Der Transitionsprozess von trans*identen Menschen. Selbstfindung und Selbstwirksamkeit sowie Erkenntnis- und Entscheidungsprozess

Im Dialog mit sich selbst und der Umwelt


Diplomarbeit, 2021

81 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition, Begriffserklärung und Bedeutung
2.1 Definition
2.2 Begriffserklärung , Bedeutung und Historie

3. Formen der Geschlechtsidentitätsstörung
3.1 Definition der WHO (ICD-10)
3.2 Definition nach DSM-5 (2013)
3.3 Weitere Formen
3.3.1 Intersexualität
3.3.2 Travestie
3.3.3 Androgynie

4. Gründe für Transsexualität - Hypothesen

5. Der innere Weg eines Trans*menschen
5.1 Erkenntnis- und Entscheidungsprozess - Coming-Out
5.2 Die Entscheidung zum Arzt zu gehen - „JA" zur neuen Identität*
5.3 Institutionen aufsuchen - Erfahrungen austauschen

6. Der äußere Weg eines Trans*menschen
6.1 Medizinische Seite
6.1.1 Die Diagnose
6.1.2 Der „Alltagstest"
6.1.3 Die Hormonbehandlung
6.1.4 Die Operation
6.2 Juristische Seite
6.2.1 Die Änderung des Vornamens (=Namensänderung)
6.2.2 Die Personenstandsänderung

7. Die Begleitung - Hilfe - Unterstützung
7.1 psychotherapeutische Begleitungsansätze
7.2 anthroposophische pädagogische Begleitungsansätze
7.2.1 anthroposophische Grundsätze zu Trans*
7.2.2 Früherkennende Begleitung bei Trans*schülern in Waldorfschulen
7.2.3 pädagogische Begleitungsansätze in Erkenntnis- und Entscheidungsprozessen

8. Alltagsproblematiken
8.1 Im privaten Leben
8.2 Im beruflichen Leben

9. Empirische Studie/Interview
9.1 „Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrations-Hinter grund" , Biografie von Jayrome C. Robinet - aus Sicht einer „Frau-zu-Mann- Transsexuellen"
9.2 Interview mit einer Trans*frau 51 „Natascha" (Name geändert), geboren: 1963, in Ehe mit einer Frau lebend
9.3 Interview Prof. Rauchfleisch - SRF 2 „Das Ich im falschen Leib"

10. Resümee

11. Literaturverzeichnis

12. Abbildungsverzeichnis

Anhang 1 - Glossar

Anhang 2 - Beratungsstellen - Vereine -Selbsthilfegruppen

1. Einleitung

Bereits in meiner Schulzeit und als Jugendlicher in meiner Pubertät, hatte ich Kontakte und Begegnungen mit Trans*menschen, Männern in Frauenkleidung, Homosexuellen und Lesben. Im Bekanntenkreis meiner damaligen Partnerin, konnte ich erste Erfahrungen und Erkenntnisse aus persönlichen Begegnungen, Gesprächen und dem Verhalten von Menschen dieses Personenkreises, gewinnen.

Da ich in einem klassischen Mutter-Vater-Kind-Narrativ aufgewachsen bin und römischkatholisch erzogen wurde, waren diese persönlichen Erfahrungen etwas ganz neues für mich. Obwohl meine Eltern den Umgang mit Menschen homosexueller, lesbischer oder anders geschlechtlichen Neigungen nicht befürworteten, pflegte ich trotzdem, schon durch meine Bereitschaft, Gedanken, Visionen und Vorstellungen dieser Menschen näher kennenzulernen, weiterhin Kontakt und erfreute mich an so mancher interessanten Begegnung und der mitunter humorvollen, umgangssprachlich „saloppen", jedoch durchaus eloquenten Gesprächskultur.

Von diesem Moment an, habe ich Trans*menschen, bzw. Homosexuelle und Lesben mit veränderter Sichtweise wahrgenommen. An Stelle von Irritation, Verunsicherung und ursprünglichem Unverständnis, hatten meine positiven kognitiven Erfahrungen, eine beruhigende Wirkung auf mein Verhalten im Umgang, bzw. weiteren Kontakten und Gesprächen mit Trans*menschen zur Folge.

Da ich mich seit vielen Jahren mit systemischer Familientherapie/Familienstellen und Stressablöse beschäftige, sowohl als Protagonist, als auch Aufstellender, wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse über mein Seelenleben und jenes von anderen Menschen gewinnen konnte, stellt sich für mich folgende Frage:

„Was bedeutet der Zustand, sich in einem fremden oder falschen Körper zu befinden für die Seele, das physische und psychische Empfinden, folglich die Findung „seelischer - geistigerkörperlicher" - Identität eines Trans*menschen?"

Im Zuge meines Lehrganges: „Diplom Berufs- und Sozialpädagoge" der Vitalakademie, formte sich gedanklich gegenständliches Thema: „Transsexualität, Die Seele - Gefangen im ,fremden' Körper, für meine Diplomarbeit, obwohl in gängiger Fachliteratur, Artikeln in diversen Fachzeitschriften und auch in Biographien zumeist von: die Seele - im falschen' Körper, gesprochen, bzw. zitiert wird.

Die Arbeit wird versuchen, Ursachen und Gefühle dieser Beurteilung und die ,befremdliche' Wirkung und Erscheinung, des durch Zeugung und Geburt erhaltenen Geschlechts eines Trans*menschen aufzubereiten und zu bearbeiten, um in der Phase des Selbsterkenntnis- und Entscheidungsprozesses bei Trans*menschen, unter Berücksichtigung und Verwendung sozialpädagogischer und anthroposophischer Ansätze in begleitender Gesprächstherapie, einem: „heilenden Gespräch", zusätzliche, zu den üblichen Vernetzungen von Fachleuten aus den Bereichen: Psychologie, Psychiatrie, Endokrinologie, Plastischen Chirurgie, Urologie, Gynäkologie, sowie der Dermatologie, optimale Unterstützung im Transitionsprozess von trans*identen Menschen zu erzielen.

Diese Art der Heilung bezieht sich auf die „Heilung der Seele", „den göttlichen Plan", von dem die theosophische Weltanschauung davon ausgeht, dass dieser die Entwicklung der Menschheit bestimmt, also die äußere menschliche Erscheinung nur die Hülle für das Ego bildet, die Seele den unsterblichen Teil des Menschen, dessen weitere Reise durch die unterschiedlichen Ebenen und Welten, durch gute und böse Taten, im hier und jetzt bestimmt wird1, meines Erachtens, um eine Linderung des Leidensdruckes, nicht um die aktuell noch gültige psychische Erkrankung, im Falle der Transsexualität.

Die vorliegende Diplomarbeit widmet sich dem Dilemma der Identifizierung und dem daraus resultierenden Transitionsprozess, in der Form eines „Weges" (innerer und äußerer), vom Zeitpunkt der Erkenntnis (Beginn des Transitionsprozesses), bis hin zur Geschlechtsumwandlung (dem „neuen Ich"): Erfahrungen, Erkenntnisse und Gefühle erfassen und verschiedene Ansätze aufzeigen, Trans*menschen in Ihrem Transitionsprozess therapeutisch zu begleiten, bzw. festzustellen, ob durch empathische, „heilende" Gespräche eine Identifizierung, ein Erkennen und Annehmen, des für Trans*Menschen zu diesem Zeitpunkt noch „fremden" und/oder falschen Körpers, eine meines Erachtens: „seelische Verschmelzung mit diesem" auch im Zuge des Transitionsprozesses, noch möglich wäre?

Entsprechend des gestiegenen Interesses, bzw. der Aktualität meines Diplomarbeitsthemas, laufender Veränderungen und/oder Adaptierungen in rechtlicher, medizinischer und gesellschaftlicher Hinsicht, gibt es zwar umfangreiche, jedoch Großteils, auf ähnlichen Forschungsansätzen basierende Fachliteratur. Im Hinblick auf therapeutische Begleitung von Trans*menschen in ihrem Transitionsprozess, unter Berücksichtigung sozialpädagogischer und/oder anthroposophischer Ansätze, existiert so gut wie keine spezifische Literatur. Aus diesem Grund möchte die vorliegende Arbeit einen Überblick über das umfangreiche Thema Transsexualität bieten und seine wichtigsten Aspekte in einem akzeptablen, interessanten und verständlichen Umfang darstellen. Es wird ihr nicht immer möglich sein, einzelne Themenbereiche bis ins Detail auszuarbeiten, da dies den vorgegebenen Seitenumfang bei weitem sprengen würde.

Nach Erläuterung und Beschreibung der wichtigsten Begriffe, Bedeutung, Formen der Geschechtsidentitätsstörung und Gründe, wird gegenständliche Arbeit in den Hauptteil überleiten. In der empirischen Studie werden Erfahrungen aus Erkenntnis- und Entscheidungsprozessen von Trans*menschen abgebildet und ein persönliches Interview mit einer Trans*frau geführt und dargestellt. Das Resümee schließt die Arbeit mit einer Zusammenfassung der Arbeit, den wichtigsten Erkenntnissen samt kritischer Auseinandersetzung und meiner eigenen Meinung, im Kapitel 10 ab.

2. Definition, Begriffserklärung und Bedeutung

2.1 Definition

Die Störung der Geschlechtsidentität, eine sogenannte „Geschlechtsinkongruenz" wird durch ein ausgeprägtes, anhaltendes und starkes Unbehagen über und/oder Leiden am eigenen biologischen Geschlecht, einem Nicht-Übereinstimmen zwischen dem vom Trans*menschen empfundenen und des bei Geburt zugewiesenen Geschlechtes charakterisiert. Sie gehen einher mit „unveränderbarem" Wunsch oder steter Beteuerung, dem anderen Geschlecht anzugehören und entsprechend leben zu wollen. Das Unbehagen über das eigene Geschlecht kann bis zum Wunsch nach gegengeschlechtlicher hormoneller Behandlung und nach einer operativen Geschlechtsumwandlung führen.2

Diese kurze Definition, entspricht meines Erachtens den weltweiten Bestrebungen von WHO ICD-10 (weiterführend in den, ab 1.1.2022 gültigen ICD-11) sowie aktueller Fassung der DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (ASA), dem dominierenden psychiatrischen Klassifikationssystem der USA, einer „Entpathologisierung" der Störung der Geschlechtsidentität (=Transidentität) und Geschlechterrolle (=Transgender), worin nicht mehr psychische Störungen ausschlaggebend für die Definition als Krankheit sind, sondern das daraus resultierende Leiden. (siehe auch Formen der Geschlechtsidentitätsstörung, Kapitel 3, S 11)

2.2 Begriffserklärung , Bedeutung und Historie

Zum Thema Transsexualität/Transidentität/Transgender gibt es häufige unterschiedlich begriffliche Verwendung. Meist wird in öffentlichen Diskussionen, aber auch im wissenschaftlichen Bereich der Begriff „Transsexualität" verwendet. Mit Transsexualität wird jedoch nicht das Wesen von Trans*menschen erfasst, da es in diesem Fall nicht um eine sexuelle Ausrichtung oder das Ausleben ihrer Sexualität geht, sondern um ihre „Identität". 3 „Transsexuelle Menschen sind zwar nach ihren äußeren Geschlechtsmerkmalen körperlich einem Geschlecht zuzuordnen, fühlen sich aber dem anderen Geschlecht zugehörig. Transsexualität ist damit gekennzeichnet durch das Auseinanderfallen von äußerem Erscheinungsbild und eigenem Geschlechtsempfinden. Aus diesem Grund sind die Betroffenen bestrebt, sich in Aussehen und Habitus bis hin zu hormoneller und chirurgischer Behandlung (die erste geschlechtsangleichende Operation einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen war 1952 an der Amerikanerin Christine Jörgensen in Dänemark durchgeführt worden) auch äußerlich dem anderen Geschlecht anzupassen. Dadurch möchten sie als Angehörige des Gegengeschlechts anerkannt werden. Terminologisch ist dabei zu unterscheiden zwischen männlichen Transsexuellen, so genannten Frau-zu Mann-transsexuellen, und weiblichen Transsexuellen, die auch als Mann-zu-Frau-Transsexuelle bezeichnet werden. Der Begriff der Transsexualität wird wegen seiner scheinbar ausschließlichen und damit fehlerhaften Verknüpfung mit dem Bereich der Sexualität teilweise auch durch die Begriffe Transidentität oder Transgender ersetzt. Dennoch soll er hier weiter verwendet werden, da er im Sprachgebrauch, in der Fachliteratur und der juristischen Praxis nach wie vor vorherrschend verwendet wird."(Busse, Schriftenreihe Medizin-Ethik-Recht, Bd 32/ S 4-6, 2011)

„Hinweise auf transsexuelle Menschen finden sich schon im Altertum bei Herodot und in vielen Kulturen und Gesellschaften, bei Indianern und Asiaten ebenso wie im Abendland, also ubiquitär.4 5 Durch die bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika entstehende Sexualwissenschaft gewann die Transsexualität zunehmend an Bedeutung. Im deutschen Sprachraum sprach Dr. Magnus Hirschfeld, einer der ersten Pioniere auf dem Gebiet der Sexualforschung und Wissenschaft bereits im Jahre 1923 von , seelischen Transsexualität'. Auf Benjamin (1953) ist die Abgrenzung zum Transvestitismus zurückzuführen. Er begründete mit seinem Buch ” The transsexual phenomenon” (1966) das Verständnis der Transsexualität als nosologische Entität und behandlungswürdige Krankheit, wobei sich das Wort ,Sexualität' auf das körperliche Geschlecht bezieht. (von lateinisch „sexus")5 Dieser Begriff jedoch wird nicht von allen Menschen angenommen und akzeptiert, da er das Wort: ,Sexualität' beinhaltet und somit für einige die körperliche Komponente, im Gegensatz zur sozialen („gender") betont. Es könnte somit die Vermutung entstehen, dass Transsexualität einen Bezug zur sexuellen Orientierung von Trans*menschen darstellt, was aber nicht stimmt. Für manche Menschen ist Transsexualität jedoch eine Form von körperlicher und nicht sozialer Angelegenheit, weshalb sie sich vom Begriff „Transgender" bewusst abgrenzen. Bei der Verwendung des Begriffs „Transidentität" wird betont, dass es sich bei der Transsexualität um eine Identifikation mit dem anderen Geschlecht - und nicht um die Sexualität handelt. So oft das Adjektiv „transident" in Deutschland als Synonym für „transsexuell" verwendet wird, so umstritten ist es auch, weil es suggeriert, dass die körperliche Komponente nicht wichtig wäre und weil diese Bezeichnung so klingt, als ob man es sich aussuchen könnte, so zu sein6.

„Bisher wurden jene Menschen, die im Zuge ihres Geschlechtsrollenwechsels körpermedizinische Maßnahmen durchliefen, meist als transsexuell bezeichnet. Um auch den Vornamen und den Personenstand ändern zu können, wurde eine körperliche Anpassung an das erlebte Geschlecht gefordert. Dabei gab es nur 2 Möglichkeiten: entweder Mann oder Frau. In den letzten Jahren traten jedoch in zunehmendem Maße Personen an die Öffentlichkeit, die zwar ein bestimmtes Ausmaß an Geschlechtsinkongruenz erleben, jedoch keine bzw. wenige körperlichen Veränderungen anstreben und manchmal ein Leben zwischen den etablierten Geschlechtsrollen als für sie wünschenswert erachten. All diese Personengruppen lassen sich unter dem Oberbegriff Transgender zusammenfassen. Transgender: Oberbegriff für Personen mit Geschlechtsinkongruenz, wobei nur ein Teil körperliche Veränderungen anstrebt."(Nieder, et al., 2013)

Sowohl Begriff als auch die Bedeutung hat sich in den letzten hundert Jahren mehrmals maßgeblich verändert. Trans*menschen haben über alle Zeit hin, ein sehr wechselhaftes Schicksal erleiden müssen. Auch wenn heutzutage noch lange nicht alles erforscht und erklärt ist, so konnten doch laut Erfahrungen von Anette Güldenring, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in den vergangenen 50 Jahren wesentliche Fortschritte verzeichnet werden. Lebten doch Trans*menschen in den 50er und 60er Jahren aufgrund einer Verwehrung eines Weges in eine bürgerliche Position, meist am Rande der Gesellschaft in einem juristischen Niemandsland. Hormonbehandlungen und Operationen waren zu dieser Zeit nur für sehr wenige Trans*menschen möglich.7 „Die Folge war ein Leben im Versteckten, in der ständigen Angst entdeckt und ein Opfer massiver Ausgrenzung und Gewalt zu werden." (Rauchfleisch, 2018)

Drei Beispiele von Friedemann Pfäfflin (2011), können dies schlaglichtartig veranschaulichen:

- Vor 100 Jahren drohte einem in Frauenkleidern auftretenden Mann, der sich mit einem andern Mann sexuell einließ, das Zuchthaus. Sein Verhalten wurde bestraft. Heute kann sich ein solcher Mann, sofern er sich als Frau fühlt, auf Krankenkassenkosten umwandeln und seinen Personenstand gerichtlich ändern lassen. Sein Anliegen ist legitimiert.
- Vor 100 Jahren wurde bürgerlichen Frauen von renommierten Psychiatern sexuelle Erlebnisfähigkeit generell abgesprochen; trat sie dennoch in Erscheinung, wurde dies pathologisiert. Heute wird sexuelle Erlebnisfähigkeit als Norm vorausgesetzt; ihre Hemmungen werden als Behandlungsindikation gewertet.
- Entsprechend auf den Kopf gestellt wurde schließlich die Bewertung der Masturbation. Vor 100 Jahren galt sie als ätiopathogenetischer Generalschlüssel. Heute fällt eine diesbezüglich leere Anamnese auf.8

Der Aussage von Annette Güldenring (2014) folgend, umfasst die Thematik Trans* heutzutage mehrere wissenschaftliche Bereiche, und zwar ethische, medizinische, rechtliche und psychosoziale Aspekte. Gerade in den letzten Jahren hat zum Thema Trans*sexualität ein Umdenken stattgefunden, findet diese auch in den westlichen Gesellschaften im öffentlichen Bewusstsein Aufmerksamkeit und können nach jahrelanger Ausgrenzung und Leugnung von Trans*, Trans*menschen auch verstärkt durch öffentliche und mediale Präsenz, für ihre eigenen Rechte, gesellschaftliche Toleranz, vor allem aber auch „echte" Akzeptanz, eintreten.9

Vielmehr ist es die immer noch rigide gehandhabte Zweigeschlechternorm, welche die „Abnorm" - in diesem Fall Trans* - als heilungsbedürftig, als an das vorherrschende Geschlechtersystem anzupassend, sieht. Bestimmend sind einerseits, dieses streng geregelte System der Zweigeschlechtlichkeit (es darf nur Mann und Frau geben) (Dichotome Gesellschaft) sowie der Gedanke der heterosexuellen Fortpflanzungsnotwendigkeit und andererseits die Tatsache, dass „die" Norm eine Abnorm, das Andere (in dem Fall „kranke Transsexuelle") braucht, um sich als Norm konstituieren zu können.10

Es ist daher äußerst schwierig, adäquate Zahlen und somit einen Wert der Bedeutsamkeit im gesellschaftlichen Kontext von Trans*menschen zu nennen, egal ob für Österreich oder im internationalen Vergleich, da die meisten Gesellschaftssysteme gar nicht daran interessiert sind, zu wissen, wie viele Trans*menschen wirklich in ihnen leben. Die vermutlich hohe Anzahl könnte die strikte Zweigeschlechterordnung, auf der sie aufgebaut ist, bedrohen und somit ihre bisherigen Ordnungen und Machtverhältnisse. Würden z.B. trans*- und intergeschlechtliche Identitäten und Lebensweisen anerkannt werden, könnte eine seit Jahrhunderten etablierte Machtposition von Männern über Frauen nicht in der bestehenden Art und Weise weiter funktionieren. Durch das Überschreiten von Geschlechtergrenzen, welches die stark auf den zwei starr definierten Geschlechtern Frau/Mann aufgebaute Gesellschaft bedroht, ist ein geschlechterüberschreitendes Dasein noch immer stigmatisiert. Das veranlasst viele Trans*menschen, sich nicht zu outen bzw. ihr Outing so gut es geht zu vermeiden. Trans* sein ist eine fließende, oft ein Leben lang andauernde, manchmal wechselnde Realität, die nicht punktuell gemessen werden kann. (siehe auch Ausführungen der Arbeit im Kapitel 8.1/Alltagsproblematiken im privaten Leben) Zudem sehen sich viele Trans*menschen selber gar nicht als Trans*person, sondern als Mann oder Frau, die im falschen Körper geboren sind, sie würden sich also bei einer Statistik nie als Trans*personen einordnen. (Baumgartinger, et al., 2008)

In der vom August 2008 stammenden Studie von Baumgartinger und Frketic, finden sich bei Statistik Austria bis August 2008 keine Angaben hinsichtlich trans*- und intergeschlechtlich oder queer lebenden Personen. Internationalen Berechnungen zu Folge, kann mensch davon ausgehen, dass ungefähr 2 - 5 % der Bevölkerung in Österreich als Trans*menschen leben, was bei der Gesamtbevölkerung von ungefähr 8,3 Mio. (Zeitpunkt 2008) eine Zahl von 166.0 bis 415.000 Trans*personen bedeutet.11

3. Formen der Geschlechtsidentitätsstörung

3.1 Definition der WHO (ICD-10)

In der Definition der WHO, in den, wie bereits12 in den Kapiteln Einleitung und Definition erwähnten, noch bis 01.01.2022 gültigen ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme), wird unter insgesamt fünf Formen der „Störungen der Geschlechtsidentität" unterschieden:

Transsexualismus (F64.0) (Bezeichnet den Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechts zu leben und anerkannt zu werden. Dieser Wunsch geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen anatomischen Geschlecht einher. Es besteht der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.)

Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen (F64.1) (Bezieht sich auf das Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung, um die zeitweilige Erfahrung der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht zu erleben. Der Wunsch nach dauerhafter Geschlechtsumwandlung oder chirurgischer Korrektur besteht nicht; der Kleiderwechsel ist nicht von sexueller Erregung begleitet.

„Längst nicht alle Menschen mit transsexuellen Empfindungen streben indes eine hormonelle und chirurgische Angleichung an das Gegengeschlecht an und lassen diese auch durchführen. White und Etter (2004) kommen aufgrund einer Sichtung der internationalen Literatur zum Schluss, dass immerhin 43% bis 50% der Menschen mit einem transsexuellen Syndrom eine Lösung ihres Problems ohne Operation suchen." (White u. Etter, 2004 zit. Rauchfleisch, 2007)

Inkl.: Störung der Geschlechtsidentität in der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter, nicht transsexueller Typus

Exkl.: Fetischistischer Transvestitismus (F65.1)

Störung der Geschlechtsidentität im Kindesalter (F64.2) Diese Störung zeigt sich während der frühen Kindheit, immer lange vor der Pubertät. Sie ist durch ein anhaltendes und starkes Unbehagen über das zugefallene Geschlecht gekennzeichnet, zusammen mit dem Wunsch oder der ständigen Beteuerung, zum anderen Geschlecht zu gehören. Es besteht eine andauernde Beschäftigung mit der Kleidung oder den Aktivitäten des anderen Geschlechtes. Die Diagnose erfordert eine tief greifende Störung der normalen Geschlechtsidentität; eine bloße Knabenhaftigkeit bei Mädchen und ein mädchenhaftes Verhalten bei Jungen sind nicht ausreichend. Geschlechtsidentitätsstörungen bei Personen welche die Pubertät erreicht haben oder gerade erreichen, sind nicht hier, sondern unter (F66.-) zu klassifizieren.

Exkl.: Ichdystone Sexualorientierung (F66.1)

Sexuelle Reifungskrise (F66.0)

Sonstige Störungen der Geschlechtsidentität (F64.8)

Nicht näher bezeichnete Störungen der Geschlechtsidentität (F64.9)

Inkl.: Störung der Geschlechtsrolle o.n.A. (BMSGPK, 2021) (DIMDI, 2021)

3.2 Definition nach DSM-5 (2013)

In den vergangenen Jahren hat sich der Blick auf Trans*sexualität drastisch verändert. Die aktuelle Fassung des DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (ASA), veröffentlicht: Mai 2013, berücksichtigt daher eine modernere Sichtweise. Das in den USA standardmäßig für seelische Erkrankungen und psychische Störungen angewandte DSM, wird jedoch auch in Europa verwendet, regelmäßig überholt und auf den neuesten Stand gebracht. Die neue Bezeichnung Genderdysphorie (Geschlechtsdysphorie) wurde gewählt, um eine Bewertung darüber, was „normal" bzw. kongruent ist, zu vermeiden. Damit ist ein wichtiger Schritt der Entpathologisierung der Trans*identität gemacht, da nicht mehr die Identität selbst als ,psychische Störung' deklariert wird (aber auch die Genderdysphorie immer noch im Katalog von psychischen Störungen fungiert). Mit der Diagnose ,Genderdysphorie' wird vielmehr das ,Leiden an der Geschlechtsinkongruenz' bezeichnet. Unterschieden werden nach DSM-5 zwei Hauptkriterien: (Rauchfleisch, 2016 S. 18)

Kriterium A: Deutliche Inkongruenz zwischen dem Geschlechtsidentitätserleben, bzw. Geschlechtsrollenverhalten und dem zugewiesenen Geschlecht von mindestens sechs Monaten Dauer, das sich in mindestens zwei der folgenden Kriterien äußert:

- deutliche Inkongruenz zwischen dem Geschlechtsidentitätserleben, bzw. Geschlechtsrollenverhalten und den primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmalen
- starker Wunsch, aufgrund dessen von den primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmalen befreit zu sein
- starker Wunsch nach den primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmalen des anderen Geschlechts
- starker Wunsch, das andere Geschlecht zu sein
- starker Wunsch, als das andere Geschlecht behandelt zu werden
- starke Überzeugung, über die typischen Gefühle und Reaktionsweisen des anderen Geschlechts zu verfügen

Kriterium B: Der Zustand ist mit klinisch relevantem Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Lebens-/Funktionsbereichen verbunden. (ebd. 2016 S. 18 f.)

3.3 Weitere Formen

3.3.1 Intersexualität

Bei Vorhandensein sowohl weiblicher als auch männlicher primärer und/oder sekundärer Geschlechtsmerkmale bei einer Person, sodass diese nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, spricht man von Intersexualität. Für Intersexuelle Menschen existieren auch noch andere Bezeichnungen wie, Hermaphroditen oder Zwitter, welche jedoch im normalen Sprachgebrauch heutzutage seltener verwendet werden. Gründe für eine zweigeschlechtliche Entwicklung können etwa in der Fehlbildung der Geschlechtschromosomen, bzw. in einer Störung der hormonellen Einwirkungen während der embryonalen Entwicklung, unter anderem durch Medikamente oder Gendefekte hervorgerufenen, pränatalen Entwicklungsstörungen liegen.

Dementsprechend existieren auch unterschiedliche Ausprägungen der Intersexualität. Obwohl die verschiedenen Ursachen und Erscheinungsformen der Intersexualität bekannt sind, ist die Ursache bei der Hälfte der Fälle unspezifisch und kann nicht genau bestimmt werden13.

Heutzutage ist im Schnitt eines von 2000 Kindern das auf die Welt kommt, körperlich nicht genau einem Geschlecht zuzuordnen. Die Gründe dafür liegen, wie bereits erwähnt, in chromosomalen oder hormonellen Veränderungen. Häufig fehlt jedoch Gesellschaft und Medizin die Akzeptanz für diese Kinder und wird schon von Geburt an in deren körperliche und emotionale Integrität eingegriffen, um sie mit einer „eindeutigen" Geschlechtssituation aufwachsen zu lassen. Eltern werden oftmals gezwungen sich festzulegen, zu welchem Geschlecht das Kind gehören soll und beeinflussen deren Identität durch operative Eingriffe und Erziehung, was wiederum teilweise zu schwerer Traumatisierung und psychischen Erkrankungen führt.

Manche Intersexuelle entscheiden sich im Laufe ihres Lebens bewusst zu einer Änderung des ihnen aufgezwungenen bzw. anerzogenen Geschlechts, wobei das psychische Erleben sich aber erheblich von dem eines Trans*menschen unterscheiden kann14.

3.3.2 Travestie

Auch wenn oft mit Transvestitismus15 verwechselt, hat Travestie im eigentlichen Sinne nichts mit einer Identitätsstörung zu tun. Vielmehr handelt es sich hierbei nur um das Verkleiden als das andere Geschlecht um dies für Shows als Satire oder lustige Aufführung zu nutzen.

3.3.3 Androgynie

Androgyne (aus dem griechischen andros = Mann, gyne = Frau)16 sind Männer oder Frauen die äußerlich und auch in ihren Wesenszügen eher dem anderen Geschlecht ähneln. Bei Männern kann dies z.B. eine helle Stimme, kein oder sehr schwacher Bartwuchs, zarter Teint sein. Bei Frauen kommt es, wie bei umgangsprachlich bezeichneten „Mannsweibern" zu Merkmalen, wie einer sehr tiefen Stimme, einem Frauenbart oder einer knabenhaften (burschikosen) Figur.17

In einem Blog für androgyne Menschen äußert sich eine Betroffene folgendermaßen:

„Ja spitze, und das war's jetzt? Sehr kreativ, oder? Ich jedenfalls konnte damit damals nicht viel anfangen, und ich kann's auch heute nicht. Denn es sind nur Ansätze, und sie beziehen sich nur auf die äußeren Merkmale, nicht aber das Gefühlsleben eines Menschen. Leider werden androgyne Menschen oft mit Hermaphroditen (auch Intersexuelle oder Zwitter genannt) verwechselt, was biologisch völlig verkehrt ist. Hermaphroditen weisen in der Tat primäre und/oder sekundäre körperliche Merkmale beider Geschlechter auf, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Androgyne hingegen nicht, da sind es eher die tertiären (Frisur, Kleidung, Schmuck, Verhalten) Geschlechtsmerkmale, die jemanden äußerlich sichtbar androgyn erscheinen lassen. Aber was ist mit den Gefühlen? Mit der Seele? Was, wenn ich nach außen hin typisch weiblich wirke, mich innerlich aber überhaupt nicht in diese "Rolle" einordnen kann und will? Was, wenn ich aussehe wie die männliche Testosteronbombe schlechthin, meine Seele, mein ganzes Wesen und mein Denken aber auch weiblich fühlt und ist? In meinen Augen gibt es auch noch die innerliche, gefühlte Androgynität, oder vielleicht auch "Seelen-Androgynität" die völlig unter den Tisch gekehrt wird, und nach außen gar nicht sichtbar ist. Kennt Ihr das Yin-Yang-Zeichen? Es vereint die Gegensätze, Schwarz kann ohne Weiß nicht sein, Gut ohne Böse nicht, männlich ohne weiblich nicht. Erst zusammen ergeben Sie ein Ganzes. Oder wusstet ihr, dass alle Menschen in den ersten Tagen ihrer Entstehung weder männlich noch weiblich sind? Wir alle sind geschlechtslos, und erst im Stadium der späteren Entwicklung bekommt der Mensch einen männlichen oder weiblichen Körper. Und manchmal sogar beides (Zwitter)". (Spies, 2008)

Mensch kann in dieser Aussage durchaus erkennen, dass, wie von Janina Spies auf Ihrer Website beschrieben, Gefühle, Gedanken und Zugänge in diesem Kontext sehr vielschichtig sind, dass das „seelische" Befinden, innere Wertigkeiten im Vordergrund stehen und aus diesem Grund einfühlsamen, lebensbegleitenden Therapien (Im Kapitel 7: ,Die Begleitung - Hilfe - Unterstützung', wird die Arbeit näher auf diese Thematik eingehen) bedürfen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 „Was bin Ich?"

Quelle: „eigene Darstellung", (2020) Alfred Rotter - Was_bin_Ich.jpg

4. Gründe für Transsexualität - Hypothesen

Was unter einer Sexualstörung zu verstehen ist, unterliegt in der Historie häufigem Wechsel. Wie kaum eine andere Diagnose wird das Verständnis dieser Störungen durch gesellschaftliche und politische Faktoren beeinflusst. Nicht zuletzt aus diesem Grund liegen bisher keine verlässlichen epidemiologischen Daten vor.18 Es gibt zahlreiche Theorien über die Verursachung der Transsexualität. In Betracht kommen neben somatischen Ursachen auch soziale und psychologische Faktoren.19

„Die Ursachen für das Phänomen Trans* sind nach wie vor ungeklärt. Zwar gibt es viele Hypothesen, die jedoch nicht verifiziert werden konnten. Daher bleiben alle Erklärungsversuche spekulativ. Ein Grundsatzproblem bleibt die Fragestellung, ob es sich bei Trans* um eine krankhafte Form der Geschlechtsidentität handelt oder um eine nonpathologische Normvariante. Heutzutage geht die Tendenz der Betrachtungsweise von Trans* in Richtung der Normvariante. Doch war dies nicht immer so. In den 1970ern und 1980ern wurden Trans*personen so gut wie immer Diagnosen anderer psychischer Erkrankungen auferlegt. Besonders häufig wurde bei ihnen eine Borderline- Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Oft wurden Trans* dem psychotischen Formenkreis zugeordnet. Man sprach von einem "Wahn, dem anderen Geschlecht anzugehören", was für eine Einordnung im schizophrenen Formenkreis spräche. So versteht Volkan (2004) den 'Transsexualismus' denn auch als Ausdruck eines 'infantilen psychotischen Selbst'”18

In seinem Buch Transsexualität - Transidentität vertritt Rauchfleisch (2016) die Auffassung, dass die Ähnlichkeit von Trans* mit Wahnerleben tatsächlich nicht zur Gänze auszuschließen sei und eine derartige Betrachtungsweise weder das Phänomen erklären, noch Trans* weiterhelfen, bzw. Bemühungen und Bestrebungen hinsichtlich ,Entpathologisierung' von Trans* schaden würde. Der Auffassung von Trans* als Geschlechtsidentitätsstörung liegt "eine Störung in der Entwicklung der Kerngeschlechtsidentität" zugrunde. Mit der Kerngeschlechtsidentität ist im Wesentlichen das Gefühl und Verständnis eines Menschen dafür gemeint, seinem biologischen Geschlecht nach entweder männlich oder weiblich zu sein. 19 „Als psychodynamische Ursachen hierfür werden folgende Möglichkeiten in Betracht gezogen: der (oft unbewusste, zum Teil aber direkt ausagierte) Wunsch der Eltern, ein Kind des anderen Geschlechts zu haben; das eher "weibliche" Aussehen und Verhalten der späteren Trans*Frau und das eher "männliche" Aussehen und Verhalten des späteren Trans*Mannes; die (unbewusste) Tendenz eines Elternteils, das Kind dem anderen Geschlecht zuzuweisen, um damit den anderen Elternteil zu verletzen; das Fehlen oder die stark negative Besetzung des gleichgeschlechtlichen Elternteils, wodurch das Kind zur Identifikation mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil gedrängt werde; der ,Transsexualismus'stelle eine Form der verdrängten, als verpönt erlebten, nicht akzeptierten eigenen Homosexualität dar." (Rauchfleisch, 2016 S. 24)

„Als somatische Ursachen wurden postuliert: eine hormonelle Beeinflussung des Fötus mit gegengeschlechtlichen Hormonen in der intrauterinen Entwicklung; Störungen in nicht genauer identifizierbaren Arealen des Gehirns und eine Zeitlang vor allem das Y- chromosomal kodierte Genprodukt Histokompatibilitätsantigen Y (H-Y-Antigen), ein Zellmembranglykoprotein." (Rauchfleisch, 2016 S. 24 f.)

Aus Sicht der Neurowissenschaft wird unter anderem von Milton Diamond (2006, 2010) sowie auch von Haupt (2011, 2012) angeregt, „Trans*identität als eine Form hirngeschlechtlicher Intersexualität zu verstehen". Wie mensch sieht, bleiben alle bis dato bekannten Überlegungen für das Phänomen Trans* entweder nicht schlüssig, viel zu unspezifisch, wie die psychodynamischen Hypothesen, oder mehr oder weniger unbewiesen, wie viele somatische Erklärungsversuche.

5. Der innere Weg eines Trans*menschen

5.1 Erkenntnis- und Entscheidungsprozess - Coming-Out

Im Coming-Out Prozess nehmen Partnerinnen, Familienangehörige, wie Eltern, Großeltern und Geschwister eine zentrale Rolle ein. Nicht selten ist eine solche Mitteilung für die Angehörigen ein Schock und die sozialen Bindungen bzw. Beziehungen müssen neu definiert und zukünftiges Verhalten neu ausgerichtet werden. Hierfür bieten sich gemeinsame Gespräche unter Leitung von Therapeut_innen als sehr sinnvolle Lösung an, bzw. sind diese für den Transitionsprozess (weitere geschlechtsangleichende Phasen), gem. aktuellen Richtlinien unbedingt erforderlich. In den Sitzungen haben die Angehorigen die Möglichkeit Informationslücken zu füllen und die Gefühle von Trans* besser zu verstehen. Konflikte innerhalb der Familie können aufgearbeitet werden, bei tiefer liegenden Konflikten kann auch eine Familientherapie angeregt werden. Eine Verbesserung der familiären Beziehungen ist für beide Seiten sehr wichtig. Die Familie lernt besser mit Veränderungen umzugehen und die Klientin und der Klient gewinnt wichtige Unterstützung auf dem Weg der Geschlechtsangleichung.

Der Coming-Out Prozess betrifft nicht nur die Klientin oder den Klienten, auch seine Angehörigen sind in diesen Prozess mit eingebunden und müssen ihn mehr oder weniger freiwillig mit durchlaufen. Auch sie werden mit Fragen und eventuell auch Vorwürfen aus dem Umfeld umgehen müssen und werden sich in Zukunft mit ihrem trans*identen Familienmitglied in der Öffentlichkeit zeigen. Für viele Familienmitglieder ist das kein einfaches Unterfangen. So tragen Informationsgespräche über das Phänomen Transsexualität, über chirurgische und hormonelle Interventionen und über die rechtliche Situation zu einem gemeinsamen, konstruktiven Coming-Out Prozess bei.

Vor allem für Kinder kann die Geschlechtsumwandlung eines Elternteils problematisch sein. Je nach Alter und Beziehung zu dem jeweiligen Elternteil können die Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen. Daher ist es wichtig in den familientherapeutischen Sitzungen unbedingt auch die Kinder mit einzubeziehen und gemeinsam die anstehenden Veränderungen zu besprechen. Es muss geklärt werden, wie das Kind mit Freundinnen und Freunden bzw. den Eltern dieser mit dem Geschlechtsrollenwechsel des Elternteils umgehen soll und kann. In der Therapie können gemeinsam Handlungsstrategien ausgearbeitet und Ängste abgebaut werden.

Rauchfleisch empfiehlt das Umfeld des Kindes über die Trans*identität des Vaters oder der Mutter zu informieren, damit das Kind nicht auch noch mit dem Verheimlichen der Trans*identität belastet wird. Separat kann das Kind auch noch von einem Kinderpsychologen betreut werden.

Auf die Frage: was die Erkenntnis und/oder Entscheidung trans* zu sein, das Coming-out im beruflichen Kontext bedeutet, wird die Arbeit im Kapitel 8/Alltagsproblematiken unter Punkt 8.1/Im beruflichen Leben, noch genauer eingehen.

5.2 Die Entscheidung zum Arzt zu gehen - „JA" zur neuen Identität*

Der Weg zur Medizinerin und zum Mediziner stellt für viele Trans*menschen einen wichtigen Schritt dar, um sich vollständig im eigenen Geschlecht zu Hause fühlen zu können und auch vom Geschlechtswechsel sozialen Umfeld anerkannt zu werden. Durch Maßnahmen wie Bartepilation, Hormonbehandlung oder die sekundären und primären Geschlechtsmerkmale anpassende Operationen, wird das physische Erscheinungsbild dem Identitätsgeschlecht angeglichen. In Österreich werden viele - wenn auch nicht alle - notwendigen Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen finanziert. Nach einem VwGH-Urteil ist „Transsexualität dann als eine Anspruch auf Krankenbehandlung gemäß § 133 ASVG auslösende Krankheit zu werten, wenn die innere Spannung zwischen dem körperlichen Geschlecht und der seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht eine derartige Ausprägung erfahren hat, dass nur durch die Beseitigung dieser Spannung schwere Symptome psychischer Krankheiten behoben oder gelindert werden". Die Behandlung verläuft im Prinzip in drei Schritten: Psychotherapie, Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen. Nicht alle, die für sich medizinische Behandlungen brauchen, wollen jeden dieser Schritte gehen. Die Erkenntnis, dass es unterschiedliche Bedürfnisse gibt und dass auf die individuellen Wünsche einzugehen ist, um den Erfolg der Behandlung zu gewährleisten, setzt sich erst langsam auch zunehmend unter den behandelnden Ärztinnen und Ärzte und Therapeutinnen und Therapeuten durch.

Geschlechtsangleichende Operationen bedeuten in jedem Fall schwerwiegende und meist irreversible Eingriffe in einen an sich gesunden Körper. Um sicherzustellen, dass die Entscheidung, sich diesen Eingriffen unterziehen zu wollen, gut überlegt ist, wurden Kriterien entwickelt, die als Voraussetzungen für die Behandlungen heranzuziehen sind. Sie sollen einerseits Reuefälle verhindern und andererseits die Ärzt_Innenschaft vor allfälligen Vorwürfen der Körperverletzung schützen. Auf hohem Niveau stehen die von der Welt- professionalsten Gesellschaft für Transgender-Gesundheit (WPATH) herausgegebenen „Standards of Care" (SoC). Diese Empfehlungen wurden von einem internationalen Gremium auf diesem Gebiet profilierter Wissenschafter_Innen, Behandler_Innen und Trans*gender Personen entwickelt, bieten umfassende Informationen zu möglichen Behandlungen und damit einhergehenden Risiken, erlauben einen möglichst individuell flexiblen Behandlungsverlauf und gehen weitestgehend respektvoll mit den Bedürfnissen der Betroffenen um. (Stadt Wien, 2019)

5.3 Institutionen aufsuchen - Erfahrungen austauschen

Für einen positiven Transitionsprozess, stellt der Austausch mit anderen, gleichgesinnten Trans* und/oder auch Cis-menschen eine wichtige Basis dar. Aus diesem Grund gibt es in Österreich viele Anlaufstellen (siehe Kapitel 12 - Anhang 2/Beratungsstellen-Vereine- Selbsthilfegruppen). Hier haben Trans*menschen die Möglichkeit, offen ihre Gefühle und Empfindungen, Erfahrungen und Erkenntnisse anzusprechen und zu diskutieren. Des Weiteren wird neben psychotherapeutischer - auch rechtliche Beratung angeboten. (WASt, Stadt Wien, 2019)

Die „WASt", Wiener Antidiskriminierungsstelle für Gleichgeschlechtliche und Transgender Lebensweisen der Stadt Wien und die Beratungsstelle „Courage" hat zum Thema: Trans*identität, eine umfangreiche, sehr informative Broschüre aufgelegt, welche in PDF- Form unter folgender Internetadresse einzusehen und abrufbar ist: Trans*identitäten (courage-beratung.at)

6. Der äußere Weg eines Trans*menschen

6.1 Medizinische Seite

6.1.1 Die Diagnose

Die Diagnostik richtet sich zunächst auf die psychische Situation der trans*identen Person, da Transsexualität immer noch unter ,psychischen Störungen' als Krankheitsbild fungiert. Für eine sichere Diagnose der Transsexualität müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, die sowohl im ICD-10 als auch im DSM-IV genauer bestimmt sind. (siehe auch Kapitel 3/Formen der Geschlechtsidentitätsstörung) Um eine übersichtlichere Zuordnung von Krankheitsbildern zu erreichen, dienen mehrere amtliche Diagnoseschlüssel, wovon die der DSM und der ICD die im Europäischen Raum gebräuchlichsten sind. Der Diagnostik wird im Allgemeinen besondere Bedeutung geschenkt, um einerseits die Diagnose ,Transidentität' (ICD), bzw. ,Genderdysphorie' (DSM) zu stellen und andererseits frühzeitige Kontraindikationen zu erkennen, z.B. das Vorliegen einer Psychose (Schizophrene Erkrankungen) Dies trifft im Falle der getrennten Diagnostik vor, wenn Psychotherapeut und Begutachter getrennt voneinander eine Diagnose stellen. Falls die Rollen Psychotherapeut und Gutachter nicht voneinander getrennt sind, obliegt dem Psychiater oder dem klinischen Psychologen die Diagnostik und therapeutische Begleitung des Trans*menschen, indem er die Klientinnen und Klienten während einer gewissen - individuell zu planenden - Zeit regelmäßig sieht und sich so ein differenziertes Bild von der psychischen und sozialen Situation dieser Personen macht. Dazu gehört wie im Falle der getrennten Rollen beschrieben, die Feststellung ob es sich um Transsexualität, bzw. Genderdysphorie handelt. Ferner gilt es zu beobachten, wie konstant das Bedürfnis nach dem Leben in der anderen Geschlechtsrolle ist, sowie zu klären, ob die trans*idente Person für sich ein - auch erreichbares - Therapieziel definiert hat, welche Veränderungen der Rollenwechsel im privaten wie im beruflichen Bereich mit sich bringen wird und welche Probleme allenfalls dabei entstehen können.20 Im Wesentlichen wird vorausgesetzt, dass die gegen geschlechtliche Identifikation konstant gegeben sein muss (mindestens 2 Jahre), das eigene Körpergeschlecht abgelehnt wird und der Wunsch nach Anpassung an das andere Geschlecht besteht.21 Zudem müssen psychische Störungen oder differentialdiagnostische Erscheinungen (z.B. Intersexualität) ausgeschlossen werden können.22

Da die Folgen chirurgischer Transformationsmaßnahmen irreversibel und weitreichend sind, ist eine sorgfältige Diagnostik unumgänglich. Die Diagnose für das Vorliegen einer geschlechtlichen Inkongruenz und die Notwendigkeit geschlechtsangleichender Maßnahmen werden im Rahmen eines individuellen diagnostischen und begleitenden Prozesses geklärt. Eine neue Leitlinie (S3) der AWMF23 wurde im Oktober 2018 veröffentlicht. Laut dieser dient die Diagnose dazu, den Zugang zu weiteren psychotherapeutischen und medizinischen Behandlungen zu ermöglichen. Die Diagnose basiert in der Regel auf der Selbstbeschreibung von Trans*menschen. Alltagserprobung und begleitende Psychotherapie sind nicht mehr als absolute Voraussetzungen für geschlechtsangleichende Maßnahmen vorgesehen.24

6.1.2 Der „Alltagstest"

Entsprechend dem Vorgehen vieler Fachleute und Zentren zur Behandlung von Trans*menschen soll die oder der Trans*idente vor allfälligen hormonellen und chirurgischen Interventionen bereits während ein bis zwei Jahren, täglich 24 Stunden in der angestrebten Geschlechtsrolle leben und auf diese Weise den sogenannten „Alltagstest" durchführen. Rauchfleisch findet, dass der Alltagstest, so hilfreich er erscheinen mag, dass Trans*menschen sich selbst, in der angestrebten Geschlechtsrolle erleben und erfahren, wie die Umgebung auf sie reagiert, so sollte dieser keinesfalls obligatorisch sein. Es muss auch in dieser Hinsicht dem betreffenden Trans*menschen überlassen bleiben, wann und ob er überhaupt einen solchen „Alltagstest" durchführen will. In der psychotherapeutischen Begleitung kann besprochen werden, welche Motive der Entscheidung pro oder contra einen Alltagstest zugrunde liegen. Dies kann die - unter Umständen unbegründete - Angst sein, in der Öffentlichkeit in der neuen Rolle abgelehnt und diskriminiert zu werden (siehe auch Kapitel 8.1/Alltagsproblematiken), bzw. kann ein Verzicht auf den Alltagstest aber auch Resultat einer klugen, an der Realität orientierten Entscheidung sein. Dies gilt etwa für Trans*menschen, welche in einem sozialen (z.B. beruflichen) Umfeld leben, das mit großer Wahrscheinlichkeit, wenn nicht sogar mit Sicherheit, mit ausgeprägter „Trans*phobie" (die ja eigentlich nicht Angst vor Trans*menschen, sondern Feindseligkeit ihnen gegenüber ist) reagiert. Da berufliche Stabilität von großer Bedeutung für den Transitionsprozess ist, wäre es hier unsinnig, unnötige Risken einzugehen. Rauchfleisch zitiert in diesem Zusammenhang die Forderungen der Standards of Care (SoC7), der WPATH (2011) sowie den „Altdorfer Empfehlungen" von (Haupt 2011) indem sein Fazit seiner Überlegungen lautet, dass der Alltagstest nicht von außen gefordert werden sollte. (SoC7, WPATH 2011, Haupt 2011 zit. Rauchfleisch, 2016 S. 32, 33 f.)

Hat sich eine Trans*frau oder ein Trans*mann für den „Alltagstest" entschieden, so geht es einerseits darum, dass die/der Trans*idente für sich selbst „testet", ob und wie ihr/ihm der Wechsel in die neue Geschlechtsrolle möglich ist. Zugleich „testet" sie/er aber auch ihre/seine Umgebung, inwieweit sie/er in der Lage ist, ihren/seinen Rollenwechsel mit zu vollziehen und zu akzeptieren. In dieser Phase ist es hilfreich, wenn die/der Trans*idente ein Attest erhält, das sie/er bei Behörden, Ausweiskontrollen, bei der Bank und Post oder in ähnlichen Situationen vorlegen kann und in dem von fachlicher Seite (Gutachter_in oder Psychotherapeut_in) erklärt wird, dass der betreffende Trans*mensch sich im „Alltagstest" befindet und deshalb in der gegengeschlechtlichen Rolle auftritt. (ebd. 2016 S. 33 ff.) In Österreich gilt gemäß Empfehlung des Ministeriums für Frauen und Gesundheit die Ausstellung einer Bestätigung der entsprechenden Fachkraft (Therapeut_in) für die Dauer von max. 2 Jahren.25

6.1.3 Die Hormonbehandlung

Nach dem diagnostischen Prozess erfolgt vorerst, bei Wunsch nach einer Hormonbehandlung, eine urologisch-gynäkologische Untersuchung und ein Risikoscreening hinsichtlich möglicher Kontraindikationen. Bei Bedarf kann eine zytogenetische Untersuchung indiziert sein. Im Falle des Vorliegens von Kontraindikationen sind diese in die fachärztliche, klinisch-psychologische oder psychotherapeutische Behandlung einzubeziehen. Darüber hinaus erfolgt vor der Hormontherapie eine Stellungnahme durch:

- die Klinische Psychologin/den Klinischen Psychologen (a) oder
- die Psychotherapeutin/den Psychotherapeuten (a)
- mit einer anschließenden psychiatrischen Kontrolluntersuchung (b)

sowie einer gemeinsamen Indikationsstellung der beteiligten Berufsgruppen für den weiteren Behandlungsverlauf hinsichtlich psychischer und somatischer Behandlungskomponenten. Bei dieser Indikationsstellung handelt es sich um eine von der/von dem Fallführenden zusammengefasste Stellungnahme (a&b), aus der ein Konsens klar ersichtlich sein soll.

Erst bei Indikationsstellung zur Einleitung somatischer Behandlungsschritte darf eine Hormontherapie erfolgen, die kontinuierlich ärztlich kontrolliert werden muss. Parallel dazu ist die fachärztliche, klinisch-psychologische oder psychotherapeutische Behandlung nach Bedarf fortzusetzen, bei der es auch um die Begleitung der „real life experience" (=Alltagstest, Leben in der angestrebten Geschlechtsrolle) geht. Die Hormontherapie erfolgt in der Regel über den Zeitraum eines Jahres. Danach können bei Wunsch genitalchirurgische Eingriffe vorgenommen werden. Eine Angleichung an die gewünschte Geschlechtsrolle durch Vornahme chirurgischer Eingriffe kann auch ohne vorherige Hormontherapie erfolgen (z. B. Mastektomie). (BMGF, 2017)

6.1.4 Die Operation

Für Trans*menschen, die den ganzen Transitionsprozess durchlaufen wollen, erfolgen die chirurgischen Maßnahmen, nach dem sich gezeigt hat, dass die trans*idente Person mit der hormonellen Medikation zurechtkommt. Nach der Operation wird sie nämlich lebenslang auf die Hormonapplikation angewiesen sein. Üblicherweise fordert der Chirurg für die operative Geschlechtskorrektur zwei befürwortende, unabhängige, ausführliche Gutachten an. Auch Krankenkassen verlangen oft für die Kostenübernahme zwei voneinander unabhängige Gutachten. (Rauchfleisch, 2016 S. 34 ) Dem entspricht auch die Empfehlung des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen, wonach beim Wunsch nach weiterhin bestehenden geschlechtsanpassenden operativen Eingriffen eine neuerliche:

- klinisch-psychologische (a) oder
- psychotherapeutische Stellungnahme (a)
- sowie eine psychiatrische Kontrolluntersuchung und Stellungnahme (b)

durchgeführt werden. Die von der/von dem Fallführenden zusammengefasste Stellungnahme (a&b) muss einen klaren Konsens hinsichtlich der Kontinuität und Unbeeinflussbarkeit des transsexuellen Wunsches bzw. der angestrebten Geschlechtsrolle aufweisen. Aus dieser Stellungnahme ergibt sich die Indikationsstellung für eine operative Behandlung und die Patientin/der Patient kann zu den entsprechenden qualifizierten Fachärztinnen/Fachärzten, die die jeweiligen operativen Eingriffe vornehmen, überwiesen werden. Nachdem der gesamte Behandlungsverlauf gemäß den berufsrechtlichen Vorgaben nachvollziehbar dokumentiert wurde, erfolgt die Durchführung der Operation und Erstellung eines Operationsbefundes. (BMGF, 2017)

Bei Operationen von Trans*frauen werden mit den chirurigschen Interventionen folgende sechs Ziele angestrebt:

- Kastration durch Extirpation der Hoden und Nebenhoden, Penisschaftresektion
- Schaffung einer Neovagina, Auskleidung durch Penishaut
- Schaffung einer weiblichen Harnröhrenmündung
- Formung der Vulva mit großen und kleinen Labien sowie Klitoris,
- Augmentationsplastik der Brust (falls durch die Hormonbehandlung keine ausreichende Gynäkomastie entsteht). (Rauchfleisch, 2016 S. 114)

Bei den Operationen der Trans*männer werden im Rahmen der chirurgischen Angleichung an das männliche Geschlecht die folgenden Veränderungen vorgenommen:

- Brusttransformation (Amputation der Brüste und Erstellung einer männlichen Brustwarze),
- Hysterektomie und Entfernung der Adnexen,
- Falls gewünscht, Erstellung einer Phalloplastik und von Hodenimplantaten.

Bei Trans*männern ist insbesondere eine realistische Auseinandersetzung mit dem Wunsch nach einer Phalloplastik notwendig. Verständlicherweise besteht bei vielen - wenn auch längst nicht bei allen - Trans*männern der Wunsch, dass nicht nur die Brüste amputiert und die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernt werden, sondern dass auch eine Angleichung an das männliche Geschlecht in Form einer Phalloplastik erfolgt, was nach wie vor mit etlichen Schwierigkeiten verbunden ist und nicht immer zu einem befriedigenden Resultat führt. (Rauchfleisch, 2016 S. 115)

6.2 Juristische Seite

6.2.1 Die Änderung des Vornamens (=Namensänderung)

Die Vornamensänderung kann bei der Bezirkshauptmannschaft des Wohnsitzes, in Wien ist das das Standesamt der Abteilung MA 63 (Gewerberecht, Datenschutz und Personenstand) beantragt werden. Sie ist für Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, Konventionsflüchtlinge, Staatenlose oder Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit möglich. Bei der Einreichung sind Meldezettel, Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis, ein Lichtbildausweis, gegebenenfalls Heirats-/Partnerschafts- und Scheidungsurkunden sowie Nachweise akademischer Grade vorzulegen. Für den Antrag fällt eine Gebühr von 14,30 Euro an. Zusätzlich werden für die Bewilligung 545,60 Euro eingehoben, sofern kein gesetzlich verankerter Grund angeführt werden kann ("Wunschname").

Gründe für die Vornamensänderung von Transgender-Personen:

- Der Vorname entspricht nicht dem Geschlecht der Antragstellerin beziehungsweise des Antragstellers (§ 2.2.3. NÄG) Nach einer Personenstandsänderung ist dieser Paragraph ohne weiteren Nachweis gültig.
- Die Antragstellerin beziehungsweise der Antragsteller kann glaubhaft machen, dass die Änderung des Vornamens notwendig ist, um unzumutbare Nachteile in wirtschaftlicher Hinsicht beziehungsweise in ihren oder seinen sozialen Beziehungen zu vermeiden und, dass diese Nachteile auf andere Weise nicht abgewendet werden können (§ 2.1.10 NÄG). Dieser Paragraph ist insbesondere für das Annehmen eines geschlechtsneutralen Vornamens ohne Personenstandsänderung heranzuziehen.

Die Begründung ist durch geeignete Nachweise vor der Behörde glaubhaft zu machen. (WASt, Stadt Wien, 2019)

6.2.2 Die Personenstandsänderung

In der österreichischen Rechtsordnung wird nach derzeitigem Stand „Transsexualität" nicht ausdrücklich berücksichtigt. Das Personenstandsgesetz normiert in § 41, dass Beurkundungen zu ändern sind, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden sind. Die folgenden Kriterien für eine Personenstandsänderung beruhen auf dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 27.02.2009, Zahl 2008/17/0054. Voraussetzung zur Bewilligung einer Personenstandsänderung, die in Österreich unabhängig von somatischen Maßnahmen erfolgen kann, ist eine Stellungnahme einer Fachärztin/eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin oder einer Klinischen Psychologin/eines Klinischen Psychologen oder einer Psychotherapeutin/eines Psychotherapeuten, welche folgende Punkte enthält:

- die Diagnose Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus in der Klassifikation der derzeit gültigen Fassung des DSM bzw. ICD;
- die Feststellung, dass die Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus ohne Behandlung aus heutiger Sicht mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als dauerhaft und irreversibel eingestuft werden kann;
- die Mitteilung, dass sich das äußere Erscheinungsbild der gewünschten Geschlechtsrolle deutlich angenähert hat. (BMGF, 2017)

7. Die Begleitung - Hilfe - Unterstützung

7.1 psychotherapeutische Begleitungsansätze

Eine den Transitionsprozess begleitende bzw. vor- und nachbereitende Psychotherapie erweist sich als sinnvoll, um Hilfestellung für Problemlagen zu bieten, die sich direkt oder indirekt aus der Transition heraus ergeben, beispielsweise den Umgang mit auftretenden Komplikationen, Unzufriedenheit mit den Operationsergebnissen, unerwartete Körpergefühle auf der einen Seite oder Rückhalt und Unterstützung durch das soziale Umfeld, Reaktionen der Umwelt, soziale Einbindung, Zwischenmenschlichkeit und Sexualität auf der anderen. In der Psychotherapie geht es nicht nur um die Bewältigung emotionaler Krisen, die sich aus allgegenwärtigen Belastungssituationen ergeben können, sondern auch um Information und Beratung zu den die Transition betreffenden Themen und eine persönliche Begleitung des Prozesses, auch schon vor der Durchführung der eigentlichen Transition, wenn es um die Frage nach dem Coming-Out, und dem Crossdressing im Zuge des Alltagstestes geht. Auf die möglichen psychosozial belastenden beruflichen, sowie privaten Alltagsbereiche wird im späteren Verlauf der vorliegenden Arbeit im Einzelnen noch darauf eingegangen. Im Idealfall sollte dem Trans*menschen die psychotherapeutische Begleitung nicht aufgezwungen, sondern ihm selbst überlassen werden, ob, wie häufig und wie lange er dieses Angebot für sich in Anspruch nehmen möchte. Nicht zuletzt sind die Psychologen_innen für die zuvor beschriebene Erstellung von Gutachten und Behandlungsindikationen bezüglich der hormonellen und chirurgischen Interventionen, sowie für die rechtlichen Belange der Vornamens- und Personenstandsänderung und die Kostenübernahme durch die Krankenkassen zuständig. Auch das Ausstellen von Bescheinigungen bzw. Identitätsnachweisen zur Vorlage in öffentlichen Institutionen während des Alltagstests kann zu ihren Aufgaben gehören.

(Rauchfleisch, 1999, S 104-109 zit. Reifegerste, 2015 S. S 26); (WASt, Stadt Wien, 2019)

„Trans*menschen stellen sich oft die Frage, wenn sie Psychotherapeuten im Rahmen von Vorgesprächen aufsuchen, was denn Ziel und der Inhalt solcher Therapiesitzungen sein sollen. Manche transidente Klientinnen und Klienten fürchten, die Therapie könne das Ziel verfolgen, sie von ihrer Überzeugung, dem anderen Geschlecht anzugehören, abzubringen und sie zu veranlassen, ihren Plan der hormonellen und chriurgischen Behandlung aufzugeben, eine Ansicht, die auch Hirschauer (1999) vertritt, wenn er die Psychotherapie bei Trans*menschen als „Zwangsberatung" (S. 122) mit dem Ziel des „Aufdeckens von Zweifeln" (S. 173) beschreibt."26

„Dies ist ausdrücklich nicht das Ziel der psychotherapeutischen Begleitung und auch nicht der Begutachtung, obschon selbstverständlich immer wieder auch die Frage, welche weiteren Schritte die Klientin oder der Klient tun will und was sie von diesen erwartet, Thema der Gespräche ist. Nie aber kann es in einer solchen Begleitung darum gehen, der betreffenden Person ihre Überzeugung „ausreden" zu wollen. Das ist zum einen gar nicht möglich, stellen doch die über eine längere Zeit bestehende, nicht veränderbare Überzeugung, dem anderen Geschlecht anzugehören und der Wunsch nach einer hormonellen und /oder chriurgischen Angleichung an das andere Geschlecht Kardinalsymptome der Transidentität dar. Zum anderen wäre es auch ein gänzlich untherapeutisches und unethisches Vorgehen, wenn das Ziel der Behandlung vom Therapeuten festgelegt und ohne Rücksicht auf das Anliegen des Patient_Innen durchgesetzt würde."(Rauchfleisch, 2016 S. 57)

Die den Transitionsprozess begleitenden Therapien stellen letztlich eine Art „Coaching" dar und weisen Erfahrungen von Rauchfleisch nach, zu Beginn in der Regel sinnvollerweise eine Frequenz von einer Sitzung pro Woche und in späteren Phasen der Begleitung kann diese Stundenfrequenz durchaus reduziert werden. Wichtig und essenziell ist es, dass Klientinnen und Klienten ihr „je eigens Tempo" für das Durchlaufen der verschiedenen Phasen im Transitionsprozess finden und beachten. Weder Druck der Umgebung (Angehörige, Partnerinnen oder Partner, andere Trans*menschen oder Fachleute) noch die Befolgung eines rein zeitlichen Rasters, darf zum Weiterschreiten von einer Stufe (Phase) zur nächsten (z.B. Alltagstest - hormonelle Behandlung - Operation) führen. Trans*menschen müssen vielmehr bei sich selbst spüren, wann die Zeit reif ist, für einen weiteren Schritt. Die in diesen Entscheidungsphasen häufig von Trans*menschen erlebten ambivalenten Gefühle bedeuten nicht, dass sie ihre Transidentität grundsätzlich in Frage stellen, sondern müssen im therapeutischen Prozess als „wichtige" Hinweise darauf verstanden werden, dass die Betreffenden noch etwas Zeit für die Konsolidierung ihrer Gefühle und für die in der jeweiligen Phase zu erbringenden Anpassungsleistungen zugestehen müssen. (Rauchfleisch, 2016 S. 57, 58 f.)

Meiner Meinung nach, fällt in diesem Bereich auch die von mir bereits eingangs erwähnte Selbstwirksamkeit, welche sich durch Angleichung an die neue Geschlechtsrolle, die Findung des „geeigneten Passings", während und nach dem Transitionsprozess, in Folge ambivalenter Gefühlszustände, auferlegter „eigener Druck" und Druck, von der Gesellschafft ausgehend, laufend verändert.

Nach Abschluss des geschlechtsangleichenden Eingriffes ist sicher zu stellen, dass die psychotherapeutische Behandlung fortgesetzt wird, da durch die Operationen in den meisten Fällen nicht alle psychischen Probleme gelöst wurden.27

Die Arbeit möchte an dieser Stelle unter anderem, noch zwei erfolgsversprechende Methoden erwähnen, welche sich meiner Auffassung nach sehr gut zur therapeutsichen Begleitung von Trans*menschen eignen.

Den Ansichten und Erkenntnissen C. Rogers, einem wichtigen Vertreter der humanistischen Entwicklungstheorie, in Betrachtung des Selbstkonzeptes von Trans*menschen, wären meines Erachtens, auch die pädagogisch-philosophischen Ansätze für begleitende Therapien bei Trans*menschen praxisnahe einsetzbar. Naudascher beschreibt bereits 1980, in ihrer Arbeit, zur Erfassung des Selbstkonzepts, die beiden Begriffe: Hermeneutik und die Phänomenologie (nicht quantifizierbare, geisteswissenschaftliche Forschungsmethoden). Die Hermeneutik stellt das Verstehen in folgenden Schritten dar:

- Das Antizipieren des Nichtgesagten, d.h. den Anderen (Klient_in) verstehend zur Geltung bringen
- Das Infrage stellen der bisherigen Tatsachen und Zusammenhänge, aus historischem, praktischem und methodischem Interesse
- Die kritische Reflexion, d.h. das Bemühen um ganzheitliche Darstellung/Lösung
- Das Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Klientin und des Klienten
- Eine wachsame Selbstkontrolle bei der Darstellung der Ergebnisse (Voraussetzung für empirische Vorgangsweise)

„Die hermeneutische Methode findet vor allem in Interpretationen schriftlicher Aussagen ihre Anwendung. So können aus Briefen, Biographien und anderen schriftlichen Äußerungen Rückschlüsse auf das Selbstkonzept gezogen werden. In Therapie und Beratung - gleich welcher Methode - ist das Verstehen (Empathie), das Erkennen und Akzeptieren des anderen Standpunkts die Grundvoraussetzung für das Zustandekommen eines Dialogs zwischen Berater_in/Therapeut_In und Klient_in. Das hermeneutische Prinzip des Verstehens hat in jüngster Zeit eine Verlagerung vom Forscher, Berater, Therapeuten zur "Klientin" und zum „Klienten" hin erfahren. Die Bedeutung des Verstehens der eigenen Probleme innerhalb der Selbstkontrolle wurde bereits erwähnt." (Naudascher, 1980 S. 64)

Beim Phänomenologischen Vorgehen, wird Beschreibung der Wesenszüge eines Phänomens (z.B. der Geschlechtsidentitätsstörung der Klientin oder des Klienten) erfasst, was der Klientin und dem Klienten, die Möglichkeit gibt, sich selbst im Phänomen zu erkennen und auszudrücken (m.E. einer Art Standortbestimmung). „Da das Selbstkonzept in phänomenologischer Sicht "die private Welt" des Individuums darstellt, kann es ”im echten und vollständigen Sinne nur dem Individuum selbst bekannt sein" (Rogers, 1976 zit. Naudascher, 1980) Deswegen kann nur das Individuum selbst, aussagekräftige Beurteilung sowie Wahrnehmung über ihre: Selbstzufriedenheit, Selbstakzeptierung, Selbstbegünstigung und die Übereinstimmung und Diskrepanz zwischen Realität und Idealisierung treffen.28

Aufgrund meiner Erfahrungen in Verwendung der systemischen Entwicklungstheorie, welche häufig im system- oder familientherapeutischen Kontext angewendet wird, kann der Transitionsprozess bei Trans*menschen, mit dieser Methodik ebenfalls optimal begleitet werden. Die systemische Entwicklungstheorie stützt sich dabei auf folgende Kriterien: (siehe auch Skriptum der Vitalakademie/"Entwicklungspsychologie", S 15)

- Menschenbild: Die Welt besteht aus Systemen, die nebeneinander, teils ineinander wirken. Der Mensch ist als Rollenträgerin und Rollenträger und als Ausführende und Ausführender, durch die Systeme ebenso beschränkt wie auch ausgeweitet
- Beschreibungsumfang: Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess, in dem das Individuum und die Gesellschaft in gemeinsamen Veränderungsprozessen stehen
- Entwicklungsrichtung: Der Mensch strebt nach Ausgleich seiner Lebenswelten
- Veränderungen: Veränderungen sind wesentlich auf immer neue Zustände hin
- Entwicklungsprozesse: Aufsuchen immer neuer Gleichgewichte in einer neuen Ordnung (Vermeidung, Deutung, Zielkoordination, Grenzziehung...)
- Richtungsgeber: Systeme sind offen und streben immer nach Ordnung. Die Dynamik dahinter ermöglicht permanente Entwicklungsanlässe
- Beeinflussung von außen: Einflüsse von außen sind erwünscht und bedingen Entwicklung
- Bewährung: in Form von kürzeren Behandlungszeiten

Neue systemisch orientierte Entwicklungstheorien erkennen Entwicklung als Prozess der Neuorganisation innerhalb und zwischen verschiedenen Systemen. Da das elterliche Erziehungsverhalten die persönliche und kognitive Entwicklung des Kindes beeinflusst, die Rolle des Individuums, also in einer dynamischen Interaktion mit seiner Umwelt, in die es eingebettet ist, steht und stellt diese Interaktion die Quelle sowohl positiver als auch negativer Veränderungen und auch Entwicklungen dar.29

Die Arbeit verzichtet an dieser Stelle, im Detail, auf weitere psychotherapeutische Begleitansätze einzugehen und wird im Kapitel 10 (Resümee), zusammenfassend die Bedeutung des Zusammenhangs von „Gesellschaft - Psychotherapie (Begutachtung, Begleitung) - Trans*menschen" und den damit verbundenen Schwierigkeiten (Auffassungsdifferenzen), in Bezug zur Bedürfnispyramide nach Maslow , mit einer Abbildung und ergänzenden Erkenntnissen darstellen.

7.2 anthroposophische pädagogische Begleitungsansätze

7.2.1 anthroposophische Grundsätze zu Trans*

Soll die Existenz unklarer Geschlechtsidentität akzeptiert und respektiert werden, oder handelt es sich eher um eine psychologische Dysfunktion, die abgelehnt oder gar völlig geleugnet werden sollte? Diese Arbeit zielt darauf ab, die Trans*-Frage auf zwei Ebenen zu thematisieren. Zum einen, wie kann die freie Geisteswissenschaft unser Denken über Trans*-, das Geschlechterspektrum und Trans*menschen leiten und zum anderen wie können deren Erkenntnisse unter Berücksichtigung pädagogischer Ansätze, die „Heilung der Seele" unterstützen? Transgender aus der Perspektive der freien Geisteswissenschaft Rudolf Steiners Konzept vom menschlichen Geschlecht dehnt sich weit in die ferne Vergangenheit und die ferne Zukunft. Steiner glaubt, dass in früheren Zeiten alle Menschen das gleiche Geschlecht hatten. „Aber das, was wir heute Menschenreich nennen, spaltet sich erst in der lemurischen Zeit in die beiden Geschlechter. Vorher haben wir es zu tun mit einer anders geformten Menschengestalt, die in einer gewissen Weise die beiden Geschlechter undifferenziert in sich enthalten hat." (Rudolf Steiner, GA 107, 1988 zit. AAG Schweiz, 2020)

Steiner führt aus, dass das Geschlecht und seine Evolution untrennbar mit dem spirituellen Fortschritt der Menschheit verbunden sind. Ursprünglich, ein Hermaphrodit, half die Entwicklung der Geschlechter dem Menschen, seine Individualität auszubilden, indem er das Selbst und das Andere wahrnehmen konnte. In unserer heutigen Zeit, in der wir uns vom binären Rahmen der Geschlechter entfernen, betrachten wir das menschliche Geschlecht in einem Kontinuum und bewegen uns zu größerer individueller Freiheit hin zu einem Verständnis nicht durch das Geschlecht determinierten universellen menschlichen Erfahrung. Physisch, sozial und spirituell wird das Geschlecht in Zukunft nur noch von rein theoretischem Interesse sein. „Wenn der Mensch das Übergeschlechtliche findet, dann ist für ihn diese Zeitfrage gelöst." (Rudolf Steiner, GA 56, 1985 zit. AAG Schweiz, 2020) Gender und die menschliche Entwicklung so wie sich in Steiners Vorstellung von der menschlichen Evolution der Mensch von einem ungeschlechtlichen zu einem geschlechtlichen Wesen wandelt und wieder zurück zu einem ungeschlechtlichen, so findet Steiner dieses Muster auch im Lebenszyklus jedes einzelnen Menschen heute. Menschen, so behauptet er, verfügen bis zum Alter von sieben Jahren nicht über ein spezifisches Geschlecht. Er sagt: „Es wird der Mensch in seinen ersten sieben Lebensjahren, wollen wir kurz sagen, so betrachtet, als ob er schon männlich oder weiblich wäre. Das ist vom höheren Gesichtspunkte aus vollständig falsch." (Rudolf Steiner, GA 170, 1992 zit. AAG Schweiz, 2020) Bis zu diesem Zeitpunkt behält das Kind einen eher allgemeinen menschlichen Charakter, der noch nicht in Geschlechter unterteilt ist. Dann im zweiten Jahrsiebt entwickelt der Mensch Geschlechtlichkeit. Wenn ein Mensch aber das Ende seines Lebenszyklus erreicht, wird das Geschlecht wieder zu einem weniger wichtigen Merkmal des physischen Körpers. (AAG Schweiz, 2020)

7.2.2 Früherkennende Begleitung bei Trans*schülern in Waldorfschulen

Trans*schüler stehen vor der großen Herausforderung, einen ausgeglichenen Zustand zwischen ihrem physischen, ätherischen und astralen Leib zu erreichen. Doch neben dieser inneren Herausforderung stehen viele Trans*schüler auch vor sozialen, kulturellen und politischen Hindernissen. Deshalb stellen Trans*jugendliche eine überaus gefährdete Gruppe dar. Wie Michael Sadowki in "Safe Is Not Enough: Better Schools for LGBTQ30 Students", deutlich macht, sind auch innerhalb der LGBTQ-Gemeinschaft Trans*schüler die Untergruppe, die in der Schule den größten Risiken in physischer wie psychischer Hinsicht, aber auch beim Lernerfolg ausgesetzt sind. So sind Trans*schüler oft die letzte Gruppe innerhalb der LGBTQ Community, auf deren Bedürfnisse Pädagogen angemessen eingehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 „The Legatum Prosperity Index 2019 - A tool for transformation"

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/LGBT31

Während die Statistiken über Trans*teenager häufig variieren, liefert PFLAG NYC, eine New Yorker Selbsthilfegruppe, einige zuverlässige Daten über LGBTQ Jugendliche. So berichten LGBTQ-Teenager im Vergleich mit ihren Altersgenossen 8,5-mal häufiger von Selbstmordversuchen und 5,9-mal häufiger von Depressionen; etwa zwei Drittel der LGBTQ- Schüler berichten, dass sie innerhalb des letzten Schuljahres schikaniert wurden; LGBTQ- Teenager leben häufiger in Pflegefamilien, im Jugendarrest und sind unter obdachlosen Jugendlichen überrepräsentiert und doppelt so oft wie 31 andere Jugendliche geben sie an, die High School nicht abschließen zu wollen.32

Einige der sozialen, kulturellen und politischen Herausforderungen, denen sich Jugendliche gegenübersehen, sind leicht auszumachen. So müssen sie beispielsweise die für das bei der Geburt zugeschriebene Geschlecht vorgesehene Toilette benützen und nicht die der Geschlechtsidentität entsprechende; ein direktes Beispiel für die Einschränkung der Rechte von Trans*schülern. Viele Beispiele sind jedoch subtiler. Zum Beispiel werden Kinder in der Schule oft mit "Guten Morgen liebe Jungen und Mädchen" begrüßt oder werden gebeten, sich aufrecht an ihren Schreibtisch zu setzen, "wie Prinzen und Prinzessinnen". Schon sehr früh können Spielzeuge, Farben, Kleidung und unzählige andere Gegenstände, mit denen Kindern zu tun haben, einem Geschlecht zugeordnet werden. Diese Dinge sind weder repressiv noch unfreundlich gemeint. Doch gerade diese automatische Annahme einer binären Welt der Geschlechter macht die Erfahrung einer Geschlechtsidentitätsstörung oder Geschlechtsdysphorie so verstörend. Als letzten Punkt müssen wir uns klarmachen, dass wir eigentlich jeden einzelnen Schüler einbeziehen müssen, wenn wir über die Arbeit mit Trans*schülern sprechen; es wäre nämlich unrealistisch anzunehmen, dass ein Lehrer oder eine Lehrerin intuitiv erkennen kann, welcher Schüler und welche Schülerin ein Problem mit seiner/ihrer Geschlechtsidentität haben könnte. In Anbetracht dieser Herausforderungen und Statistiken stellt sich die Frage, wie wir als Erzieher, Kinder durch die Schulzeit führen können, um sie auf ein Leben als gesunde Menschen vorzubereiten. Denn gleichzeitig befürworten wir als Waldorfpädagogen auch eine geschützten Kindheit, auch wenn wir dieser komplizierten Problematik offen gegenüberstehen und es sehr wichtig ist, den Schülern mit Achtung und Anteilnahme zu begegnen. Es stellt sich die Frage, wie wir es vermeiden können, diese Thematik mit Schülern in einem zu frühen Alter anzusprechen und zu intellektualisieren. Der Lehrer kann beispielsweise darauf achten, dass er sensibler wird für Geschlechterdiversität und keine geschlechtsspezifischen Kommentare von sich gibt. Wird die Problematik allzu direkt angegangen, könnte es sehr verwirrend oder beängstigend sein, das Bewusstsein eines Kindes für Geschlechterunterschiede sensibilisieren, oder das Kind auffordern, seine Geschlechtsidentität zu hinterfragen, zu diskutieren oder zu analysieren. Während eine offene Diskussion in einer Situation angebracht sein könnte, in der das Kind seine eigene Geschlechtsidentität zur Sprache bringt oder diskutiert, muss unser Ansatz in den meisten Fällen ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen Akzeptanz und Schutz, zwischen dem Expliziten und dem Impliziten sein. Hinweise von Steiner Umso radikaler war Rudolf Steiner, als er bei der Gründung der ersten Waldorfschule aus den Trümmern des Ersten Weltkriegs vorschlug, dass Mädchen und Jungen während ihrer 12 oder 13 Jahre in der Schule gemeinsam unterrichtet werden sollten. Noch radikaler war sein Beharren darauf, dass beide Geschlechter die gleichen Fertigkeiten erlernen sollten: Jungen sollten lernen zu stricken und zu weben, Mädchen sollten Maschinen bauen und Land vermessen.

Steiners klare Haltung zur Sexualaufklärung ist, dass Sexualität, insbesondere alles, was mit „Lust auf Macht oder Erotik" zu tun hat, in der Schule nicht diskutiert werden sollte. Er glaubte, dass diese Dinge „ihren Lauf unter der Oberfläche des bewussten Lebens nehmen" und keine Themen für das Klassenzimmer sind. Er sagt weiter, der schlechteste Weg, mit sexuellen Impulsen umzugehen, sei jedoch, viel über diese Dinge zu reden, besonders mit den Kindern selbst, und ihnen alle möglichen theoretischen Ideen in den Kopf zu setzen. Dagegen sollten Pädagogen und Pädagoginnen in den Kindern schon früh ein Gefühl für Schönheit wecken, meint Steiner. Er sagt: „Wenn Sie die Kinder dazu anleiten, die Schönheit und den Glanz von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu empfinden, die Schönheit der Blumen zu empfinden, wenn Sie sie anleiten dazu, die Erhabenheit eines Gewitters zu fühlen, kurz, wenn Sie den ästhetischen Sinn ausbilden, dann tun Sie viel mehr, als mit den manchmal fast bis zum Blödsinn getriebenen sexuellen Unterweisungen, die man heute dem Kinde nicht früh genug beibringen kann. Schönheitsempfindung, ästhetisches Gegenüberstehen gegenüber der Welt, das ist dasjenige, was die Erotik auf das gehörige Maß zurückschraubt." (Rudolf Steiner, GA 302, 1986 zit. AAG Schweiz, 2020)

Wenn wir diese Ideen auf das Thema Geschlechteridentität anwenden, stellen wir fest, dass es viele Aspekte der Natur gibt, die uns helfen können, die Kinder zu leiten. So ist es beispielsweise in den Zoologie-Epochen der vierten Klasse möglich, die komplexen Funktionsweisen der Geschlechter im Tierreich zu untersuchen. Viele Würmer zum Beispiel sind hermaphroditisch, während es eine Froschart gibt, bei der das Geschlecht nicht durch Gene, sondern durch den Temperaturbereich, in dem sich die Eizelle entwickelt, bestimmt wird. Auch in den Botanik-Epochen der fünften Klasse ist es möglich, die vielfältigen Möglichkeiten der Fortpflanzung von Pflanzen zu erforschen: Einige Pflanzen haben männliche und weibliche Arten, andere sind ungeschlechtlich. Sowohl im Pflanzen- als auch im Tierreich finden wir Beispiele für Arten, die im Laufe ihres Lebens von einem Geschlecht zum anderen übergehen. Diesen Aspekt der natürlichen Welt mit Ehrfurcht zu untersuchen, ist sicherlich ein pädagogisch sinnvoller Weg, um sich der Geschlechteridentität zu nähern. Körper, Selbstwertgefühl und Ganzheitlichkeit in der Einleitung zu „Trailing Clouds of Glory: Essays zur menschlichen Sexualität und Jugendbildung in Waldorfschulen", stellt Douglas Gerwin klar, dass „die Sexualerziehung im Hinblick auf den physischen Körper wichtig ist, um Schwangerschaften und Krankheiten vorzubeugen".33 Wenn wir die Erziehungsaspekte betrachten, die wichtig sind, um die körperliche Gesundheit von Transgender-Schülern zu fördern, müssen wir uns auf ihre Gewohnheiten der Selbstsorge und Hygiene konzentrieren, um Dysphorie-bedingter Vernachlässigung entgegenzuwirken. Weil Teenager, die eine Geschlechtsidentitätsstörung erleben, sich von ihrem eigenen physischen Körper getrennt oder sogar abgestoßen fühlen können, benötigen sie unter Umständen direktere Anleitung im Hinblick auf physische Pflege und Hygiene. Darüber hinaus sind Transgender-Jugendliche hinsichtlich Selbstverletzung und Drogenmissbrauch eine Risikogruppe. Auch die Aufklärung der Schüler über die Gefahren solchen Verhaltens erfordert daher unsere Aufmerksamkeit. Gerwin erklärt darüber hinaus, warum ein waldorfpädagogischer Ansatz zur menschlichen Sexualität die Seele oder das Selbstwertgefühl berücksichtigen muss. Er argumentiert gründlich und überzeugend, dass die Kunst - von der Malerei über das Theater bis hin zum Reiten - genau das richtige Werkzeug ist, um die Unerschütterlichkeit der Seele zu erreichen. Schließlich müssen wir als Waldorflehrer auch immer das Ziel verfolgen, ganzheitlich zu erziehen. Gerwin formuliert es so: "Der Zweck eines Sexualkundelehrplans ist es, ein Gefühl der Ganzheit zu entwickeln."

Trans*menschen haben oft Schwierigkeiten, sich ganzheitlich zu fühlen: das Gefühl, unvollständig oder deformiert zu sein, ist das zentrale Thema der Geschlechterdysphorie. Ein Bild der Menschheit als ein großes Ganzes zu vermitteln, in dem wir alle einen kleinen Teil der gesamten menschlichen Erfahrung darstellen, kann für den Trans*schüler von großer Bedeutung sein. Materialien für die Arbeit mit Trans*jugendlichen. Während Steiners Hinweise sowie gut durchdachte Kommentare zeitgenössischer Anthroposophen einen Rahmen bieten, um die Komplexität der Geschlechter pädagogisch fundiert anzugehen, gibt es auch außerhalb der Waldorfpädagogik nicht zu übersehende Ressourcen. (AAG Schweiz, 2020)

7.2.3 pädagogische Begleitungsansätze in Erkenntnis- und Entscheidungsprozessen

Sprechen, Zuhören und verstehen sind Fähigkeiten, die für ein gutes Gespräch unabdingbar sind. Gesprächskompetenz wird heute überall da benötigt, wo Erkenntnis- und Entscheidungsprozesse sich von Einzelnen auf die Gruppe und/oder die Gesellschaft verlagern. Das gute Gespräch, wie auch ein ,heilendes' Gespräch, wenn es sozial wirksam werden soll, bedarf nicht nur der Gabe der Rede, sondern auch der Kunst des Zuhörens. (Zimmermann, 1991)

„Gelingt es uns daher, unser Sprachhören so zu konzentrieren, dass wir uns ganz mit dem Klang der fremden Stimme erfüllen, dann kommt eine intime Wesensbegegnung mit dem Sprecher zustande. Durch das Sprachhören vermittelt, werden wir fremde „Ich-haftigkeit" gewahr". Rudolf Steiner schreibt 1910: „Was dem naiven Bewusstsein so einfach dünkt, das Urteil zu bilden: ,ein Mensch spricht', ist in der Tat das Ergebnis sehr komplizierter Vorgänge. Diese Vorgänge spitzen sich dahin zu: in einem Laute, in welchem man sich erlebt, zugleich ein anderes Ich zu erleben. Es wird bei diesem Erlebnis alles andere außer Acht gelassen und insofern die Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird, die Beziehung von ICH zu ICH in Betracht gezogen. Das ganze Mysterium des Mitgefühls mit einem fremdem Ich drückt sich in dieser Tatsache aus. Will man sie beschreiben, so kann man dies nicht anders, als indem man sagt: der Mensch fühlt das ,eigene ICH' in dem fremden. Vernimmt er dann den Laut des fremden ICH', so lebt das eigene Ich in diesem Laut und damit in dem fremden Ich." (Rudolf Steiner, 1910 zit. Zimmermann, 1991, S 31, 32 f)

Heinz Zimmermann beschreibt diese Form des Zuhörens, als „Das selbstlose Zuhören", wobei, meines Erachtens diese, einen fließenden Übergang in „Das aktive Zuhören" zur Folge hat. Wenn mensch sich in das Gegenüber einlässt, wie Steiner es bereits 1910 zitiert, kann „Heilung“ erfolgen. „Wo ich glaube beweisen zu müssen, spreche ich nicht mehr mit dem andern." 39 Sprechen aus dem Zuhören und der Wahrnehmung des andern heraus vermittelt eine Begegnung, aus der Neues entstehen kann. Je nach der Art, wie jemand zuhört, kann der andere reden. Mit anderen Worten: Aktives Zuhören heißt, dem andern die Möglichkeit geben, Dinge auszusprechen, die er ohne dieses Zuhören nicht oder nicht so hätte aussprechen können.40 Dies garantiert meines Erachtens jene notwendige Vertrauensbasis von Therapeut_In zu Klientin und Klienten.

In ihrem Buch: Begabung und Behinderung, versucht Michaela Glöckler die Ursachen, der scheinbar so ungerechten Verteilung von Begabungen und Behinderungen unter den Menschen zu beleuchten, den Anteil von Vererbung, Erziehung und sozialem Umfeld und auch des Individuums selbst zu ergründen. (Glöckler, 1997)

„Zu den Eigentümlichkeiten des kleinen Wortes „Ich" gehört es, dass jeder Mensch, der zum Selbstbewusstsein erwacht ist, dieses Wort auf sich selber anwendet, indem er sich selbst damit bezeichnet. So wird es einerseits zum Allerpersönlichsten, mit dem der Mensch innerlich Umgang hat; andererseits verbindet es ihn mit allen anderen Menschen, das heißt mit der ganzen Menschheit, da es ja jeder einzelne Mensch auf sich an wendet. [...] Es ist dann ein besonderer Moment - meistens im zweiten, dritten Lebensjahr -, wo plötzlich das Wort „Ich" benutzt wird, oft verbunden mit irgendeinem besonderen Schreck. Das Kind weiß plötzlich: Das bin ICH. Erstmals erlebt es selbstbewusste Identität. Von diesem Augenblick an zieht sich dann das „Ich"-Erleben, wie ein roter Faden als Selbstbewusstsein durch die Fülle der Lebenseindrücke und Erinnerungen. Es gehört aber auch zu den Besonderheiten dieses Wortes, das sein Inhalt schwer zu fassen ist; denn es ist mit ihm eine der schwierigsten Fragen verbunden: Wer bin ich wirklich?" (Glöckler, 1997 S. 17 f)

Um das „Ich“, in der Fragestellung: „Wer bin ich wirklich?“, in Form des eigenen Schicksals, vom Trans*menschen selbst zu erfassen und zu vertiefen, Trans*menschen in ihr „Ich“ zur Erkennung und Annahme zu begleiten, bedeutet meiner Auffassung nach, das vollständige Akzeptieren und Verstehen des „Schicksals“ seitens der Klientin und des Klienten.

vgl. (Bollonow Otto Friedrich, Sprache und Erziehung, Stuttgart 1966, S 38 zit. Zimmermann, 1991 S. 32) vgl. (Zimmermann, 1991)

Dr. Rüdiger Dahlke führt in seinem Interview mit Andreas Meyer (Psychotherapie und Spiritualität) aus, dass es sein Grundziel in der Therapie ist, Menschen dazu zu bringen, aufzuhören, die Verantwortung für das eigene Schicksal wegzuschieben, indem zum Beispiel die Ursachen für Krankheiten, Symptome und Störungen außerhalb der eigenen Person gesucht werden. Der Mensch soll lernen, in jedem Moment seines Lebens die Verantwortung für sich und das, was ihm geschieht, zu übernehmen. 34

Dahlke vertritt hier die Auffassung, dass es bei körperlichen Erkrankungen bedeuten würde, dass mensch versucht, die Botschaft, die ein bestimmtes Krankheitsbild ausdrückt, zu entschlüsseln, diese Botschaft als Lernaufgabe zu begreifen und sich ihr zu stellen. Er geht davon aus, dass ein Mensch in einem Leben bestimmte Aufgaben zu erfüllen hat und dass, wenn er diese nicht bewusst ergreift, sie in unbewusste Regionen sinken und auf einer anderen Ebene, z.B. der körperlichen wieder auftauchen.35

Mensch könnte sich die Frage stellen:

- Welche Auswirkungen im Unbewussten hätte diese Hypothese im Falle von psychischen Erkrankungen?
- Wie kann die Kongruenz von Seele und Astralleib zu physischen- und Ätherleib hergestellt werden?

Bei seiner Art der Therapie liegt die Sinnhaftigkeit darin, die verdrängten Lernaufgaben wieder ins Bewusstsein zu heben. Es geht darum, am Ende einer Therapie wirklich die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, damit aufzuhören, Schuldige zu suchen.

Mensch könnte sich die Frage stellen:

- Darf mensch annehmen, dass eine mögliche Schuld (~Ursache?) NICHT in Form eines FALSCHEN oder FREMDEN Körpers zu finden ist?
- Mit welcher seelischen Last in Form von Schuld identifiziert sich die Klientin oder der Klient?

Die von Dahlke praktizierte Reinkarnationstherapie ist auf keinen Fall so etwas wie eine zeitlich ausgedehnte Psychoanalyse, die etwa in das zweite, dritte Lebensjahr zurückgehen, nun bis ins vorige Erdenleben zurückgeht, um dort die Schuldigen oder Verantwortlichen für die Misere zu finden. Im Gegenteil, es geht darum, damit aufzuhören, nach äußeren Ursachen zu suchen, den jede Ursache lässt sich wieder auf eine Ursache zurückführen. Die Ursachenforschung führt zu nichts, denn nach jeder Ursachenfrage kann mensch weiterfragen und zurückgehen bis zu Adam und Eva oder zum Urknall. Es löst sich dadurch nichts, und letztlich bleibt die Frage: Warum hat es geknallt? Vielmehr sollte von einem nichtkausalen Weltbild im Sinne C.G. Jungs ausgegangen werden, von Synchronizität. Das wichtigste dabei ist, dass mensch wirklich davon entfernt, nach Ursachensuchen, aus dem Kausalitätsprinzip, das letztlich doch wieder dazu führt, Schuldige zu suchen. Mensch kann immer Schuldige finden, doch nimmt er sich hierbei nicht selbst in den Blick und entfernt sich ein Stück von sich und damit von der Heilung. (Kühlewind, et al., 1993 S. 133)

8. Alltagsproblematiken

In der (siehe auch Kapitel 6.1/Medizinische Seite) wichtigen und zumeist auch entscheidenden Phase des Transitionsprozesses eines Trans*, ist der Alltagstest. In einem Zeitraum von „3 Monaten bis zu 12 Monaten" (vgl. Busse, 2011), ( „1 bis 2 Jahren") (vgl. Rauchfleisch, 2016) müssen die Betroffenen die von ihnen angestrebte Geschlechterrolle und das damit verbundene Leben öffentlich und im Beruf testen. Sie werden dabei auf die ersten Konflikte in Familie, Freundeskreis und am Arbeitsplatz treffen. Die Therapeutin und der Therapeut stellen der Patientin und dem Patienten dafür ein Attest aus um den Umgang mit Behörden zu erleichtern und Diskriminierungen zu vermeiden. (Hofmann, 2009)

8.1 Im privaten Leben

„ [...] und eines Tages werden nicht mehr Expert_innen ÜBER uns reden, sondern wir uns selbst erklären - und eines noch ferneren Tages werden wir nicht mehr erklärungsbedürftig sein, sondern genau so selbstverständlich wie cis und hitis [...]" (Dr. Myshelle Baeriswyl, zit. Rauchfleisch, 2016, Vorwort zur 4. Auflage)

Das Empfinden und der Umgang mit tagtäglichen Wahrnehmungen, sowie Diskriminierungen und/oder Ausgrenzungen verschiedenster Art und Weise, welche/r sich in Verbindung mit Trans* zu leben ergeben, ist nicht nur vom Coming-out abhängig, sondern vom sozialen und/oder kulturellen Status, der sozialen Kompetenz und dem Ausbildungsgrad von Trans*menschen abhängig. Viele Trans*menschen erleben, ohne sich zu ihrer Transsexualität wirklich vollkommen bewusst zu sein, bzw. sich ihr Grad der Ausprägung für eine Identifikation mit Trans* aufgrund ambivalenter Symptomatik laufend verändert, mehr oder weniger signifikante Veränderungen im Alltagsleben. Eine maßgebliche Auswirkung auf Alltagsproblematiken mit trans*, liegt in den gesetzlichen Rahmenbedingungen (siehe auch Kapitel 6.2/Juristische Seite), sowie in der Sozialisation, der Transitionsprozess und der gesellschaftlichen Akzeptanz des jeweiligen Landes, in welchem Trans*menschen leben.36

8.2 Im beruflichen Leben

Im Allgemeinen stellt das Coming-out am Arbeitsplatz für Trans*menschen meist eine besondere Stresssituation dar. Gegen Diskriminierung, Mobbing und Kündigungen können Trans*menschen zwar den Rechtsweg beschreiten, doch sollten solche Eklats nach Möglichkeit von vornherein vermieden werden. Die Akzeptanz im beruflichen Umfeld ist für alle Seiten die beste Lösung. Oft fallen nach Jahren des Versteckens und Vertuschens Zwänge weg. Beziehungen zu Kolleg_Innen und Vorgesetzten können sich stimmiger entwickeln, das Auftreten der Betroffenen wird zunehmend authentischer, sie können ihre Potentiale und Fähigkeiten besser einbringen und daher effizienter arbeiten. (Rauchfleisch, 2016 S. 33); (WASt, Stadt Wien, 2019)

Die Arbeit bezieht sich nachfolgend auf die Studie von „Transpersonen am österreichischen Arbeitsmarkt" von Dipl. oecin Vlatka Frketic und Dr. Persson Perry Baumgartinger aus dem Jahre 2008, da trotz schriftlicher Anfrage beim AMS und Vereinen, wie z.B. „TransX" keine Auskünfte, bzw. aktuelle Daten und/oder Angaben beauskunftet wurden.

„Geschlecht ist eine wichtige Grundlage vieler Gesellschaftssysteme, ihrer Ordnungen und Machtausübungspraktiken. So wird u.a. stillschweigend vorausgesetzt, weiße heterosexuelle Männer/Frauen seien die Norm, alle anderen würden von der Norm abweichen: trans* , intergeschlechtlich und queer lebende Menschen seien pervers und krank, schwarze Männer seien besonders potent, Menschen mit Behinderungen hätten gar keine Sexualität u.v.a.m. Für solche Fremdbestimmungen braucht es Begriffe und Einordnungen, durch die Menschen im alltäglichen Leben immer wieder an den Rand der Gesellschaft gestellt werden. Auf sprachlicher Ebene wird Geschlecht „als sehr strenge, rigide ausgeübte Kategorie gehandhabt" (Baumgartinger 2007a). Dies gilt auch für Trans*menschen. Den fremdbestimmten Begriffen (im Falle von Trans*menschen meistens aus dem pathologisierenden medizinischen Bereich) wurden mit der Zeit selbstbestimmende Begriffe von Einzelpersonen bestimmten (und fremdbestimmten) Worten für Trans*menschen (vgl. Baumgartinger 2007b)." (Baumgartinger, 2007a, Baumgartinger 2007b zit. Baumgartinger et al., 2008)

Aus gegenständlicher Studie geht hervor, dass die Erfahrungen in Verbindung mit Transgender-Organisationen wie „TransX" und mit Gesprächen mit Trans*personen vermuten ließen, dass viele Trans*menschen in ihrer Arbeit Diskriminierungen erleben, gemobbt werden oder kündigen bzw. aufgrund des gesellschaftlichen Drucks vor oder während ihrer Transition ihre Arbeit „freiwillig" wechseln. Trans*menschen sind in unserer Gesellschaft so gut wie unsichtbar. Ausgenommen sind exotisierende und sexualisierende Darstellungen von „den" Transsexuellen oder „den" Transvestiten in der Spaß- und Unterhaltungsindustrie.

Von den in der Studie erfassten Trans*menschen, sind ca. zwei Drittel Trans*frauen, knapp ein Viertel Trans*männer und der verbleibende Rest lebt andere geschlechterüberschreitende Identitäten/Lebensformen. Die Hälfte von den insgesamt 87 befragten Trans*menschen gab die Hälfte an, ihr gewähltes Geschlecht immer, ca. ein Viertel, nur zu Hause oder beim Ausgehen zu leben. Niemand der befragten Trans*menschen lebt das gewählte Geschlecht jedoch nur in der Arbeit. Von den 50%, welche ihr gewähltes Geschlecht nicht immer leben, begründeten ca. 46 % von Beruf und Arbeitsplatz, ca. 27 % von Familie und Partnerschaft, ca. 15% vom privaten Umfeld hiervon abgehalten zu werden. 12 % gaben an das Geschlecht nicht immer leben zu wollen.

Weiteres besagt diese Studie, dass lt. einer EU-weiten Studie zu Trans*personen, dass Trans*menschen einen hohen Bildungsstand haben, wovon ca. 75 % eine Universität oder Hochschule, bzw. höhere Schulen wie AHS, BHS besucht und ca. 25 % einen Lehrabschluss haben. (Whittle et al. 2008 zit. Baumgartinger, et al., 2008) Der Großteil der Trans*menschen ist im Angestelltenverhältnis beschäftigt, nur ein geringer Anteil arbeitet als Selbstständige oder Selbstständiger. Zwei Drittel aller berufstätigen Trans*menschen sind in der Privatwirtschaft tätig, ein Fünftel im öffentlichen Sektor und ein Zehntel bei Wohlfahrt, NPOs oder NGOs tätig.37

Rauchfleisch vertritt die Meinung, dass es für Trans*menschen sehr wichtig ist, beruflich erfolgreich zu sein, bzw. überhaupt im sozialen Gefüge der Gesellschaft etabliert zu sein,worin eine berufliche Tätigkeit von großer Bedeutung ist.38 Idealerweise sollte von Arbeitgeber_in aus, die Bereitschaft gegeben sein, in Folge einer entsprechenden Unternehmenskultur, das Thema: Transsexualität auch am Arbeitsplatz anzusprechen und einen tolerierenden und/oder nicht bewertenden Umgang von Kolleginnen und Kollegen mit Trans*menschen zu schaffen. Mensch bedenke, das gemäß §1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes: Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter und sexuelle Identität genannt werden. Spricht man in diesem Zusammenhang jedoch über Chancengleichheit am Arbeitsplatz, sollte mensch diese Bereitschaft der Arbeitgeberin und des Arbeitgebers und/oder das Grundgesetz im Auge behalten. Leider erfahren trans*idente Menschen immer noch erhebliche Probleme am, bis hin zum Verlust ihres Arbeitsplatzes.

Vorhandene Qualifikationen sowie jahrelange Erfahrungen und Kompetenzen gehen durch ein mögliches Coming-out und das Leben im Identitätsgeschlecht, also in der neuen Geschlechterrolle, nicht verloren. Ganz im Gegenteil, fühlen sich Trans*menschen danach zufriedener, ausgeglichener, belastbarer und stellen somit einen Mehrwert für ihre_n Arbeitgeber_in dar. Trans*menschen wollen als ganz normale Mitglieder der Gesellschaft behandelt werden und benötigen keine Sonderbehandlung. 39

9. Empirische Studie/Interview

9.1 „Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrations-Hintergrund" , Biografie von Jayrome C. Robinet - aus Sicht einer „Frau-zu-Mann-Transsexuellen"

Jayrome C. Robinet, geb. 1977, aufgewachsen als Celine, in einem kleinbürgerlichen Umfeld in Nordfrankreich, hat früher als weiße Französin gelebt. Während seiner Studienzeit in Belgien hatte Jayrome im Alter von 19 Jahren sein „Coming-out", merkt, dass er lesbisch ist, nimmt Drogen und versucht seine Gefühle einzuordnen und begibt sich auf die Suche nach seiner Geschlechtsidentität. (Robinet, 2019)

„Berlin, den 7. November 1996, Hallo, darf ich mich Ihnen vorstellen? Ich heiße Celine und bin 19 Jahre alt. Vor sehr Kurzem habe ich verstanden, dass ich Frauen liebe (Ich mag das Wort ,lesbisch' nicht.) Mit einer Frau hatte ich nie Geschlechtsverkehr, noch habe ich eine Frau kennengelernt, die Frauen liebt. Am Anfang schämte ich mich dafür, dass ich zu Frauen neige. „Warum ich?", habe ich mich gefragt. Ich wollte so sehr „normal" sein. Ich habe versucht, meine Neigungen zu blockieren, ich habe mich selbst belogen, ich habe viel geweint und oft. Bis heute habe ich mein „Problem" alleine gelebt. Aber ich muss mit meinem Bewusstsein endlich ehrlich sein. Ich habe Ihre Adresse in einer Zeitung, der 030 - ist das der Name?, gefunden. Sie bieten jeden Freitag ein Treffen an, habe ich gelesen.

Ich habe mich entschlossen, etwas für mein Leben zu tun. Ich schicke Ihnen diesen Brief, hoffend auf Mut. Geht es mir nicht gut, so einsam? Nein. Auf jeden Fall: Nein. Das Leben ist nicht einfach, und wir müssen us selbst Geschenke machen. Davon bin ich überzeugt! Aber ich bin schüchtern und wage es nicht, zu Ihnen zu kommen. Ich weiß, dass Sie gegen meine Schüchternheit nichts tun können, und ich bitte Sie auch nicht darum. Schön wäre es, wenn Sie mir einige Informationen über Ihre Treffen schicken würden. Ich brauche nur eine kleine Hoffnung. Nur ein bisschen Hoffnung bitte Vielen Dank im Vorhinein, Celine" (Robinet, 2019 S. 76)

„Im Zuge seines Transitionsprozesses, beschreibt er viele Jahre danach: „Mit 38 Jahren war ich schließlich in der Pubertät", anlässlich seiner Entscheidung, sich Testosteron spritzen zu lassen. Ihm wächst ein dunkler Bart - und plötzlich wird er auf der Straße auf Arabisch angesprochen. Ob im Cafe, in der Umkleide oder bei der Passkontrolle, er merkt, dass sich nicht nur seine Identität, sondern vor allem das Verhalten seiner Umwelt im gegenüber radikal geändert hat. Er kann vergleichen: Wie werde ich als Mann, wie als Frau behandelt? Und was bedeutet es, wenn sich nicht nur das Geschlecht ändert, sondern augenscheinlich auch Herkunft und Alter? Die Biografie schildert und erzählt von seinem queeren Alltag und deckt auf, wie irrsinnig gesellschaftlich Wahrnehmungen und Zuordnungen oft sind. (Robinet, 2019)

Die Journalistin, Karin Pollack fasst gegenständliche von ihr empfohlene Biografie in ihrer Rezension wie folgt zusammen: „Es gibt Lebenssituationen, die für die Mehrheit der Menschen ziemlich schwer vorstellbar sind. Zum Beispiel das Gefühl, sich fremd im eigenen Körper zu fühlen [...] Eine Frau, die ein Mann sein will, ein Mann, der sich als Frau fühlt? Oder all jene, die sich weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen? Wie leben Trans*menschen, wie und wen lieben sie, und ist das überhaupt die" (Pollak, 2019) - die richtige Frage? Da in erster Linie die komplette Unsicherheit und ein Nichtverstehen, welche beim Großteil der Menschen im Vorfeld bereits eine Abwehrhaltung zu Trans* erzeugen, ortet auch Robinet die Ursache hierfür am Fehlen einer liberalen Gesellschaft und kämpft wie andere Trans*menschen für einen toleranteren Umgang der Gesellschaft, mit Minderheiten jeder Art. Bis zu seiner Entscheidung, sich Testosteron spritzen zu lassen und ab diesem Zeitpunkt, sich ein Leben als Trans*mann zu führen, war sein Weg viele Jahre lang mit vielen für ihn erniedrigenden Erlebnissen gepflastert. Nicht nur Cis-menschen, Ärzte, Psychiater und Behörden waren mit seiner Existenz überfordert, als er in einem ersten Schritt erst einmal seinen Namen änderte. In seiner Biografie schildert Robinet authentisch, selbstkritisch und humorvoll, seinen Umgang mit den vielen An- und Übergriffen, denen er ausgesetzt war und ist. „Ich selbst habe Jahrzehnte für meine Umorientierung meines Geschlechts gebraucht, ich kann von meiner Umwelt nicht verlangen, dass sie in einer mikroskopischen Sekunde erfasst, wer ich bin", (Robinet, 2019) schreibt er. Er habe das Buch unter anderem auch deshalb geschrieben, um sich selbst besser begreifen zu können.

Mit großer Offenheit beschreibt Robinet seinen Transitionsprozess, gibt dem/der LeserIn intime Einblicke. Die Verabreichung von Testosteron erfolgt in Form einer Depotspritze in den Gesäßmuskel und bewirkt, dass ihm ein Bart wächst, zunächst, seine Haare am Kopf weniger werden, die Fettdepots in seinem Körper sich vom Hüft- in den Bauchbereich zu Verschieben beginnen und seine Schädelform, bzw. Gesichtsform kantiger wird. Weiteres beschreibt er, das beim Transitionsprozess für die Selbstwirksamkeit der meisten Trans*menschen so wichtige und „Passing", bei welchem er sich laufend im Spiegel betrachtet. Noch viel drastischer für ihn ist die Art, wie die Menschen auf ihn reagieren. Die Frage, ob er sich habe umoperieren lassen, empfindet er als übergrifflich und reagiert er in seinem Buch wie folgt: „Und was ist Ihre Schwanzlänge?" (Robinet, 2019 S. 172). Die Frage, ob er denn nun trans* oder homosexuell ist, führt im regelmäßig die Ignoranz der Gesellschaft vor Augen.

„Dass das Geschlecht an sich eine Frage der persönlichen Identität ist und dabei vollkommen unabhängig von der geschlechtlichen Orientierung, ist eines der großen Erkenntnisse dieses Buches. Robinet stellt die Berliner Trans*gender-Szene vor, in welcher Trans*frauen lesbisch sind oder auch nicht, Cis-Männer, die homosexuell oder bisexuell sind und es gibt Robinet, der zwar als Mann lebt, aber auch keinen Penis will. Vor allem lernen Leser und Leserinnen eine Reihe von ganz neuen Worten (Beschreibung im Anhang) und damit auch Lebenswirklichkeiten kennen.

Dieses Buch beschreibt nicht nur alltägliche Situationen, Gefühlszustände und Gedanken einer Minderheit, sondern zeigt sich diese darüber hinaus für alle relevant. Seine geschlechtliche Transformation entblößt nämlich eingefahrene Geschlechterrollen, derer sich die Mehrheit der Menschen sicherlich nicht bewusst ist. Robinet nimmt unter anderem während seines Transitionsprozesses wahr, dass er einst als glutäugiges, hübsches, dunkelhaariges Mädchen, durch das Testosteron von seinen Mitmenschen plötzlich als junger Mann mit Migrationshintergrund wahrgenommen wird." (Pollak, 2019)

Robinet erkennt aber auch, welcher Druck auf Männern lastet, was ihn, als er noch als Frau lebte, nie in den Sinn gekommen wäre. „Mein Wunsch danach, wie ein Mann behandelt zu werden, ist schwer vereinbar mit meiner Einstellung zum Patriarchat",47 schreibt er selbstkritisch. Er zeigt in seiner Ambivalenz und seiner Erzählung seines persönlichen40 Schicksales, welchen Kollisionen an Gefühlen und unterschiedlichen Gedanken sich Trans* vor und während dem Transitionsprozess ausgesetzt sind. Die Biografie liefert damit die Grundlage, die die LGBTQ-Bewegung überhaupt erst ins Rollen gebracht hat, bzw. klärt seine eigene Position. Jayrome zeigt mit seinem Buch auf, das Leben von Trans*menschen einfacher zu machen, etwa durch Vereinfachung von Gesetzen und dem Abbau bürokratischer Hürden. „Transsexualität ist keine Krankheit, das ist eigentlich die wichtigste Message. Trans*menschen sind nur eine Minderheit und keine Gefahr, die man durch bürokratische Hürden bannen müsste". (Pollak, 2019)

9.2 Interview mit einer Trans*frau „Natascha" (Name geändert), geboren: 1963, in Ehe mit einer Frau lebend

Rotter : Vielen Dank, dass Sie sich für mich Zeit nehmen. Wann kamen Sie zu Ihrer Erkenntnis, dass Sie sich in einem „fremden" oder „falschen" Körper befinden?

Natascha: Bereits zwischen dem 7. und 8. Lebensjahr.

Rotter: Welche Empfindungen hat das bei Ihnen ausgelöst?

Natascha: Anfangs verspürte ich nur Ärger, da ich nicht als Mädchen mit den anderen mitspielen durfte und mich nicht mit üblichen Spielsachen von Burschen beschäftigen wollte. Ich verspürte zwar laufend eine Irritation und Verunsicherung, aber undrückte Großteils meine Empfindungen bis zum Zeitpunkt, wo ich mich meinem Großvater anvertrauen konnte.

Rotter: Wann und Wo hatten Sie Ihr Coming-out? - Wie hat das Umfeld darauf reagiert?

Natascha: Mit ca. 9 Jahren habe ich mich gegenüber meiner einzigen Vertrauensperson meiner Kindheit, meinem Großvater geoutet. Er war der einzige Mensch, der mich verstanden hat und mich auch verstehen wollte. Meine Eltern, welche diese Situation nicht wahrhaben wollten, haben einfach alles negiert, weil sie sich für mich genierten und mir sagten, wenn das in der Gegend und bei unseren Nachbarn herauskommt, dann müssen wir hier wegziehen. Ich merke hier an, dass ich am Land aufgewachsen bin.

Mein Großvater war die einzige Person, welche immer zu mir gestanden ist. Obwohl ich in meinem 20. Lebensjahr, auf eigenen Antrieb hin, die Abt. „Tiefenpsychologie" im AKH aufgesucht habe, musste ich weiterhin so leben wie ein Junge (Kleidung und Aussehen). Meine Eltern lehnten jede Änderung strikte ab.

Rotter: Wann haben Sie beschlossen, zum Arzt zu gehen?, Welche Phasen des Transitionsprozesses wollten Sie durchlaufen?

Natascha: Wie gesagt, 1982, in meinem 20. Lebensjahr, habe ich die tiefenpsychologische Abteilung im AKH aufgesucht. Dort wurden meine Hirnströme gemessen und festgestellt, dass ich trans*ident bin. Mensch empfahl mir eine Psychotherapie, welche aber zu diesem Zeitpunkt in Österreich von der Krankenkasse nicht übernommen wurde und für mich nicht leistbar war.

Dies bedeutete für mich, ich musste ich weiterhin als Mann leben, in permanenten Zwiespalt, hatte Depressionen und verspürte sehr oft Niedergeschlagenheit. Oft plagten mich Suizidgedanken, welche ich aber verwerfen konnte. Zu Beginn des Jahres 1995 verspürte ich diese am stärksten, habe mich in meiner Wohnung eingeschlossen, vermied Kontakt zur Außenwelt und wollte nicht mehr leben.

Ein halbes Jahr später, Mitte 1995 konnte ich als Automechaniker zu arbeiten beginnen, was mich etwas beruhigte und mich aus dem seelischen Tief holte. Ich habe meine Gefühle jedoch während meiner Arbeit unterdrückt, meine Transsexualität verheimlicht und niemanden etwas gesagt. Diesen Beruf übte ich bis ins Jahr 2000 aus. Bis zu diesem Zeitpunkt musste ich meine Trans*identität unterdrücken und als Mann weiterleben, was mir sehr schwer fiel.

Gott sei Dank, lernte ich 2003 meine jetzige Ehegattin kennen, welcher ich mich vom ersten Moment anvertraut habe und mir viel Verständnis und Mitgefühl entgegenbrachte. Im Jahre 2018 haben wir beide dann geheiratet. Wir sind bis heute glücklich verheiratet.

Rotter: Wann erfolgte die Begutachtung und wie verlief die Begutachtung?

Natascha: Im Frühjahr 2006 absolvierte ich permanent Arztbesuche und wurde periodisch von einem Facharzt zum anderen geschickt. Die Psychotherapie begann ebenfalls 2006 mit dem Alltagstest, welcher bei mir lediglich 12 Monate dauerte, da die Bestätigung vom Arzt bereits nach 12 Monaten für volle zwei Jahre bestätigt wurde, um meinen Leidensdruck zu lindern.

Rotter: Welche Schwierigkeiten, bzw. Herausforderungen brachte Ihr „Alltagstest"?

Natascha: Während dieser Zeit, (2007) konsultierte ich auch eine Gynäkologin um mich hinsichtlich Hormonbehandlung untersuchen und beraten zu lassen. Vom Umfeld und den Menschen, wurde ich in dieser Zeit eher verspottet, ausgelacht oder nicht beachtet, manchmal belächelt und nicht ernst genommen. Im Jahre 2008 durfte ich mit meiner Hormontherapie beginnen, welche in Tablettenform verabreicht wurde.

Rotter: Wie hat Ihr Körper - wie hat Ihre Psyche auf die Hormontherapie reagiert?

Natascha: Anfangs bekam ich zwei verschiedene Medikamente, zum einen weibliche Hormone und zum anderen Hormone, welche die männlichen Geschlechtsorgane unterdrücken. Diese lösten schlimme Reaktionen aus, ich habe mich überhaupt nicht mehr zu Recht gefunden, da durch die Hormone mein Körper verrückt gespielt hat, ich reagierte völlig überreizt, aggressiv, eifersüchtig etc., war mir oft selbst zuwider und fühlte mich weder männlich noch weiblich.

Rotter: Wann haben Sie sich entschlossen, die Operation, die Angleichung an Ihre gewünschte Geschlechterrolle, durchführen zu lassen? Wie und Was haben Sie sich nach der Operation gefühlt?

Natascha: Die OP fand im Jahr 2009 statt. Meine Hoden, mein Penis und die Prostata wurden entfernt und wurde mir ein weiblicher Geschlechtsteil operativ angepasst. Ich hatte keine Schmerzen nach der OP und fühle mich bis heute sehr wohl. Ich muss lediglich täglich meine Hormontabletten nehmen. Die Kosten für die OP, wurden zur Gänze von der Krankenkasse getragen.

Rotter: Wie zufrieden fühlen Sie sich in Ihrem Leben als Trans*frau?

Natascha: Ich bin mit meiner Entscheidung zu 100 % zufrieden. Nach meiner OP, erfolgte im Jahre 2010 noch die Personenstandsänderung. Ich danke in diesem Zusammenhang meiner lieben Gattin, welche mir zu aller Zeit zur Seite gestanden ist und mir die nötige Kraft für meine Entscheidungen gegeben hat.

Rotter: Welche positiven/negativen Veränderungen im Umgang von Cis-Menschen zu Ihnen konnten Sie in den letzten Jahren bemerken?

Natascha: Trotz meiner Personenstandsänderung, werde ich manchmal bei Ärzten und Ämtern, immer noch mit „Herr" aufgerufen und angesprochen. Von Menschen in meinem nahen Umfeld, werde ich als Frau wahrgenommen und auch akzeptiert. Selten werde ich von Leuten auch positiv wahrgenommen und erfolgt eine normale Begegnung. Großteils jedoch, begegnen wir Menschen immer noch mit Irritation und Unverständnis. Was mich am meisten ärgert, ist der Begriff Trans*frau, weil ich wirklich eine Frau bin und mich auch vollständig so fühle, also ist dieses unnötige trans*, von meiner Seite aus, nicht notwendig.

Was mich auch aufregt, ist, dass Transvestiten unter Tags, als Mann herumlaufen und des Nachts Frau spielen wollen, sich die Brüste operativ vergrößern lassen und auf Trans* machen, was aber überhaupt nicht passt und nichts mit Trans* zu tun hat.

Rotter: Was können Sie anderen Trans*menschen in Bezug auf Coming-Out und Transitionsprozess an Erkenntnissen in kurzen Worten mitgeben?

Natascha: Ich will niemanden einen Ratschlag erteilen, weil wir alle verschiedene Individuen sind, mehr oder weniger starke Empfindungen und Gefühle besitzen. Es sollte jedem Menschen die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst zu entscheiden, wie weit sie oder er im Transitionsprozess gehen will, welche Phasen sie oder er durchlaufen möchte und ob sie oder er auch den letzten Schritt, die OP durchführen lassen will.

In diesem Zusammenhang will ich doch eine Erfahrung mit anderen Trans*menschen teilen: Wer glaubt, nach der Hormonbehandlung und der OP, erfolgt ein, der erwünschten Geschlechtsrolle repräsentatives Aussehen, soll sich nicht täuschen lassen, denn dem Aussehen nach wird man nie 100% Frau oder Mann werden.

Rotter: Stellen Sie sich vor, die Zweigliedrigkeit der Gesellschaft wäre aufgehoben, Trans* wäre als drittes Geschlecht gesellschaftlich und rechtlich legitimiert, die Gesellschaft würde Sie als Frau zur Gänze ohne Wenn und Aber, auch im Körper eines Mannes anerkennen und akzeptieren. Würden Sie die geschlechtsangleichende Operation unter diesen Umständen durchführen lassen?

Natascha: Überlegt kurz und antwortet: Also ich würde höchstwahrscheinlich die Operation wieder durchführen lassen, aber unter diesen Gesichtspunkten könne sie sich vorstellen, dass ein Leben im fremden Körper nicht ausgeschlossen ist und wie gesagt, es steht jedem Menschen frei, eine Entscheidung für sich zu treffen.

Rotter: Vielen Dank für das aufschlussreiche und angenehme Gespräch. Ich wünsche Ihnen auf diesem Wege, Gesundheit, Zufriedenheit, Liebe und viele achtungs- und wertvolle Begegnungen.

9.3 Interview Prof. Rauchfleisch - SRF 2 „Das Ich im falschen Leib"

Zusammenfassend ergeben sich aus dem Interview von Cornelia Kazis (SRF 2) mit Prof. Udo Rauchfleisch zu den bisher in der Arbeit ersichtlichen Informationen, folgende zusätzliche Erkenntnisse:

Im Vergleich mit den in der Studie von Baumgartinger/Frketic vom August 2008 genannten, geschätzten Anteil von Trans*menschen in der Bevölkerung von 2-5 %, besteht laut aktuellen Forschungsergebnissen ein Verhältnis bei Trans*frauen von 1:1000 und bei Trans*männern von 1:2000 zur Gesamtbevölkerung.

Umso stärker und intensiver die Unterstützung für Trans*menschen in deren Transitionsprozess aus der Gesellschaft erfolgt, umso stärker wird das Phänomen Trans*sexualität/Trans*identität noch hervorgehoben. Rauchfleisch spricht von einer Dichotomen Gesellschaft, was bedeutet, dass es zwei klar voneinander trennbare Identitäten und nichts Drittes dazwischen gibt. Der Mensch ist grundsätzlich danach bestrebt zwei Gruppen zu bilden und somit sprengen Trans*idente Personen diesen weltweit anerkannten Rahmen. Durch Bestreben, Trans*menschen in deren Transitionsprozess bestmöglich zu unterstützen, mit perfektem „Passing" an ihre neue Geschlechtsrolle anzupassen, wird jedoch die vorherrschende dichotome Norm noch verstärkt. Dies basiert auf Druck von Trans*menschen selbst, bzw. auch von Fachleuten, welche eine möglichst genaue, optimale Anpassung an die neue Geschlechtsrolle forcieren.

Aufgrund der Tatsache, dass laut Beobachtungen von Rauchfleisch, sich in seinen Therapiesitzungen in den letzten Jahren, das „Coming-Out" oftmals bereits im Alter von 8-9, bzw. 10-12 jährigen Kindern ergibt, hat dies sowohl ein Umdenken im Unterricht, als auch im Umgang mit Trans*kindern an den Schulen zur Folge. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten, erfordern ein großes Maß an Empathie und Verständnis, ein vorsichtiges Herantasten und das Einbringen neuer Ideen, zur Bewältigung dieser Situation. Der authentische Austausch von Eltern mit Kindern, von Eltern mit Lehrerinnen und Lehrern, aber auch Lehrerinnen und Lehrer mit Schülerinnen und Schülern ist einer der wichtigen Faktoren zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Rauchfleisch sieht eine Früherkennung von Trans* als vorteilhaft und große Chance für Trans*menschen, den Leidensdruck in diesem Falle zu lindern und ist es einfacher, wenn das Trans*kind bereits in dieser neuen Geschlechtsrolle sozialisiert wird. Da in der Pubertät, Adoleszenz von Menschen die Identität gefunden wird, kann dies im Falle der Früherkennung beim Trans*menschen zu einer Erweiterung des Horizontes in der Phase der Identitätsfindung führen. (Rauchfleisch, Interview, SRF2, 2013)

10. Resümee

Aus Recherchen für gegenständliche Arbeit, beim Lesen einschlägiger Literatur, Auffassungen, Berichten, Studien, Erfahrungen und Erkenntnissen von Fachleuten und Experten, Internetquellen etc., konnte ich bei der Bestimmung der Ursache, der Diagnostik, weder für die biologische, die somatische oder die medizinische (Gendefekte, psychische Erkrankungen), einen wissenschaftlichen Durchbruch erkennen und erscheint für mich, das Phänomen: Transsexualität, weiterhin nicht zur Gänze geklärt.

Auch in den Ausführungen, des für mich, auf dessen 40jährigen umfangreichen Erfahrungen basierenden Fachkompetenz, in der Erforschung und im Umgang mit Trans*, Prof. Udo Rauchfleisch, ordnet er, im Großteil seiner Literatur, den therapeutischen Bereich, dem Aufgabenfeld der Psychologen_innen ein. Das bedeutet keineswegs, dass es bei Transsexualität/Transgender keine Soziale Tätigkeit gibt und hier nicht in Beratungsstellen, Krisenzentren und Vereinen oftmals Pionierarbeit, im Hinblick auf die, dem Transitionsprozess begleitende Maßnahmen geleistet wird.

Meiner Auffassung nach, würden die, wie auch einleitend angeführt, sozialpädagogischen Gespräche unter Berücksichtigung spiritueller und anthroposophischer Ansätze, eine Heilung, nicht nur im Bezug auf die im Kapitel 3, Formen der Geschlechtsidentitätsstörung gem. Richtlinien von ICD-10 und DSM-5, noch immer pathologisierte Krankheitsform, sondern explizit auch in Richtung: „Linderung des Leidensdrucks im Zuge des Erkenntnis-, Entscheidungs- und Transitionsprozesses" zielen.

Würde mensch die im Lehrgang: Diplom Berufs- und Sozialpädagoge_in, die dem Thema Transsexualität naheliegenden Bereiche: Entwicklungspsychologie, Psychische Erkrankungen, Soziologie, Gender, Kommunikation und Motivation eingehender betrachten, könnte mensch zu dem Schluss kommen, dass aus der Sicht einer Pädagogin und eines Pädagogen mehrere Lösungsansätze zur Heilung des Trans*menschen gibt.

Wenn meiner Meinung nach, in der Annahme einer Krise aus entwicklungspychologischer Sicht (siehe auch Skriptum: Entwicklungspsychologie, S 29) im Ursprung einer Geschlechtsinkongruenz eines Trans*menschen entsteht und sich im Transitionsprozess fortsetzt, wächst hierbei doch der Nährboden für Neurosen, Depressionen und weiterer psychischer Störungen, da Trans*menschen durch (wie in den Kapiteln 5 und 6 beschrieben) massiven „Selbstdruck", beim „Passing", dem gesellschaftlichen, sozialen Druck (durch dichotome Kulturen und Machtverhältnisse), extremen Belastungen und Stressoren ausgesetzt sind und eine Bewältigungsstrategie fehlt.41

Wie aus entwicklungspsychologischen Erkenntnissen hervorgeht, besteht nach den neuesten Berichten aus der Neurobiologie und der Hirnforschung, ein Zusammenhang zwischen Bindung und Entwicklung. Dieser ist als ein lebenslanger dynamischer Prozess zu betrachten, wobei Veränderungen in physischen und psychischen Bereichen in chronologischen Zeitabfolgen, zufällig auftretenden Ereignissen und in der Wechselwirkung des Individuums mit den Umwelteinflüssen auftreten. Da dieser Prozess nicht umkehrbar ist und in Berücksichtigung der vorher erworbenen Fähigkeiten passiert, kann eine „empathische" und pädagogische Gesprächstherapie punktgenau ansetzen und Trans*menschen hier abholen und auf ihrem Weg unterstützend begleiten.42

Die Arbeit will darauf hinweisen, dass auch ohne Annahme einer pathologischen Diagnose unter Einsatz von sozialpädagogischen Erkenntnissen, in einem engen Zusammenhang, u.a. der Bindungstheorie nach J. Bowlby, bei „unsicher vermeidender Bindung" oder „unsicher ambivalenter Bindung", mögliche Auslöser geortet werden können. Aber auch nach Theorie der psychosozialen Entwicklung nach Erik H. Erikson, kann mensch einen Zusammenhang erkennen und überprüfen, z.B. beim Identitätsgewinn durch Bewältigung psychosozialer Anforderungen, in der Entwicklung der Ich-Identität, dem Aufbau der Selbstkonsistenz. (Ich bin der Auffassung, dass im Falle einer bei Trans*menschen auftretenden GeschlechtsInkongruenz nicht das Wissen, sondern ein Irrglaube vorliegt, über Zeit, Ort und System hinaus die Unverwechselbarkeit, in diesem Fall „Trans*Identität" begründet zu haben)

Setzt mensch an Stelle von sozialpädagogischen Ansätzen, Spirituelle, glaubt an die Möglichkeit von Reinkarnation der Seele, dann ergäbe meines Erachtens, folgende Variante Sinn: „Die von der Wiedergeburt betroffene Seele, hat in Folge, dass sie sich in ihrem vorigen Leben zu wenig oder gar nicht, mit dem anderen Geschlecht auseinandergesetzt hatte, oder vielleicht durch wenig empathisches Verhalten, befremdlicher und entarteter geschlechtsrollenspezifischer Denkweisen und Defizite seelischer Natur, nunmehr die Seelenaufgabe, durch die im Reinkarnationsprozess, der Seele in diesem Leben zugewiesenen Geschlechtsrolle aus bewussten und unbewussten Wahrnehmungen, neue spirituelle Erkenntnisse zu ziehen."

In Berücksichtigung der Theorien im anthroposophischen Bereich, im Ansatz von Rudolf Steiner, Transsexualität in Verbindung der ganzheitlichen Betrachtung, mit Geist und Astralleib sowie physischen- und Ätherleib zu sehen und durch therapeutische Unterstützung eine Kongruenz dieser zu erlangen, ist meines Erachtens eine weitere erfolgsversprechende Möglichkeit. Mensch muss dazu wissen, dass nicht nur die, im Kapitel 7/7.2.3 pädagogische Begleitungsansätze in Erkenntnis- und Entscheidungsprozessen, in Dahlkes Reinkarnationstherapie bestehenden Methoden und Prozesse gemeint sind, sondern anthroposophische Ansätze, Theorien von Rudolf Steiner über „Karma und Reinkarnation". Steiner spricht bei der Wiedergeburt u.a. davon, dass zwar der physische Leib weiblich sein kann, der Ätherleib jedoch männlich oder umgekehrt. Dies bedeutet, dass die Seele im Falle der fehlenden Kongruenz ein ambivalentes Empfinden verspürt und die von mir angesprochene Auseinandersetzung der Seele mit der gegengeschlechtlichen Rolle aus Vorleben, eine karmische Verknüpfung in diesem Seelenleben aufarbeiten und lösen muss.

In einem Punkt jedoch, stimme ich mit Prof. Udo Rauchfleisch überein, insofern er in seinem Buch: Transsexualität - Transidentität explizit darauf verweist, dass die Entscheidung des Geschlechtsrollentausches bei Trans*menschen unabwendbar ist und aus diesem Grund ein „Abbringen" vom Wunsch, in die andere Geschlechtsrolle zu wechseln, nicht möglich is t und auch von Seiten der Therapeutin und des Therapeuten ausdrücklich nicht forciert wird und auch nicht deren oder dessen Absicht darstellt.

Die Arbeit kommt zu der Erkenntnis, dass alle alternativen Therapieansätze und Behandlungsmethoden, lediglich bei Auflösung und Neuordnung, der durch die bis dato vorherrschenden dichotomen Normen, Gesellschaftsordnung und Machtverhältnisse sinnvoll und angemessen wären, denn dann würde, wie die Arbeit ausführt, der psychisch belastende Druck sowie ein wesentliches „Motiv" (perfektes Passing) im Transitionsprozess bei Trans*menschen wegfallen. In unserer Gesellschaft, die so viel Gewicht auf eine möglichst optimale Geschlechtsrepräsentanz legt, welche auf diesen Werten und Motiven, ihren Mitgliedern, somit Potentiale hinsichtlich Selbstverwirklichung und sozialer Sicherheit gibt, finden sich Trans*menschen in ihrem Transitionsprozess kaum zurecht. Die Vorstellung, sich einem Geschlecht zu- bzw. unterordnen zu müssen und dieses möglichst, derer und dessen zugewiesenen Rolle ideal präsentieren zu müssen, baut unnötigen Druck (Stress) auf und lässt Trans*menschen sehr wenige Freiräume für eine individuelle Entfaltung ihrer Persönlichkeit und einem möglichst entspannten Erleben ihrer Trans*identität.

Ergänzend zu Kapitel 7, psychotherapeutische Begleitungsansätze, will die Arbeit, in Berücksichtigung der Aussagen von Robinet (Biographie), bzw. Erfahrungen von Trans*frau „Natascha" (Interview) der empirischen Studie, sowie Erkenntnissen aus zitierter Literatur, folgende Zusammenhänge zwischen Gesellschaftsnormen, Therapien und den Bedürfnissen (nach Maslow) von Trans*menschen zu erklären. Die nachfolgende Grafik versucht Auffassungsdifferenzen zwischen Gesellschaft, Therapeut_in und Trans*menschen, vor, bzw. nach dem Coming-Out abzubilden. Durch Switchen der Bedürfnisebenen, aufgrund ambivalenten Verhaltens im Transitionsprozess, wechselnden Selbstdrucks, gesellschaftlichen Problemen, Arbeitsplatzverlust etc. von Trans*menschen, entstehen für Therapeut_innen Schwierigkeiten in der empathischen Annäherung zu Klientin und Klienten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 „Maslow'sche Bedürfnispyramide" 50 „eigene Darstellung - Vor - Coming-Out - Nach"

Diese Schwierigkeiten werden in Jayrome C. Robinet's Biographie thematisiert. Er beschreibt, dass Trans*menschen im Zuge der Begutachtung, bzw. Vorsprache bei Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten, zielorientierte Musterformulierungen und Aussagen von Trans*Communitys parat haben, bzw. Antworten einstudieren, um entsprechende Behandlungsmethoden (Hormontherapien), sowie positive Begutachtungen zu erhalten. Trans*frau „Natascha" hat im Interview ähnliches berichtet, explizit über die spezielle Unterstützung seitens ihres Arztes, welcher ihr, bei der Begutachtung ihren Alltagstest um ein Jahr verkürzte. Diese „angeblich" so hilfreichen Unterstützungen, haben jedoch meines Erachtens, keine Auswirkung auf einen „sozial respektvolleren" äußeren Weg (Transitionsprozess), sondern begünstigen und beschleunigen lediglich den Wunsch auf gegengeschlechtliche Anpassung (Trans*identität). Eine Annäherung der Seele, an den physischen Leib, bzw. ein Akzeptieren des vorhandenen Körpers, ist in diesem Fall ausgeschlossen. Die monetären, wirtschaftlichen Aspekte, im Hinblick auf ein nahezu „perfektes" Passing, zwängt somit jegliche Therapieform in ein enges Korsett. Da Trans*menschen heutzutage immer noch Diskriminierung und Ablehnung in der Gesellschaft erfahren, haben daraus resultierender Selbst-Druck (Passing), sowie ambivalente Gefühlszustände im Transitionsprozess, starke Auswirkung auf die Defizitbedürfnisse von Trans*menschen. Die Arbeit ist der Auffassung, dass therapeutische Maßnahmen und Methoden, Defizitbedürfnisse von Trans*menschen nur bedingt erfassen können, da Therapien zumeist inhaltlich auf, noch immer pathologisierte Ursachen, bzw. Leiden und auf vorherrschende Normen der Gesellschaft basierend, erfolgen. Herkömmliche Therapien versuchen, „im sogenannten Interesse von Klientin und Klienten", Trans* als bestehende „Abnorm" der zweigliedrigen Gesellschaft anzugleichen und den Wunsch nach Geschlechtsrollentausch zu befriedigen und zu begleiten. Alternative Therapieformen bieten Trans*menschen meines Erachtens zusätzlich die Möglichkeit, ihren Transitionsprozess auch ohne hormonelle und/oder operative Veränderungen zu begleiten und eine Zufriedenheit des Individuums zu erreichen.

Im Falle einer auftretenden Gefühls-/Empfindungsambivalenz von Klientin und Klienten, gilt es m.E. zu beachten, diese sog. „Ambivalenz-Spirale" im Zuge der therapeutischen Maßnahmen zu unterbrechen und die Klientin und den Klienten emotional zu stabilisieren, bevor weitere Phasen im Transitionsprozess durchlaufen werden können. Dies kann jedoch bedeuten, dass ein ursprünglich im therapeutischen Prozess vereinbartes soziales und/oder physisches „Wachstum", zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Auftretende psychische Verhaltensveränderungen bei Klientin oder Klienten (Wutausbrüche, Aggressionen, Depressionen etc.), sollten jedenfalls unter sofortiger Einbeziehung medizinischer Kontrolluntersuchungen (z.B. Hormonspiegel) erfolgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 „Maslow'sche Bedürfnispyramide" „eigene Darstellung - Vor - Coming-Out - Nach"

In Beantwortung der Forschungsfrage: Ob denn eine Annahme des fremden oder falschen Körpers im Transitionsprozess noch möglich wäre, kommt die Arbeit zu folgender Conclusio: „Auch, ohne Trans*menschen von Ihrem Geschlechtsrollentausch abzubringen und/oder Trans*menschen diesen ausreden zu wollen, ist eine Annahme des fremden/falschen Körpers für Trans*menschen nicht ausgeschlossen". Da jedoch auf der Welt bis dato, zum größten Teil dichotome Gesellschaftsordnung die Norm ist, stellt, ohne Neuordnung der Gesellschaftsordnung, ein über die zweigeschlechtliche Geschlechterordnung (Mann und Frau), zusätzlich existentes Drittes und/oder ein mögliches Dazwischen, auch weiterhin eine gesellschaftlich schwer überwindbare „Abnorm" dar.

Im Unterschied zum allgemeinen Tenor der Wissenschaft, ist die Arbeit der Auffassung, dass die „Entpathologisierung" des Phänomens Transsexualität, weder positiv noch negativ zu bewerten ist, da es nicht an der Ursache liegt, ob im Falle der Transsexualität die Störung der Geschlechtsidentität, oder das Leiden, welches aus dieser Geschlechtsinkongruenz besteht, pathologisiert wird. Es liegt vielmehr am allgemeinen Verständnis unserer Gesellschaft und einer immer noch bestehenden Ausgrenzung, sowie Ablehnung von Trans*menschen, durch Irritation und Unverständnis. Dies resultiert Großteils im Bereich der Erziehung und Sozialisierung, die sich am vorherrschenden zweigliedrigen Gesellschaftssystem orientiert, welche Trans*menschen weiterhin abseits der Norm katalogisiert. Aus dem empirischen Teil der Arbeit resultiert die übereinstimmende Meinung, dass durch Angst, Unverständnis und dem Fehlen notwendiger Empathie, auch seitens der Familie, das Phänomen Transsexualität immer noch weitgehend tabuisiert und von Trans*menschen verheimlicht wird.

Mit folgenden abschließenden Überlegungen, will die Arbeit die Leserin oder den Leser anregen, auch einmal „queer" zu denken, nicht allen Strömen der Wissenschaft folgend, innehaltend, am Ufer Platz zu nehmen: „In Anlehnung an das Buch von Michaela Glöckler - „Begabung und Behinderung" - könnte mensch annehmen, dass es sich beim Phänomen Transsexualität um eine „Gabe" handelt. Trans*menschen haben „dem göttlichen Plan" folgend, die ,Be'-gabung, durch ihre Erkenntnisse im Transitionsprozess, ihre Geschlechtsrolle ganzheitlich in den „fremden" Körper zu integrieren und Horizonte im Bereich des Fühlens, Denkens und seelischen Wachstums zu erweitern. ,Be'-hinderlich in diesem Prozess jedoch, wirken starre Strukturen, Systeme und Gesellschaftsordnungen, und blindes ,Be'-folgen globaler Erziehungs- und Verhaltensmuster.

Wenn die Arbeit sich etwas für Trans*menschen, aber auch für uns Cis-Menschen wünschen dürfte, wären dies: Verständnis und Toleranz, Gleichberechtigung und Auflösung des vorherrschenden, dichotomen Gesellschaftsbildes, eine große Portion soziale Kompetenz sowie ein achtungsvoller Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten. Es würde alle Menschen zufriedener und das Leben, um vieles lebenswerter und machen.

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12. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 „Der Weg"

Abbildung 2 „Was bin Ich?"

Abbildung 3 „The Legatum Prosperity Index 2019 - A tool for transformation"

Abbildung 4 „Maslow'sche Bedürfnispyramide", Vor / Nach - Coming-OutFehler! Textmarke nicht definiert

Abbildung 5 "Maslow'sche Bedürfnispyramide", Ambivalenz-Spirale

Anhang 1 - Glossar

So vielfältig wie die Geschlechtspositionen und Motive für alternative Geschlechtsdarstellungen sind auch die Bezeichnungen für Geschlechtsidentitäten. Es gibt keine allgemeingültigen oder einzig richtigen Definitionen. Die Grenzen sind fließend, eine eindeutige Zuordnung in eine bestimmte Kategorie ist oft gar nicht möglich. Die Bedeutungsinhalte der Begriffe verändern sich, so wie auch Sprache selbst und gesellschaftliche Strukturen immer in Bewegung sind. Das Glossar präsentiert eine Zusammenstellung möglicher Begriffdefnitionen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit.

Geschlecht Das Wort „Geschlecht" ist aus dem Althochdeutschen „gislathi" - „das in dieselbe Richtung schlägt", abgeleitet und bezeichnet in der Regel zwei Kategorien von Menschen - Frauen und Männer - die durch angeborene körperliche Merkmale bestimmt sind. Diese Sichtweise bildet die binäre Geschlechterordnung. Sie grenzt die Vielfalt menschlicher Geschlechtspositionen auf zwei normierte Kategorien ein und blendet die Tatsache aus, dass Geschlecht in der sozialen Interaktion erst gemacht wird und ein historisch veränderbares, soziales, kulturelles und politisches Verhältnis zwischen Menschen ausdrückt.

Sex und Gender Im Deutschen gibt es nur ein Wort für Geschlecht. Um zu betonen, dass das Geschlecht nicht nur vom Körper abhängt, sondern auch vom Verhalten und von den gesellschaftlichen Erwartungen an Menschen, wurde das Begriffspaar Sex/Gender aus dem Englischen übernommen.

Sex bezeichnet das körperliche Geschlecht und beinhaltet eine Vielfalt von Merkmalen wie den Chromosomensatz, genetische und molekularbiologische Anlagen, hormonelle Regelkreise, primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale. Diese biologischen Faktoren bilden ein komplexes System, beeinflussen sich gegenseitig und müssen in ihrer Gesamtheit nicht mit einem Geschlecht übereinstimmen. Insofern ist auch die biologische Unterteilung der Geschlechtsmerkmale in zwei Geschlechter und die Erwartung, das körperliche Geschlecht würde lebenslang gleich bleiben, als biologistisch-ideologisches Konstrukt zu begreifen.

Gender bezeichnet das soziale Geschlecht und umfasst alles, was in einer Gesellschaft als typisch für ein bestimmtes Geschlecht angesehen wird, beispielsweise Kleidung oder ein bestimmtes Verhalten. Es geht um angelerntes Verhalten, je nachdem, was eine Gesellschaft unter männlich und weiblich verstehen will und was nicht. Geschlechterrollen verändern sich im Laufe der Zeit und sind kulturell unterschiedlich ausgeprägt. Die meisten Menschen entsprechen nicht eindeutig einer Geschlechternorm, sondern vereinen in sich Aspekte verschiedener Geschlechter. Gender ist keine starre Kategorie. Geschlechtspositionen verändern sich von der Kindheit über die Pubertät bis ins Alter. Transgender Personen Transgender ist eine Sammelbezeichnung für Menschen, die herkömmliche Geschlechtsgrenzen überschreiten. Dies kann einen - temporären oder permanenten - Geschlechtswechsel innerhalb des binären Geschlechtermodells bedeuten. Es kann aber auch bedeuten, dass eine Person sich in beiden Geschlechtern oder in keinem der beiden Geschlechter identifiziert. Auch Geschlechtspositionen außerhalb des binären Geschlechtermodells können eingenommen werden, zum Beispiel als „drittes Geschlecht". Oder aber eine Person stellt sich außerhalb jedes Geschlechtermodells, indem sie die Kategorie „Geschlecht" für sich als Identifkationskriterium abschafft.

Trans*idente Dieser Begriff wurde in den letzten Jahren von Betroffenen und Psychotherapeut_innen als Synonym für die Transsexualität eingeführt, um den Schwerpunkt in Richtung Geschlechtsidentität zu verschieben. Damit wird mehr auf die Selbstwahrnehmung und auf die sozialen Geschlechterrollen verwiesen. Die Angleichung des Körpers steht nicht so sehr im Vordergrund, auch wenn die meisten sich als transident definierenden Personen körperliche Anpassungen anstreben - nicht zuletzt auch, um sich dadurch die soziale Anerkennung in ihrem Identitätsgeschlecht zu erleichtern. Die Verwendung des Begriffs „Transidentität" ist auch durch Abgrenzungswünsche gegenüber Assoziationen mit Sexualität im Sinne von sexuellen Handlungen oder sexueller Orientierung motiviert.

Trans*mann, FzM (Frau-zu-Mann) Menschen, die bei der Geburt als Frauen eingestuft wurden und später einen Geschlechtswechsel in Richtung Mann vollzogen haben.

Trans*frau, MzF (Mann zu Frau) Menschen, die bei der Geburt als Männer eingestuft wurden und später einen Geschlechtswechsel in Richtung Frau vollzogen haben.

Transvestiten, TV Der Begriff des Transvestitismus beinhaltet das lateinische Wort „vestire" - „kleiden". Er wurde 1910 von Magnus Hirschfeld geprägt, um Menschen zu beschreiben, die Kleidung jenes Geschlechts tragen, dem sie körperlich nicht zugeordnet sind. Hirschfeld war bereits bewusst, dass es hier nicht lediglich um das Tragen von Kleidung ging. Heute verstehen wir unter Transvestiten Menschen, meist „Männer", die zeitweise im Erscheinungsbild des anderen Geschlechts leben und auftreten und die dadurch Persönlichkeitsanteile ausdrücken, die sie in ihrer üblichen Geschlechterrolle nicht ausleben können. Transvestitismus und fetischistischer Transvestitismus sind, wie die Transsexualität, im ICD-10 definierte Krankheitsbegriffe.

Cross Dresser, CD Menschen, die bewusst jene Kleidungsnormen übertreten, die zur Aufrechterhaltung der Geschlechterordnung dienen.

Travestie Künstler, Schauspieler, Sänger oder Tänzer, die auf der Bühne Frauen imitieren.

In-Between / Non-Binär Menschen, die ihre Zuweisung auf eine männliche oder weibliche Position ablehnen und sich zwischen den Geschlechtern identifizieren.

Gender-Bender Personen, die Geschlechtsrollen verbiegen (to bend), also eine androgyne oder antinormale Geschlechtsperformance zeigen. Der Begriff umfasst sowohl sozialen Aktivismus gegen Geschlechtsnormierung als auch Trans* Personen mit ambivalenter oder alternativer Geschlechtsidentität.

Androgyn Der Begriff leitet sich aus dem altgriechischen „andros" - „Mann" und „gyne" - „Frau" ab und bedeutet eine Vereinigung weiblicher und männlicher Merkmale. Er bezeichnet Menschen, die sich bewusst als nicht geschlechtlich zugeordnet darstellen oder anderen Menschen so erscheinen. Dies kann sich auf die körperliche Erscheinung oder auf den Geschlechtsausdruck durch die Wahl der Kleidung oder das Verhalten beziehen.

DRAG, Drag King, Drag Queen, Double Drag Bedeutet eine Überschreitung von Kleidungsnormen. Der Begriff entstammt der Shakespeare'schen Regieanweisung „DRessed As Girl" für Männer, die als Frauen auf der Bühne erscheinen. Kann aber umgekehrt auch „DRessed As Guy" heißen. Drag bedeutet im Englischen auch „schleppen" und kann somit auf das Tragen pompöser Kleidung bezogen werden. Drag Kings sind Frauen, die insbesondere bei Performances in typisch männlicher Bekleidung und maskulinem Styling stereotype männliche Verhaltensweisen darstellen oder persiflieren. Drag Queens sind Männer, die als schrille Imitation von Frauen auftreten. Der Begriff entstand Anfang des 20. Jahrhunderts als britischer Slangbegriff für feminin auftretende Homosexuelle. Double Drags sind Männer, die Frauen spielen, die Männer darstellen oder Frauen, die Männer spielen, die Frauen darstellen.

Butch Lesbische Frauen, die sich in Kleidung und Verhalten kontinuierlich maskulin geben. Butch ist eine Selbstbezeichnung, die eine bestimmte Art der weiblichen Geschlechtsidentität ausdrückt.

Femme Lesbische Frauen, die sich scheinbar heteronormativ besonders feminin präsentieren. Femme ist eine Selbstbezeichnung, die eine bestimmte Art der weiblichen Geschlechtsidentität ausdrückt.

Schwuchtel, Tunte Meist herabwürdigend gebrauchte Bezeichnung für einen effeminierten, meist homosexuellen Mann. Beide Begriffe wurden aber von manchen Schwulen als emanzipatorische Selbstbezeichnung übernommen.

Weichei Herabwürdigende Bezeichnung für einen Mann, der gängige Geschlechtsnormen nicht erfüllt und daher als „unmännlich" diffamiert wird.

Mannweib Herabwürdigende Bezeichnung für eine maskulin auftretende Frau, die sich erlaubt, patriarchale Schranken zu überschreiten.

Eunuch Bezeichnet eigentlich kastrierte Männer. In Europa ein gängiges Schimpfwort für Männer, die nicht den Stereotypen entsprechen. In Ländern wie Indien mit einem kulturell verankerten dritten Geschlecht eine historisch verwurzelte Selbstbezeichnung.

Intersexuelle Der Begriff der Intersexualität kommt aus der Medizin und bezeichnet Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen Eigenheiten nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Formen, die sich auf die Geschlechtschromosomen, die Gonaden, die primären oder sekundären Geschlechtsorgane oder die Geschlechtshormone beziehen. Intersexuelle Menschen wurden früher als Hermaphroditen oder abwertend als Zwitter bezeichnet.

Drittes Geschlecht Ein drittes Geschlecht ist in vielen Kulturen bekannt. Genannt seien etwa die Hijras in Indien, deren Gemeinschaft Aspekte einer eigenen Kaste birgt, oder die Two- Spirit-People indigener Kulturen, die häufig als spirituelle Vorbilder verehrt werden. Auch einzelne Staaten haben schon einen dritten Geschlechtseintrag eingeführt und damit ein juristisches drittes Geschlecht legitimiert. So kann etwa in Nepal seit 2008 oder in Australien seit 2011 neben „weiblich" und „männlich" auch ein „X" für ein unbestimmtes oder drittes Geschlecht eingetragen werden.

Geschlechtsmigration Ist die Wanderung von Personen im sozialen Raum der Geschlechter, wobei es unterschiedliche Richtungen, Distanzen, Dauer und Geschwindigkeiten gibt. Das Bild der Geschlechtsmigration bietet einerseits die Möglichkeit, die Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit aufzuweichen, indem eine Vielfalt bewander barer Geschlechter vorstellbar wird. Andererseits bricht es mit dem weit verbreiteten Tabu einer möglichen Rückkehr in das Ausgangsgeschlecht und kann auch temporäre Formen des Geschlechtswechsels beschreiben. Wie für geographische /soziale Migrant_Innen ist auch für Geschlechtsmigrant_Innen das Spannungsfeld der Integration/Assimilation von entscheidender Bedeutung. Oft besteht der dringende Wunsch, assimiliert zu werden, um nicht mehr als (be) fremd(lich) erkennbar zu sein. Für eine staatliche Anerkennung wird mehr oder weniger brutal die Integration/Assimilation gefordert, etwa durch den Zwang zu genitalanpassenden Operationen, Sprachkursen oder Einbürgerungstests. Wenn die Integration nicht wie gewünscht gelingt und das soziale Umfeld mit Ausgrenzung oder gar Hass reagiert, entsteht eine oft existenzbedrohliche Situation. Migrant_nnen sind vermehrt von Hassverbrechen bedroht und betroffen - sei es aufgrund von Xenophobie oder aufgrund von Transphobie. Vielleicht kann der Begriff der „Geschlechtsmigration" auch einen Weg der

Solidarität zwischen geographischen/sozialen Migrant_Innen und Transgender Personen öffnen oder zumindest für die jeweiligen Lebenssituationen sensibilisieren.

Queer „Queer" bedeutet wörtlich übersetzt „seltsam", „wunderlich", „eigenartig", „verdächtig", „zweifelhaft". Der Begriff wurde in den USA als Schimpfwort für Lesben, Schwule und Transgender Personen verwendet. In den 1980er und 1990er Jahren gelang es den Aktivistinnen der LGBT-Bewegung, das Wort neu zu bewerten und sich als Begriff einer politisch-emanzipatorischen Bewegung anzueignen. Als Identitätsbezeichnung umfasst der Begriff Lesben, Schwule, Bisexuelle, Intersexuelle und Transgender Personen. Auch Heterosexuelle, Pansexuelle, Asexuelle oder Sadomasochist_Innen können sich als queer identifizieren. Gemeinsame Basis ist die Ablehnung der Heteronormativität und überkommener Rollenklischees sowie das Leben in einer schillernden Vielfalt geschlechtlicher Identitäten und sexueller Praxen.

Transphobie Bezeichnet eine soziale Aversion oder Feindseligkeit, durch die Menschen, die in ihrer Geschlechtsidentität oder in ihrem geschlechtlichen Auftreten von der Norm abweichen oder die nicht eindeutig in das binäre System „Frau und Mann" einzuordnen sind, attackiert, beschimpft, herabgewürdigt oder benachteiligt werden.

Sexismus Es gibt viele verschiedene Definitionen von Sexismus, die sich im Laufe der Zeit entwickelt und verändert haben. Eine Definition steht in besonders engem Zusammenhang mit Transgender Personen und Transphobie: Sexismus ist die Zuschreibung von Merkmalen und Zuweisung von Rollen aufgrund des Geschlechts sowie die Erwartung oder Anforderung an sich selbst oder andere Personen, diese Geschlechternormen fremdbestimmt zu verkörpern.

(WASt, Stadt Wien, 2019)

Anhang 2 - Beratungsstellen - Vereine -Selbsthilfegruppen

Transgender Initiativen und Beratung

TransX - Verein für Transgender Personen

Rosa Lila Villa, Linke Wienzeile 102, 1060 Wien

Web: www.transx.at

Mail: transx@transgender.at

Telefon: +43 680 2414748

TransX ist ein Verein für alle, die - auf welche Weise auch immer - Geschlechtergrenzen überschreiten. Ob als Mann in Richtung Frau unterwegs oder als Frau in Richtung Mann, ob schon am „Ziel" angekommen oder irgendwo dazwischen, was auch ein Ziel sein kann - alle finden hier AnsprechpartnerInnen, Gleichgesinnte, Tipps und Hilfe im Krisenfall.

Trans Austria - Österreichische Gesellschaft für Transidentität

Web: www.trans-austria.org

Mail: ofce@trans-austria.org

Kummernummer: 0664 4861045

Trans-Austria hat sich zum Ziel gesetzt, dafür zu sorgen, dass trans*idente Menschen und deren Angehörige besser beraten, betreut und begleitet werden. Der Verein bietet eine betreute Selbsthilfegruppe und psychotherapeutische Erstberatung in Wien an, psychotherapeutische Gruppen für Jugendliche und Erwachsene in Graz, Angehörigenberatung sowie Stammtische in Wien und den Bundesländern.

TTA - Transgender Team Austria

Web: http://transgender-team.at/

Mail: info@transgender-team.at

Telefon: +43 677 625 166 13

Der Verein berät, unterstützt und begleitet transidente und inter*geschlechtliche Personen und deren Angehörige in vielen Bereichen.

Glen und Glenda!

Verein für trans*idente Personen La Maison,

Friedrich-Kaiser-Gasse 36/1/R01, 1160 Wien

Web : https://www.glenundglenda.com

Mail: email@genda.at

Der Verein betreibt einen Shop und einen Treffpunkt für Transgender Personen mit Umkleide- und Schminkmöglichkeit. Er organisiert Schminkworkshops und Veranstaltungen und bietet Begleitung bei den ersten Schritten in die Öffentlichkeit.

Türkis Rosa Tippp - Trans* Schwulen Queer Beratung

Rosa Lila Villa, Linke Wienzeile 102, 1060 Wien

Web: www.dievilla.at

Mail: trashq@dievilla.at

Telefon: +43 1 5854343

ORQOA - Oriental Queer Organisation Austria

www.orqoa.at

ORQOA kämpft für die Anerkennung der Rechte von Migrant_Innen aus der LGBT Community und bietet Individualbetreuung für Asylwerber_Innen.

The Cha(i)nge - Trans Peer Group Wien

www.facebook.com/thechaingepeergrop

www.instagram.com/thechainge

Mail: thechainge2017@gmail.com

Cha(i)nge ist eine Peer Group in Wien und Umgebung für Menschen, die mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden, sich aber nicht (ganz) mit diesen identifizieren können. Die Gruppe bietet Raum für Erfahrungsaustausch und Information. Vernetzung findet außerdem in Sozialen Medien und einmal im Monat bei einem gemütlichen Beisammensein statt.

Transgender Gruppen in den Bundesländern

Transgender Graz: www.graz.transgender.at

Transgender-Stammtisch Linz: www.linz.transgender.at

TIS - TransGender Initiative Salzburg: www.salzburg.transgender.at

International

TGEU - Transgender Europe: www.tgeu.org

Transgender Europe ist eine Vereinigung Europäischer Transgender Gruppen und Initiativen mit 55 Mitgliedsorganisationen aus 31 Ländern und versteht sich als internationale Vernetzungs- und Lobbyorganiation.

Beratungsstellen

COURAGE - Partner_Innen-, Familien- und Sexualberatungsstelle Windmühlgasse 15/17, 1060 Wien

Web: www.courage-beratung.at

Mail: info@courage-beratung.at

Telefon: +43 1 5856966 (Mo - Do 9:00 - 15:00) Persönliche Beratung nach Vereinbarung

Die COURAGE ist eine Beratungsstelle für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender Personen mit den Schwerpunkten Sexualitäten und Beziehungen, gleichgeschlechtliche Lebensweisen, Transgender, Gewalt und sexuelle Übergriffe. Die anonymen und kostenlosen Beratungen werden ausschließlich von Professionalist_Innen durchgeführt. Die COURAGE bietet mit YOUNG TRANS zwei psychotherapeutische Gruppen für junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren mit Transgender Themen und mit YOUNG QUEER eine begleitete Selbsthilfegruppe an.

Gleichbehandlungsanwaltschaft

Web: www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at

Mail: gaw@bka.gv.at

Telefon: 0800 206119

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist eine staatliche Einrichtung zur Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung und zum Schutz vor Diskriminierung. Sie wurde aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes eingerichtet und bietet persönliche, kostenlose, selbständige und unabhängige Beratung und Unterstützung für diskriminierte Menschen.

WASt - Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen

Auerspergstraße 15, 1080 Wien

Web: www.queer.wien.at,www.facebook.com/wiener.antidiskriminierungsstelle

Mail: wast@gif.wien.gv.at

Telefon: +43 1 4000 81449

Die Wiener Antidiskriminierungsstelle für lesbische und transgender Lebensweisen wurde 1998 als Teil des Büros der Stadträtin für Integration, Frauenfragen, Konsument_Innenschutz und Personal gegründet und ist nach wie vor die einzige derartige Stelle in Österreich. Lesben, Schwule und Transgender Personen stellen bestehende Rollenmuster in Frage und sind oft mit Ablehnung und Diskriminierung konfrontiert. Die WASt tritt gegen diese Diskriminierungen auf und setzt sich für die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung ein. Die WASt bietet neben vielen anderen Aufgabengebieten - wie etwa Öffentlichkeitsund Bildungsarbeit, Stellungnahmen für Politik, Verwaltung und Wirtschaft oder Netzwerkarbeit insbesondere mit der LGBT-Community - auch Hilfestellung für Diskriminierte sowie persönliche Beratung für Lesben, Schwule und Transgender Personen an.

Für arbeitsrechtliche Fragen zuständig:

AK Wien - Abteilung Arbeitsrecht

Telefon: +43 1 50165 201 (Mo - Fr, 8:00 - 15:45)

Terminvereinbarung: +43 1 50165 241 (Mo - Fr, 8:00 - 14:00)

Web: www.wien.arbeiterkammer.at

Österreichischer Gewerkschaftsbund

Johann-Böhm-Platz 1 1020 Wien

Telefon: +43 1 534 44 39

Mail: oegb@oegb.at

(WASt, Stadt Wien, 2019)

[...]


1 vgl. (Religio, 1994; Stand: 18.10.2011)

2 vgl. (AWMF, 1999); (Rauchfleisch, 2016)

3 vgl. (Rauchfleisch, 2016 S. 14)

4 vgl. (Eicher, 1992 zit. Kaufmann, et al., 2006 S. 891)

5 vgl. (Kaufmann, et al., 2006)

6 vgl. (Wecker, et al., 2015)

7 vgl. (Rauchfleisch, 2018)

8 vgl. (Pfäfflin, 2011)

9 vgl. (Güldenring, 2014 zit. Güldenring, 2016)

10 vgl. (Baumgartinger, et al., 2008); (Rauchfleisch, 2013)

11 vgl. (Baumgartinger, et al., 2008)

12 vgl. (BMSGPK, 2021); (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), 2021)

13 vgl. (Busse, Schriftenreihe Medizin-Ethik-Recht, Bd 32/ S 4-6, 2011)

14 vgl. (Langhammer, 2002)

15 vgl. (Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), 2021)

16 vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Androgynie

17 vgl. (Banane, 2014) (Pfäfflin, 2011)

18 (Becker 2007 in: Sexualstörungen, 153 zit. Busse, Schriftenreihe Medizin-Ethik-Recht, Bd 32/ S 4-6, 2011) (Volkan, 2004 zit. Reifegerste, 2015)

19 (Rauchfleisch, 2016 S. 23-25)

20 vgl. (Rauchfleisch, 2016, S 30,31 f. )

21 vgl. (Clement/Senf 1996, S 1; Pichlo, S 119 (122 f.); Sigusch 1997, S 68; van Trotsenburg/Cohen/Noe, 2004, S 171(172) zit. nach Busse, 2011, S 9)

22 vgl. (ebd. Busse, 2011)

23 vgl. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), 9.10.2018

24 vgl. (wikipedia)

25 vgl. (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2017)

26 (Hirschauer, (1999), S 122/173 zit. Rauchfleisch, 2016 S. 57)

27 (Pichlo H.G., 2007 zit. Busse, Schriftenreihe Medizin-Ethik-Recht, Bd 32/ S 4-6, 2011 S. 12)

28 vgl. (Naudascher, 1980)

29 vgl. (Vitalakademie, 2020 S. 15-16)

30 vgl. (wikipedia.org, 2009)

31 (Legatum Institute; The Legatum Prosperity Index 2019 - A tool for transformation. London, November 2019, S 14-16: Tabelle in: wikipedia.org/wiki/LGBT)

32 vgl. (Michael Sadowski, 2016 zit. AAG, Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz, 2020)

33 vgl. (Gerwin, Douglas J. W. (Ed.), 2014 zit. AAG, Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz, 2020)

34 vgl. (Kühlewind, et al., 1993)

35 (Kühlewind, et al., 1993)

36 vgl. (Busse, 2011, S. 35); (Hofmann, 2009); (Rauchfleisch, 2016); (Baumgartinger, et al., 2008)

37 vgl. (Baumgartinger, et al., 2008)

38 vgl. (Rauchfleisch, 2016)

39 vgl. (Gendertreff, 2017)

40 vgl. (Robinet, 2019 S. 103 f)

41 vgl. (Vitalakademie, 2020 S. 29)

42 vgl. (Vitalakademie, 2020 S. 25)

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Der Transitionsprozess von trans*identen Menschen. Selbstfindung und Selbstwirksamkeit sowie Erkenntnis- und Entscheidungsprozess
Untertitel
Im Dialog mit sich selbst und der Umwelt
Veranstaltung
Diplomlehrgang
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
81
Katalognummer
V992666
ISBN (eBook)
9783346379078
ISBN (Buch)
9783346379085
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Auszeichnung (Höchst lesenswerte Arbeit, Originalität wertvoll, Schwierigkeit: mittelmäßig-schwer, abwechslungsreich und kreativ, fachliche Richtigkeit gegeben, Literaturdiskussion vorhanden, gute Ausdrucksweise) Anhang: Begriffserklärungen, Beratungsstellen
Schlagworte
Erkenntnisprozess, Transitionsprozess, Alltagstest, Therapieansätze
Arbeit zitieren
Alfred Rotter (Autor:in), 2021, Der Transitionsprozess von trans*identen Menschen. Selbstfindung und Selbstwirksamkeit sowie Erkenntnis- und Entscheidungsprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/992666

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