Antisexistische Jugendarbeit


Hausarbeit, 2000

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Was ist Jungenarbeit? Zur Geschichte von Jungenarbeit
2.1. Was ist Jungenarbeit?
2.2. Zur Geschichte von Jungenarbeit

3. Welche verschiedenen Ansätze gibt es in der Jungenarbeit?
3.1. Der identitätsorientierte Ansatz
3.2. Der emanzipatorische Ansatz

4. Antisexistische Jungenarbeit
4.1. Zum Begriff
4.2. Die Gesellschaftsanalyse
4.3. Jungensozialisation - wie ein Mann gemacht wird
4.4. Pädagogische Grundlagen und allgemeine Ziele
4.5. Zu den Methoden
4.6. Zur Rolle des Pädagogen
4.7. Kritik

5. Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Im Dezember 1996 besuchte ich auf Anregung von zwei befreundeten Sozialpädagogen mit diesen gemeinsam das Wochenendseminar „Von lauten und leisen Jungen - Möglichkeiten antisexistischer Jungenarbeit“ in der Heimvolkshochschule Alte Molkerei Frille. Es war das erstemal, daß ich von einem pädagogischen Konzept in diese Richtung hörte.

In einem Jugendhaus in Fürth hatten wir dann die Gelegenheit, diese Jungenarbeit im Rahmen eines kurzen Projektes ansatzweise in die Praxis umzusetzen. Dies ist - gemessen an den eigenen Ansprüchen - klar gescheitert, was sicherlich vielfältige Gründe hat.

Die Literatursuche zu dieser Studienarbeit stellte sich als relativ schwierig heraus. Unter dem Stichwort „Antisexistische Jungenarbeit“ findet mensch im Bibliothekscomputer absolut nichts. Auch sonst war die FH-Bibliothek nicht hilfreich.

Die verwendete Literatur konnte ich mir teilweise von den befreundeten Sozialpädagogen leihen bzw. kopieren, teilweise mußte ich sie im Buchhandel kaufen.

Meiner Meinung nach sollte interessierten StudentInnen zumindest das Buch „Geschlechtsbezogene Pädagogik“ in der FH-Bibliothek zugänglich sein.

2. Was ist Jungenarbeit? Zur Geschichte von Jungenarbeit

2.1 Was ist Jungenarbeit?

Jungenarbeit im allgemeinen wird verstanden als geschlechtsbezogene Pädagogik von Männern mit Jungen. Treffender finde ich: Jungenarbeit als die „ bewußte Einflußnahme auf die Erziehung und Lebensentwürfe von Jungen und Männern aus einem von Männern getragenen kritischen Blick auf die `herrschende Männlichkeit` “ (Glücks, E. 1994a, S.14f.).

2.2 Zur Geschichte von Jungenarbeit

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Menschen bei Geburt in eine von zwei vorgegebenen Geschlechtskategorien eingeteilt werden. Diese „Kultur der Zweigeschlechtlichkeit“ beinhaltet ein „ Machtgefälle zugunsten der Männer bezüglich Einflußund Zugang zu Ressourcen “ (Wegner, L. 1995, S.161). Diese Tatsache spiegelt sich in allen Bereichen des Lebens wieder, so auch in der Pädagogik.

Mit der Parole „Jugendarbeit ist Jungenarbeit“ kritisierten Feministinnen in den 70er Jahren die angebliche Geschlechtsneutralität pädagogischer Arbeit. Sie forderten die Entwicklung und Umsetzung einer parteilich-feministischen Mädchenarbeit. Ohne diese Entwicklung würde es Jungenarbeit (im Sinne von geschlechtsbezogener Pädagogik) wohl kaum geben. „ Pointiert gesagt: Jungenarbeit entstand als Reflex auf Mädchenarbeit “ (ebd.).

Etliche Jahre nachdem Frauen angefangen haben, parteiliche Mädchenarbeit zu konzipieren und auch in die Praxis umzusetzen, entwickeln sich Anfang der 80er Jahre langsam pädagogische Ansätze, die explizit Jungen als Zielgruppe haben.

1988 erscheint von der Heimvolkshochschule „Alte Molkerei Frille“ der Abschlußbericht des zweijährigen Modellprojektes „Was Hänschen nicht lernt ... verändert Clara nimmer mehr! Geschlechtsspezifische Bildungsarbeit für Jungen und Mädchen“. In dem rund 100 seitigen Bericht wird Jungenarbeit erstmals relativ ausführlich dargestellt und es werden parteiliche Mädchenarbeit und antisexistische Jungenarbeit in ein Gesamtkonzept integriert.

1989 erscheint „Jungenarbeit - Praxishandbuch für die Jugendarbeit“ von Uwe Sielert, in dem er seinen sozialisationstheoretischen Hintergrund andeutet und über praktische Erfahrungen berichtet.

Seit Anfang der 90er Jahre gibt es zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich der Männerbücher, zum Beispiel 1993 „Männliche Sozialisation“ von Lothar Bönisch und Reinhard Winter (ein Vertreter des identitätsorientierten Ansatzes, siehe 3.1.), wovon auch die Jungenarbeit etwas profitiert. So veröffentlicht zum Beispiel Michael Schenk aus Nürnberg (ein Vertreter des emanzipatorischen Ansatzes, siehe 3.2.) zahlreiche Artikel in Fach- Zeitschriften.

1994 erscheint „Geschlechtsbezogene Pädagogik - ein Bildungskonzept zur Qualifizierung koedukativer Praxis durch parteiliche Mädchenarbeit und antisexistische Jungenarbeit“ von Elisabeth Glücks und Franz Gerd Ottemeier-Glücks, die bisher umfassendste Veröffentlichung zu diesem Themenkomplex.

Sicherlich ist die gesamtgesellschaftliche Relevanz dieser Veröffentlichungen nicht allzu hoch und eher durch Theorie als Praxis bestimmt, dennoch gibt es Anzeichen dafür, daß parteiliche Mädchenarbeit und Jungenarbeit immer öfter als Gesamtkonzept gesehen werden.

3. Welche verschiedenen Ansätze gibt es innerhalb der Jungenarbeit?

Kaum hat das zarte Pflänzchen Jungenarbeit die Ackerkrumme durchbrochen, da treibt es schon verschieden farbige Blüten, die einander nicht immer grün sind “ (Karl, H. 1994, S. 144).

Innerhalb der Jungenarbeit gibt es verschiedene Ansätze. Die drei bekanntesten sind wohl der identitätsorientierte, der emanzipative (manchmal auch parteiliche) und der antisexistische Ansatz.

Grundlegende Übereinstimmungen gibt es in folgenden Punkten:

1. „ Männlichkeit mußsozial erworben, erhalten, bewiesen/gezeigt werden, und sie kann umgekehrt aberkannt werden “ (Wegner, L. 1995, S.164).
2. Das selbstkritische Reflektieren des Jungenarbeiters ist besonders wichtig, da sich die Jungen teilweise mit ihm identifizieren und so sein Verhalten zum Teil übernehmen.
3. Der Zugang zum eigenen Körper soll durch Körperarbeit gestärkt werden.

Im folgenden will ich versuchen, die Grundüberlegungen zu den beiden erstgenannten Ansätzen skizzenhaft vorzustellen und danach kurz zu bewerten. Der antisexistische Ansatz überzeugt mich persönlich am meisten, so daß ich ihn im nächsten Kapitel ausführlicher darstellen möchte.

3.1. Der identitätsorientierte Ansatz

Reinhard Winter unterscheidet zwischen „ Männlichkeiten1,worunter er „ herrschende Ideale, Normen, Bilder und Mythenüber `die` Männer “ (Winter, R. 1991, S. 380) versteht, und Junge- bzw. Mann sein, „ die gelebte, subjektive, individuelle Ausgestaltung der männlichen Geschlechtlichkeit (Gender) “ (ebd.). Dadurch ergibt sich seiner Meinung nach die Möglichkeit, daß Jungen (und Männer) eine kritische Distanz zu herrschenden Männlichkeiten einnehmen, ohne deswegen ihr Mann sein, ihre Identität in Frage zu stellen.

Auf Ulrich Beck (Risikogesellschaft) bezug nehmend, erklärt er, daß in postmodernen Zeiten der Modernisierungsprozesse „ sich festgefügte Traditionen immer mehr “ (ebd.) auflösen. Dadurch bekommt das Junge- bzw. Mann sein mehr Spielraum und kann sich mehr von den ideologischen Männlichkeiten distanzieren, woraus der Leistungsdruck und Normalitätszwang auf Jungen wächst, da Männlichkeiten nach wie vor die Norm setzen.

Hier setzt seine Arbeit an: “Jungen brauchen Jungenarbeit, um ihr Jungesein im Modernisierungsdruck aneignen und bewältigen zu können “ (ebd., S. 382).

Winter geht davon aus, daß Jungen auf der Suche nach Ausnahmen aus den herrschenden Männlichkeiten sind, dies aber wegen des starken Drucks nicht sagen können. Jungenarbeit soll versuchen, diese Ausnahmesituationen zu fördern und die Jungen in ihrem Anderssein bestärken, ohne dabei alltägliches Jungenverhalten auszublenden, „ das oft eben auch Grenzverletzungen und Gewaltübergriffe einschließt (...) “ (ebd., S. 383).

Reinhard Winter sieht die Realität von sexistischem Verhalten der Jungen und versucht auch darauf zu reagieren. Sein Erklärungsansatz (Männlichkeiten) greift meiner Meinung nach jedoch zu kurz, da er das aktive Interesse der Jungen, ihre Machtposition zu wahren und auszubauen, weil sie sowohl strukturell als auch individuell Vorteile gegenüber Mädchen erlangen, nicht genügend berücksichtigt. Eine Änderung der Machtposition hätte für die Jungen eine sicherlich oft als schmerzlich empfundene Preisgabe von Privilegien zur Folge, die über ein anderes Junge- bzw. Mann sein meiner Meinung nach hinausgeht.

Positiv anzumerken ist, daß Winter in seiner Veröffentlichung „Jungenarbeit - ein Perspektivwechsel“ viele kritische Denkanstöße für Männer, die Jungenarbeit machen, gibt und sich damit sehr gründlich beschäftigt hat.

3.2. Der emanzipatorische Ansatz

Michael Schenk arbeitet seit 1987 im Freizeitheim in Nürnberg im Rahmen koedukativer Pädagogik in der Offenen Jugendarbeit. 1991 veröffentlichte er in „Was fehlt sind Männer“ einen ca. 25 seitigen Artikel „Emanzipatorische Jungenarbeit im Freizeitheim“, auf den ich mich im folgenden beziehen werde.

Schenk geht von „ der konkreten Unterdrückung des Mannes durch eine männerdominierte Gesellschaft “ (Schenk, M. 1991, S. 105) aus, die ein kapitalistisches Produkt ist. Diese Unterdrückung macht er an Statistiken zu Lebensdauer, Krankheit, Alkoholabhängigkeit etc. fest, bei denen Männer größere Nachteile haben als Frauen. Die Männer sollen von der gesellschaftlich produzierten „Männlichkeit“ befreit, sprich emanzipiert werden.

Zwar schreibt er, daß er das effektive Tätertum von Männern nicht relativieren will, betont aber sofort, daß er die Täterschaft als „ Bestandteil der gesellschaftlich produzierten Rollenfixierung “ (ebd., S. 102) wissen will. Daraus schließt er, daß es wenig Sinn macht, „ Jungen und Männern Schuld zu geben für das, was sie einzulösen gezwungen sind “ (ebd). So verstandene Jungenarbeit will den verunsicherten Jungen Selbstsicherheit geben.

Aus der Praxis berichtet Schenk ein Beispiel mit seiner ersten Jungengruppe, die zur Hälfte aus einer rechtsradikalen Jungenclique bestand. „ In dieser Gruppe konnte kein ausländischer Jugendlicher so recht Fußfassen “ (ebd., S. 120) und auch die übrigen Jungen hatten massive Probleme. Nach einer von mehreren Zerstörungsaktionen dieser Clique mußte er ein Hausverbot aussprechen. Das war für ihn ein Eingeständnis für nichterfolgreiche Arbeit, die ihn frustrierte, weil „ emanzipatorische Jungen- und Männerpädagogik (...) gerade an dieser typischen Jungenverhaltensweise rangehen und verstehen “ (ebd.) muß. Danach wurde eine weitere Jungengruppe gegründet. Für Schenk war die große Nachfrage auch von „ausländischen“ Jungen überraschend.

Sowohl die theoretischen Grundsätze als auch der Praxisbericht, in dem rassistische Ausgrenzung zumindest toleriert und der „starken Clique“ durch die Jungengruppe noch eine stärkere Machtposition innerhalb des Freizeitheimes eingeräumt wird, ohne die jungen Männer mit ihrem Sexismus und Rassismus zu konfrontieren, lassen meiner Meinung nach bestenfalls den Rückschluß zu, daß Michael Schenk seine emanzipatorische Jungenarbeit wenigstens gut meint. Faktisch hat es meiner Meinung nach verheerende Konsequenzen, wenn Jungen und Männer einen Freibrief bezüglich ihrer Täterschaft gegeben wird, weil sie angeblich zu ihrem Verhalten von außen gezwungen werden. Dies würde bedeuten, daß es keinerlei Wahlmöglichkeit gäbe und daß ein sexistischer Übergriff kein aktives Verhalten ist, für das Mann sich entscheidet.

Die angebliche Männerunterdrückung, aus der Männer emanzipiert werden sollen, hat die Heimvolkshochschule Frille schon 1988 völlig zutreffend kritisiert:

Unter Emanzipation wird heute der Prozeßder Befreiung aus einem Unterdrückungsverhältnis verstanden. (...) Wo aber werden in dieser Gesellschaft Männer wegen ihres Mannseins unterdrückt? Sie werden als Farbige, Ausländer, Arbeiter, Angehörige politischer, religiöser oder ethnischer Minderheiten benachteiligt, aber nicht als Mann an sich. Eineübernahme des Emanzipationsbegriffs für die notwendige Veränderung der Männer stellt unseres Erachtens eine Verunglimpfung der existierenden Emanzipationsbemühungen dar, sei es aus rassistischer, sexistischer oder anderer Unterdrückung “ (Alte Molkerei Frille 1988, S. 73).

4. Antisexistische Jungenarbeit

4.1. Zum Begriff

Die Menschen aus Frille sind der Meinung, daß sich Jungenarbeit daran messen lassen muß, ob sie die bestehende Vorherrschaft des Mannes stabilisiert oder zur Gleichberechtigung der Geschlechter beiträgt. Sie halten an dem Begriff antisexistisch fest, obwohl er „ wie alle Anti Begriffe nicht ganz unproblematisch (ist), weil er den Angriffspunkt hervorhebt und nicht explizit Gegenmodelle benennt “ (Karl, H. 1994a, S. 147).

4.2. Die Gesellschaftsanalyse

Menschliches Verhalten ist sicherlich durch individuelle Bedingungen und Erfahrungen erklärbar, aber auch der gesellschaftliche Hintergrund darf nicht außer Acht gelassen werden. Die Menschen aus Frille gehen von dem Begriff der „hegemonialen Männlichkeit“ (Carrigan) aus. „ Hegemoniale Männlichkeit ist zu verstehen als Praxis dominierender Männer zur Legitimierung und Reproduktion ihrer Dominanz, der die Unterdrückung von Frauen, aber auch anderen Männern immanent ist “ (Glücks, E. 1994b, S. 40f.).

Hegemonie bedeutet, daß die herrschende Gruppe ihre Herrschaft nicht nur durch Gewalt behauptet, sondern auch versucht, mit Teilen der beherrschten Gruppe einen Konsens zu finden, von der diese kleine Vorteile erlangt, so daß sie die Verhältnisse erst gar nicht grundlegend ändern will. Der antisexistische Ansatz geht davon aus, daß Herrschaft heute ähnlich wie Hegemonie funktioniert, weshalb sie von „herrschender Männlichkeit“ sprechen.

Diese herrschende Männlichkeit betont die gesellschaftliche Dimension des Geschlechterverhältnisses. Das Patriarchat ist historisch gewachsen und nicht „natürlich“.

Der antisexistische Ansatz grenzt sich von dem traditionell-soziologischen Begriff der „Rolle“ ab, weil ein Denken in Rollenkategorien die Gefahr in sich birgt, Probleme zu individualisieren und die gesellschaftliche Dimension dadurch zu kurz kommt. Er geht davon aus, daß die Macht der Männer über die Frauen früher relativ persönlich etabliert war und sich heutzutage hauptsächlich strukturell bemerkbar macht. Dies schließt Ausnahmen mit ein, da sie die allgemeine Privilegierung der Männer in unserer Gesellschaft nicht ändert. Herrschende Männlichkeit bedeutet zwar auch, daß es unterschiedliche Männlichkeiten gibt, die einander über-, unter- und nebengeordnet sind, so daß es auch untergeordnete Männer gibt (vgl. Alte Molkerei Frille 1988, S. 63ff.). „ Aber viele Männer sind Mittäter bei der Aufrechterhaltung der hegemonialen Männlichkeit. (...) der bei weitem wichtigste Grund (dafür) ist, daßMänner von der Unterdrückung der Frauen profitieren und hegemoniale Männlichkeit zentral mit der Institutionalisierung der Dominanz der Männerüber Frauen verknüpft ist “ (Carrigan 1985, S. 592 in: Alte Molkerei Frille 1988, S. 65).

Diese Analyse erfordert eine differenzierte Sichtweise auf (junge) Männer. Einerseits sind sie einem starken Druck ausgesetzt, Erwartungen an sie als Mann, denen sie nie gerecht werden können, zu erfüllen (siehe 4.3.). Andererseits leben sie in einer Gesellschaft in der sie als Mann gegenüber Frauen privilegiert sind und halten diese Privilegien auch aktiv aufrecht.

4.3. Jungensozialisation - wie ein Mann gemacht wird

Sozialisation ist der Einfluß der Gesellschaft (z.B. Werte und Normen) bzw. konkreter Personen (z.B. Eltern) auf ein Individuum. Diesem Einfluß ist das Individuum nicht völlig ausgesetzt (außer Neugeborene), aber es kann sich auch nicht völlig davon freimachen. Sozialisation dauert das ganze Leben lang.

Eine der ersten Fragen bei Neugeborenen ist die nach dem „Geschlecht“. Aufgrund der Zuteilung zu einem der beiden Geschlechter werden ihnen Eigenschaften unterstellt und ein bestimmtes Verhalten erwartet, das dann , wenn es auftritt, positiv verstärkt wird. Während der Pubertät kommt es zu einem „ Ü bergang von der familialen zuröffentlichen, gesellschaftlichen Sozialisation. Darin liegen Bruch und Chance zugleich “ (Prengel, A. 1994, S. 63).

Ottemeier-Glücks sieht fünf Grundzüge männlicher Sozialisation (vgl. Ottemeier-Glücks, F.G. 1994, S. 79ff.):

1. Jungen wachsen mit einem Idealbild Mann auf, das prinzipiell unerreichbar ist Jungen haben offensichtlich ein Idealbild von Mannsein als Orientierung, das sie in den ca. zehn ersten Lebensjahren nicht kritisch an der Realität überprüfen können, da ihre Väter für sie entweder nicht vorhanden sind oder als tolle Gutenachtgeschichtenerzähler oder Wochenendväter in Erscheinung treten. In den sozialen Institutionen, in denen Jungen relativ viel Zeit verbringen (Kindergarten, Grundschule), gibt es kaum Männer. Das nichtüberprüfbare Idealbild wird durch Medien (z.B. Fernsehwerbung) aktualisiert und verstärkt.

An diesem Idealbild von Männlichkeit orientieren sich Jungen und müssen daran zwangsläufig scheitern, da es unerreichbar ist. Dieses Scheitern erleben sie als persönliches, individuelles Versagen, was u. a. dazu führt, daß sie sich leichter in Hierarchien eingliedern lassen.

2. Jungen sind von der Angst gefangen, als weiblich zu gelten

In unserer Gesellschaft wird Mannsein und Menschsein nicht scharf voneinander getrennt, dem Frausein jedoch eine Sonderposition zugeschrieben, die fast keine Überschneidung mit Mannsein zuläßt. Für einen Jungen bleibt also lediglich, sich von allem „weiblichen“ Verhalten abzugrenzen, um seine Männlichkeit zu beweisen. Im Alter von ca. zehn Jahren ist es deshalb relativ schlimm für einen Jungen, für ein Mädchen gehalten zu werden. Jungen benützen in dem Alter auch gerne den Ausspruch „Du bist ja wie ein Mädchen“, um andere Jungen zu ärgern.

3. Jungen leben mit dem Zwang zur ständigen Überlegenheit

Wenn der Sieg ein Kriterium für Männlichkeit ist, dann zeigt eine persönliche Niederlage die eigene Unmännlichkeit “ (Schnack/Neutzling 1990, S. 37). Aber nicht nur die Niederlage, auch „nur“ Durchschnitt wird nicht gerade mit Männlichkeit verbunden, was natürlich schwer mit der Realität vereinbar ist. Dies ist ein Grund, warum sich männliches Verhalten oft gegen andere Menschen (sowohl Frauen als auch Männer) richtet, denn zur eigenen Überlegenheit gehört jemensch, die/der unterliegt.

Jungen, die sexuell mißbraucht wurden, haben mit diesem Männerbild zusätzlich ein massives Problem, weil die Opferrolle im herrschenden Männerbild einfach nicht vorgesehen ist und dadurch eine Aufarbeitung nahezu unmöglich ist.

4. Jungen und Männer konkurrieren aus Prinzip

Aus dem oft unrealistischen Zwang zur Überlegenheit resultiert, daß Männer auch bei vielen unbedeutenden Kleinigkeiten aus Prinzip konkurrieren. Dies dient dem eigenen Selbstbild und dazu die eigene Überlegenheit und Besonderheit zu demonstrieren. Besonders deutlich zeigt sich dieses Prinzip bei dem Guinessbuch der Rekorde. Hauptsächlich Männer machen die unsinnigsten Dinge (z.B. sehr lange auf Pfählen im Wattenmeer zu sitzen), um im Buch als Bester genannt zu werden. Jedoch, wo es „Beste“ gibt, muß es auch wieder „Schlechte“ geben, was wiederum oft Frauen, aber auch Männer sind.

5. Jungen erhalten keine Förderung in ihren sozialen Fähigkeiten

Männliche Tugenden wie Selbstbeherrschung, Sachlichkeit und Stärke implizieren ein sich Nichtauseinandersetzen mit dem eigenen Gefühlsleben und dem eigenen Körper. Jungen lernen kaum eine Sensibilität für eigene und fremde Gefühle, sie lernen es kaum, Grenzen anderer, aber auch eigene Grenzen wahrzunehmen, weshalb sie sich oft über andere und eigene Grenzen hinwegsetzen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Männlichkeit bedeutet, keine Probleme zu haben. Vorhandene Probleme werden „erfolgreich“ nicht wahrgenommen, wobei Mann die kaum entwickelte Fähigkeit zur sozialen Wahrnehmung „zugute“ kommt. Dies ist für OttemeierGlücks der entscheidende Punkt, warum die meisten Männer ihre oben nachgewiesene „leidvolle“ Existenz nicht verändern wollen. Die Vorteile alleine, die aus dem herrschenden Geschlechtsverhältnis resultieren, reichen für ihn nicht aus, um dieses Nichtverändernwollen zu erklären. Mit dieser These widerspricht er allerdings, meiner Meinung nach zu Unrecht, der Erklärung Carrigans, daß der wichtigste Grund zur Aufrechterhaltung der hegemonialen Männlichkeit der Profit der Männer von diesem System ist (siehe 4.2.).

4.4. Pädagogische Grundlage und allgemeine Ziele

Ausgehend von dieser Gesellschaftsanalyse und dem Wissen, wie ein Junge sozialisiert wird, ergibt sich das folgende Verständnis von antisexistischer Jungenarbeit. (vgl. Alte Molkerei Frille 1988, S. 72ff.)

Jungen und Mädchen werden nicht mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und Fähigkeiten geboren, doch die „ Welt reagiert unterschiedlich auf sie und sie später auf die Welt “ (ebd.). Jungenarbeit bezieht sich auf das Mannwerden in dieser Gesellschaft. Dabei muß berücksichtigt werden, daß sie geprägt ist durch Vorteile und gewohnheitsmäßiger Gewalt von Männern gegenüber Frauen.

Jungenarbeit ist die Begegnung eines Mannes, der die Brüche in der traditionellen Männerrolle erkannt hat und für Gleichberechtigung eintritt, und Jungen, die gerade dabei sind, sich ihr eigenes Mannsein zu gestalten.

Jungenarbeit ist keine neue Methode der pädagogischen Arbeit, sondern eine neue Sichtweise auf Jungen. Es wird versucht, sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dabei werden Jungen gleichzeitig als Akteure und Betroffene der herrschenden Männlichkeit betrachtet. Deshalb werden sowohl Angebote zur Verhaltenserweiterung als auch die Auseinandersetzung mit sexistischem Verhalten gefordert und gefördert, wozu auch das begründete Ziehen von Grenzen gehört. Deshalb ist diese Jungenarbeit für die Jungen „ nicht uneingeschränkt positiv. Antisexistische Jungenarbeit verweist Jungen auf ihren Platz und nimmt ihnen Freiräume, die sie auf Kosten anderer (meist Frauen und Mädchen) besetzt halten “ (ebd., S. 87).

Die Abschaffung des Patriarchats ist - realistisch betrachtet - nur ein Fernziel von antisexistischer Jungenarbeit. Die allgemeinen und konkreteren Ziele und die Methoden, die dabei angewendet werden, müssen aber anhand der Frage, ob die bestehende Vorherrschaft des Mannes dadurch destabilisiert oder zumindest nicht gefestigt wird, kritisch hinterfragt werden.

Ein Ansatzpunkt für Jungenarbeit ist der Versuch, Jungen für das herrschende Geschlechterverhältnis zu sensibilisieren. Ziel dabei ist die Bewusstmachung der Auswirkungen für Männer und Frauen. Darauf aufbauend soll versucht werden, das Verhaltensrepertoire der Jungen um sogenannte weibliche Verhaltensweisen zu erweitern. Gleichzeitig sollen Jungen motiviert werden, sich nicht mehr aktiv an der Unterdrückung von Frauen zu beteiligen. (vgl.ebd., S. 74ff.)

Einige konkreteren Ziele auf der Ebene der Wissensaneignung sind zum Beispiel:

- geschlechtsspezifisches Verhalten ist nicht angeboren, es wird erlernt und kann sich ändern
- das Patriarchat ist keine „natürliche“ Erscheinung, es gab und gibt andere Kulturen
- das vorherrschende Bild von Mann, dem alle Männer nachstreben, ist eine Idealvorstellung, die kein Mann erreicht. Männer werden handhabbar durch ständige Versagensangst
- wesentliche Teile des menschlichen Lebens gehen durch die alleinige Ausrichtung des Lebens auf Erfolg und Leistung verloren

Einige konkretere Ziele die Erweiterung der Handlungsvielfalt betreffend sind zum Beispiel:

- die Abwesenheit von akitivem Unterdrücken und gelebter Unterdrückung, von Konkurrenz und von dem eigenen „Panzer“ zumindest in Augenblicken erleben
- sensibler werden für fremde und eigene Bedürfnisse, überhaupt für Vorgänge im zwischenmenschlichen Bereich
- lernen, das alltägliche Gefühlsleben bewußt in die eigene Hand zu nehmen und daß mann selbst im Umgang miteinander für eine angenehme Atmosphäre verantwortlich ist
- die Aneignung von praktischen Reproduktionsarbeiten wie Waschen, Nähen, Putzen und Kochen
- Aufmerksamkeit für sexistisches Verhalten, sexistische Sprache, Unterdrückung durch Menschen, Räume oder Strukturen erwerben

4.5. Zu den Methoden

Der antisexistische Ansatz vertritt die Meinung, daß das wirklich Neue die Sichtweise auf die Jungen - als Akteure wie als Betroffene - ist. In der pädagogischen Praxis werden oft altbewährte Methoden benützt, die allerdings inhaltlich so besetzt werden, daß eine Reproduktion traditioneller Männerrollen nicht stattfindet.

Holger Karl kritisiert den Methodenmythos und meint damit, die Auffassung, daß der Pädagoge nur die richtige Methode braucht, um erfolgreich zu sein. Dadurch wird das „Was“ durch das „Wie“ zu ersetzen versucht. Wenn aber „ der Horizont des Anwenders nicht zur Didaktik paßt, wird die schönste Methode unwirksam (...) “(Karl, H. 1994b , S. 215).

Die Methoden, die eingesetzt werden, haben u.a. das Ziel, daß Jungen neue Erfahrungen machen können, ohne daß sofort in ihre Intimsphäre eingedrungen wird, und daß sie einen Blick in ihren „Panzer“ werfen können, ohne ihn gleich zu zerstören. Dies geschieht durch Phantasiereisen und Körperarbeit, zum Beispiel gegenseitiges Massieren am Morgen, Vertrauensübungen und nichtsprachliche Kommunikationsspiele.

Eine andere Methode ist das Spiel „Mannopoly“. Es wird gerne am Anfang eines Seminars zum gegenseitigen Kennenlernen und Vertrauen schaffen gespielt. Ziel ist es, über verschiedene Aspekte des Mannseins kurz zu diskutieren und so herauszufinden, welche Themen auf allgemeines Interesse stoßen und vertieft werden könnten. Der Rahmen ist durch Regeln so abgesteckt, daß er anregt, über persönliche Themen offen zu diskutieren, dies jedoch nicht einfordert. Es gibt zwei Gruppen, die verschiedene Fragen beantworten und Aufgaben lösen müssen und dafür Punkte bekommen. So kann schnell eine Konkurrenz entstehen, die in diesem Fall dazu führt, daß Jungen und Männer sich eher öffnen. Unterstützend dabei wirken sicherlich die Regeln, die bei einem neuen Spiel erstmal befolgt werden. Welche Fragen und Aufgaben zu lösen sind, kann der Spielleiter vorher je nach seiner Einschätzung der Gruppe entscheiden. In Frille existiert eine sehr große Anzahl verschiedener Fragekarten, aus denen jeweils die passenden gezogen werden.

Bei meinem Besuch in Frille war ich überrascht, daß durch das Spiel relativ schnell persönliche Themen diskutiert wurden, so daß eine angenehme Atmosphäre entstand, die sich über das ganze Wochenende hinzog. Allerdings ist es sicherlich eine andere Ausgangsbasis, wenn dieses Spiel mit Jungen gespielt wird.

4.6. Zur Rolle des Pädagogen

Der Pädagoge selbst ist das wichtigste Werkzeug. (...) Vom Mainstream abweichende Männlichkeitskonzepte können durch nichts so gut vermittelt werden, wie durch Männer, die sie in der Wirklichkeit ausfüllen “ (Karl, H. 1994a, S. 149).

Jungenarbeit ist in erster Linie Beziehungsarbeit mit den Jungen. Mit einer ausschließlichen Pädagogik des erhobenen Zeigefingers ist es undenkbar, eine positive Beziehung aufzubauen. Der Pädagoge steht den Jungen wohlwollend gegenüber, nimmt sie ernst und mag sie auch in ihrer Gesamtpersönlichkeit. Dies soll allerdings nicht zu einem ständigen in Schutz nehmen führen, einzelne Verhaltensweisen können und müssen sehr wohl kritisiert werden.

Wenn eine grundsätzlich positive Beziehung aufgebaut wurde, sind die Jungenarbeiter auch Vorbild für die Jungen. „ An ihnen und ihrem Umgang mit Mädchen und Jungen orientieren sich die Jungen, mit ihrem Umgang mit Macht und Dominanz identifizieren sie sich “ (Enders- Dragässer, U. 1994, S. 43). Deshalb ist es wichtig, daß die Pädagogen ihre eigenen Motive kritisch hinterfragen. Die Leitfragen dafür könnten sein: In welchen Situationen gibt es eine große Differenz zwischen meinem tatsächlichen Verhalten und meinem Anspruch? Warum? Welche Konsequenzen hat das?

Problematisch wird es dann, wenn die „reflektierten“ Pädagogen sich - in typisch männlichem Profilierungsstreben - von den Jungen und anderen Männern abgrenzen. Die Jungen werden oft als sexistisch, dominant und machtfixiert beschrieben und mann selbst steht im Gegensatz zu ihnen sehr positiv da. „ ... derartige Sekundäreffekte werden von den Jungenarbeitern meist nicht reflektiert, sondern wirken unbewußt. Damit vermischen sich pädagogische und persönliche Intentionen. Durch Sekundäreffekte läuft Jungenarbeit Gefahr, doppelte Botschaften zu vermitteln und damit problematisch oder wirkungslos zu werden “ (Winter, R. 1991, S. 381).

Der antisexistische Ansatz sieht zwar, daß Jungenarbeiter reflektierter als Jungen bzw. „andere“ Männer in Bezug auf das Geschlechterverhältnis sein können. Sie wenden sich aber dagegen, sich als besser zu betrachten, da alle „ in das System herrschender Männlichkeit, das Frauen unterdrückt und ausbeutet “ (Alte Molkerei Frille 1988, S. 82), eingebunden sind.

4.7. Kritik

Insgesamt finde ich den antisexistischen Ansatz überzeugend. Einige kleine Ungereimtheiten kommen sicherlich dadurch zustande, daß relativ viele Menschen über einen längeren Zeitraum hin das Konzept entwickelt haben. Dennoch kann und sollte dieser Ansatz weiterentwickelt werden.

Zum Thema Homosexualität bzw. das Coming-Out schwuler „ Jungen hat die Friller Konzeption wenig zu bieten “ (Wegner, L. 1991, S. 173), obwohl sie Homophobie wiederholt thematisiert.

Es gibt aber auch noch andere Unterdrückungsverhältnisse in dieser Gesellschaft. Antisexistische Jungenarbeit sollte meiner Meinung nach aufpassen, nicht alles Verhalten nur vor dem Hintergrund der Geschlechtsverhältnisse zu betrachten. Viele Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Stellung in der kapitalistischen Verwertungsgesellschaft („Klasse“) unterdrückt und ausgebeutet. Die verschiedenen Unterdrückungsverhältnisse sind nicht getrennt voneinander zu sehen, sie sind ineinander verwoben und bedingen sich gegenseitig. Dies sollte Jungenarbeit meiner Meinung nach verstärkt berücksichtigen, wenn sie sich nicht dem Vorwurf des „weißen Ethnozentrismus“ aussetzen will.

Bei meinem Besuch in Frille leitete Franz Gerd Ottemeier-Glücks das Seminar. Im Laufe der Diskussionen kam ich zu der Meinung, daß er in den langen Jahren, in denen er sich mit Jungenarbeit beschäftigt, die Theorie an die unbestreitbaren Realitäten, an denen sich ein konsequent antisexistischer Ansatz in der Praxis abarbeitet, etwas angeglichen hat. Dies zeigt sich meiner Meinung nach auch an den Publikationen. Der 1988 erschienene Abschlußbericht ist wesentlich konsequenter als die „Geschlechtsbezogene Pädagogik“ von 1994, die allerdings viel facettenreicher und differenzierter geschrieben ist. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß es deprimierend ist, einen Ansatz, dessen Theorie stark von den Realitäten in dieser Gesellschaft abweicht und diese kritisiert, in die Praxis umzusetzen. Meiner Meinung nach ist dies auch in der Konsequenz, die den Friller Ansatz von 1988 kennzeichnet, zum Scheitern verurteilt. Dieses Scheitern ist dann allerdings kein Anlaß die Gesellschaftsanalyse zu ändern, wenn sie denn stimmt, wovon ich überzeugt bin. Das Scheitern ist vielmehr Ausdruck dessen, wie richtig die Analyse, wie tief verankert Männerherrschaft hier ist. Um Praxis überhaupt ausüben zu können, sollten die Ziele kleiner gesteckt und nicht die Analyse geändert werden.

5. Ausblick

Alle drei beschriebenen Ansätze gehen vom der Überlegung der Geschlechterdifferenz aus, der „ die Existenz und Differenz von Frau und Mann als unterschiedliche, aber gleichwertige Wesen der Gattung Mensch “ (Glücks, E. 1994, S. 34) betrachtet. Es wird die „ Rückbesinnung der Frau auf die Stärken und Schwächen ihres eigenen Geschlechts ... “ (ebd., S. 35) gefordert. Unterschieden wird dabei zwischen dem sexuellen Geschlecht als biologische Gegebenheit („sex“) und dem sozialen Geschlecht („gender“), worunter das Verhalten anhand der Norm von geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen verstanden wird. Sex ist biologisch-anatomisch, gender kulturhistorisch gewachsen. Aber die „ soziale Ungleichheit der Geschlechter kann nicht mit der biologischen Geschlechterdifferenz begründet werden “ (Maihöfer, A. 1995, S. 19).

In der feministischen Forschung gibt es allerdings seit etlichen Jahren auch eine andere Sichtweise. Sie wird seit den Veröffentlichungen von Judith Butlers „Gender Trouble“ (1990) und „Das Unbehagen der Geschlechter“ (1991) in feministischen Kreisen unter dem Stichwort „Gleichheitsfeminismus“ etwas breiter diskutiert.

Dieser Ansatz geht davon aus, daß nicht nur gender sondern auch sex selbst historisch entstanden, also nicht natürlich, sondern ein Kunstprodukt, ein Konstrukt ist. „“ Geschlecht “ im heutigen Sinne ist das Ergebnis eines langwierigen historischen Prozesses, und zwar auch, was den scheinbar natürlichen Geschlechtskörper anbetrifft. Einen „ männlichen “ oder „ weiblichen “ Körper zu „ haben “ ist weder in dieser heterosexuellen Eindeutigkeit zweier Geschlechter nochüberhaupt eine einfache, natürliche Gegebenheit “ (ebd., S. 91). „ Die Geschlechterdifferenz ist eine Erfindung der bürgerlichen Moderne ... “ (ebd., S. 99).

Ich fände es sehr interessant, zu untersuchen, welche Auswirkungen diese These, die von Feministinnen meiner Meinung nach sehr überzeugend begründet wird, auf geschlechtsbezogene Pädagogik bzw. auf antisexistische Jungenarbeit hat. Doch sowohl dies als auch nur der genauere Argumentationsstrang des Gleichheitsfeminismus würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Literaturverzeichnis

Beck Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt/M.

Glücks Elisabeth/Ottemeier-Glücks Franz Gerd (Hsg.)( 1994): Geschlechtsbezogene Pädagogik, Münster.

Enders-Dragässer Uta (1994):Geschlechtsspezifische Lebenslagen von Mädchen und Jungen, in: Glücks Elisabeth/Ottemeier-Glücks Franz Gerd (Hsg.): Geschlechtsbezogene Pädagogik, Münster 1994.

Glücks Elisabeth (1994a): Geschlechtsbezogene Pädagogik - Eine Standortbestimmung, in: Glücks Elisabeth/Ottemeier-Glücks Franz Gerd (Hsg.): Geschlechtsbezogene Pädagogik, Münster 1994.

Glücks Elisabeth (1994b): Im Widerstreit: Androgynie oder Gleichwertigkeit in Differenz - Geschlechterpolitische Denkansätze, in: Glücks Elisabeth/Ottemeier-Glücks Franz Gerd (Hsg.): Geschlechtsbezogene Pädagogik, Münster 1994.

Heimvolkshochschule Alte Molkerei Frille (1988): Parteiliche Mädchenarbeit und antisexistische Jungenarbeit. Abschlußbericht des Modellprojektes „Was Hänschen nicht lernt ... verändert Clara nimmer mehr!“, Minden (Bestelladresse: Freithof 16, 32469 Petershagen).

Karl Holger (1994a): Der ehrenhafte Abschied des Panzersoldaten. Grundlagen antisexistischer Jungenarbeit, in: Glücks Elisabeth/Ottemeier-Glücks Franz Gerd (Hsg.): Geschlechtsbezogene Pädagogik, Münster 1994.

Karl Holger (1994b): Tricks und Kniffe sind nicht gefragt - Methoden in der Jungenarbeit, in: Glücks Elisabeth/Ottemeier-Glücks Franz Gerd (Hsg.): Geschlechtsbezogene Pädagogik, Münster 1994.

Lenz Hans -Joachim (1994): Auf der Suche nach Männern - Bildungsarbeit mit Männern, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Frankfurt/M.

Maihöfer Andrea (1995): Geschlecht als Existenzweise, Ulrike Helmer Verlag Frankfurt/M.

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Schnack Dieter/Neutzling Rainer (1990): Kleine Helden in Not. Jungen auf der Suche nach Männlichkeit, Reinbeck.

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Winter Reinhard (1991): Jungenarbeit - ein Perspektivwechsel, in: Winter/Willems (Hsg): Was fehlt, sind Männer! Schwäbisch Gmünd und Tübingen.

[...]


1weil Männlichkeit kein in sich geschlossenes Konstrukt ist, sondern in verschiedene Facetten zerfällt (...) “ (Winter, R. 1991, S. 380)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Antisexistische Jugendarbeit
Autor
Jahr
2000
Seiten
18
Katalognummer
V99013
ISBN (eBook)
9783638974639
Dateigröße
367 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antisexistische, Jugendarbeit
Arbeit zitieren
Stefan Sahm (Autor:in), 2000, Antisexistische Jugendarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99013

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