Das Kreuz als zentrales Symbol des Christentums. Ästhetische Wahrnehmung im Religionsunterricht


Examensarbeit, 2018

73 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Ziel der Arbeit

2. Theologie der religiösen Symbole
2.1 Symbole
2.1.1 Abgrenzung des Symbolbegriffs
2.1.2 Wo begegnen wir Symbolen
2.1.3 Die Sprache des Symbols
2.2 Bedeutung von Symbolen in der Religion und im Glauben
2.3 Der symboldidaktische Ansatz
2.3.1 Anmerkungen zum Konzept von Hubert Halbfas
2.3.2 Anmerkungen zum Konzept von Peter Biel
2.3.3 Kritik der Symboldidaktik
2.3.4 Der symboldidaktische Ansatz untermauert durch künstlerische Darstellungen
2.3.5 Religiöse Symbole in der Kunst
2.3.6 Der Religionsunterricht als ästhetischer Erfahrungsraum
2.4 Theologie des Kreuzes
2.4.1 Historischer Hintergrund der Kreuzigung
2.4.2 Biblische Kreuzestheologien
2.4.3 Das Paradox des Kreuzes im christlichen Glauben
2.4.4 Vom Kreuz erlöst - ein Umdenken von Folter zu Hoffnung
2.5 Das Kreuz in der markinische Passion
2.5.1 Analyse
2.5.2 Erklärung
2.5.3 Historische Beurteilung
2.5.4 Zusammenfassung
2.5.5 Wirkungsgeschichte
2.6 Das Kreuz in der paulinischen Kreuzestheologie
2.6.1 Das Kreuz als Ärgernis im Korintherbrief
2.6.2 Das Kreuz als Macht Gottes im Galaterbrief
2.6.3 Das Kreuz als Paradoxon im Kolosserbrief

3. Didaktische Erörterung
3.1 Lehrplanbezug
3.2 Kompetenzen
3.3 Einbettung
3.3.1 Didaktische Leitgedanken zum Umgang mit Bildern im Religionsunterricht
3.3.2 Fünf Weisen der Bildbegegnung Günther Lange

4. Versuche der künstlerischen Darstellung der Kreuzabnahme Rubens und Beckmann
4.1 Bildinterpretation
4.2 Hintergrundwissen zu Rubens
4.3 Hintergrundwissen zu Beckmann
4.4 Vergleich Rubens VS. Beckmann

5. Methodische Entscheidungen
5.1 Textpräsentation
5.2 Bildpräsentation
5.3 Durchführung
5.3.1 Einleitung und Hinführung zum Thema
5.3.2 Erarbeitung

7. Fazit

8. Ausblick

9. Anhang

8. Quellenverzeichnis

Alle Dinge, die wir sehen, können wir doppelt anschauen: als Tatsache und als Geheimnis. Aus dem Wirklichen erwächst das Erstaunliche.

Rainer Oberthür

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Sei es beim Spazieren am Wegesrand, auf dem Fahrzeug des Rettungsdienstes, oder als Schmuckstück um den Hals - nahezu täglich werden wir mit dem Kreuz konfrontiert. Wird es in seiner Form und seinem Vorkommen doch meist als etwas Positives vernommen, so kommen unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte doch Fragen auf. Um sich der Entstehungsgeschichte und dem damit verbundenen Bedeutungszuspruch zu nähern, sucht die Didaktik nach Möglichkeiten und Wegen, Lernstoff den Schüler/innen so zu vermitteln, dass das Gelernte an persönlicher Bedeutung gewinnt. Auch für das religiöse Lernen wurden bereits viele Theorien und Methoden entwickelt, um den Schüler/innen solche religiösen Lernprozesse zu ermöglichen. Die Symboldidaktik ist eine davon. Sie möchte über die tradierten Symbolwelten einen Zugang durch ästhetische Erfahrungen mit diesen Symbolen schaffen.

In dieser Arbeit soll anhand des Kreuzsymboles dargestellt werden, wie die ästhetische Wahrnehmung als Zugang für einen religiösen Lernprozess genutzt werden kann. Dabei geht es nicht um das Lernen und Anwenden einer Theorie, sondern um das persönliche Erschließen und Interpretieren des Kreuztodes, welcher seit über 2000 Jahren für jeden Menschen persönlich erschlossen und interpretiert werden muss, um an Bedeutung zu gewinnen.

Aufgrund meiner Fächerkombination aus Religionspädagogik, Kunst und Deutsch entschied ich mich für einen fächerverbindenden Unterricht, wie er im Folgenden dargestellt wird. Zudem ist es mir ein persönliches Anliegen, die Schüler/innen zu einem tieferen Verständnis über das Kreuz zu führen, damit sie ein Bewusstsein für die kulturelle Bedeutung des Kreuzes entwickeln.

1.1 Fragestellung

Der Aufbau der Arbeit orientiert sich an der Aufgabe, wie der Dialog zwischen Kunst und Theologie funktioniert, mit der zugrundeliegenden Fragestellung: „Wie kann die ästhetische Wahrnehmung religiöses Lernen fördern?"

1.2 Ziel der Arbeit

Das Ziel ist es, an einem biblischen Beispiel, eine Erklärung für die Verwendung von Symbolen im christlichen Glauben und insbesondere im Religionsunterricht zu geben. Dazu soll gezeigt werden, wie ein religiöser Lernprozess mit Hilfe von ästhetischer Wahrnehmung gefördert werden kann.

Im ersten Teil der Arbeit wird eine Hinführung zu dem zentralen Thema „Symbole" und eine dazu bestehende didaktische Theorie dargestellt. Daraufhin werden die relevanten Grundlagen für eine praktische Durchführung am Beispiel des Kreuztodes aufbereitet und letztlich theoretisch umgesetzt.

Im Hinblick auf die Fragestellung soll eine Erklärung für die Verwendung von Kunst im Religionsunterricht gegeben werden, welche den Schüler/innen neue Sichtweisen mit Spielräumen eröffnet, die einen theologischen Eigenwert besitzen und den Kreuzestod nicht nur als Fakt präsentieren.

Die Bildungsstandards sind hierbei auf die Klassenstufe 10, des Bildungsplan 2016 im Fach der katholischen Religionslehre ausgerichtet, wonach eine Jesus Deutung in der Kunst mit Hilfe einer biblischen Überlieferung verglichen werden soll.1

2. Theologie der religiösen Symbole

Diese Arbeit zeigt das Vorkommen, die Wahrnehmung und die daraus resultierende Bedeutung von Symbolen. Die ästhetische Wahrnehmung ist ausschlaggebend und unterstützt die Aufnahme und Weiterverarbeitung von Eindrücken eines solchen kulturellen Bildungsprozesses. Der Begriff der Ästhetik, welche hierbei eine wichtige Rolle spielt, leitet sich aus dem griechischen Wort „aisthesis" ab und bezeichnet „sinnlich vermittelte Wahrnehmung".2

2.1 Symbole

Unser alltägliches Leben ist entscheidend von Symbolen geprägt. Die Wortherkunft entstammt dem Griechischen und bedeutet: Bildhaftes Zeichen, das einen tieferen Sinn ausdrückt, Sinnbild. symbolon = Erkennungszeichen, Kennzeichen, Merkmal; Sinnbild, symballein = zusammenbringen, zusammentragen, vergleichen, sym = (in Zus. vor b für syn) zusammen, ballein = werfen.3

Symbole sind Zeichen, Sinnbilder oder Gegenstände, denen eine bestimmte Bedeutung zugesprochen wird, die über das eigentliche Zeichen hinaus auf etwas verweist. Sie sind aber noch mehr als verweisende Zeichen. Ist die Symbolbedeutung bekannt, können sie als Hilfsmittel zur Bewältigung und Deutung von Erfahrungen dienen. Ohne ausgebildetes Symboldenken verkümmert das Wirklichkeitsverständnis und wesentliche Daseinsphänomene werden aus dem Bewusstsein verdrängt. Dadurch ist der Bedeutungsverlust des Symbols tragischer als zu Beginn vermutet. Denn mit dem schwindenden Symbolverständnis „geht zugleich der Sinn für das Ganze des menschlichen Lebens und das Verbindende der Lebensbereiche verloren."4 Nirgends anders als in den Religionen gibt es einen vergleichbaren Vorrat an lebensfördernden Symbolen. Dadurch wird die Religion zu jener symbolischen Sprache, deren Alphabet der Mensch erst noch lernen muss, damit er nicht verkümmert. Der Religionsunterricht leistet also den Beitrag eine Symbolkompetenz (als Spezialfall hermeneutische Kompetenz) zu vermitteln und somit eine anthropologische Funktion zu erfüllen. Dabei geht es weder um die Vermittlung der Vergangenheit (wie in der hermeneutischen Bibeldidaktik) noch um die Bewältigung der Zukunft (wie bei der problemorientierten Bibeldidaktik). Es soll in der täglichen Wahrnehmung einen gegenwärtigen Beitrag mit einer religiösen Grundierung bringen. Die symbolische Sprache ist Kindern und Jugendlichen durch ihre erzählende, bildhafte Form zugänglich.5

Im Folgenden sind sieben Grundmerkmale von Symbolen beschrieben:

„ 1. Merkmal: Symbole fügen Unterschiedliches zusammen

Wie schon in der Begriffserklärung beschrieben bedeutet die griechische Übersetzung so viel wie zusammenfügen.

2. Merkmal: Symbole verbinden die Außen- und Innenwelt

Jeder Gegenstand und jede reale Handlung kann eine symbolische Bedeutung mit sich bringen, oder auf eine Tiefendimension schließen, welche den menschlichen Reichtum an Gefühlen und Denken ausschöpft.

3. Merkmal: Symbole verbinden Menschen

Der mitunter wichtigste Aspekt von Symbolen ist der kommunikative: Symbole schaffen Kommunikation und bauen Brücken. Als Beispiel hierfür betrachte man eine Fahne, Hymne, oder das Kreuz. Auch bestimmte Treffpunkte, wie eine Kirche oder Kneipe, aber auch gleiche Kleidung, können eine intensive Zusammengehörigkeit symbolisieren.

4. Merkmal: Symbole verbinden unterschiedliche Zeiten

Symbole haben eine geschichtliche Dimension und können Vergangenes und Gegenwärtiges, aber auch Gegenwärtiges und Zukünftiges verbinden. Denkmäler der Vergangenheit können für Zukunftshoffnung stehen. Aber auch persönliche Kindheitserinnerungen wie ein Duft oder ein Urlaubsmitbringsel können Erinnerungen wachrufen. In der biblischen Tradition ist diese Brückenfunktion der Symbole ganz besonders wichtig. Denn wer die Erzählungen durch die Symbolik auf sich wirken lässt kann viel tiefsinnigere und intensivere Beziehungen zu deren Existenz entdecken (bspw. „blind und sehend sein"). Symbolische Interpretationen der Bibeltexte eröffnen einerseits tiefere Zugänge der Überlieferung, auf der anderen Seite bieten die Symbole bis zur heutigen Zeit heilsame Bilder für seelische Konflikte.

5. Merkmal: Symbole können Wirklichkeit schaffen

Symbole haben einen repräsentativen Charakter. Es sind mehr als verweisende Zeichen, sie schaffen nämlich Wirklichkeit. Paul Tillich nennt diese repräsentativen Symbole. Unter dem christlichen Aspekt ist hierbei an die zentralen Sakramente zu denken, im zwischenmenschlichen Bereich eher an Partnersymbole der Zusammengehörigkeit.

6. Merkmal: Symbole sind mehrdeutig

Symbole sind in der Regel fast immer mehrdeutig, abhängig von ihrer kommunikativen Struktur und ihrem Erfahrungsbezug können sie sogar widersprüchliche Botschaften in sich tragen. Wasser ist solch ein biblisches Beispiel für die Widersprüchlichkeit eines Symbols, denn zum einen wird schon am Anfang der Bibel Wasser als die bedrohliche Chaosmacht gesehen, welche erst gebändigt werden muss, im weiteren Verlauf steht es aber auch als lebensspendendes Element. Da diese Widersprüchlichkeit sich durch die gesamte Bibel zieht, ist es wichtig stets die genaue Bedeutung zu erkennen.

7. Merkmal: Symbole sind grundsätzlich nicht ersetzbar

Die Grunderfahrungen, welche hinter einem Symbol stehen, lassen sich zwar kognitiv entschlüsseln, aber ihre volle Bedeutung kann verbal nicht ohne Überbleibsel interpretiert werden. Besonders deutlich wird diese symbolische Bedeutung bei Gefühlen wie der Liebe oder auch dem Gegenstück, welche ohne eine gesättigte Symbolsprache verkümmert. Oder wäre ein Liebesbrief ohne Symbole vorstellbar? Diese Gefühlswelt kommt nicht ohne Bilder und Symbole aus."6

2.1.1 Abgrenzung des Symbolbegriffs

Es gibt verschiedene Zeichenformen in der Religion: „Symbole sind elementare Bilder in Realität und Wort. Sie entstehen durch eine symbolische Wahrnehmung der Welt, durch die reale Dinge zum Verweis auf etwas anderes werden."7 Sie weisen eine T ransparenz für Tiefendimensionen und Tiefenschichten im Inneren des Menschen auf. Wegen ihres Verweischarakters ermöglichen sie Orientierung in der Welt und Auseinandersetzung mit der eigenen Innenwelt. Sie erbauen einen eigenen Kosmos in dem man leben kann. Eine Vielzahl von Grundelementen der Natur wird dazu verwendet, wie „Licht, Wasser, Erde, Luft; oder topologische Orte wie Weg, Meer, Berg, Wüste, Feld, Garten; ferner architektonische Gebäude wie Tempel, Haus und Hütte; oder Körperteile wie Hand, Fuß, Auge, Ohr, Mund, Herz.8

In einem Symbol verbindet sich stets ein erster und ein zweiter Sinn. Das Symbol ist immer wörtlich zu nehmen, wie beispielsweise „die Flamme": Im Kontext einer Liebesgeschichte bleibt sie in erster Linie als reale Flamme zu sehen, trägt aber noch einen zweiten Sinn in sich, nämlich die Flamme als Symbol der Liebe.

Hiervon ist die Metapher klar abzugrenzen, denn diese wird missverstanden, wenn sie wörtlich genommen wird. Während ein Symbol ein Teil der Realität ist, ist „eine Metapher „nur" ein sprachliches Phänomen, welches aus der Kombination von semantisch inkongruenten Wörtern und Bedeutungen besteht, die, wenn man sie wörtlich versteht, nicht kombiniert werden dürfen. Nur dadurch nötigen sie den Hörer und Leser, eine übertragene Bedeutung anzunehmen."9 Die symbolische Wahrnehmung von der Realität ist die Grundlage für Metaphern.

Ebenso sind Symbole von Rollen abzugrenzen. Rollen ermöglichen im Gegensatz zu Symbolen eine Identifikation, wie das Rollenangebot der Religionen. Eine Rollenübernahme verändert die Wahrnehmung, wie es auch bei religiösen Rollen der Fall ist, wodurch wir für Gott transparent werden. Hinter jeder Rollenübernahme steht eine korrespondierende Beziehungsaufnahme. Beispielsweise, wer die Rolle eines Schülers übernimmt, begibt sich in Beziehung zu dem Lehrer. Mit diesen Rollen werden auch Rituale verinnerlicht: Der Getaufte wird zum Kind Gottes, wer am Abendmahl teilnimmt wird zum Jünger Jesu.10

Religionen wirken immer am direktesten durch Normen in das Leben hinein. Diese müssen nicht immer in imperativischen Formulierungen sein, auch wenn die Zehn Gebote im Imperativ stehen und die größte Rolle im religiösen Leben spielen. Es gibt aber auch weniger imperativische, mehr sentenzhafte Leitsätze mit Orientierungsfunktion. Manche dieser Leitsätze haben einen hohen Abstraktionsgrad, wie die „Goldene Regel" - das Gebot der Nächstenliebe: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten" (Mt 7,12).11 Das fordert einen jeden unverblümt und direkt auf, nach diesem Vorsatz zu handeln. Symbole hingegen wirken indirekt. Sie sind ein Identifikationsangebot: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun." (Joh 15,5). Hierbei bleibt ohne direkte Forderung offen, ob man diese Rebe sein möchte und dieses Angebot der Verwurzelung annimmt oder nicht.

2.1.2 Wo begegnen wir Symbolen

Die Bedeutung von Symbolen haben in der gegenwärtigen Kultur zunehmend an Stellenwert verloren. Das menschliche Denken konzentriert sich auf vordergründige Dinge, wobei die Tiefe des Denkens, Verstehens und Deutens verloren geht. Ganz ohne Symbole vermag niemand zu leben. Sprache allein kann nur Teilzonen des Lebens erfassen und die Leerstellen der inneren und äußeren Erfahrungen können nur symbolisch gefüllt werden. Somit werden Symbole höchstens ins Unbewusste verdrängt, sprich sie werden apokryph, aber nie aus dem Dasein verschwinden.12 Tagtäglich sind wir nämlich mit Symbolen konfrontiert, im Straßenverkehr, wenn wir dem Nachbarn zunicken, oder wenn wir einem Bekannten ein Smiley senden. Alle stellvertretenden Zeichen, welche die direkte Kommunikation ersetzen sind Symbole.

2.1.3 Die Sprache des Symbols

Das sprechen verschiedener Sprachen hat die Spaltung aller inneren und äußeren Verhältnisse zur Folge.13 Junge Menschen haben eigene symbolische Ausdrucksweisen und einen eigenen Zugang zu den tradierten Symbolwelten.

Das Symbol erfüllt zwei Anforderungen. Es ist ästhetisch und empirisch wahrnehmbar. Es verweist auf eine Transzendenz, eine andere Welt, mit einer transzendenten, himmlischen, hintergründigen, heiligen und göttlichen Dimension.

Religion konstituiert sich nicht aus Lehrsätzen, sondern aus gelebtem und erlebtem Glauben, der auf eine reiche Symbolsprache angewiesen ist. Paul Tillich sagt dazu: „Die Sprache des Glaubens ist die Sprache des Symbols. Der Glaube [...] hat keine andere Sprache als die des Symbols. Wenn ich das sage erwarte ich die Frage: Nur ein Symbol? Wer so fragt, der beweist damit, dass er nichts weiß von dem Unterschied zwischen Zeichen und Symbol und der Macht der Symbolsprache, die an Würde und Kraft die Macht jeder nichtsymbolischen Sprache überragt. Man sollte niemals sagen: >nur ein Symbol< - man sollte viel mehr sagen: >nichts Geringeres als ein Symbol< (Wesen und Wandel, S. 57)".14 Der Blick auf die Religionen bestätigt diese Aussagen, denn was man vorfindet sind Tempel und Kirchen, Musik und Bilder, Rituale und Sakramente, Heilige Orte und Personen, die sich in dieser reichen Symbolwelt entfalten. Auch der christliche Glaube und die Bibel sind ohne ein gutes Symbolverständnis nicht zu verstehen.15

2.2 Bedeutung von Symbolen in der Religion und im Glauben

Paul Tillich stellt die Relevanz der Symbole für die Sprache der Religion so dar. Der Glaube und die Beschreibung von Gott sind auf Symbolverwendungen angewiesen. Die symbolische Sprache ist die eigentliche Sprache der Religion, insbesondere des Christentums. Die Religionspädagogik versucht mit dem korrelationsdidaktischen Ansatz, Leben und Glauben in eine sich gegenseitig bedingte Beziehung zu setzen. Diese Korrelation ist grundsätzlich in Symbolen angelegt: Die im Leben gesammelten Erfahrungen, verweisen auf eine unergründliche Tiefe und geheimnisvolle Wirklichkeit. Um die Glaubensinhalte der biblischen Botschaft zu verstehen und für das eigene Leben zu nutzen, muss die Sprache der Symbole verstanden werden.16 Besonders bei der religiösen Erziehung sind die Inhalte an der Bibel orientiert, wobei Symbole eine zentrale Rolle spielen, da die biblische Botschaft weitgehend in Symbolen übermittelt ist. Als Beispiel für das Mensch-Gott-Verhältnis eignen sich die Ursymbole, wie der Baum, welcher Erdverbundenheit, Getragen sein, nach oben Streben, Abhängigkeit von Erde, Luft und Wasser darstellt.17

Aus der reichen Fülle religiöser Symbol heraus, beschränkt sich diese Arbeit im Nachfolgenden auf das Kreuz und möchte didaktische Wege aufzeigen, dessen symbolische Bedeutung näher zu bringen.

2.3 Der symboldidaktische Ansatz

Alle „höheren" Güter, seien es Bibeltexte, Kunst, Musik und dem Erleben der Natur, haben einen unschätzbar hohen Wert für das Leben, welcher jedoch verblasst, wenn sie nicht um ihrer selbst willen geschätzt werden. Problematisch wird es dann, wenn Bibeltexte nicht mehr wegen ihres Wertes eingesetzt werden, sondern aus Zwecken, wie es bei der problemorientierten Bibeldidaktik der Fall ist. Aus diesem Grund entwickelte sich als Gegenreaktion die Symboldidaktik, welche das große Verdienst hat, sich den Bibeltexten wieder um ihrer selbst willen zu widmen.

Die Bibeldidaktik durchlebte verschiedene Phasen, bei denen der Schwerpunkt unterschiedlich gelegt wurde. Die hermeneutische Bibeldidaktik legte den Fokus auf das Verstehen von Texten, die problemorientierte Didaktik auf das Handeln und die in dieser Arbeit thematisierte Symboldidaktik möchte die Augen des Herzens (Eph 1,18) für die Tiefendimension der Wirklichkeit öffnen, welche eine säkuläre Sprache nicht erreichen kann. Der mehrdeutige Begriff Symbol enthält die Vorstellung einer zweiten hintergründigen Wirklichkeit durch symbolisches Sehen.

Zwar knüpft die Symboldidaktik an der hermeneutischen Bibeldidaktik an, allerdings mit der Bedingung zuvor die Grammatik biblischer Sprache mit der Verwendung von Symbolen, Bildern und Erzählungen einzuüben. Ansonsten besteht die Gefahr den Unterschied zwischen Symbol, Metapher, Erzählung und Gebot zu verwischen und die Zeichensprache der Religion als rein symbolische Sprache zu verstehen und dabei die Wirklichkeitsdimension zu vernachlässigen.

Symboldidaktik zeigt, dass es spezifische Zeichen gibt, welche in konkrete Kontexte verwurzelt sind und ambivalente Wirkungen haben können. Jedoch gehören die Symbole weder der religiösen Sprache an, noch einem universalen Alphabet, noch sind sie ethisch eindeutig.18

Innerhalb des symboldidaktischen Ansatzes gibt es zwei unterschiedliche Akzentuierungen von Hubert Halbfas und Peter Biel, welche im Folgenden dargestellt werden.

2.3.1 Anmerkungen zum Konzept von Hubert Halbfas

Halbfas schließt sich dem Symbolverständnis von C.G. an, welcher Symbole als Menschheits-Schatz archetypischer Urbilder sieht, die eine orientierende und heilende Wirkung haben. Solche Urbilder finden Gestalt in Bildern, Märchen und Mythen. Ihre Innenwelt wird durch das sogenannte „Dritte Auge" zugänglich und nicht über einen rationalen Weg. Das „Dritte Auge" meint den Blick, der hinter die Alltagsgestalten dieser Welt blickt und den geistigen Sinn der Dinge erfasst. Demnach sollen Symbole nicht nur erkannt, sondern erfahren werden. Für den Schulunterricht heißt das Symbole zu inszenieren, durch Erzählungen, Rituale, Feste und Feiern, Stille-Übungen und anderer erfahrungsbezogener Projekte. Die Stille hat für Halbfas eine besondere Bedeutung, da sie für ihn der intensive Weg nach Innen ist. Symbolerschließungen müssen ganzheitlich mit allen Sinnen geschehen, um in vollem Maße erfahren zu werden.19

Gegen das Konzept von Halbfas gibt es Vorwürfe, wonach die kognitive Dimension des Symbol-Lernens vernachlässigt sei und eine Überbetonung der irrationalen Zugänge stattfinde, ohne diese ausreichend kritisch zu reflektieren. Dagegen erhebt Halbfas den Einspruch „dass die kritische Auseinandersetzung stets Bestandteil des Verstehensprozesses sein muss, um dem Sog der archetypischen Bilder nicht zu verfallen"20. Die kritische Auseinandersetzung ist eine erst zu entwickelnde Fähigkeit und wird von Halbfas als Fortgang von der ersten zur zweiten Naivität bezeichnet. Diese Begrifflichkeiten stammen von Paul Ricoer. Die erste Naivität bezeichnet einen Status der kindlichen Entwicklung, bei der Kinder Symbole noch für „wahre Münze nehmen", da sie noch nicht zwischen verschiedenen Wirklichkeits- und Sprachebenen unterscheiden können. Die kritisch-rationale Auseinandersetzung ab dem 12. Lebensjahr, führt zu einem „kritisch-hermeneutischen Bewusstsein", welches zur zweiten Naivität führt und Symbole in ihrer Tiefe und Bedeutung besser verstehen lässt. Das Zentrum von Halbfas Konzept liegt aber deutlich mehr auf der Einübung der Symboldidaktik, als auf der kritischen Auseinandersetzung.21

2.3.2 Anmerkungen zum Konzept von Peter Biel

Biel stütz sich im Vergleich weniger auf die Urbilder, sondern betont den geschichtlichen Charakter der Symbole. Es leitet ihn die Beobachtung, dass Kinder bereits eine Symbolgeschichte aus lebensgeschichtlichen Erfahrungen und Bildern miteinbringen. Somit gewinnt er ein theologisches Kriterium zur ideologischen Auseinandersetzung mit Symbolen. Diese kritische Symbolkunde Biels setzt in der Lebenswelt der Lernenden an und fordert eine symboldidaktische Reflexion. Dabei ist besonders auf die ideologisierende Wirkung der Symbole zu achten: welche schränken die Selbstbestimmung und Freiheit ein oder befreien und führen weiter? Helfen sie bei der Suche nach Identität und Lebenssinn? Was sind Symbole des Habens und was sind Sinnbilder des Seins? Bei dieser Suche nach tragfähigen und authentischen Symbolen kommen die biblischen Symbole und Bilder als mögliches Angebot ins Spiel (Gottesbilder und Reich-Gottes-Symbole, ...).22

2.3.3 Kritik der Symboldidaktik

(1) Die Symbolsprache der Bibel als ungeschichtlicher Ausdruck einer zeitlosen Symbolsprache der Menschheit, welche die Grenzen der Kulturen unterwandert und immer zu denselben Tiefenschichten des Menschseins gelangt.
(2) Die Ambivalenz und destruktive Macht von Symbolen werden zu wenig reflektiert. Es wird zu wenig bedacht, dass es sowohl Symbole des Guten als auch des Bösen gibt.23

Eine Pauschalisierung, dass alle religiöse Rede symbolische Sprache sei, ist nicht möglich, ebenso wenig kann diese Sprache als zeitloses Alphabet betrachtet werden. Ausgehend von der Muttersprache können andere Sprachen erlernt werden, wobei es Entsprechungen im Vokabular gibt, nichts desto trotz bleibt die Symbolsprache der Bibel an eine besondere Geschichte gebunden. Sie ist eine zeitlose Bildsprache, welche bestimmte soziale Erfahrungen der Geschichte kodiert, die den Entstehungskontext auch überschreiten.24

Symbole und Symbolsprache können nicht per se für etwas Gutes gehalten werden. Zwar zielen sie auf eine vertiefte Wahrnehmung der Wirklichkeit ab, um menschliches Verhalten zu kodieren, jedoch kann dieses sowohl gut als auch böse sein. Den Unterschied zwischen Himmel und Hölle macht, ob ein Mensch im Zeichen des Kreuzes oder des Hakenkreuzes handelt. In beiden Fällen machen Symbole Politik und stehen für ein System von Verhaltensweisen, welche menschlich oder unmenschlich sein können. Daher ist es wichtig die Wahrnehmungsdimension der Symbole durch eine Handlungsdimension zu ergänzen.25

2.3.4 Der symboldidaktische Ansatz untermauert durch künstlerische Darstellungen

Die menschliche Wahrnehmung ist von einer unüberschaubaren Anzahl von Bildern geprägt und unser Dasein in eine Bilderwelt verstrickt. Um dieser Bilderflut nicht einfach ausgeliefert zu sein, soll besonders auch den Schüler/innen der Umgang damit bewusstgemacht werden. Sowohl die Formen der bildlichen Darstellung, als auch die Verbreitung und Präsentation nehmen rasant zu. Der Streit zwischen Bild und Schrift ist eindeutig entschieden. Während die Bilder der Reformationszeit noch vermehrt an Worte gebunden war, bedarf es heutzutage bei der allgegenwärtigen Präsenz von Bildern keinen Worten mehr.26 „Alle Äußerungen in der Kunst lassen sich als symbolische verstehen. Denn für den Künstler ist die Sinneswelt nur Stoff für seine Gestaltung, den er mit der unendlichen Fülle seiner Geschichte und inneren Erfahrungen zu durchdringen und umzugestalten sucht. [...] Denn in allem Sinnhaften, allem Blühenden, wohnt eine geistige Kraft, welche bei der Formwerdung des „Stoffes" wegleitend wirkt. Infolgedessen transzendiert jedes Symbol, sei es in [...] das Sinnhafte oder [..] in den geistigen Bereich. [...] Jede künstlerische Gestaltung beruht auf der Symbolwerdung der Natureindrücke."27 Erst, wenn wirkliche Gegensätze zu einer Einheit zusammengeschlossen sind, wirkt sich ein Symbol in seiner vollen Intensität aus. Da in der Natur die abstrakten und geometrischen Gestaltprinzipien enthalten sind, beschränkt sich hierbei die Sinneskraft der abstrakten Kunst. Ihr bleibt die transzendierende Bewegung meist durch die Verfremdung verhindert. Dennoch beruht jede künstlerische Gestaltung auf der Symbolverwendung der Natureindrücke. Symbole können hierbei unmittelbar als strukturelle Gestalten oder verdeckt und im Bau des Bildes verborgen sein.28

Im Verlauf dieser Arbeit soll exakt dieser Versuch der Untermauerung einer Erzählung durch Bilder vorgenommen werden. Für Kinder erschließt sich der Sinn beim Vorlesen aus der Kinderbibel eher durch die Bilder, als durch die Geschichten selbst. Auch bei Jugendlichen und Erwachsenen können Bilder für ein tieferes Verständnis, oder eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Inhalt einer Erzählung eingesetzt werden. Bilder können Details (Gegenstände, Ausdrücke, Beziehungen, Momentaufnahmen, etc.) visualisieren, die beim Lesen überhört oder weniger deutlich dargestellt werden. Beim Betrachten von Bildern kommen die Symbole stärker zum Ausdruck, als beim bloßen Lesen von Texten.

2.3.5 Religiöse Symbole in der Kunst

Seit den frühesten Zeiten versuchen die Menschen mit Hilfe von Bildern und Zeichen den Bestand ihrer Existenz darzustellen. Besonders die prähistorischen Höhlenmalereien sind ein gutes Beispiel dafür, wie der Mensch sich selbst in Bezug auf seine Umwelt inszeniert. Neben diesen gehören zu den ältesten künstlerischen Darstellungen aber auch die Versuche dem Göttlichen menschlichen Ausdruck zu geben. Machtsymbole wie Axt und Hammer sollen Attribute der Gottheiten sein. Diese Darstellungen der Götter tauchen erstmals in Mesopotamien, Kleinasien und Ägypten auf und werden in Griechenland individualisiert, während sie in Israel scharf verurteilt werden. Zum Modell der symbolischen Ausdrucksweisen der religiösen Kunst wird sowohl Ägypten mit der Zahlensymbolik, welche sich in Pyramiden kundtut, als auch die vorderasiatische astronomisch-astrologische Tradition. Die Sphinx ist das wohl bekannteste Beispiel für den Versuch einer Gottesdarstellung mit Menschengestalt. In ihr wurde der Versuch unternommen eine symbolische Synthese der vier Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft darzustellen, indem sie einen Menschenkopf, Löwenpfoten, Stierrücken und Adlerflügel hat.29

Anders verwendeten die Christen ihre Symbole nur durch Worte, mit dem Versuch, das Sagbare und Unsagbare über den wahrhaftigen Gott und wahrhaftigen Menschen Jesus Christus zu verbinden und zu bezeugen. Wegen der wiederholten Verfolgungswellen gab es für die christliche Kunst vorerst keine große Ausbreitungsmöglichkeit. Dennoch sind auf den Überbleibseln in Katakomben, Sarkophagen, Tonlampen durchaus biblische Szenen durch symbolische Zeichen auffindbar, welche die Hoffnung der Christen ausmalen und auf mehr hinweisen, als sie selbst darstellen. Aus dem Tierreich sind es der Fisch, welcher ursprünglich als Erkennungsmerkmal unter den Christen galt. Die Taube, als das Symbol des Friedens (vgl. Noah), aber auch als Zeichen des Heiligen Geistes. Das Lamm, welches zur Tilgung der Sünden geschlachtet wurde und später als Ausdruck für den ewigen Friedensfürsten Jesus Christus verwendet wird. Die Schlange steht als Zeichen der Versuchung und als Verbildlichung des Satans, wie es schon bei der Erzählung vom Sündenfall im Paradies der Fall ist. Aber auch aus der Pflanzenwelt gibt es einige Symbole. Der Baum gilt als Zeichen des Lebens und der Fruchtbarkeit. Der Ölzweig (vgl. Noah) zeigt, dass Land in Sicht ist und die Flut ein Ende hat. Der Weinstock aus der Gleichnisrede, beschreibt die Verwurzelung in Gott. Die Palme galt schon im heidnischen Altertum als Sinnbild des Sieges und mit ihr wird Jesus beim Einzug nach Jerusalem der Weg geebnet.30

Neben all diesen Symbolen ist das Kreuz ein häufig verwendetes Symbol in der Kunst. Bis heute versuchen sich Künstler in seiner Inszenierung, wie Hermann Nitsch als extremstes und modernstes Beispiel zu nennen. In der vorliegenden Arbeit sollen zwei Versuche einer künstlerischen Darstellung zur Kreuzesabnahme in Verbindung mit dem Passionstext aus Markus näher betrachtet werden. Um eine Interpretation zu ermöglichen müssen jedoch einige theoretische Sachverhalte vorangestellt werden, welche dabei helfen sollen zu einem ertragreichen Ergebnis zu führen.

2.3.6 Der Religionsunterricht als ästhetischer Erfahrungsraum

Eine ästhetische Erfahrung ist wörtlich genommen eine sinnlich vermittelte Wahrnehmung und befindet sich im Spannungsfeld zwischen Alltags- und Kunsterfahrungen. Ästhetische Erfahrungen ergeben sich sowohl durch rezeptiven als auch durch produktiven Umgang. Auf die Aufgabenstellung dieser Arbeit bezogen bedeutet dies, dass sowohl das Wahrnehmen der Kunst als auch der weitere Umgang damit, als ästhetischer Vorgang betrachtet werden kann. Im Zusammenspiel von Kunstwerken und Text, soll ein solcher Erfahrungsraum eröffnet werden. Dabei sollen die präsentierten Einzelheiten nicht nur isoliert betrachtet, sondern in eine wechselseitige Beziehung zueinander gesetzt werden. Die Schüler/innen sollen durch Beschreibungen und dem Ausdrücken eigener Erfahrungen ihre sinnliche Wahrnehmung mitteilen. Die biblische oder christliche Kunst bedient sich Ausdrucksmitteln, welche ihr von der Kultur zur Verfügung gestellt werden. Dadurch werden Begegnungen und Verbindungen verschiedener Kulturen geschaffen. Der Künstler gibt zwar seine subjektive Wahrnehmung eines Sachverhalts wieder, aber dieses Abbild seiner Wahrnehmung kann von Betrachtern wiederum subjektiv gedeutet werden und dessen Vorstellung zum Sachverhalt erweitern, aufschlüsseln, in eine neue Richtung lenken oder ganz verwerfen. Wichtig ist es sich darüber im Klaren zu sein, dass es kein Abbild der Wirklichkeit ist, sondern nur eine mögliche Darstellungsweise eines Bibeltextes.31

Solche bilddidaktischen Ansätze sind eignet, um sich theologischen Fragen im Unterricht anzunähern. Die im Unterricht eingesetzten Bilder der Kreuzesabnahme eröffnen eine Möglichkeit der Deutung. Das Betrachten der Kunstwerke soll den Schüler/innen helfen, den Bibeltext der Passionsgeschichte besser zu verstehen und sich auf emotional dem Geschehen einzustimmen.

2.4 Theologie des Kreuzes

Das Kreuz ist das Universalsymbol der gesamten menschlichen Geistesgeschichte. Es gilt als das älteste, reinste und einfachste Heilszeichen, das zu allen Zeiten und in allen Religionen in Anspruch genommen wurde. Schon gegen Ende der Altsteinzeit (11.000 Jahre v. Chr.) haben Menschen dieses Zeichen an Höhlenwänden angebracht oder in Knochen geritzt. Es wird vermutet, dass es als Schutz- und Abwehrzeichen galt. Doch im Laufe der Geschichte veränderte und erweiterte sich die Bedeutung und es verkündet den Menschen das von Gott verheißene Heil und schenkt daher Trost.32 „Das Kreuz spendet als Ursymbol Wärme, Licht, Leben, Befreiung, Geborgenheit, Einheit der Vielheit, und das will besagen: Überwindung jeglicher Spannung - mit einem Wort: das Kreuz kündet und wirkt Erlösung."33 Es ist das einfachste und zugleich wandlungsfähigste Symbol. Derart viele Variationen gibt es von keinem anderen Ursymbol.34 Das Kreuz wird im Lexikon der Symbole nach Knaurs als das universellste der einfachen Symbolzeichen bezeichnet, das keinesfalls auf den christlichen Bereich beschränkt bleibt. Es taucht in vielen unterschiedlichen Kontexten auf (z.B. in Bauplänen von Tempeln und Kirchen, in Weltbilddarstellungen vieler Kulturen usw.).35 Es symbolisiert u.a. die Himmelsrichtungen, das All, die Jahreszeiten, die Gottheit und findet sich als verbreitetes Ornament und Heilszeichen bereits in den ältesten Kulturen wieder.36 Heutzutage gibt es viele Kreuzvarianten und es wird zu unterschiedlichen Aussagen genutzt, z.B. auch in esoterischen Gruppen. Dort beruft man sich damit auf „alte Weisheit“. Im christlichen Kontext bezieht sich die Kreuzsymbolik auf das Hinrichtungswerkzeug Christi, welches vom Instrument exzessiver Grausamkeit, zum Symbol des ewigen Lebens wurde.37 Zu Zeit Jesu’ war der Kreuzestod eine weit verbreitete und oft eingesetzte Todesstrafe der römischen Besatzungsmacht für ihre politischen Gegner. Weil diese Art von Strafe als so erniedrigend galt, durften römische Bürger selbst damit nicht bestraft werden.38 Diese schimpfliche Art der Hinrichtung wurde in Europa nur zögernd anerkannt. Erst in der Epoche der Romanik wurde es als Symbol des Sieges über den Tod akzeptiert.39 Dahin wirkte die paulinische Kreuzestheologie, die den paradoxen Zusammenhang von Tod und Leben, Schmach und Verherrlichung Christi am Kreuz herausstellt. Mit abnehmendem Bibelwissen rückt dieser Aspekt allerdings in den Hintergrund und der Leidensaspekt des Kreuzes immer mehr in den Vordergrund. Das Kreuz als Symbol des menschlichen Leidens und gleichzeitig als Heilssymbol verursacht umso mehr eine Herausforderung und Zumutung des Glaubens. Selbst dem Urchristentum war das „Wort vom Kreuz“ (1. Kor 1, 18) ein Skandal.40 41 „Diesem Wort sich öffnen heißt sich einlassen auf den, der am Kreuz hängt und der Bibel nach, unsere einzige Hoffnung ist.“47

2.4.1 Historischer Hintergrund der Kreuzigung

Für eine deutliche Wahrnehmung dessen, was sich in der Überlieferung des Christentums abgespielt hat und worauf das Ereignis der Kreuzigung historisch basiert, ist es hilfreich den Ursprung des Todes am Kreuz zu kennen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wahrscheinlich kamen die ersten Kreuzigungen bei den Persern auf und wurden von den Römern, am Beispiel der Punier, übernommen. Ausführliche Beschreibungen über den Verlauf einer Kreuzigung sind in der Literatur kaum zu finden. Die wohl deutlichste Durchführung ist in den Evangelien beschrieben. Oftmals bestand sie durch Aufhängen oder Aufspießen an einem Pfahl. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Aufzuhängende nach der vorangegangenen Folter (Geißelung) noch lebt oder nicht.42 „Bei den Römern erfolgte sie meist in der Anheftung an das zusammengesetzte Kreuz. Letzteres hatte T-Form (crux co- missa) oder |-Form (crux immissa)."43 Typisch war auch wie es in den Evangelien geschildert ist, dass der Verurteilte sein Balken oder Kreuz selbst an den Hinrichtungsort tragen musste. Nackt und mit ausgestreckten Armen wurde er dann an den senkrecht eingerammten Pfahl geheftet. Da der Vorgang der Kreuzigung nicht genau festgelegt war, hatte der Henker die Möglichkeit seine Willkür und seinen Sadismus auszuleben. Bei ihm lag die Entscheidung, ob der Hinzurichtende angebunden oder festgenagelt, oder gar beides, wird und ob er einen Holzklotz zur Stützung des Körpers, für einen langsameren Tod bekommt. Während der Belagerung Jerusalems gab es Massenkreuzigungen vor den Toren der Stadt, bei denen jeder Gefangene aus Verhöhnung in einer anderen Stellung ans Kreuz genagelt wurde. Die Gekreuzigten wurden teilweise so lange hängen gelassen, bis sie verwest waren oder Raubtiere über sie herfielen. Die Kreuzigung galt bei den Römer, neben dem Einsperren mit wilden Tieren (vgl. in der Bibel das Buch Daniel, Kapitel 6) als die schändlichste Art zu sterben. Dieser Tod war bei den Römern i.d.R. bei den Schwerverbrechern, Hochverrätern, Aufrührern, fahnenflüchtigen Soldaten und Tempelräubern verhängt. Die Statthalter in den Provinzen konnten durch ihr Imperium und dem Recht zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung ihre Verfügungsgewalt frei verhängen.44 „Bei den Juden konnte in hellenistisch-hasmonäischer Zeit die Kreuzigung bei Hochverrat praktiziert werden."45 Herodes der Große machte keinen Gebrauch mehr von ihr, sodass sie zu Zeit Jesu als römische Hinrichtungsart in Judäa galt und das Kreuz nicht als Symbol des jüdischen Leidens galt. Im Alten Testament, welches dem Judentum entstammt, wird in Dtn 21,23 angeordnet, dass die Leiche nicht über Nacht am Pfahl hängen bleiben darf, sondern am gleichen Tag zu begraben ist. Es wurde mehrfach bezeugt, dass die Schuld und der Grund für die Hinrichtung auf Tafeln verzeichnet wurde, welche dem Verurteilten auf dem Weg zum Richtplatz umgehängt oder vorausgetragen wurden.

2.4.2 Biblische Kreuzestheologien

In der Bibel wird Jesu Tod am Kreuz als unbestrittene Tatsache vorausgesetzt. Zudem wird diese historische Begebenheit durch einige außerbiblische Texte belegt. Die Kreuzesinschrift „König der Juden" (Mk 15,24; vgl. Joh 19,19) wird als ein Indiz dafür gesehen, dass Jesus unter Angaben politischer Vergehen gekreuzigt wurde. Den Aussagen der Evangelien und der Apostelgeschichte nach, wurde Jesu’ einzigartiger Anspruch Sohn Gottes zu sein, als Gotteslästerung empfunden und galt als eigentlicher Grund für seine Verurteilung.46 Die Deutungen des Kreuzes Christi muss vor allem im Licht des neuen Testamentes betrachtet werden. Der Apostel Paulus beschreibt das Geschehen am Kreuz, als Heilshandeln Gottes durch die Hingabe seines Sohnes (Röm 8,32; 1. Kor 1,18ff und 2,2). Bei der Heilsdeutung kommen viele Möglichkeiten in Betracht. Beispielsweise das kultische Motiv des alttestamentlichen Sühneopfers (Apg 20,28; Eph 2,14; 1. Pet 1,18 usw.). Demnach wurde Jesus an Stelle eines Opfertieres für die Sünden hingegeben. Diese älteste Deutung lässt sich u. a. mit den Abendmahlsworten (Mt 26,26-28; Mk 14,22-24; Lk 22,19-22; 1. Kor 11,23-25) erklären.

Eine weitere relevante Deutung steht in enger Verbindung mit einem angrenzenden Thema: Der Auferstehung Christi. Es ist das Motiv von der Überwindung der Hölle und des Todes, durch das Kreuzesgeschehen und die Auferstehung Jesu'. Die letzte für den Unterricht relevante Deutung stellt das, wie auch für Paulus, zentrale Motiv der Rechtsprechung dar: „Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet" (Kol 2, 14).

Diese Vielfalt der Deutungsmotive innerhalb des Neuen Testaments zeigen, dass es keine einfache und eindeutige Erklärung für den Glaubenden gibt, die Heilsbedeutung des Kreuzes zu begreifen. Die Gemeinsamkeit der Deutungsvielfalt lässt sich wie folgt zusammenfassen: Jesu Tod am Kreuz als eine Tat der Liebe Gottes, ohne die es keine Beseitigung der Schuld gibt und für uns Menschen kein Heil.47 Soweit zumindest die Theorie. Um Jugendlichen jedoch einen wahren Zugang zu eröffnen, reicht es nicht die Bibeltexte lesen und erarbeiten zu lassen und theoretisch über sie zu sprechen, sondern es bedarf einer persönlichen Auseinandersetzung, bei welcher auf kritische Weise eine neue Sicht eröffnet wird, welche auch Zweifel und Fragen zulässt.46 47

2.4.3 Das Paradox des Kreuzes im christlichen Glauben

Vorerst erscheint die zentrale Botschaft des Christentums, nämlich Versöhnung mit Gott durch den Kreuzestod Jesu Christi, ziemlich paradox. Mit bloßem Menschenverstand fällt es schwer in diesem Akt etwas Positives zu begreifen. Daher wird der Versuch unternommen zu dieser Erklärung hinzuführen.

Die Evangelien berichten von Gott, indem sie von dem Menschen Jesus von Nazareth erzählen. Diese Geschichte erzählt keine antike Heldenbiografie, sondern sie nimmt ihren Ausgang im Leid und Tod Jesu. Das Genre Evangelium bleibt dem Christentum vorenthalten und bedeutet aus dem griechischen übersetzt „Frohe Botschaft", trotz dass es gegen die Erwartung einer Heldenlegende den Kreuzestod und damit das Leid in das Zentrum rückt. Eigentlich möchte niemand freiwillig leiden. Die sogenannte Passionsfrömmigkeit, setzt das Leid und den Kreuzestod Jesu voraus. Unter den deformierten Bedingungen der Unfreiheit sucht die Leidensmystik nach Räumen einer unangreifbaren Ausdrucksfreiheit.48 Wäre es nicht besser gewesen gerade den Aspekt des qualvollen Todes des Gottessohnes auszusparen, um der heilvollen Botschaft willen? Denn bis heute bleibt die Anstößigkeit des Kreuzes. Die Doppelkodierung Jesu als Mensch und Gott und die Widerspenstigkeit vom Schandtod eines Gottes am Kreuz erschwert sowohl die Anfänge als auch die Weiterführung dieser Religion. Deshalb gab es von Beginn des Christentums an auch Tendenzen, den Kreuzestod in den Hintergrund rücken zu lassen und ihm keine große Bedeutung zuzumessen. So beispielsweise die Gnostiker, welche Jesus als greifbare Erlöserfigur umdeuten, die sich das Menschsein nur scheinbar wie ein Gewandt umgelegt hat. Diese Vorstellung widerspricht somit dem realen Zusammenkommen von Mensch und Gott in ei- nem.49

Am Kreuz wird Anstoß genommen. Sowohl am Kreuzestod selbst, als auch an den Formen und Gestalten, welche in Theologie, Ikonografie, Liturgie und Frömmigkeit daran erinnern. Dieser Anstoß möchte vermeiden, dass Leid und Tod in das Zentrum religiöser Aufmerksamkeit gehört.

[...]


1 Vgl. www.bildungsplaene-bw.de.

2 Vgl. www.kubi-online.de.

3 www.wissen.de.

4 Vgl. Biel, Baudler (1991) S. 35.

5 Vgl. Theißen (2003) S. 82f

6 Berg, Weber (2000) S. 7f

7 Theißen (2003) S. 86.

8 Vgl. ders.

9 Theißen (2003) S. 87f

10 Vgl. ders.

11 Vgl. Theißen (2003) S. 87f

12 Vgl. Rosenberg (1992) S. 83.

13 Rosenberg (1992) S. 9.

14 Berg, Weber (2000) S. 9.

15 Vgl. Berg, Weber (2000) S. 9.

16 Vgl. Bihler (1996) S. 16.

17 Vgl. Berg, Weber (2000) S. 9f.

18 Berg, Weber (2000) S. 8f

19 Vgl. Berg, Weber (2000) S. 9f

20 ders.

21 Vgl. Berg; Weber (2000) S. 11f.

22 Vgl. Berg; Weber (2000) S. 12.

23 Vgl. Theißen (2003) S. 85f

24 Vgl. Theißen (2003) S. 89.

25 Vgl. Theißen (2003) S. 91.

26 Vgl. Mertin, Wendet (2004) S. 17.

27 Rosenberg (1992) S. 86.

28 Vgl. Rosenberg (1992) S. 87.

29 Vgl. Heinz-Mohr (1984) S. 10f.

30 Vgl. Heinz-Mohr (1984) S. 11f.

31 Vgl. Kalloch, Leimgruber, Schwab (2014) S. 293.

32 Vgl. Oberthür (2011) S. 28.

33 Rosenberg (1992) S. 87.

34 Vgl. Rosenberg (1992) S. 87.

35 Vgl. Biedermann (2004) S. 608f.

36 Vgl. Schütz (1988) S. 731f

37 Vgl. Biedermann (2004) S. 608f

38 Vgl. Kremer (1985) S. 13f.

39 Vgl. Biedermann (2004) S. 60f.

40 Vgl. Schütz (1988) S. 731f.

41 Vgl. Schütz (1988) S. 732f.

42 Vgl. Gnilka (1979) S. 318.

43 Gnilka (1979) S. 319.

44 Vgl. ders.

45 ders.

46 Vgl. Kremer (1985) S. 13f

47 Vgl. www.bibelbund.de.

48 Vgl. Wenzel 2011 S. 15.

49 Vgl. Wenzel (2001) S. 15f.

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Das Kreuz als zentrales Symbol des Christentums. Ästhetische Wahrnehmung im Religionsunterricht
Hochschule
Pädagogische Hochschule Weingarten
Note
1,5
Autor
Jahr
2018
Seiten
73
Katalognummer
V991201
ISBN (eBook)
9783346354754
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kreuz, symbol, christentums, ästhetische, wahrnehmung, religionsunterricht
Arbeit zitieren
Ilona Goedel (Autor:in), 2018, Das Kreuz als zentrales Symbol des Christentums. Ästhetische Wahrnehmung im Religionsunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/991201

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