Kindsmord von der frühen Neuzeit bis zu Beginn der Industrialisierung. Kaltblütiger Mord durch die Mutter oder Opfer der sozialen Verhältnisse?


Hausarbeit, 2017

18 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Milieu und Lebensbedingungen der Täterinnen

3 Beweggründe für den Kindsmord

4 Warum der Kindsmord als schwerwiegend angesehen wurde

5 Der Prozess und die Strafen
5.1 Obduktion
5.2 Die Strafen

6 Fallbeispiel und Analyse

7 Zusammenfassung

Quellen- und Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen des Kindsmordes und geht der Frage nach, ob der Kindsmord auf die Kaltblütigkeit der mordenden Mutter zurückzuführen ist, oder die vorherrschenden sozialen Verhältnisse zu der Tat führten.

In dieser Seminararbeit wird auf die Zeit zwischen 1450 und 1800 im deutschsprachigen Raum eingegangen. Es wird dargelegt, welche Einflussfaktoren zusammengespielt haben sein Kind zu töten, dabei wird zuerst darauf eingegangen welcher sozialen Schicht die meisten Kindsmorde vorgeworfen wurden und unter welchen Lebensbedingungen diese Personen lebten. Ein besonderes Augenmerk soll auf die Lebensbedingungen gelegt werden, um einen Überblick über die schwere Lage dieser Personen zu erhalten.

In diesem Zusammenhang wird im weiteren Verlauf auf einige Gründe eingegangen, die zu einer solchen Tat führten, um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, weshalb Frauen ihr eigenes Kind töten konnten. Außerdem wird in dieser Arbeit darauf eingegangen, warum die Tat von der Gesellschaft als ein schweres Delikt angesehen wurde. Dieses Kapitel soll verdeutlichen, wie das damalige Gesellschaftliche denken war, um in diesem Zusammenhang die Strafen nachvollziehen zu können.

Die Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf den Kindsmord, jedoch wird auch auf Strafen bei Kindesaussetzung und Unzucht eingegangen, letztlich wird auf den Strafprozess Bezug genommen. Außerdem ist die Obduktion ein Thema, da diese die Folter mehr und mehr ersetzte.

Anschließend wird ein Fallbeispiel dargelegt und analysiert, dabei werden die Charakteristika einer solchen Tat herausgearbeitet, um anhand dieses Beispiels einen Fall rekonstruieren zu können und somit ein rundes Bild über das Phänomen des Kindsmordes zu erhalten. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt darauf, den Kindsmord besser zu verstehen und die Tat in den gesellschaftlichen Zusammenhang einordnen zu können. Ziel dabei ist es ein umfassendes Bild über den Kindsmord zu geben, um somit die Forschungsfrage beantworten zu können.

Denn wenn jemand zum Täter wurde, lag es immer auch an der Gesellschaft, worauf im Nachfolgenden weiter eingegangen wird.1

Die verfügbaren Quellen enthalten zahlreiche Informationen über die strafrechtliche Verfolgung, jedoch war die damalige Gesellschaft eine durch Männer bestimmte, folglich gab es kaum Aussagen aus Frauenhand oder -mund, somit wurde auch nicht auf die Bewegründe der Tat eingegangen. Dem Gericht ging es lediglich um die Rekonstruktion der Straftat. Demnach gibt es einen lückenhaften Quellenbestand, da die Frauen nicht zu Wort kamen und deren Lebenswirklichkeit kaum in den Blick genommen wurde, und ist folglich subjektiv.

2 Milieu und Lebensbedingungen der Täterinnen

Es fällt auf, dass vorrangig Mägde wegen Kindsmord angeklagt wurden, also Menschen die der sozialen Unterschicht angehörten. 57 Kindsmordfälle sind in der Zeit von 1774 und 1801 in Preußen bekannt. Als Täterinnen sind davon 37 Dienst- und Bauernmägde genannt, dann folgen 10 Handwerker-, Tagelöhner- und Bauerntöchter, in den weiteren Fällen gibt es keine Auskunft.2 Aufgrund der besonderen Häufigkeit wird nun auf die Lebensbedingungen der Mägde eingegangen.

Die Arbeiten, welche Dienstmägde verrichteten waren sehr vielseitig. Sie halfen in der Küche, bei der Kinderaufzucht, beim Verkauf von Waren oder auch bei der Pflege des Hauses, jedoch waren es immer niedrige Dienste.3 Die Entlohnung, die Mägde für ihre Tätigkeit bekamen waren sehr gering. Ihr Lohn war deutlich geringer als der des männlichen Gesindes, meist sparten die Mägde das Geld. Von ihrem Hausherrn bekamen sie neben dem Lohn auch Kost und eine Unterkunft.

Aufgrund der allgemeinen Raumnot und wirtschaftlicher Interessen der Hausherren hatten die Mägde jedoch kaum eigene Schlafkammern. Meist wurde sich ein Zimmer mit dem anderen Dienstpersonal geteilt, indem oft beide Geschlechter schliefen, dies konnte eine sittlich-sexuelle Gefährdung darstellen.4

Nach der Gesindeordnung unterstanden die Dienstmägde dem Hausherrn und der Hausfrau. Diese sollten darauf achten, dass im Haus eine christliche Ordnung herrschte und über das moralische Leben gewacht wurde.

Dies bedeutete, dass das Dienstpersonal nicht ohne Erlaubnis des Hausherrn das Haus verlassen oder Kontakte knüpfen durfte.5

Auch mussten die Mägde eine Einwilligung des Hausherrn haben um heiraten zu können. Somit waren die Mägde einer kompletten Kontrolle unterzogen.

Alle Dienstmägde welche zum Gesinde zählten, waren wie das Gesinde überhaupt unverheiratet.6 Dienstmagd war keine Schicht oder sozialer Stand, vielmehr war es eine Altersgruppe, welche die meisten Frauen durchliefen bis sie Heirateten und ihren eigenen Haushalt gründeten.7

Die Lebensperspektive als eigene Hausfrau mit ehrbaren Kindern war das Ziel der meisten Mägde. Diese Lebensperspektive wurde jedoch erheblich getrübt, wenn sie uneheliche Kinder hatten, denn dann galt die Frau aus „Hure“ was ihre Heiratschancen erheblich minderte. Die soziale Stellung lediger Mütter war also geschädigt, was den sozialen Aufstieg ausschloss und eine Diskriminierung im heutigen Sinne darstellt.

Auch für die Männer hatte es Konsequenzen sich mit einer „leichtfertigen“ Frau zu verheiraten, denn das Handwerk verbot diese Verehelichungen. Wer sich dennoch über das Verbot hinaussetzte musste mit der Schließung seines Ladens durch die Zunft rechnen.8 Der Verlust der Ehre bedeutete also gleichzeitig den Verlust sozialer Existenzmöglichkeiten.

Die Kindsmörderinnen waren zum Zeitpunkt der Tat durchschnittlich in einem Alter zwischen 20 und 30 Jahren, also in dem Alter in dem man zu der Zeit gewöhnlich heiratete und Kinder bekam.9

Frauen aus den gehobenen Schichten, also dem Bürgertum und dem Adel hatten sich viel seltener wegen Kindsmord oder ähnlichen Delikten vor Gericht zu verantwortlichen als Mägde.

Da sie finanziell abgesichert waren und oftmals bessere Problemlösungsstrategien hatten. Denn im Falle einer ungewollten Schwangerschaft gab es die Möglichkeit das Kind fernab der Heimat unbemerkt auf die Welt zu bringen und es dann in einem Kloster unterzubringen. Dies wurde oft als Kur oder Bildungsreise getarnt.10

Somit ist zu sehen, dass die Mägde ein Leben am Existenzminimum führten in dem sie von der Gesellschaft und vorrangig vom Hausherren überwacht wurden, diese ohnehin schon schwierige Lebenslage wäre durch ein unehelich gezeugtes Kind sehr viel komplizierter.

3 Beweggründe für den Kindsmord

Die Beweggründe sein Kind zu töten sind sehr individuell, jedoch gibt es Grundmotive, welche auf einen Großteil der mordenden Mütter zutreffen.

Die Frauen standen oft in der Konfliktsituation das Kind aus materiellen Gründen nicht ernähren zu können, denn eine ledige Magd mit Kind hat nur schwer eine Anstellung bekommen.11

Mägde lebten bei ihrem Dienstherrn im Haus, diese waren jedoch verpflichtet die Magd bei bekannt werden der Schwangerschaft an die Obrigkeit zu denunzieren, und wollten ihr keine Herberge bieten, um ihren eigenen Ruf nicht zu gefährden. Aus diesem Grund hat eine ledige Mutter meist kein Heim in dem sie das Kind hätte großziehen können, somit sahen sie das Kind oft nicht als Opfer, sondern als Ursache aller ihnen drohenden Schwierigkeiten.12

Auch die Gesellschaftlichen Gründe scheinen ein Motiv gewesen zu sein, denn unehelicher Geschlechtsverkehr stand unter Strafe, ledige Mütter wurden Gesellschaftlich gemieden, erlitten Strafen und wurden meist aus der Stadt verwiesen.13

Die Frauen ließen sich oft nach dem vorgeblichen Eheversprechen des Mannes, der meist aus einem ähnlichen sozialen Milieu stammt, auf den Geschlechtsverkehr ein, bei bekannt werden der Schwangerschaft ließen die Männer die Frauen oft im Stich und flüchteten, somit standen die ledigen Frauen mit dem ungeborenen Kind allein.14

Durch ein uneheliches Kind wurde die soziale Stellung der Frau ungemein geschwächt und ein Aufstieg war meist ausgeschlossen. Durch die Obrigkeitliche Ehegesetzgebung wurde der soziale Aufstieg, der meist durch Einheirat geschah, der Unterschicht verwehrt. Im 18. Jahrhundert durften arme Leute nicht heiraten, sie mussten mindestens 200fl vorweisen, eine Summe die selbst die fleißigsten Knechte nicht zusammenbringen konnten. Die Obrigkeit begründetet die Heiratsbeschränkungen damit, dass sie Bettler und arme Leute nicht anwachsen lassen will.15 Dadurch, dass die mittellosen Mägde oft nicht heiraten durften, konnten sie nur uneheliche Kinder zur Welt bringen, durch die sie soziale Demütigungen ertragen mussten. Um diese Demütigungen nicht ertragen zu müssen, schien der Kindsmord eine alternative zu sein, somit leistete die Ehegesetzgebung einen Beitrag am Kindsmord.

Das ablehnende Verhalten der Umwelt scheint ein Grund zu sein, weshalb der Großteil der tot aufgefundenen Kinder unehelich Geborene waren.

Auch kann das Motiv durch Nötigung oder Gewalt schwanger geworden zu sein bestehen, der Kindsmord kann also Folge einer geschlechtlichen Ausbeutung sein.16

Des Weiteren kann auch die Angst vor familiärer Verstoßung ein mögliches Motiv für Kindsmord sein, denn auch das Ansehen der Familie litt darunter, wenn die Tochter unehelichen Geschlechtsverkehr hatte.

Häufig hat die Frau selbst ihre Schwangerschaft nicht wahrgenommen oder sie nicht wahrnehmen wollen, sodass die Geburt für sie überraschend war. Die Verheimlichung der Schwangerschaft geht dem Kindsmord meist voraus, aus diesem Grund gab es größtenteils eine heimliche Geburt, bei der die Mütter oft hilflos und überfordert waren.17

Durch diese hilflose Situation, in der die meisten Frauen das erste Mal waren, wurde die Tat als Ausweg gesehen. Selbst die Verheimlichung der Schwangerschaft stand unter Strafe.18

Auch können die Mütter durch andere Personen angestiftet worden sein ihr Kind zu töten. Oft waren es die Großmütter der getöteten Kinder die Beihilfe an der Tat leisteten.19 Ein Motiv dafür konnte die Vermeidung des öffentlichen Aufsehens sein.

Möglich ist auch das die Mordenden Mütter die Schande für das Kind sofern es unehelich gezeugt war abwenden wollten, denn auch das Kind wäre diskriminiert worden, zudem hätte es keinen Zugang zu „ehrlichen Berufen“ gehabt.20

Oft gaben die Frauen während des Prozesses an, vom Teufel zu solchen Untaten verleitet worden zu sein und aus dem Grund unzurechnungsfähig gewesen zu sein, um ihre Schuld zu mindern.21

Natürlich spielen auch verschiedene Individuelle Probleme eine Rolle, die Mütter dazu veranlasst haben ihr Kind zu töten.

Nur wenige unehelich Schwangere Frauen waren selbstbewusst genug um sich öffentlich zu ihrem Kind zu bekennen.

Es ist also zu sehen, dass es verschiedene Gründe gab, die meist mit der Gesellschaftlichen und Finanziellen Situation zusammenhängen.

4 Warum der Kindsmord als schwerwiegend angesehen wurde

Mit Kindsmord ist die meist vorsätzliche Tötung eines Kindes durch die Mutter gemeint, in den meisten Fällen die Tötung eines unehelichen neugeborenen Kind direkt nach der Geburt.

Kindsmord war in der christlich geprägten Welt ein sehr schweres Delikt, welches mit dem Tot gestraft wurde. Im Folgenden gehe ich darauf ein aus welchen Gründen es schwerwiegend bestraft wurde.

Beim Kindsmord handelt es sich um Verwandtenmord, dieser wurde härter bestraft als „normale Morde“, da der Mord an fremden Menschen milder eingeschätzt wurde als der Mord an Familienmitgliedern.

Es wird angenommen, dass die Kindsmörderin gegen alle menschliche Liebe handelt und sogar die Rache Gottes herausfordert. Um aber die Blut-Schuld von Land und Stadt abzuwenden, muss die Kindsmörderin gnadenlos gestraft werden.22 Denn die christliche Gesellschaft nahm an, dass Gottes Zorn, der durch den Kindsmord verursacht wurde sich auf den ganzen Ort auswirkt, dieser Zorn kann nur mit dem Tot der Kindsmörderin wieder gestillt werden.

[...]


1 Vgl. Richard van Dülmen: Frauen vor Gericht, 1991, S. 107.

2 Vgl. van Dülmen, S.77.

3 Vgl. van Dülmen, S.80.

4 Vgl. van Dülmen, S.79.

5 van Dülmen, S.81.

6 van Dülmen, S.79.

7 van Dülmen, S.77.

8 van Dülmen, S.95.

9 Vgl. Markus Neumann: Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, Band 29, 1995, S.120.

10 Vgl. Häßler, Günther/Häßler, Frank: Kindstötung in der Rechtsgeschichte, in: Kindstod und Kindstötung, hrsg. v. Frank Häßler, Renate Schepker, Detlef Schläfke, Berlin 2008, 31-54, hier S.44.

11 Vgl. Meumann, S.134.

12 Vgl. van Dülmen, S.36.

13 Vgl. Gustav Radbruch, Heinrich Gwinner: Geschichte des Verbrechens, 1990, S.305-306.

14 Vgl. van Dülmen, S.15

15 Vgl. Ernst Schubert: Arme Leute, Band 26, 1983, S. 122

16 Vgl. Radbruch, Gwinner, S.303

17 Vgl. Meumann, S.133

18 Vgl. Meumann, S.116

19 Vgl. Meumann, S.127

20 Vgl. Münch, Paul: Lebensformen in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a. M./ Berlin 1992, S.250

21 Vgl. van Dülmen, S.85, 86

22 Vgl. van Dülmen, S.21

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Kindsmord von der frühen Neuzeit bis zu Beginn der Industrialisierung. Kaltblütiger Mord durch die Mutter oder Opfer der sozialen Verhältnisse?
Hochschule
Universität Siegen
Note
1,7
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V991289
ISBN (eBook)
9783346354235
ISBN (Buch)
9783346354242
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kindsmord, neuzeit, beginn, industrialisierung, kaltblütiger, mord, mutter, opfer, verhältnisse
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Kindsmord von der frühen Neuzeit bis zu Beginn der Industrialisierung. Kaltblütiger Mord durch die Mutter oder Opfer der sozialen Verhältnisse?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/991289

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