Diese Arbeit behandelt die Frage, welche Zusammenhänge und Spannungsverhältnisse dazu führen, dass zivilgesellschaftliche Seenotrettungsorganisationen (SAR NGOs) mit Flüchtenden an Bord auf dem Mittelmeer festsitzen und in keinen europäischen Hafen einlaufen dürfen. Antworten auf eine solche Frage finden sich durch die Betrachtung von Mechanismen und Strukturen des europäischen Grenzregimes.
Zunächst werden Entwicklungen bezüglich der Situation von SAR NGOs auf dem Mittelmeer im Kontext des EU-Grenzregimes beleuchtet. Die Programmatik und Praxis des Phänomens der SAR NGOs wird als humanitäre Hilfe mit rechtspositivistischen Positionierungen definiert und als Reaktion auf die europäische Grenz- und Flüchtlingspolitik verortet. Moralische, rechtliche und politische Dilemmata bezüglich der Arbeit von SAR NGOs werden aufgegriffen, um das konflikthafte Aushandlungsfeld der Akteur*Innen im EU-Grenzregime zu analysieren.
Organisationen, die humanitäre Hilfe leisten, geraten dabei in den Konflikt mit dem Souveränitätsanspruch der involvierten Nationalstaaten. Zivilgesellschaftliche Seenotrettungsorganisationen befinden sich somit in einem Aushandlungsfeld zwischen internationalem Flüchtlingsschutz und der vorherrschenden Flüchtlingspolitik, die in restriktiven Praktiken des EU-Grenzregimes zum Ausdruck kommt.
Das Spannungsverhältnis zwischen normativen Prinzipien in Anlegung an die Menschenrechte einerseits und staatlichen Interessen in Form von Souveränitätsansprüchen andererseits wird hierbei zum zentralen Analysegegenstand. Mechanismen und Strukturen des europäischen Grenzregimes werden anhand der Betrachtung der europäischen Grenz- und Flüchtlingspolitik in den Blick genommen und die komplexen Hintergründe und Spannungen bezüglich des Grenz- und Flüchtlingsschutzes dargestellt. Betrachtet wird die gegenwärtige europäische Flüchtlingspolitik, die durch vielfältige Maßnahmen gekennzeichnet ist. Diese sind darauf ausgerichtet, die Zahl derjenigen Migrant*Innen zu begrenzen, die Europa auf legalem Weg erreichen können und damit in der Lage sind, sich auf die Bestimmungen des europäischen Flüchtlingsrechtes zu berufen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Theoretische Verortung
- 2.1. Forschungsstand und Literaturauswahl
- 2.2. Kritische Diskussion und Verwendung des Flüchtlingsbegriffs
- 2.3. Grenzregime: Eine Begriffsannäherung
- 3. Kontextualisierung
- 3.1. Europäische Grenz- und Flüchtlingspolitik
- 3.1.1. Entwicklungen des EU-Grenzregimes seit 2015
- 3.1.2. Exterritorialisierung und Externalisierung der europäischen Außengrenzen
- 3.2. Spannungsverhältnis zwischen Grenz- und Flüchtlingsschutz
- 3.3. Flucht über die sogenannte zentrale Mittelmeerroute
- 3.4. Definition und rechtliche Einordnung der Seenotrettung im Zusammenhang mit flüchtlingsrechtlichen Bezügen auf dem Mittelmeer
- 3.5. Staatliche und europäische Akteur*Innen und Institutionen der Seenotrettung und des Grenzschutzes im zentralen Mittelmeer
- 4. Zivilgesellschaftliche Seenotrettung in Form von SAR NGOs
- 5. Kriminalisierung der SAR NGOs
- 6. Dilemmata der und im Zusammenhang mit SAR NGOs
- 6.1. Die Auseinandersetzung mit dem sogenannten „Pull-Faktor“
- 6.2. SAR NGOs: Zwischen Spendenabhängigkeit, Viktimisierung und Symptombekämpfung
- 6.3. Kooperation mit und Abhängigkeit von staatlichen Akteur*Innen und Institutionen
- 6.4. Widersprüche zwischen seerechtlichen Vorschriften, staatlichen Souveränitätsansprüchen und völkerrechtlichen Verpflichtungen
- 6.5. Reflexion und Reaktionen der SAR NGOs bezüglich der Dilemmata
- 7. Diskussion
- 8. Schlussfolgerungen und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Situation zivilgesellschaftlicher Seenotrettungsorganisationen (SAR NGOs) im Mittelmeer im Kontext des europäischen Grenzregimes. Ziel ist es, die moralischen, rechtlichen und politischen Dilemmata ihrer Arbeit aufzuzeigen und die Spannungsverhältnisse zwischen normativen Prinzipien der Menschenrechte und staatlichen Interessen zu analysieren. Die Arbeit hinterfragt gängige Annahmen im Diskurs um Migration und Flucht und trägt zu einer differenzierten Betrachtung des Themas bei.
- Europäische Grenz- und Flüchtlingspolitik und ihr Einfluss auf SAR NGOs
- Rechtliche und ethische Dilemmata der Seenotrettung im Mittelmeer
- Die Rolle von SAR NGOs im Kontext der Migrations- und Flüchtlingsbewegungen
- Das Spannungsverhältnis zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren
- Kritische Auseinandersetzung mit dem Diskurs um den "Pull-Faktor"
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt den Ausgangspunkt der Arbeit dar, indem sie anhand des Beispiels von zwei Rettungseinsätzen im Mittelmeer die Problematik der SAR NGOs verdeutlicht. Sie führt die zentralen Forschungsfragen ein und skizziert die methodischen und theoretischen Ansätze der Arbeit. Die hohen Todeszahlen von Flüchtenden auf der Mittelmeerroute werden hervorgehoben, ebenso wie die wachsende Bedeutung des Diskurses um Migrationsregulation und die daraus resultierenden repressiven Praktiken der europäischen Politik. Die Arbeit positioniert sich als Beitrag zu einer differenzierten Betrachtung von Migration und Flucht im Kontext globaler Machtverhältnisse.
2. Theoretische Verortung: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über den Forschungsstand und die relevanten Theorien zur Thematik. Es analysiert den Begriff „Flüchtling“ kritisch und untersucht das Konzept des „Grenzregimes“. Das Kapitel legt die theoretischen Grundlagen für die spätere Analyse der Situation der SAR NGOs fest und definiert die zentralen Begriffe und Konzepte.
3. Kontextualisierung: Dieses Kapitel beleuchtet die europäische Grenz- und Flüchtlingspolitik, die Entwicklungen des EU-Grenzregimes seit 2015, und die Externalisierung der europäischen Außengrenzen. Es untersucht das Spannungsverhältnis zwischen Grenzschutz und Flüchtlingsschutz, die Fluchtbewegungen über die zentrale Mittelmeerroute, und die rechtliche Einordnung der Seenotrettung. Abschließend werden staatliche und europäische Akteure im Bereich der Seenotrettung und des Grenzschutzes im Mittelmeer vorgestellt. Der Fokus liegt auf der Darstellung der komplexen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, die die Arbeit der SAR NGOs beeinflussen.
4. Zivilgesellschaftliche Seenotrettung in Form von SAR NGOs: Dieses Kapitel beschreibt die Arbeit und die Charakteristika der zivilgesellschaftlichen Seenotrettungsorganisationen (SAR NGOs). Es gibt einen Überblick über ihre Aktivitäten und die aktuellen Konflikte mit der europäischen Grenz- und Flüchtlingspolitik.
5. Kriminalisierung der SAR NGOs: Das Kapitel untersucht die zunehmende Kriminalisierung der SAR NGOs, indem es die verschiedenen Faktoren und Strategien beleuchtet die dazu beitragen. Es vertieft die Analyse der politischen und rechtlichen Herausforderungen, denen sich diese Organisationen gegenübersehen.
6. Dilemmata der und im Zusammenhang mit SAR NGOs: Dieses Kapitel analysiert die vielfältigen Dilemmata, vor denen SAR NGOs stehen. Es untersucht die Debatte um den „Pull-Faktor“, die Abhängigkeit von Spenden und die schwierige Position zwischen Viktimisierung und Symptombekämpfung. Darüber hinaus werden die Kooperationen und Abhängigkeiten von staatlichen Akteuren und die Widersprüche zwischen Seerecht, staatlicher Souveränität und völkerrechtlichen Verpflichtungen beleuchtet. Schließlich werden die Reaktionen der SAR NGOs auf diese Dilemmata reflektiert.
Schlüsselwörter
Zivilgesellschaftliche Seenotrettung, SAR NGOs, Mittelmeer, Flüchtlingspolitik, EU-Grenzregime, Menschenrechte, Völkerrecht, Seerecht, Kriminalisierung, Dilemmata, Migrationsbewegungen, Pull-Faktor, Spannungsverhältnisse, Grenzschutz, Flüchtlingsschutz.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Zivilgesellschaftliche Seenotrettung im Mittelmeer
Was ist das Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Situation zivilgesellschaftlicher Seenotrettungsorganisationen (SAR NGOs) im Mittelmeer im Kontext des europäischen Grenzregimes. Sie analysiert die moralischen, rechtlichen und politischen Dilemmata ihrer Arbeit und die Spannungsverhältnisse zwischen Menschenrechten und staatlichen Interessen.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Ziel der Arbeit ist es, die Dilemmata der SAR NGOs aufzuzeigen und die Spannungsverhältnisse zwischen normativen Prinzipien der Menschenrechte und staatlichen Interessen zu analysieren. Sie hinterfragt gängige Annahmen im Diskurs um Migration und Flucht und trägt zu einer differenzierten Betrachtung bei.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die europäische Grenz- und Flüchtlingspolitik, die rechtlichen und ethischen Dilemmata der Seenotrettung, die Rolle der SAR NGOs, das Spannungsverhältnis zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und die kritische Auseinandersetzung mit dem „Pull-Faktor“-Argument.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in diesen?
Die Arbeit gliedert sich in acht Kapitel: Kapitel 1 (Einleitung) stellt die Problematik vor und führt die Forschungsfragen ein. Kapitel 2 (Theoretische Verortung) beleuchtet den Forschungsstand und relevante Theorien. Kapitel 3 (Kontextualisierung) beschreibt die europäische Grenz- und Flüchtlingspolitik und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Kapitel 4 behandelt die Arbeit der SAR NGOs. Kapitel 5 untersucht deren Kriminalisierung. Kapitel 6 analysiert die Dilemmata der SAR NGOs. Kapitel 7 beinhaltet die Diskussion der Ergebnisse und Kapitel 8 die Schlussfolgerungen und einen Ausblick.
Wie werden die europäischen Grenz- und Flüchtlingspolitik und das EU-Grenzregime behandelt?
Die Arbeit analysiert die Entwicklungen des EU-Grenzregimes seit 2015, die Externalisierung der Außengrenzen und das Spannungsverhältnis zwischen Grenzschutz und Flüchtlingsschutz. Der Einfluss dieser Politik auf die Arbeit der SAR NGOs wird eingehend untersucht.
Welche Rolle spielen die rechtlichen und ethischen Dilemmata?
Die Arbeit analysiert die vielfältigen Dilemmata, vor denen die SAR NGOs stehen, einschließlich der Debatte um den „Pull-Faktor“, der Abhängigkeit von Spenden und der Balance zwischen Viktimisierung und Symptombekämpfung. Widersprüche zwischen Seerecht, staatlicher Souveränität und völkerrechtlichen Verpflichtungen werden ebenfalls beleuchtet.
Wie wird der „Pull-Faktor“ behandelt?
Die Arbeit setzt sich kritisch mit dem gängigen Argument des „Pull-Faktors“ auseinander und hinterfragt dessen Gültigkeit im Kontext der komplexen Situation im Mittelmeer.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Zivilgesellschaftliche Seenotrettung, SAR NGOs, Mittelmeer, Flüchtlingspolitik, EU-Grenzregime, Menschenrechte, Völkerrecht, Seerecht, Kriminalisierung, Dilemmata, Migrationsbewegungen, Pull-Faktor, Spannungsverhältnisse, Grenzschutz, Flüchtlingsschutz.
- Quote paper
- Hanna Baaß (Author), 2019, Zivilgesellschaftliche Seenotrettung im Kontext der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik. Kriminalisierung der SAR NGOs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/992915