Stundenskizze - Die soziale Problematik der industriellen Revolution


Unterrichtsentwurf, 2000

8 Seiten

Anonym


Leseprobe


I. Bedingungsanalyse/Darstellung der Unterrichtssituation

Einen ersten Eindruck von der 9b des X.-Gymnasiums konnte ich (vor meiner eigenen Unterrichtsstunde am 05.06.2000) durch eine vierstündige Hospitation bekommen. Bevor ich meine eigene Unterrichtsstunde hielt, nahm ich an zwei Unterrichtsstunden des Fachlehrers Herr X. teil, sowie jeweils an einer Stunde bei zweien meiner Studienkollegen.

Die Klasse besteht, wie es meistens der Fall ist, aus Mädchen und Jungen. Die Schüler/innen scheinen alle aus Mittelstandsfamilien zu kommen. Die Klassengemeinschaft kann als homogen beschaut werden. Eine Beeinflussung der Klasse durch Einzelne (z. B. durch Einschüchterung oder Vorbildfunktion Einzelner) konnte ich nicht feststellen.

Zu den Räumlichkeiten ist zu sagen, daß der Klassenraum viel zu klein ist für die Anzahl der Schüler. Aufgrund des Platzmangels sind die Tische (in Reihen) hintereinander angeordnet. Diese Tischanordnung steht jedoch einer guten Unterrichtsführung im Wege, da der Lehrer durch diese Anordnung keine gute Sicht auf die einzelnen Schüler hat. Als Folge dieser unübersichtlichen Anordnung konnte ich beobachten, daß die Schüler, die weiter hinten im Klassenraum saßen, viel unruhiger als die übrigen waren. Sie nutzten einfach die Gelegenheit aus, daß der Lehrer sie nicht so gut im Blickfeld hatte. Ihre Unruhe hat aber sicherlich auch damit zu tun, daß die Schüler in den hinteren Reihen dem Unterricht weniger gut folgen konnten. Folien, die vom Lehrer eingesetzt wurden, konnten in den hinteren Reihen nur schwerlich erkannt werden. Dadurch langweilten sich die Schüler natürlich, und beschäftigen sich mit anderen Dingen. Besser wäre es gewesen, wenn man die Tische in Hufeisenform hätte anordnen können. Diese Art der Tischanordnung hat zum Vorteil, daß die Diskussionsbereitschaft der Schüler untereinander gefördert werden kann. Ferner hat der Lehrer durch diese Tischanordnung auch einen besseren Überblick auf die einzelnen Schüler. Auch ein Zusammenstellen der Tische zu Tischgruppen (für Gruppenarbeit) ist aufgrund des Platzmangels nicht möglich.

Zur Atmosphäre im Klassenraum ist zu sagen, daß sie nicht sehr angenehm ist. Der Klassenraum ist einfach zu klein. Auch die wenigen Bilder, die an den Wänden hängen, können nicht wirklich zu einer angenehmeren Atmosphäre beitragen. Die Enge im Klassenraum führt des weiteren dazu, daß die Schüler in den kleinen Pausen auf den Flur ausweichen, um sich dort ein bißchen bewegen zu können. Dies ist jedoch keine angemessene Alternative für einen ausreichend großen Klassenraum.

Des weiteren ist als nachteilig anzusehen, daß der Tageslichtprojektor direkt am Fenster steht. Durch das Sonnenlicht sind an die Wand projektierte Bilder und Texte nur schwer zu erkennen.

Nach Meinung des Fachlehrers ließe die Disziplin der Schüler zu wünschen übrig. Ich hatte jedoch den Eindruck, daß diese eher dem Durchschnitt von Schülern der entsprechenden Altersgruppe entspricht. Daß die Schüler in seinem Unterricht vielleicht etwas unruhiger waren, lag sicherlich daran, daß seine Unterrichtsstunden sehr eintönig gestaltet waren.

Im Gegensatz zu seinen Unterrichtsstunden nahmen die Schüler an den von uns Studenten gehaltenen Stunden gut teil. Sicherlich hatten wir den Vorteil, daß wir als Gäste für die Schüler eine interessante Abwechslung darstellten. Aber das Interesse der Schüler läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch durch unseren abwechslungsreich gestalteten Unterricht (mit dem Einsatz von z.B. Bildern und Diagrammen, die wir auf Folie abgezogen hatten) erklären. Das Verhältnis der Schüler zu ihrem Geschichtslehrer (der gleichzeitig ihr Klassenlehrer war) scheint kein besonders gutes zu sein. Davon konnte ich mich schon in meiner ersten Hospitationsstunde überzeugen, als ich feststellen mußte, daß der Lehrer am Anfang der Stunde die Schüler kaum zur Ruhe bringen konnte. Ein Lehrer, der bei seinen Schülern beliebt ist, weiß sie mit Sicherheit mehr „in seinen Bann“ zu ziehen.

II. Strukturanalyse des Unterrichts

1. Begründung der Themenwahl Das Thema meiner Unterrichtsstunde (Die soziale Problematik der industriellen Revolution) läßt sich anhand der Richtlinien für das Fach Geschichte der Sekundarstufe I in der 9. Klasse begründen. Es ist Teil einer durch die Richtlinien vorgesehenen Unterrichtssequenz zum Thema Industrialisierung.1 Eingeleitet wurde das Thema „Industrielle Revolution“ durch meine zwei Studienkollegen, die vor mir jeweils eine Stunde halten mußten. Da England im Zeitalter der industriellen Revolution eine Vorreiterrolle spielte, erfuhren die Schüler in der ersten Stunde über die Entwicklungen in England. Sie wurden mit der Tatsache konfrontiert, daß die Industrielle Revolution durch multikausale Bedingungsfaktoren entstand, wobei jedoch die (englische) Erfindung der Dampfmaschine (Spinning-Jenny) für die Industrielle Revolution von besonderer Bedeutung war. In der nächsten Stunde erfuhren die Schüler über die Industrialisierung in Deutschland, wobei der Schwerpunkt auf dem Ausbau der Eisenbahn lag, die ein wichtiger Faktor für die Industrialisierung Deutschlands war (z. B. für die Kohleförderung, der Verbindung von wichtigen Städten miteinander, etc.).

Nachdem die Schüler/innen einen Überblick über die Anfänge der Industriellen Revolution in England und Deutschland bekommen haben, werden sie in meiner Stunde mit den sozialen Folgen der Industriellen Revolution konfrontiert. Damit schließt mein Thema vortrefflich an die vorhergegangenen Unterrichtsstunden an. Den Schüler/innen soll bewußt werden, daß der damalige technische Fortschritt auch eine Schattenseite mit sich brachte: Das durch die Industrialisierung entstandene Proletariat hatte unter unwahrscheinlich schlechten Lebensbedingungen zu leiden.

2. Lehr- und Lernziele

Grobziele

Ein wesentliches Ziel meiner Unterrichtsstunde soll darin liegen, daß die Schüler/innen erkennen, daß der technologische und wirtschaftliche Fortschritt der damaligen Zeit nicht automatisch bedeutete, daß damit auch die Lebensqualität der Bevölkerungsmehrheit sich verbesserte. Statt dessen verschlechterte die sich sogar. Es entstand ein Proletariat, das unter erbärmlichen Lebensumständen zu leben hatte. Die Schüler/innen sollen sich auch über die Gründe bewußt werden, die zu diesen sozialen Problemen führten.

Kognitive Feinziele

Die Schüler/innen sollen:

-eine Vorstellung von den Wohnverhältnissen der Arbeiter im 19. Jahrhundert bekommen.

-sich über die Gründe für die hohen Wohnungsmieten bewußt werden.

-erkennen, daß die hohen Wohnungsmieten die Familien dazu nötigten fremde Menschen in ihren Wohnungen aufzunehmen. Mit deren finanziellen Unterstützung war es möglich das nötige Geld für die Wohnungsmieten aufzubringen.

-erkennen, daß Kinderarbeit ein Normalfall war (Kinderarbeit war aufgrund der zu hohen Wohnungsmieten und den schlecht bezahlten Arbeitsplätzen in der Industrie notwendig, um an das nötige Geld zum Überleben zu kommen).

-eine Vorstellung bekommen, wie der Alltag eines Arbeiterkindes aussah.

-sich bewußt werden, daß die schlechten Arbeitsbedingungen zu Krankheiten führten.

Affektive Feinziele

Die Schüler/innen sollen:

-durch die Fragen über ihren eigenen Lebensstandard für die viel schlechtere Lebenssituation der Arbeiter im 19. Jahrhundert sensibilisiert werden.

-sich bewußt werden, daß die Menschen damals ein sehr hartes Leben hatten (im Gegensatz zu ihrer eigenen Lebenssituation, die vergleichsweise als luxuriös betrachtet werden kann).

-verstehen, daß Fortschritt nicht gleich Verbesserung des Lebensstandards bedeuten muß.

-die damaligen Verhältnisse im Vergleich zu Entwicklungsländern in der heutigen Zeit kritisch bewerten.

III. Methodische Analyse/Geplanter Unterrichtsverlauf

Als Einstieg in die Stunde ist ein gelenktes Unterrichtsgespräch geplant. Durch Befragung der Schüler/innen nach ihrem eigenen Lebensstandard will ich sie für das Thema sensibilisieren. Die Ergebnisse der Befragung werden stichwortartig an der Tafel festgehalten. Diese „kleine Umfrage“ dürfte nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen.

In der ersten Erarbeitungsphase sollen die Schüler/innen mit den damaligen Wohnverhältnissen von Arbeiterfamilien konfrontiert werden. In einem gelenkten Unterrichtsgespräch sollen sie anhand einer Folie über den Grundriß einer Berliner Mietskaserne die damaligen Wohnungsverhältnisse erarbeiten. Dabei hilft ihnen ferner eine Folie, auf der eine durchschnittliche Arbeiterfamilie zu sehen ist. Die Schüler/innen sollen sich darüber Gedanken machen, wie solch eine Arbeiterfamilie (Arbeiterfamilien waren meistens Großfamilien!) in einer der kleinen Berliner Mietswohnungen leben konnte. Orientieren können die Schüler/innen sich dabei an den zuvor gestellten Fragen zu ihrer eigenen Wohnsituation. Ihnen soll dadurch deutlich werden, daß zwischen den heutigen Wohnverhältnissen und den damaligen ein himmelweiter Unterschied besteht. Die Ergebnisse der Schüler werden neben denen zur eigenen Lebenssituation an die Tafel geschrieben.

Nachdem die Schüler einen Einblick in die Wohnverhältnisse von Arbeiterfamilien bekommen haben, sollen sie sich Gedanken machen, weshalb diese Familien in solch beengten Wohnverhältnissen leben mußten. Sie können dabei teilweise auf Wissen zurückgreifen, das sie sich bereits in vorherigen Stunden angeeignet haben (wie z. B. die nach der Bauernbefreiung einsetzende Landflucht, auf die die Städte nicht vorbereitet waren. Dadurch verteuerten sich die Wohnungsmieten).

In der zweiten Erarbeitungsphase sollen die Schüler/innen erfahren, wie Arbeiterfamilien das nötige Geld für die Wohnungsmieten aufbrachten. Den Schüler/innen soll bewußt werden, daß das Geld, was den Arbeiterfamilien zur Verfügung stand, so gering war, daß sie nach allen Mitteln greifen mußten, um die hohen Wohnungsmieten bezahlen zu können. Anhand der ersten beiden Quellen des Arbeitsblattes (über Schlafburschen und Logiermädchen) erfahren sie, daß Arbeiterfamilien fremde Menschen in ihrer eigenen Wohnung aufnahmen. So konnten sie ausreichend Geld für die hohen Wohnungsmieten aufbringen. Die Schüler/innen erfahren darüber hinaus, daß es nicht selbstverständlich war ein eigenes Bett zu besitzen. Statt dessen mußte man es sich oft zu mehreren teilen.

Nachdem sie die Texte gelesen haben und die dazugehörigen Aufgabestellungen bearbeitet haben, sollen die Ergebnisse vortragen werden.

Die beiden letzten Textquellen des Arbeitsblattes sollen die Schüler/innen mit der Problematik der Kinderarbeit vertraut machen. Das durch die Aufnahme von Schlafburschen und Logiermädchen zusätzlich verdiente Geld reichte oftmals nicht aus, um das für den täglichen Bedarf nötige Geld vollends zu decken. Darum mußten auch Kinder arbeiten. Die Texte sollen jeweils durch einen Schüler laut vorgelesen werden, und die Fragestellungen des Arbeitsblattes in einem gelenkten Unterrichtsgespräch bearbeitet werden. Durch die zwei Texte erfahren die Schüler/innen auch, daß Kinder unter sehr unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu arbeiten hatten. Den Schüler/innen soll außerdem bewußt gemacht werden, was solche schlechten Arbeitsbedingungen verursachen konnten. Die viel zu langen Arbeitszeiten und die oftmals schweren Arbeiten konnten die Lebenserwartung der Kinder verkürzen, und zu Krankheiten führen.

Die Kinder hatten des weitern nicht die Möglichkeit zur Schule zu gehen. Daher hatten sie kaum eine Chance, später einmal ein besseres Leben als ihre Eltern führen zu können. Zusätzlich soll noch einmal verdeutlicht werden, daß auch die erwachsenen Arbeiter unter schweren Arbeitsbedingungen zu leiden hatten. Diese führten auch bei ihnen zu häufiger Erkrankung und verkürzter Lebenserwartung.

Zum Schluß der Stunde sollen die Schüler/innen in einem gelenkten Unterrichtsgespräch noch einmal darüber nachdenken, welche Ursachen die sozialen Probleme hatten. Das Erlernte soll sich dadurch bei den Schüler/innen festigen. Die Beiträge der Schüler/innen werden auf einer Folie festgehalten. In den letzten fünf Unterrichtsminuten sollen die Schüler Vergleiche zu ähnlichen Situationen in der heutigen Zeit ziehen. Ihnen soll deutlich werden, daß die Industrialisierung in vielen Ländern auch heute noch nicht abgeschlossen ist. Auch die sozialen Probleme, die sich im 19. Jahrhundert ergaben, sind heute noch in vielen Ländern vorzufinden.

IV. Stundenskizze

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

V. Abschließende Reflexion

Bei dem dargestellten Unterrichtsverlauf handelt es sich um eine Idealform, die in der von mir gehaltenen Stunde nur annähernd verwirklicht werden konnte. Zwar habe ich alle Themen angesprochen, die von mir vorgesehen waren. Aufgrund der Oberflächlichkeit, mit der ich jedoch diese Themen besprach, hatte ich am Ende meiner Stunde noch eine ganze Viertelstundestunde übrig.

Das Problem lag darin, daß ich die von mir eingesetzten Folien und Quellentexte nicht ausführlich genug mit den Schüler/innen besprach. Ich habe mich auch zu sehr auf die wenigen Fragen konzentriert, die auf dem von mir angefertigten Arbeitsblatt standen. Das von mir eingesetzte Unterrichtsmaterial hätte genug Stoff für Diskussionen hergegeben. Diese hätten dazu beitragen können, daß sich der Unterrichtsstoff bei den Schüler/innen besser festigt. Sie hätten sich auch ein besseres Bild von den damaligen Lebensumständen machen können.

Ich hätte zum Beispiel die Schüler/innen dazu veranlassen können, sich einmal in die Lage eines berufstätigen Arbeiterjungen/-mädchens zu versetzen. Daraus hätte dann eine Diskussion entstehen können. Die Schüler/innen hätten z.B. feststellen können, daß solch ein Arbeiterkind nicht nur keine Möglichkeit hatte zur Schule zu gehen, sondern auch keine Zeit hatte, um mit Freunden zu spielen, in einen Sportverein zu gehen, oder zu verreisen. In meinen zukünftigen Unterrichtsstunden werde ich also mehr darauf achten müssen, daß ich Unterrichtsthemen nicht zu oberflächlich behandle.

Ferner habe ich auch Diskussionen verhindert, da ich mich immer sofort mit einer Antwort zufrieden gegeben habe.

Zu den Schüler/innen selber ist zu sagen, daß sie gut mitgearbeitet haben. Ich glaube, daß ihnen meine kleine „Umfrage“ am Anfang der Stunde gut gefallen hat, da sie sehr aufmerksam auf die Fragen eingingen. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, daß sie noch nie auf solch eine Weise mit einem Thema konfrontiert wurden. Sie haben sich sicherlich gefragt, was ich eigentlich mit meinen Fragen bezwecken wollte. Auch im weiteren Verlauf der Stunde blieben die Schüler/innen interessiert. Dies könnte natürlich auch daran liegen, daß sie das Thema sehr interessant fanden. Aber vielleicht hat ihnen mein Unterricht einfach gefallen. Ich hatte versucht das Thema durch einen abwechslungsreich gestalteten Unterricht für die Schüler/innen interessant zu machen. Ich glaube, daß mir das gelungen ist, denn auch das interessanteste Thema kann furchtbar langweilig sein, wenn es nicht gut präsentiert wird.

[...]


1In den Richtlinien für das Fach Geschichte der S I wird darauf hingewiesen, daß die soziale Frage als Folge der Industrialisierung in der Unterrichtssequenz über die Industrialisierung bearbeitet werden soll, siehe: Richtlinien und Lehrpläne für das Gymnasium (Sekundarstufe I) in Nordrhein-Westfalen für das Fach Geschichte. Frechen 1999. S. 97 - 99.

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Stundenskizze - Die soziale Problematik der industriellen Revolution
Hochschule
Universität Münster
Jahr
2000
Seiten
8
Katalognummer
V98853
ISBN (eBook)
9783638973045
Dateigröße
355 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stundenskizze, Problematik, Revolution
Arbeit zitieren
Anonym, 2000, Stundenskizze - Die soziale Problematik der industriellen Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98853

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