Marburger: SGB X - Verwaltungsverfahren und Datenschutz, S. 30

Abbildung 3: Der Ablauf des Genehmigungsverfahrens. Quelle: Eigene Abbildung

1 Einleitung

Das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung1 im Mai 2018 führte zu einer kontroversen Diskussion in der deutschen Bevölkerung. Besonders macht die DS-GVO ihre Mischung aus dem Öffentlichen und dem Privatrecht.2 Hieraus resultiert eine hohe Bedeutung für die öffentliche Verwaltung, für juristische Personen des Privatrechts sowie für die Bür- ger3 der EU-Mitgliedsstaaten. Dabei ist „Datenschutzrecht [...] Grundrechtschutz, da es die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit sicherstellen will“4. Folglich hat hier insbesondere der Staat die Bürger zu schützen.

Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ergriffen die einzelnen Landesregierungen Maßnahmen, die unter Wissenschaftlern einen verfassungsrechtlichen Diskurs auslösten. In der Bundespolitik ist in diesem Zusammenhang die Einführung einer sogenannten „Corona- Warn-App“ im Gespräch. So berichtete das Handelsblatt am 10. April 2020, dass Abgeordnete der Unionsfraktion die Pflicht zur Nutzung einer solchen Applikation fordern. Mit einem solchen Programm ließen sich über das Smartphone Personen nachverfolgen, die Kontakt zu einem mit dem Corona-Virus infizierten Menschen hatten. Durch Kritiker seien datenschutzrechtliche Bedenken gegen einen solchen Zwang geäußert worden, da die zwanghafte Speicherung solcher Bewegungsprofile in die Persönlichkeitsrechte der Bürger eingreife.5

Ein ähnlicher datenschutzrechtlicher Konflikt wäre auch im Sozial(versicherungs)recht möglich. Da die Leistungsträger im Sozialrecht hochsensible Daten - die sogenannten Sozialdaten - speichern, sind diese Informationen besonders schutzwürdig. Dieser Schutz wird Sozialgeheimnis genannt. Demnach hat jeder Bürger einen Anspruch darauf, dass die Verwaltung die gespeicherten Daten nicht missbraucht und sie nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung erhebt, verarbeitet, nutzt oder übermittelt.6 In diesem Zusammenhang kann beispielsweise die Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung - auch an eine nicht-öffentliche Stelle - zulässig sein. Im Rahmen der Corona-Pandemie wäre es denkbar, dass ein Institut die Übermittlung der Sozialdaten beantragt, um anhand derer Forschungen zur Auswirkung des Virus zu betreiben.

Die Hausarbeit verfolgt das Ziel, anhand eines fiktiven Forschungsprojektes zu einer Pandemie die Zu- bzw. Unzulässigkeit der Sozialdatenübermittlung sowie die Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung in diesem Rahmen zu erörtern. Hierbei liegt der Schwerpunkt weniger auf den Normen des Unionsrechtes sowie des Bundesdatenschutzgesetzes. Vielmehr sollen die Besonderheiten des Sozialdatenschutzes im Spannungsfeld zwischen den schutzwürdigen Interessen einzelner Personen und dem öffentlichen Interesse beleuchtet werden.

2 Überblick über die sozialdatenschutzrechtlichen Normen

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die sozialdatenschutzrechtlichen Normen vom Unionsrecht über das Bundesdatenschutzgesetz7 bis hin zu den speziellen Regelungen in den Sozialgesetzbüchern. Dabei soll auch die Frage beantwortet werden, in welchem Verhältnis die einzelnen Normen zu einander stehen. Das letzte Unterkapitel wird die Besonderheiten des § 75 SGB X8 erläutern. Hierbei handelt es sich um die Norm für die Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung.

2.1 Regelungen im Unionsrecht

Die Europäische Union regelt das Datenschutzrecht durch die DS-GVO. Dabei ist sie als Verordnung allgemeingültig und gilt direkt nach Erlass verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der Union.9 Dies lässt die Frage zu, wie sich die Verordnung auf die Normen des nationalen Datenschutzes und hier insbesondere auf den Sozialdatenschutz auswirkt. Die Union hat keinerlei Möglichkeit, „deutsche Gesetze zu verändern oder außer Kraft zu setzen“10. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes bedeutet dies einen Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor dem deutschen Recht. In einem Konfliktfall wird das deutsche Recht demnach nicht nichtig, sondern lediglich nicht angewandt.11 Sofern deutsches Datenschutzrecht in keinem Konflikt zum EU-Recht steht, kann dieses ergänzend angewandt werden.12

Für den Sozialdatenschutz sind insbesondere Art. 6 und 9 DS-GVO relevant. Die Übermittlung von Daten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken ist darüber hinaus in Art. 89 DS-GVO normiert. In der DS-GVO sind jedoch keine expliziten sozialdatenschutzrechtlichen Bestimmungen zu finden. Sie nimmt hierauf lediglich an einigen Stellen Bezug.13 So bestimmt Art. 9 Abs. 1 DS-GVO, dass die Verarbeitung einiger personenbezogener Daten nicht zulässig ist. Hierzu zählen unter anderem Daten zur Gesundheit oder zur ethnologischen Herkunft einer Person. Die Verarbeitung ist gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO gleichwohl zulässig, wenn dies für die Erfüllung der aus dem Sozialrecht erwachsenden Rechte der Bürger erforderlich ist. Art. 9 Abs. 4 der DS-GVO enthält zudem eine Öffnungsklausel. Hiernach können die Mitgliedsstaaten zusätzliche Bedingungen einführen, sofern Gesundheitsdaten betroffen sind. Eine weitere Öffnungsklausel enthält Art. 89 Abs. 2 DS-GVO. Demnach können Mitgliedsstaaten bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken die Auskunfts- und Widerspruchsrechte der Bürger einschränken.14 Art. 6 Abs. 2 DS-GVO bestimmt darüber hinaus, dass die Mitgliedstaaten spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Regelungen in Kapitel IX der DS-GVO erlassen können, wenn dies dem öffentlichen Interesse dient. Zu diesem Kapitel zählt unter anderem auch Art. 89 DS-GVO.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union trotz unmittelbarer Wirkung der DS-GVO bei der Umsetzung im nationalen Recht einen recht weit gefassten Spielraum haben - insbesondere im Bereich der Forschung. Die Regelungen im BDSG und den Sozialgesetzbüchern sind daher neben der DS-GVO anwendbar, sofern sie nicht gegen diese verstoßen.

2.2 Regelungen im Bundesrecht

Das Besondere am Sozialdatenschutz ist die Tatsache, dass die öffentliche Verwaltung im Rahmen des Sozialrechts hilfebedürftigen Menschen beisteht.15 Um diesem Merkmal Rechnung zu tragen, regelt der Gesetzgeber in § 35 Abs. 2 SGB I16, dass die Vorschriften im Zweiten Kapitel des SGB X und die Spezialvorschriften in anderen Sozialgesetzbüchern die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend regeln. Dies wird dadurch unterstützt, dass nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BDSG andere Datenschutzgesetze des Bundes dem BDSG vorgehen. Daher kann im Bereich des Sozialdatenschutzes das BDSG lediglich angewandt werden, wenn die Regelungen im SGB X ausdrücklich auf die Regelungen des BDSG verweisen.17 Beim Sozialdatenschutzrecht handelt es sich demnach um lex specialis.

Eine Legaldefinition des Begriffes „Sozialgeheimnis“ enthält § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Hiernach hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden. § 35 Abs. 4 SGB I konkretisiert, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Sozialdaten gleichstehen. Die Befugnis zur Verarbeitung ergibt sich aus den Regelungen im Zweiten Kapitel des SGB X. Als Eingangsvorschrift des Zweiten Kapitels enthält § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB X eine Legaldefinition von Sozialdaten. Hierbei verweist die Vorschrift auf Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Sozialdaten sind demnach personenbezogene Daten, die von einem Leistungsträger im Hinblick auf seine Aufgaben nach dem SGB X verarbeitet werden.

Bei personenbezogenen Daten handelt es sich um alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 SGB X sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben. Sozialdaten können demnach sehr vielseitig sein und eine abschließende Aufführung ist kaum möglich. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die wichtigsten Sozialdaten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Überblick über die Arten von Sozialdaten. Quelle: Marburger: SGB X - Verwaltungsverfahren und Datenschutz, S. 29.

§ 67a SGB X regelt, dass Sozialdaten grundsätzlich bei den Betroffenen zu erheben sind. Eine Ausnahme hiervon ist nur zulässig, wenn eine Norm dies regelt. Die Erhebung der Sozialdaten muss nach dieser Vorschrift erforderlich sein. Andernfalls ist sie nicht zuläs- sig.18 Weitergehend regelt § 67b SGB X die Voraussetzungen der Datennutzung. Demnach dürfen Leistungsträger Daten speichern, verändern, nutzen, übermitteln, die Verarbeitung einschränken und löschen, wenn dies gesetzlich normiert ist oder mit Einwilligung des Versicherten geschieht.19 Dies veranschaulicht die folgende Abbildung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die Möglichkeiten der Datenverarbeitung. Quelle: Marburger: SGB X - Verwaltungsverfahren und Datenschutz, S. 30.

§ 67c SGB X erlaubt den Leistungsträgern die Nutzung der Sozialdaten für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben. Diese können sehr vielfältig sein. So kann die gesetzliche Rentenversicherung beispielsweise Daten eines pflegebedürftigen Menschen benötigen, um die Versicherungspflicht der Pflegeperson zu prüfen.20 Dabei sind die erhobenen Daten zweckgebunden. Zulässig wäre eine Zweckänderung nach § 67c Abs. 2 Nr. 2 SGB X gleichwohl, wenn die Daten zur Durchführung eines bestimmten Vorhabens der wissenschaftlichen Forschung oder Planung im Sozialleistungsbereich erforderlich wären. § 67d SGB X normiert die Übermittlungsgrundsätze für Sozialdaten. Dabei trägt die übermittelnde Stelle die Verantwortung für die Zulässigkeit.21 Problematisch kann die Übermittlung sogenannter Verbunddaten sein, wenn personenbezogene Daten unbeteiligter Dritter mitübermittelt werden müssen. Eine Übermittlung dieser Daten ist nur zulässig, „[...] wenn schutzwürdige Interessen [...] eines Dritten nicht überwiegen“22. Die §§ 67e bis 77 SGB X regeln abschließend die Fallgestaltungen, in denen eine Übermittlung auch ohne Einwilligung des Bürgers zulässig ist.23 Hierzu zählt auch die Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung.

[...]


1 Verordnung (EU) 2016/679 (DS-GVO) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. Nr. L 119 S. 1).

2 vgl. Reimer, DÖV 2018, 881, 881.

3 Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Hausarbeit die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

4 Egberts/Monschke, JURA 2018, 1100, 1101.

5 vgl. Klöckner/Koch/Neuerer, Handelsblatt 2020, www.handelsblatt.com/politik/deutschland/eindaemmung- der-pandemie-koalition-streitet-ueber-pflicht-zur-corona-app-nutzung/25731978.html?ticket=ST-252858- sRb5D6vpobHa3x26cVhW-ap6 (Abrufdatum: 24. April 2020).

6 vgl. Marburger, SGB X - Verwaltungsverfahren und Datenschutz, S. 28.

7 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom 30. Mai 2017 (BGBl. I S. 2097), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist.

8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. März 2020 (BGBl. I S. 437) geändert worden ist.

9 vgl. Hölscheidt/Menzenbach, JURA 2008, 574, 577.

10 Roßnagel, in: Roßnagel, Kap. § 2, Rn. 4.

11 BVerfG 75, 223 (244); BVerfG 85, 191 (204); BVerfG 92, 203 (227).

12 vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 395.

13 vgl. Hoidn, in: Roßnagel, Kap. § 4, Rn. 333.

14 vgl. Johannes, in: Roßnagel, Kap. § 4, Rn. 153.

15 vgl. Tinnefeld/Buchner/Petri, Einführung in das Datenschutzrecht: Datenschutz und Informationsfreiheit in europäischer Sicht, S. 305.

16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015), das zuletzt durch Artikel 119 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist.

17 vgl. Schlegel/Voelzke-Paulus, § 35 SGB I, Rn. 33.

18 vgl. Schlegel/Voelzke-Fromm, § 67 SGB X, Rn. 31.

19 vgl. Schlegel/Voelzke-Fromm, § 67b SGB X, Rn. 15.

20 vgl. Weinacht/Schmidt, Grundriss des Rentenversicherungsrechts, S. 18.

21 vgl. Schlegel/Voelzke-Fromm, § 67d SGB X, Rn. 17.

22 Schlegel/Voelzke-Fromm, § 67d SGB X, Rn. 22.

23 vgl. Grimm, Datenschutz in der Rentenversicherung, S. 51.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Zulässigkeit der Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung. Diskussion am Beispiel der Pandemieforschung
Hochschule
Universität Kassel
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
16
Katalognummer
V988201
ISBN (eBook)
9783346348081
ISBN (Buch)
9783346348098
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verwaltungsrecht, Sozialverwaltungsrecht, Datenschutz, Sozialdatenschutz, Corona, Pandemie, App, Warn-App, Bundesdatenschutzgesetz, Datenschutzgrundverordnung, SGB X, DSGVO, DSG-VO, Lehre, Forschungsvorhaben
Arbeit zitieren
Simon Winzer (Autor:in), 2020, Die Zulässigkeit der Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung. Diskussion am Beispiel der Pandemieforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/988201

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Zulässigkeit der Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung. Diskussion am Beispiel der Pandemieforschung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden