Das Prostituiertenschutzgesetz als Entmündigung. Ein kurzer Essay


Essay, 2019

8 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Sexarbeit, ein Thema, welches seit mehr als tausenden von Jahren von kontroversen Diskussionen in der Gesellschaft geprägt ist und auch heute noch immer trotz gesellschaftlicher Veränderungen in Bezug zu ethischen Gesichtspunkten oft in Frage gestellt wird. Das Thema wirkt polarisierend und fordert viele Menschen zu einer Positionierung heraus. Weiterhin ist es ein Thema, welches in jeder Gesellschaft gefragt ist und man deshalb annehmen kann, dass Sexarbeit ein soziales Bedürfnis erfüllt. Trotzdem bleibt es ein Thema, welches häufig tabuisiert und stigmatisiert wird. Aus unterschiedlichen ethischen Werten und kontroversen Meinungen können Diskriminierung, Ausbeutung und Gewalt folgen. Gerade aus diesem Grund benötigt es an speziellen Rechten und besonderen Schutzmaßnahmen für Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind. Doch welche „besonderen“ Rechte werden den Sexarbeiterinnen zugeschrieben und sind diese dadurch auch wirklich geschützt oder wird es an anderen Rechten und Schutzmaßnahmen gebraucht? Fragen, denen ich mich in dem folgenden Essay annähern möchte und argumentativ diskutieren möchte. Im Fokus dieser Fragestellungen liegt das Prostituiertenschutzgesetz, welches als „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ definiert ist und am 01.07.2017 in Kraft getreten ist. Das Prostituiertenschutzgesetz, abgekürzt ProstSchG, soll zusätzlich zum Prostitutionsgesetz, welches im Januar 2002 in Kraft getreten ist und festhält, dass sexuelle Dienstleistungen keine Sittenwidrigkeit mehr darstellen und gleichzeitig einen Rechtsanspruch auf das vereinbarte Honorar festlegt, die in der Sexarbeit Tätigen vor Ausbeutung, Zuhälterei, Gewalt und Menschenhandel schützen. Ein weiteres Ziel des Prostituiertenschutzgesetzes ist es, das Gewerbe der Sexarbeit besser überwachen zu können und somit gefährliche Erscheinungsformen des Gewerbes auszuschließen. Es regelt, dass jeder, der in der Sexarbeit tätig werden will, einer Anmeldepflicht bei der zuständigen Behörde unterliegt. Zusätzlich müssen die Sexarbeiterinnen sich einer Gesundheitsberatung durch eine Behörde unterziehen. Ein zentrales Kernelement des Gesetzes ist das Ziel der Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes und besonders des sexuellen Selbstbestimmungsrechtes von Sexarbeiterinnen. Positiv klingt auch, dass mit dem Gesetz die Erlaubnispflicht für alle Prostitutionsgewerbe eingeführt wurde. Das bedeutet, dass jeder, der ein Prostitutionsgewerbe betreiben will, eine behördliche Erlaubnis benötigt. Dies führt zu mehr Kontrolle der Betreiber und der allgemeinen Betriebe, da diese gesetzlich festgelegte Bedingungen erfüllen müssen was beispielsweise sanitäre Einrichtungen für Sexarbeiterinnen und Kundinnen betrifft. Weiterhin müssen die Zimmer, in denen sexuelle Dienstleistungen erbracht werden, eine Notrufmöglichkeit haben, um Sexarbeiterinnen vor Gewalt oder nicht vorhersehbaren Situationen zu schützen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen erhält alsojemand die Erlaubnis, ein Prostitutionsgewerbe zu führen. Die Gewerbetreibenden tragen mit die Verantwortung dafür, dass die Gesundheit und die Sicherheit von Sexarbeiterinnen gewahrt wird. Zu den Prostitutionsgewerben zählen beispielsweise Bordelle, Sauna- und FKK-Clubs etc. Weiterhin haben die Sexarbeiterinnen das Recht darauf, das Betriebskonzept, welches vom Gewerbebetreiber um eine Erlaubnis zu erhalten vorgelegt werden muss, einzusehen und darauf, dass ihre Arbeitsräume mit Kondomen ausgestattet sind. Die Betreiber eines Prostitutionsgewerbes werden durch die neuen Regelungen des Gesetzes stärker in die Verantwortung genommen und müssen mit hohen Sanktionen bei Gesetzesverstößen rechnen. Durch das Prostituiertenschutzgesetz soll der Zugang zu Unterstützung und Beratung für die in der Sexarbeit Tätigen erleichtert werden und zugleich den Ausstieg aus dem Gewerbe ermöglichen, da Sexarbeiterinnen nach dem Bundesamt für Senioren, Frauen und Jugend auf Grund ihres Berufes erheblichem psychischen und physischen Gefährdungen ausgesetzt sind. Um sich der oben genannten Frage, ob Sexarbeiterinnen durch das Prostituiertenschutzgesetz wirklich geschützt sind oder ob es an anderen Schutzmaßnahmen benötigt wird zu nähern, ist es wichtig zu wissen, welche besonderen Bedarfe und Bedürfnisse Menschen haben, die in der Sexarbeit tätig sind. Zusätzlich ist es wichtig zu wissen mit welchen Risikofaktoren Sexarbeiterinnen konfrontiert sind. Wie oben festgehalten, sind Sexarbeiterinnen besonders von Diskriminierung, Ausbeutung und Gewalt betroffen. Besonders Menschen, die in der Straßenprostitution tätig sind haben ein hohes Risiko Gewalt zu erfahren, da das Erbringen von sexuellen Dienstleistungen an abgelegenen Orten dazu führt, dass die Sexarbeiterinnen hilflos ausgeliefert sind, wenn beispielsweise Gewalt ausgeübt wird. Zudem stellt auch die soziale Isolation und die Ausgrenzung ein weiteres Gewaltrisiko dar. Nach einer Untersuchung des Bundesamtes für Familie, Senioren und Frauen (BMFSF) im Jahr 2004 haben 41% der Sexarbeiterinnen während der Erbringung von sexuellen Dienstleitungen bereits einmal körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erfahren. Ein hohes Risiko auf Gewalterfahrungen haben besonders Sexarbeiterinnen mit Migrationserfahrung, welche einen großen Anteil der Sexarbeiterinnen ausmachen, da diese häufig auf Grund von Sprachbarrieren oftmals keine Kenntnis über ihre Rechte und Pflichten besitzen. Viele der in der Sexarbeit Tätigen geben außerdem an, dass sie besonders das Führen eines sogenannten „Doppellebens“ als belastend empfinden. Damit ist gemeint, dass viele der Sexarbeiterinnen diese Tätigkeit ausführen, aber nicht möchten, dass ihr näheres Umfeld wie beispielsweise die Familie von dieser Tätigkeit Kenntnis erlangt. Zusätzlich empfinden Sexarbeiterinnen die ständige Stigmatisierung als besonders belastend.

Wenn ich Außenstehenden davon erzähle, spüre ich, dass hinter meinem Rücken getu- schelt wird. Das ist schlimm! [...] ,Das belastet die Psyche. Egal was sie sagt oder macht, sie landet immer wieder in der gleichen Schublade.’(Fritz 2018)

Zuletzt haben Sexarbeiterinnen aber natürlich auch ganz „normale“ alltägliche Bedürfnisse und Bedarfe, die jeder andere Mensch in anderen Berufsgruppen auch besitzt wie körperliche, emotionale und soziale Bedürfnisse. Wenn man sich nun die Risikofaktoren mit besonderem Fokus auf das Risiko auf Gewalterfahrung bewusst macht, erscheint das Prostituiertenschutzgesetz zunächst sehr sinnvoll und zielführend. Bei einem genaueren Blick mit dem Vorwissen, was Sexarbeiterinnen als besonders belastend an der Tätigkeit empfinden, stößt man jedoch an Eckpunkte, die sich in Teilen sogar wiedersprechen. Das ursprünglich verfolgte Ziel, Sexarbeiterinnen in ihrer/ihrem Selbstbestimmungsrechtzu stärken kollidiert mit der Pflicht, sich einer Gesundheitsberatung unterziehen zu müssen und einer Anmeldepflicht nachkommen zu müssen. Ein Großteil der Sexarbeiterinnen entscheiden sich bewusst dafür, dieser Tätigkeit anonym nachzugehen um sich vor Stigmatisierungen und Diskriminierungen zu schützen. Durch die verpflichtenden Vorgaben geht allerdings gerade diese, für die Sexarbeiterinnen so wichtige, Anonymität verloren, da sie bei der Beratung ihren vollständigen Namen und ihr Geburtsdatum angeben müssen. Weiterhin kann man sagen, dass durch diese Verpflichtungen, so wie es das Wort schon in sich trägt, das Selbstbestimmungsrecht der Sexarbeiterinnen mehr eingeschränkt als gestärkt wird. Dadurch, dass das Thema der Anonymität so brisant für Sexarbeiterinnen ist, besteht die Gefahr, dass diese durch die Verpflichtungen in die Illegalität ausweichen und somit nicht mehrfür Schutz und Hilfe zugänglich sind. Sollten Sexarbeiterinnen nicht eher als „Experten“ in ihrer Tätigkeit angesehen werden, welche selber am besten wissen wo gesundheitliche Risiken bestehen und wie man mit diesen umzugehen hat? In solch einer Gesundheitsberatung müssen die Sexarbeiterinnen einer ihnen völlig fremden Beratungsperson teils rechtlich problematische und intimste Details aus ihrem persönlichen Leben anvertrauen, was weiterhin einen Grund darstellen könnte auf dem illegalen Wege der Sexarbeit nachzugehen, um diese Prozeduren zu umgehen. Ziel der Gesundheitsberatung war es zusätzlich den Sexarbeiterinnen einen Raum zu geben, in welchem sie sich öffnen können mit der ursprünglichen Hoffnung, so zu erfahren, ob Sexarbeiterinnen ihrer Tätigkeit freiwillig nachgehen. Sexarbeiterinnen haben häufig Benachteiligungen, Ablehnung und Stigmatisierung erlebt. Es ist „lebensfremd“, dass diese sich einer ihnen völlig unbekannten Person einer Behörde in einem Gespräch öffnen. Einrichtungen, die Jahre lang mit Sexarbeiterinnen arbeiten und diese beraten, berichten davon, dass es über Jahre hinweg schwierig ist, das Vertrauen dieser zu gewinnen. Um der Anmeldepflicht nachzukommen, benötigen die Sexarbeiterinnen einen Nachweis darüber, dass sie berechtigt sind in Deutschland eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit auszuüben. Viele Sexarbeiterinnen mit Migrationserfahrung besitzen solch einen Nachweis nicht und werden somit von Anfang an vom Gesetzgeber aus seiner „Fürsorge“ ausgeschlossen, obwohl bei genauerem Überlegen, gerade diese von Ausbeutungsverhältnissen und Gewalt bedroht sind und besonderen Schutz benötigen. Einrichtungen, die mit Sexarbeiterinnen Zusammenarbeiten berichten, dass diese bisher in dem verabschiedeten Gesetz keinen Nutzen sehen.

Stattdessen wurde eine verpflichtende Beratung für alle eingeführt, die eine Beleidung für die Profis ist, das Bild des naiven, unwissenden Opfers reifiziert und die erfolgreiche Arbeit der existierenden, auf Freiwilligkeit beruhenden Beratungsstellen diskreditiert und gefährdet. (Greb; Schrader2018, S. 94)

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Details

Titel
Das Prostituiertenschutzgesetz als Entmündigung. Ein kurzer Essay
Hochschule
Technische Hochschule Köln, ehem. Fachhochschule Köln
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
8
Katalognummer
V992362
ISBN (eBook)
9783346361011
Sprache
Deutsch
Schlagworte
prostituiertenschutzgesetz, entmündigung, essay
Arbeit zitieren
Celina Poetz (Autor:in), 2019, Das Prostituiertenschutzgesetz als Entmündigung. Ein kurzer Essay, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/992362

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