Platon: Timaios


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

26 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Platon – Timaios

1. Einleitung

2. Der Aufbau des Dialogs

3. Der Inhalt des Timaios

4. Der literarische Status des Timaios

5. Timaios, Mythos oder Logos?

6. Kosmos, entstanden oder unentstanden?

7. Die erste und die zweite Ursachengattung

8. Die Figur des Demiurgen in anderen Werken Platons

9. Der Charakter des Demiurgen und sein Stellenwert in Platons Timaios

10. Das materielle kosmologische Prinzip, die ανάγχη (=Notwendigkeit)

11. Die dritte Gattung
11.1. Das aufnehmende Prinzip
11.2. Das raumgebende Prinzip

12. Was schafft und ordnet der Demiurg?

13. Die Entstehung der Welt

14. Die Weltseele

15. Die Zeit

16. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Das Werk Timaios[1], zählt allgemein zu den Spätdialogen Platons und legt eine Darstellung seiner Kosmologie dar.

Der Anspruch des Werkes ist die Vergegenwärtigung des Grundes und Aufbaus des Wirklichkeits- und Weltganzen ohne die Darstellung des Welt-Tatsächlichen zu vernachlässigen.

Der Timaios beschreibt das All, den Ursprung des Menschen und der Gesellschaft. Die Betrachtung des Weltalls soll dem Menschen zu einem guten Leben verhelfen, wie in körperlicher als auch in seelischer Hinsicht. Er geht auf den Aufbau der Elemente, auf Atome und ihre Dynamik, auf verschiedene Seelenarten, auf die menschliche Leibeskunde, auf Krankheiten, deren Heilung und auf Entwicklungslehre im Allgemeinen ein.

Der Timaios stellt eine Synthese fast aller bedeutenden Ansätze vorangegangener Werke anderer Philosophen dar:

Platon vereinigt die Elementenlehre des Empedokles mit der Geist-Philosophie des Anaxagoras und der Hypothese von den „letzten Teilchen“, den Atomen, des Demokrit oder Leukipp. Diese Denkansätze verwandelt Platon und ordnet sie in seine Ideenlehre ein, wodurch ein neues kosmologisches Modell, der Timaios, entsteht.

Integrierende Bestandteile der platonischen Kosmologie sind im Allgemeinen:

Die Theorie der Zeit und des Raumes, die Bewegungstheorie und die damit eng verbundenen Theorie von der Seele sowie die Ursachentheorie als methodische Einheit stiftenden Denkansatz.

Nicht ganz geklärt werden kann die Frage, ob Platon den Timaios für sich fertiggestellt hat und dann erst den Großdialogen hinzu gefügt hat oder umgekehrt. Nach Meinung Wichmanns[2] ist ersteres wahrscheinlicher.

In dieser Arbeit sollen grundlegende Prinzipien des Timaios heraus gearbeitet werden und in besonderer Weise auf den Schöpfungsakt des Demiurgen beleuchtet werden.

2. Der Aufbau des Dialogs

Der Timaios kann als ein dreiteiliges Werk aufgefasst werden.

Der erste Teil beschreibt den ersten Logos, die Vernunft als wirkendes Prinzip (27c- 47e). Es herrschen Themen vor, die sich auf die Vernunft beziehen, z.B. die Gründe für die Schönheit und Einheit des Kosmos, die Entstehung und Struktur der Seele und ihre verschiedenen harmonischen Bewegungen, die Zeit, die Planeten und die Sterne, die Tiere und der Mensch. Im zweiten Teil (47e- 68d) ist die Rede von der blinden Notwendigkeit[3] als wirkendes Prinzip, in dem über den Ursprung der vier Elemente, ihre jeweils verschiedene Gestalt und ihre Merkmale erklärt und im dritten Teil werden Vernunft und Notwendigkeit zusammengeführt werden (69a- 92c). Es werden Fragen anatomischer, physiologischer und medizinischer Natur erörtert und mit der Darstellung der rationalen Seele, die vom Demiurgen in jeden Menschen gelegt ist, abgeschlossen.

Der Timaios ist ein Dialog zwischen vier Personen: Sokrates, Timaios[4], Kritias und Hermokrates. Sokrates hält sich im gesamten Diskurs sehr zurück, während Timaios fast monologisch fortfährt.

Auffällig an diesem Dialog ist, dass Sokrates in den Dialog der Lehre von der Entstehung der Welt nicht aktiv involviert ist. Sokrates ist nur Zuhörer[5]. Wie im Timaios deutlich wird, fühlt Platon sich von der pythagoreischen Auffassung angezogen, weshalb er womöglich den sternkundigen Pythagoreer Timaios vortragen lässt. Platon beschreibt Timaios als einen reichen, erfolgreichen Mann, der Ansehen und Ehre genießt (20a).

3. Der Inhalt des Timaios

Der Dialog beginnt mit einem Proömium, was womöglich zur Verdeutlichung Platons Systematik dienen soll und einige Axiome metaphysischer und gnoseologischer Natur hervorhebt, die für den gesamten Dialog wichtig und von großer Bedeutung sind.

Im Proömium wird teilweise die Staatslehre repetiert. Sokrates erinnert hier beispielsweise an die Ständeordnung (17c) oder an die Heranbildung der Wächter (18b). Er erwähnt unter anderem den Atlantis-Mythos und das Urathen. Es ist Kritias, der über das Urathen berichten soll. Erst in 27a wird Timaios, der „Sternkundigste“ aufgefordert, mit der Schilderung der Entstehung der Weltordnung zu beginnen und mit der Erschaffung der Gattung Mensch zu enden.

Platon hebt vier Axiome hervor, wozu sich die ersten beiden auf den strukturellen Unterschied zwischen Sein und Werden beziehen.

Das erste Axiom, das Sein, ist intelligibles Sein und ewig. Es unterliegt nicht dem Entstehen und Werden, sondern immer den selben Bedingungen.

Das zweite Axiom, das Werden, ist niemals wahres Sein, so wie das erste, sondern entsteht kontinuierlich und ist ständiger Veränderung unterworfen. Somit ist es Gegenstand der Meinung, was bedeutet, dass es von den Sinnen erfasst werden kann.

Das dritte und vierte Axiom betreffen im Gegensatz zu den beiden ersten die Ursache, die das zweite Axiom –die demiurgische Vernunft- fordert und das, worauf sich die Vernunft strukturell bezieht.

Das dritte Axiom besagt, dass alles, was dem Prozess des Entstehens unterliegt, einer Ursache bedarf, die es entstehen lassen kann. Diese Ursache ist der Demiurg, ein Werkmeister, somit eine Wirkursache.

Das vierte Axiom besagt, dass der Demiurg oder Werkmeister immer etwas erzeugt, indem er zuvor etwas zum Modell genommen hat. Wenn er sich das ewige Sein zum Modell nimmt, wird das Erzeugte schön, wenn er sich hingegen etwas Entstandenes zum Modell nimmt, wird es nicht schön. Das Resultat, ob etwas schön wird und ob es beständig oder vergänglich ist, hängt also maßgeblich mit der vorausgehenden Schau des Demiurgen ab.

Bevor Timaios mit der Rede beginnt, ruft er Gottheiten an, um um ihren Beistand zu bitten (27c).

Zu Beginn resümiert er den Atlantis-Mythos, der den Ursprung der Gesellschaft verdeutlicht. Der Exkurs in den Atlantis-Mythos könnte folgendermaßen erklärt werden: Bei Platon ist die Beschreibung des Ursprung des Alls nicht von der Beschreibung des Ursprungs des Menschen und der Gesellschaft zu trennen.

Die Erzählung leitet mit der Unterscheidung des immer Seienden - die ungewordenen Ideen- und dem immer Werdenden - die sichtbare, erfahrbare Welt-, die eine Ursache haben muss, ein. Die sichtbare Welt ist gestellt in Raum und Zeit und nur ein Abbild der Idee. Nach Platon habe die sichtbare Welt teil an der Idee (metexis) und nur dadurch friste sie so etwas wie ein scheinbares Dasein.

Als Ursache alles Gewordenen führt Platon den Mythos[6] des Demiurgen als vollkommensten Werkmeister[7] ein, der die Welt mit Blick auf das Ungewordene (28a f.), das unvergängliche Vorbild der sichtbaren Welt, ordnet. Da der Demiurg während des gesamten Schöpfungsvorgangs auf das beste Vorbild schaut, folgert Platon daraus, dass die geschaffene Welt die bestgelungenste und die schönste soweit als möglich von allen sein muss (29a). Daher muss der Demiurg auch die edelste der Ursachen sein.

Da der Demiurg ein guter Gott ist, ist er ein Vernunftwesen[8]. Aus diesem Grunde wollte[9] er, dass alles gut und nach Möglichkeit nichts schlecht ist (30a).

Die sichtbare Welt befand sich im Chaos, in ungeordneter Bewegung.

Dem Demiurg erschien die Ordnung besser als das Chaos und deshalb ordnete er die ruhelose, unordentliche sichtbare Welt (30a)[10]. So brachte der Demiurg alles unregelmäßig sich Bewegende in geordnete Bewegung. Diese Ungeordnetheit brachte der Demiurg mit Hilfe der Vernunft in Ordnung.

Die Seele ist die Voraussetzung der Vernunft, daher fügt er der Sinnenwelt eine vernunftbegabte Seele ein, da Vernunft ohne Seele nicht sein kann (30b). Der Demiurg ist ein guter Gott und somit auch neidlos (29e)[11]. Ihm soll alles möglichst ähnlich werden (30c), wobei die Ähnlichkeit nicht bis aufs Genaueste erreicht werden kann, weil in der sichtbaren Welt, als Abbildwelt, immer ein Defizit bleibt.

4. Der literarische Status des Timaios

Der literarische Status des Timaios ist nicht auf den ersten Blick festzumachen: Ist der Dialog eine Kosmologie (die Ordnung des Alls als Konzept) oder eine Kosmogonie (die Entstehung der Welt im ganzen) oder sogar beides?

Denn Platon nimmt am Anfang seiner Kosmologie eine Einteilung (ontologische Zweiteilung alles Erfahrbaren) in Ideensphäre und Abbilder, in Seiendes und Werdendes vor. Weiter trifft er Unterscheidungen zwischen unumstößlichen Reden (Logoi) und bildhaften, d.h. nicht völlig stimmigen, Erzählungen und Reden.

Der Timaios kann sowohl als Kosmogonie als auch als Kosmogonie aufgefasst werden[12]: Einerseits ordnet der Demiurg das All und andererseits lässt er die Welt als Ganzes entstehen.

[...]


[1] Dieser Arbeit liegt die Meinerausgabe zu Grunde.

[2] Wichmann, Ottmar: Platon. Ideelle Gesamtdarstellung und Studienwerk; Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt, 1966.

[3] Was es mit der blinden Notwendigkeit auf sich hat, wird im Laufe dieser Arbeit noch erläutert werden.

[4] Die Person „Timaios“ wird zur Unterscheidung von dem Werk „Timaios“ kursiv geschrieben.

[5] Erklären könnte man diese Besonderheit durch die Tatsache, dass Sokrates sich frühzeitig von der Naturphilosophie abgewandt hat und es sich im Timaios eher um Gedanken handelt, die nicht in der sokratischen Tradition verankert sind.

[6] Zur genaueren Erläuterung von „Mythos“ sei hier auf das Kapitel 5 „Timaios, Mythos oder Logos?“ verwiesen.

[7] In der Meinerausgabe des Timaios wird „Demiurg“ übersetzt mit „Weltbildner“. Dieser Ausdruck ist nicht ganz korrekt, da „Demiurg“ im klassischen Griechisch die Bezeichnung für „Handwerker“ ist (aus Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, 1972). Im Folgenden wird „Demiurg“ mit „Werkmeister“ oder „Handwerker“ übersetzt.

[8] Bei Platon geht „gut“ mit Vernunft einher: „Die Vernunft wirkt und agiert in Abhängigkeit vom Guten,...“ (aus Reale, Giovanni: Zu einer neuen Interpretation Platons, Paderborn u.a.: Schöningh, 1993, S. 378).

[9] Zu der Auffassung Platons eines Schöpfergottes wird an dieser Stelle die voluntaristische Absicht deutlich: denn der Demiurg wollte, dass alles gut sei (30a).

[10] Auf den ersten Blick ist vielleicht nicht ganz selbstverständlich, dass Ordnung besser ist als Unordnung. Aber, wenn man in Betracht zieht, dass es dem Menschen auch gar nicht anders möglich ist, als in gewissen Ordnungen zu denken, ist der Gedanke verständlicher. Reine Unordnung kann man als Mensch gar nicht denken, weil der Mensch nur in Strukturen denken kann. Strukturierte Unordnung ist bereits geordnet.

[11] Diese Stelle ist eine Kritik an den griechischen Göttermythen, denn die griechischen Götter der Tragödie sind neidisch. Daher ist anzunehmen, dass Platon eine Gottesvorstellung, die aus der Tragödie stammt, abweist. Der Demiurg kann daher also kein Gott der Tragödie sein. Er ist die gute Quelle, die aus sich strömt.

[12] Der Einfachheit halber wird im Folgenden von Kosmologie gesprochen.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Platon: Timaios
Hochschule
Universität Münster  (Philosophisches Seminar)
Veranstaltung
Platons Timaios
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
26
Katalognummer
V9883
ISBN (eBook)
9783638164771
Dateigröße
591 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Platon, Timaios, Platons, Timaios
Arbeit zitieren
Esther Duecker (Autor:in), 2002, Platon: Timaios, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9883

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