Digitale Projektarbeit. Eine Konzeption für die berufsschulische Ausbildung von Hauswirtschaftern im Lernfeld 12 (Berufsschule, 3. Lehrjahr)


Bachelorarbeit, 2020

84 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Gliederung

1 Hinführung zum Thema

2 Theoretische Grundlagen zur „digitalen Projektarbeit“
2.1 Projektarbeit
2.1.1 Beschreibung und Bedeutung
2.1.2 Entstehungsgeschichte und Verbreitung
2.1.3 Projektmethode nach John Dewey
2.1.4 Kriterien des Projektunterrichts
2.1.5 Rollen der Lehrenden und Lernenden
2.2 Methode Projektarbeit nach Kersten Reich
2.2.1 Interaktionistischer Konstruktivismus
2.2.2 Allgemeine Darstellung der Methode
2.2.3 Ablauf der Projektmethode
2.2.4 Phasenmodell „VEPRAPA“
2.3 Digitales Lehren und Lernen
2.3.1 Definition
2.3.2 Voraussetzungen und Anforderungen
2.3.3 Formen
2.3.4 Potentiale
2.3.5 Die digitale Lernumgebung

3 Theoretische Konzeption einer „digitale Projektarbeit“ mit dem Phasenmodell „VEPRAPA“
3.1 Vorbereitung
3.1.1 Lerninhalte, Lernziele und Kompetenzen
3.1.2 Rahmenbedingungen und Zielgruppe
3.1.3 Theoretischer Ablauf der Projektarbeit
3.2 Einstieg
3.3 Planung
3.4 Realisation
3.5 Auswertung
3.6 Präsentation
3.7 Abschluss

4 Zusammenfassung

5 Ausblick

6 Quellenverzeichnis

6 Anhang

Abstract

Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie eine Projektarbeit für den hauswirtschaftlichen Unterricht konzipiert werden muss, um digitale Gestaltungselemente bzw. -möglichkeiten konsequent mit einzubeziehen. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung in den Schulen wird die Methode der Projektarbeit mit dem digitalen Lernen verknüpft und ein beispielhafter Projektverlauf konzipiert. Dafür wird ein theoretischer Überblick über die Projektarbeit gegeben mit einer kurzen Entstehungsgeschichte und prägnanten Merkmalen der Methode. Zudem wird ein Phasenmodell vorgestellt, das für die spätere beispielhafte Konzeption dient.

Des Weiteren wird das digitale Lernen hinsichtlich besonderer Anforderungen, Formen und Potentiale beschrieben. Auf Grundlage dieser theoretischen Erkenntnisse wird im weiteren Verlauf eine „digitale Projektarbeit“ für eine Berufsschulklasse im dritten Ausbildungsjahr zur Hauswirtschafterinnen und Hauswirtschafter geplant, welche die Methode der Projektarbeit mit dem digitalen Lernen in Verbindung bringen soll.

This bachelor thesis deals with the question of how a projectwork for home economics lessons must be designed in order to consistently include digital learning elements and possibilities. Due to the digitalization in schools, the method of projketwork is linked to digital learning and an exemplary project process is designed. For this purpose, a theoretical overview of the projectwork will be given with a short history and concise characteristics of the method. In addition, a phase model will be presented, which will serve as a model for the later exemplary conception. Furthermore, digital learning is described with regard to special requirements, forms and potentials. Based on these theoretical findings, a “digital projectwork” for a vocational school class in the third year of qualification in home economics, which is to connect the method of projectwork with digital learning.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Formen von digitalem Lernen

Abbildung 2: Funktionen eines Learning-Management-System

1 Hinführung zum Thema

Für die leichtere Lesbarkeit wird in der vorliegenden Bachelorarbeit die gewohnte männliche Form bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies soll jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts darstellen, sondern im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

Projektarbeit ist bei Lehrkräften und in den Schulen eine bekannte Lehr- und Lernform. Sie berücksichtigt die Interessen und Lernbedürfnisse aller Schüler. Die Projektarbeit trägt zur Verknüpfung von Theorie und Praxis schulischer Lerninhalten, einem handlungsorientierten Unterricht und zur Motivation bei. Sie fördert die Selbstwirksamkeit, Selbständigkeit und sozialen Kompetenzen der Lernenden (FREY 2012, S. 15 f.).

So beschreibt Karl Frey in seinem Buch „Die Projektmethode“ die Vorzüge eines projektorientierten Unterrichts. Die von ihm genannten Kompetenzen werden zudem immer stärker für den berufsschulischen Unterricht gefordert, um Schüler „zur nachhaltigen Mitgestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft in sozialer, ökonomischer, ökologischer und individueller Verantwortung, insbesondere vor dem Hintergrund sich wandelnder Anforderungen“ (KMK 2019) zu befähigen. Schüler sollen in beruflichen Situationen kompetent handeln können und sich durch lebenslanges Lernen an wandelnde Ansprüche in der Arbeitswelt und der Gesellschaft anpassen können (KMK 2019).

Dazu gehört auch die Kompetenz für einen verantwortungsbewussten Umgang mit zukunftsorientierten Technologien, digital vernetzten Medien sowie Daten- und Informationssystemen. In diesen, von der Kultusministerkonferenz (KMK) formulierten Kompetenzen, lässt sich zudem erkennen, dass die digitale Bildung ebenfalls eine große Rolle in der berufsschulischen Ausbildung spielt. Neben der Verknüpfung von Theorie und Praxis im Unterricht und einer stärkeren Handlungsorientierung, soll ein verantwortungsbewusstes Lernen mit digitalen Medien gefördert werden (KMK 2019).

Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Bachelorarbeit eine „digitale Projektarbeit“ für die berufsschulische Ausbildung von Hauswirtschaftern konzipiert, die sowohl die Aspekte des selbstgesteuerten und handlungsorientierten Lernens, als auch das Lernen mit digitalen Medien verbinden soll. Die Forschungsfrage, die dazu beantwortet werden soll, lautet:

Wie muss eine Projektarbeit für den hauswirtschaftlichen Unterricht konzipiert werden, die digitale Gestaltungselemente bzw. -möglichkeiten konsequent mit einbezieht?

Dazu wird im ersten Teil der Arbeit der theoretischer Hintergrund der Projektarbeit und des digitalen Lehrens und Lernens erläutert. Im zweiten Teil der Arbeit wird mit diesem theoretischen Wissen eine „digitale Projektarbeit“ für das Lernfeld 12 in der berufsschulischen Ausbildung von Hauswirtschaftern konzipiert.

2 Theoretische Grundlagen zur „digitalen Projektarbeit“

In diesem Kapitel soll die Projektarbeit und ihre Bedeutung für den schulischen Kontext näher erläutert werden. In Abschnitt 2.1 wird die Projektarbeit umfassend vorgestellt mit einer Begrifssdefinition, entstehungsgeschichtlichen Hinweisen und besonderen Kriterien. In Abschnitt 2.2 wird die Projektarbeit weiter eingegrenzt und die Methode von Kersten Reich vorgestellt und näher erläutert. Des Weiteren wird auf das digitale Lehren und Lernen eingegangen. Der Abschnitt 2.3 definiert das digitale Lehren und Lernen sowie die Voraussetzungen und Anforderungen für Lehrende und Lernende und beschreibt Formen, Potentiale und digitale Lernumgebungen.

2.1 Projektarbeit

Der Abschnitt 2.1 beschreibt die Projektarbeit und stellt die methodische Grundlage für die spätere Konzeption dar. In Abschnitt 2.1.1 wird der Begriff Projekt in seiner allgemeinen Verwendung zum schulischen Kontext abgegrenzt. Die Bedeutung und der Nutzen von Projekten im Unterricht wird dabei verdeutlicht. Der Abschnitt 2.1.2 befasst sich mit dem geschichtlichen Hintergrund der Projektarbeit. In Abschnitt 2.1.3 wird die Projektmethode nach John Dewey beschrieben, da er als einer der „Väter“ dieser Methode bekannt ist. In Abschnitt 2.1.4 werden Kriterien für Projektunterricht vorgestellt, die Herbert Gudjons zusammengefasst hat. Der Abschnitt 2.1.5 befasst sich mit den Rollen der Lehrenden und Lernenden in der Projektarbeit, da diese ebenfalls einige Besonderheiten gegenüber normalem Unterricht aufweisen.

2.1.1 Beschreibung und Bedeutung

Der Begriff Projekt ist den meisten Menschen bekannt, wird aber oft nicht direkt mit dem schulischen Kontext in Verbindung gebracht. Projekte gibt es in unterschiedlichen Bereichen wie beispielsweise der Technik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik. Dort spricht man häufig von z.B. Bauprojekten, Forschungsprojekten, Ausbildungsprojekten oder Integrationsprojekten. In einem Projekt planen die Beteiligten vorwiegend eigenständig, was sie tun und erreichen wollen. Sie beraten dabei über verschiedene Projektvorschläge, legen einen Plan für eine Umsetzung fest und führen diesen dann selbstständig aus. Die Beteiligten lernen dabei, realistische Ziele zu setzen, einen Zeitplan zu erarbeiten und einzuhalten, Probleme arbeitsteilig anzupacken und ein Vorhaben zu Ende zu bringen. Der Begriff ist daher nicht allein auf pädagogische Lehr- und Lernprozesse beschränkt, die Arbeitsweise in Projekten und die Ziele lassen sich jedoch auch in schulischen Projekten wiederfinden (JUNG 2002, S. 1 f.).

Die Schulpädagogik verwendet meist die Ausdrü>Diese Voraussetzungen lassen sich im Schulunterricht durch die festgelegten Rahmenlehrpläne und Lernfelder nicht immer nach dieser Idealvorstellung umsetzen. Jedoch bietet auch ein vom Lehrplan oder der Lehrkraft vorgegebenes Themengebiet meist genug Spielraum für die Lernenden, ihre eigenen Interessen, Bedürfnisse und Neigungen mit einfließen zu lassen (FREY 2012, S.13). Dabei wird ein demokratischer Umgang zwischen den Lehrenden und Lernenden geschaffen und die Schülerselbstständigkeit und Eigenverantwortung werden bei der Projektarbeit in den Mittelpunkt gestellt. Die Lehrkraft steht der Projektgruppe dabei nur beratend zur Seite, sie hält sich als Problemlöser im Hintergrund (FREY 2012, S. 164).

Vor allem durch die Bedeutung des selbstgesteuerten und selbstentdeckenden Lernens gewinnt die Projektarbeit in der gegenwärtigen curricularen Diskussion wieder einen höheren Stellenwert. Die Eigenverantwortung der Lernenden bei der Projektplanung und -durchführung ermöglicht eine Selbstverwirklichung. Gleichzeitig wird auch die Kommunikations- und Kompromissbereitschaft mit anderen Schülern gefördert. Projektarbeit lässt sich zudem fächerübergreifend gestalten und ist durch handlungsorientierte Lernprozesse bestimmt. Zusammengefasst ist die Projektarbeit eine Methode, die praktisches Problemlösen fördert und den Schülern dabei eigenständiges und konstruktives Arbeiten abverlangt, unter Einbezug der eigenen Interessen aus ihrer unmittelbaren Umwelt (JUNG 2002, S. 7 f.).

2.1.2 Entstehungsgeschichte und Verbreitung

Die Entstehungsgeschichte der Projektmethode hat einen wesentlichen Einfluss auf die heute bestehenden Projektkonzeptionen und wird daher zum besseren Verständnis der Inhalte und Konzepte aufgezeigt.

Der Ausdruck Projekt tauchte zum ersten Mal Anfang des 18. Jahrhundert in Frankreich, an der Academie Royal d'Architecture auf. Dort hatten die Studenten der Kunstakademien die Aufgabe, regelmäßig „projets“ einzureichen. Dafür mussten sie selbstständig Pläne für z.B. Portale, Fassaden oder Kirchen entwerfen (GUDJONS 2014, S.73). Mit der zunehmenden Professionalisierung und Verschulung der handwerklichen Berufe verbreitete sich die Methode von den Kunstakademien in Frankreich über technische Hochschulen und Institute bis nach Deutschland und schließlich auch Amerika. Die Projektmethode hat somit keinen festen Ursprung oder Erfinder, sondern ist Teil einer internationalen Bewegung und nimmt je nach den Vorstellungen seiner Vertreter verschiedene Inhalte und Formen an (FREY 2012, S. 29 f.).

Vor den ersten Modellen der Projektarbeit schrieben Pädagogen wie Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Heinrich Pestalozzi (1746-1827) und Friedrich Fröbel (1782-1852) wichtige Ideen in ihren Werken nieder und lieferten damit bereits die Grundsteine für die Projektpädagogik. Ihre Ideen sind für die heutigen Projektmethoden von großer Bedeutung. Rousseau fordert beispielsweise, dass Lehrer und Erzieher sich an den Lernbedürfnissen der Schüler orientieren müssen. In seinem fiktiven Erziehungsroman „Emile“ heißt es beispielsweise: „Die Dinge aber erziehen uns durch die Erfahrungen, die wir mit ihnen machen.“ (ROUSSEAU zitiert nach REICH 2008b, S. 6).

Pestalozzi entdeckt zwei Aspekte für die Lehre:

1. Soziale Lebensformen sind wichtig für die Erziehungsgemeinschaft.
2. Es bestehen Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Veränderungen und pädagogischen Lösungsversuchen bei Schülern.

Sein Postulat: „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“ hebt die Wichtigkeit und Aktualität seiner Ideen in Bezug auf die Projektmethode hervor (REICH 2008b, S. 6).

Froebel erkennt, dass Arbeit, Unterricht und Spiel zusammen gehören. Daraus entstehen Einsicht, Freude und Tatkraft. Er macht auf die Einheit und Wechselwirkung zwischen Tun und Denken, Darstellen und Erkennen sowie Können und Wissen aufmerksam: „So soll Arbeit, Unterricht und Spiel ein ungestücktes Lebensganzes und [...] Grund eines künftig ungeteilten, tatkräftigen, einsichtigen und freudigen Lebens werden.“ (FROEBEL zitiert nach REICH 2008b, S. 6).

Allgemein fordern sie alle, Lernen und Handeln miteinander in einen produktiven Bezug zu setzen. Der ursprünglich nur an den technischen Bereich gebundene Begriff Projekt wird somit für den schulischen Kontext erweitert.

Wie zuvor erwähnt, lässt sich für die Projektmethode kein fester Ursprung oder Erfinder nennen. Sie ist aus verschiedenen internationalen Konstellationen entstanden. Die Reformpädagogik in Deutschland (ca. 1895 bis 1933) beanstandete beispielsweise das nutzlose Schulwissen. Die Kritik bezog sich auf die Abspaltung zwischen der Schule, und dem dort vermittelten Wissen, und der übrigen Welt zur damaligen Zeit. Daraus wuchs die Forderung nach neuen Lehr- und Lernformen. Deutsche Pädagogen wie Otto Haase (1893 - 1961), Fritz Karsen (1885 - 1951) und Adolf Reichwein (1898 - 1944) entwickelten unterschiedliche Vorstellungen, wie eine schulische Erziehung mit mehr Nähe zur Lebenswirklichkeit erreicht werden kann. Die Persönlichkeitsbildung der Lernenden durch Verwirklichung von eigenen Interessen und Wünschen steht dabei im Fokus. Die Pädagogen haben sich dafür nicht explizit die Projektmethode als Bildungsansatz für diese Ziele ausgesucht, sie haben aber mit ihren Schriften und praktischen Versuchen in die Richtung der Projektmethode gewirkt und wesentliche Elemente des projektorientierten Lernens entwickelt und praktiziert (FREY 2012, S. 32 ff.).

Fritz Karsen verwendete als erster Pädagoge in Deutschland den Begriff Projekt für seinen Ansatz. Dabei sah er die Schule wie eine moderne Werkstatt, in der die Mitglieder ihre Ziele selbst festlegen und durch Zusammenarbeit und Arbeitsteilung Aufgaben und Probleme bewältigen können und die Projekte mit einem vorweisbaren Produkt enden (SUIN DE BOUTEMARD 1997, S.56 f).

Zu den projektnahen Konzeptionen in der deutschen Reformpädagogik gehört auch Otto Haases Vorschlag, das Vorhaben als eine methodische Grundform in der Schule zu etablieren. Die Kinder sollen dabei selber Hand anlegen und etwas tun. Für die Gestaltung von Vorhaben stellt Haase vier Bedingungen auf:

- Das Vorhaben ist produktorientiert.
- Es kommt aus den Interessen und Bedürfnissen der Kinder.
- Es ist Aufgabe der Lehrkraft diese Interessen zu finden und die Arbeit zu organisieren und voranzubringen.
- Die Durchführung setzt voraus, dass die Kinder das Vorhaben selbstständig erarbeiten (SUIN DE BOUTEMARD 1997, S.51 f).

Adolf Reichwein spricht ebenfalls von Vorhaben, macht dieses jedoch zum Mittelpunkt seines gesamten Unterrichts. Bei ihm arbeiten Schüler und Lehrer zusammen an einem gemeinsamen Werk, um eine Erziehungsgemeinschaft zu verwirklichen. Reichwein versucht dadurch, Unterricht fächerübergreifend zu gestalten und wie auch Karsen und Haase eine Lebensnähe zu schaffen. Gesellschaftliche Problemstellungen sollen in den Unterricht integriert werden (SUIN DE BOUTEMARD 1997, S.55).

Ungefähr zur gleiche Zeit der Reformpädagogik in Deutschland entwickelte sich in den USA eine Bewegung, die sich Pragmatismus nennt. Er entstand gegen Ende des 19. Jahrhundert in Nordamerika und wurde durch die Arbeiten von Charles Sander Pierce und William James begründet. Im Anschluss wurde der Ansatz von John Dewey und George Herbert Mead weiter fortgeführt. In der Pragmatik ist die Praxis der Theorie übergeordnet. Die Charakteristika des Pragmatismus sind, dass das Handeln und die dadurch erworbene Erfahrungen, die praktisch und experimentell ausgerichtet sind, eine Vermittlung zur Erkenntnis darstellen. Handeln ist im Pragmatismus damit die Voraussetzung oder das Ziel von Wissen (FESTL 2018, S. 3 f.).

Inhaltlichen Einfluss hatte hauptsächlich John Dewey (1859-1952), Philosoph und Pädagoge und sein Schüler William Heard Kilpatrick (1871-1965). Dewey vertritt die Ansicht, dass Lernen an realen Handlungsabläufen und Problemsituationen für die Entwicklung der Persönlichkeit der Lernenden am wichtigsten ist:

„Nicht Wissen oder Kenntnis, sondern Selbstverwirklichung ist das Ziel. [...] Der Stoff kann vielmehr niemals von außen in das Kind hineingebracht werden. Lernen ist aktiv.“ (DEWEY 1935, S.145).

Auch der Praxisbezug und die Mitbestimmung der Kinder am Lernprozess spielen für Dewey eine große Rolle, er fordert daher explizit mehr Erfahrungslernen und Situationsbezug in der Schule:

„Entwicklung bedeutet nicht, bloß etwas aus seinem Geiste herauszukriegen. Es ist eine Entwicklung der Erfahrung und zur Erfahrung, die wirklich gebraucht wird. Und das ist unmöglich, wenn nicht jedes pädagogische Mittel geliefert wird, das die Kräfte und Interessen zu funktionieren befähigen wird, die als wertvoll ausgewählt worden sind. Sie müssen arbeiten und wie sie arbeiten, wird fast ganz von den Reizen abhängig, die sie umgeben, und dem Stoff, an dem sie sich üben“ (DEWEY 1935, S.145).

Daher entwickelte er zusammen mit Kilpatrick die Projektmethode, um Unterricht praktischer und lebensnaher zu gestalten und die Schüler mehr in den Lernprozess mit einzubeziehen (FREY 2010, S. 36 f.).

2.1.3 Projektmethode nach John Dewey

Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits erläutert, gehörte der Philosoph John Dewey zu den Mitbegründern und wichtigsten Vertretern des Pragmatismus. Er setzt die Theorie daher in das Zentrum seiner Erziehungsphilosophie. Für Dewey gibt es einen sehr engen Zusammenhang zwischen Philosophie und Erziehung. Die Philosophie zeigt Probleme des menschlichen Zusammenlebens auf, und die Aufgabe der Pädagogik besteht darin, zur Lösung dieser Probleme durch Erziehung beizutragen. (FESTL 2018, S.18 S. 23). In der Erziehung und im Unterricht geht es für Dewey darum, dass die Schüler sich mit der Welt auseinandersetzen und Erfahrungen machen.

„Wir wirken auf den Gegenstand ein, und der Gegenstand wirkt auf uns zurück [...] Je enger diese beiden Seiten der Erfahrung miteinander verflochten sind, umso größer ist ihr Wert.“ (DEWEY 1964, S. 186).

Bezieht man diese Aussage auf Unterrichtsprozesse, so wird deutlich, dass Dewey vor allem das Tätigsein und das Lernen durch Erfahrungen in den Vordergrund stellt. Diese wichtige Grundvoraussetzung für das Lernen beschreibt Dewey mit seinem Postulat „learning-by-doing“. Die Erfahrungsbildung und der dafür notwendige Denkprozess wird von Dewey in fünf Stufen des Denkens für einen idealtypischen Prozess der Erziehung und Bildung des Menschen beschrieben. Diese Stufen bilden damit die Grundlage der Projektmethode:

„Die wesentlichen Merkmale der ‘Methode’ sind darum identisch mit den wesentlichen Merkmalen des ‘Denkens’. Es sind folgende: erstens, daß der Schüler eine wirkliche, für den Erwerb von Erfahrungen geeignete Sachlage vor sich hat - daß eine zusammenhängende Tätigkeit vorhanden ist, an der er um ihrer selbst willen interessiert ist; zweitens: daß in dieser Sachlage ein echtes Problem erwächst und damit eine Anregung zum Denken; drittens: daß er das nötige Wissen besitzt und die notwendigen Beobachtungen anstellt, um das Problem zu behandeln; viertens: daß er auf mögliche Lösungen verfällt und verpflichtet ist, die in geordneter Weise zu entwickeln; fünftens: daß er Möglichkeit und Gelegenheit hat, seine Gedanken durch praktische Anwendung zu erproben, ihren Sinn zu klären und ihren Wert selbstständig zu entdecken.“ (DEWEY 1964, S. 218).

Neben dem Erwerb von Erfahrungen war für Dewey die Demokratie einer der wichtigsten Faktoren in der Erziehung. Dewey versteht den Mensch als soziales Wesen, dass in einer Gemeinschaft lebt und lernt.

„Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform; sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung:“ (DEWEY 1964, S. 121).

In der Gemeinschaft können die Menschen ihre Interessen teilen und sich zusammen weiterentwickeln, daher ist die Demokratie für Dewey eine Bedingung und ein Ziel von Erziehung.

Diese Beiden wichtigen Aspekte, das Lernen durch Erfahrung und die Demokratie als sozialer Lehrstoff, will Dewey im Unterricht verbinden. Daher entwickelt er, zusammen mit Kilpatrick, die praktische Umsetzung seiner Erziehungstheorie mit Hilfe der Projektmethode. Herbert Gudjons fasst die drei Gesichtspunkte, die für Deweys Projektmethode wesentlich sind, folgendermaßen zusammen:

1. Der Projektgedanke von Dewey ist eine Reaktion auf die sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnisse. Industrialisierung, Massenproduktion, Integration von Migranten und Veränderung traditioneller Lebensmuster und damit auch der Erziehung. Die junge Generation soll lernen, aktuelle Probleme aufzugreifen und zu lösen. In der Projektarbeit spielen genau solche gesellschaftlichen und praxisrelevanten Probleme die zentrale Rolle (GUDJONS 2014, S. 74).
2. Die Projektidee entstand aus Dewey Hauptwerk: „Demokratie und Erziehung“ (1916), welche den persönlichen Prozess der Erziehung und die politische Demokratie als wechselseitiges Wirkungsverhältnis auf den Menschen sieht. Daher wollen Dewey und Kilpatrick mit ihrer Projektmethode den Unterricht freier und selbstbestimmter gestalten und die Demokratie in die Schule bringen, in der Schüler und Lehrer als gleichberechtigte Partner wahrgenommen werden (GUDJONS 2014, S. 74 f).
3. Dewey Erziehungsphilosophie „learning by doing“ ist die zentrale Grundlage der Projektmethode. Schulische Inhalte und Wissen können nicht nur theoretisch weitergegeben werden. Das Tun und die Erfahrung sind für Dewey der Schlüssel zu einer menschlichen Höherentwicklung. Schüler müssen sich mit der Welt und sich selbst praktisch auseinandersetzen, um nachhaltig etwas für ihr Leben zu lernen (GUDJONS 2014, S. 75 f.).

Zusammengefasst ist ein Projekt im Sinne von Dewey und Kilpatrick immer ein planvolles Handeln aus persönlichem Antrieb in einem sozialem Milieu zur Lösung einer selbst gewählten Aufgabenstellung. Das Erziehungsziel ist dabei Eigenverantwortung und Mündigkeit der Lernenden und eine Persönlichkeitsentwicklung in demokratischen Strukturen (REICH 2008b, S. 7). Die von Dewey und Kilpatrick erarbeitete Projektmethode dient als Leitfaden und Vorbild für spätere Konzepte des Projektunterrichts, unter anderem auch für Kersten Reich.

2.1.4 Kriterien des Projektunterrichts

Die Projektmethode von John Dewey und William Heard Kilpatrick, sowie die daraus weiterentwickelten Projektmethoden von beispielsweise Karl Frey und Kersten Reich, weisen bestimmte Merkmale auf, die sie von herkömmlichen Unterrichtsmethoden unterscheiden. Diese Merkmale oder Kriterien, die einen Projektunterricht ausmachen, hat Herbert Gudjons in seinem Buch „Das Projektbuch“ von 1988 in zehn Punkten zusammengefasst. Damit wollte er „ein Mindestmaß an Verständigung über das, was mit diesem Begriff gemeint ist, [..] erreichen.“ (GUDJONS 1988, S. 10). Vor allem der Vorwurf, dass der Begriff Projekt zu unpräzise sei und das „im Projektunterricht eigentlich nichts rechtes gelernt werde“ (GUDJONS 1988, S. 14), will er entgegenwirken. Für Gudjons ist Projektunterricht nicht dafür gedacht, mehr Spaß oder Auflockerung in den Unterricht zu bringen, sondern um eine Erziehung in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern. Er greift die zehn Merkmale des Projektunterrichts noch einmal in seinem späteren Buch „Handlungsorientiert lehren und lernen. Schüleraktivierung - Selbsttätigkeit - Projektarbeit“ (2014) auf. Die dort zusammengefassten Merkmale sollen keine feste Definition darstellen, jedoch die Kernelemente eines Projektunterrichts beschreiben und als eine Art Checkliste dienen:

1. Situationsbezug

„Gegenstand der Projektarbeit sind Aufgaben oder Probleme, die sich aus dem ‘Leben’ ergeben.“ (GUDJONS 1988, S. 16). Projekte sind daher nicht zwangsläufig an die Fachwissenschaften oder Schulfächer gebunden. Sie orientieren sich eher an

Lebenssituationen und enthalten konkrete Aufgaben und Probleme, die gelöst werden sollen. Lehrer müssen dabei vor allem prüfen, ob der Situationsbezug für den Erwerb von Erfahrungen für die Schüler geeignet ist, und ob es etwas neuartiges und eine echte Herausforderung darstellt. Das Projekts soll etwas mit dem privaten und beruflichen Alltag der Schüler zu tun haben. „Es kommt im Projektunterricht darauf an, das Leben wieder am Leben zu lernen.“ (GUDJONS 2014, S. 79).

2. Orientierung an den Interessen der Beteiligten

Der Inhalt eines Projekts soll sich an den Interessen der Beteiligten orientieren. Das Projektthema ist manchmal nicht direkt für alle Schüler interessant, denn jeder Lernende hat seine subjektiven Bedürfnisse und Interessengebiete. Dadurch ist der Unterricht auch ein interessenvermittelnder Prozess, da die Schüler viele unterschiedliche Interessen mitbringen, sie sich trotzdem auf ein gemeinsames Projektthema einigen müssen. Projektunterricht muss auch in seinem Verlauf offen sein für neu entstehende Interessen oder Probleme, die das Projekt in eine neue oder andere Richtung lenken können. Wichtig ist, dass die Lebenswelt und Erfahrungsbereiche der Schüler im Projektunterricht aufgenommen und didaktisch erschlossen werden, um aus einer konkreten Lebenssituation eine Lernsituation zu schaffen (GUDJONS 2014, S. 80 f.).

3. Gesellschaftliche Praxisrelevanz

„Ein gleichsam hobby-artiges, privates Bedürfnis allein reicht aber für ein Projekt nicht aus, soll Projektunterricht nicht der völligen Beliebigkeit und Zufälligkeit verfallen.“ (GUDJONS 1988, S. 20). Im Idealfall soll ein Projekt in die lokale oder regionale Entwicklung eingreifen und die gesellschaftliche Wirklichkeit nachhaltig verändern, oder etwas produzieren, das konkreten Gebrauchswert für die Gesellschaft hat. Das Merkmal der gesellschaftlichen Praxisrelevanz enthält einen hohen Anspruch an die Projektarbeit, verhindert aber auch, dass Projekte als Bastelarbeit oder Freizeitbeschäftigung gesehen werden. Dieser Punkt spiegelt auch Deweys Verständnis des Projektunterrichts als Methode der Selbst- und Weltveränderung wider (GUDJONS 2014, S. 81 f).

4. Zielgerichtete Projektplanung

Projektarbeit ist ein zielgerichtetes Tun. Auch Kilpatrick hat das „planvolle Handeln“ in den Mittelpunkt der Projektmethode gestellt. Durch die Mitbestimmung der Schüler über die Projektziele, entscheiden sie auch automatisch über ihre Lernziele und die damit verbundenen Kompetenzen. Neben der Zielfestlegung müssen auch die Art und Dauer von Tätigkeiten und die Aufgabenverteilung geplant und organisiert werden. Dieses gemeinsame Planen schult das Verständnis für demokratisches Handeln. Nur mit einem guten Plan lassen sich Projekte, die sich auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, erfolgreich durchführen (GUDJONS 2014, S. 83).

5. Selbstorganisation und Selbstverantwortung

Die Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Schüler ist ein wichtiges Kriterium des Projektunterrichts. Die Lehrkraft hilft bei der äußeren Strukturierung und beim Planungsprozess, lässt jedoch alle Wege offen, die das Projekt einschlagen kann. Die Projektplanung und Durchführung und die Projektziele werden von den Schülern festgelegt. Um trotzdem bestimmte Planungsvorgaben seitens der Lehrkraft einzuhalten, empfiehlt es sich, gezielte Koordinationspausen einzulegen, um Verbesserungsvorschläge für das Projekt zu machen oder bei Fehlentwicklungen rechtzeitig einzugreifen. Frey nennt solche Koordinationspausen in seiner Projektmethode Fixpunkte. Diese sollen den Teilnehmern die Möglichkeit geben, sich gegenseitig über den Stand des Projekts auszutauschen, Probleme zu diskutieren, nächste Schritte zu planen und die Projektziele kritisch zu reflektieren (GUDJONS 2014, S. 83 f.).

6. Einbeziehen vieler Sinne

Die Schüler sollen in einem Projekt unter Einbezug möglichst vieler Sinne lernen. Daher kommt es in der Projektmethode auf handlungsbezogene Auseinandersetzung mit den Problemen an. Vor allem sollen geistige und körperliche Arbeit dabei vereint werden. Projektunterricht soll Schule und Leben wieder näher zusammenbringen. „Die Wirklichkeit wird nicht nur ‘beredet’ [...], sondern handelnd unter Einbezug möglichst vieler Sinne erfahren und gestaltet.“ (GUDJONS 2014, S. 85).

7. Soziales Lernen

In einem Projekt wird voneinander und miteinander gelernt. Vor allem die Organisation der Projektteilnehmer für unterschiedliche Tätigkeiten erfordert Rücksichtnahme und Kommunikation der Schüler untereinander und mit dem Lehrer. Somit wird im Projektunterricht die Planungs-, Kooperations und Kommunikationsfähigkeit der Schüler gefördert. Wie schon bei Dewey beschrieben, soll eine demokratische

Umgangsform zwischen den Beteiligten in einem Projekt herrschen. Projektunterricht bietet somit eine Gelegenheit für soziales Lernen (GUDJONS 2014, S. 85 f.).

8. Produktorientierung

Mit einem Produkt im Projektunterricht ist nicht einfach ein Lernerfolg gemeint, den man in einer Klassenarbeit messen kann. Bei einem Projekt geht es um ein sinnvolles und nützlich erachtetes Arbeitsergebnis. Gudjons unterteilt dabei:

- Aktions- und Kooperationsprodukte (z.B. Podiumsdiskussion)
- Vorführungs- und Veranstaltungsprodukte (z.B. Theaterstück, Videovorführung)
- Dokumentationsprodukte (z.B. Broschüre, Buch)
- Ausstellungsprodukte (z.B. Stellwände, Plakate)
- Gestaltungsprodukte (z.B. Schulhofgestaltung)

Die Schüler sollen sich mit dem fertigen Produkt identifizieren können. Wichtig ist, dass die Ergebnisse öffentlich gemacht und kommuniziert werden. Die Schüler sollen stolz auf ihr hergestelltes Produkt sein und ihren Lernerfolg präsentieren dürfen (GUDJONS 2014, S. 87 f).

9. Interdisziplinarität

Interdisziplinarität beschreibt das fächerübergreifende Lernen. Im Projektunterricht sollen genau solche Fächergrenzen überschritten werden, um Probleme und Aufgaben in einem Zusammenhang zu begreifen und Schnittpunkte zwischen verschiedenen Fächern zu finden. Eine Kooperation verschiedener Fachlehrer in einem Projekt lässt sich als Hochform des Teamteaching beschreiben (GUDJONS 2014, S. 89).

10. Grenzen des Projektunterrichts

Grenzen des Projektunterrichts liegen vor allem darin, dass nicht alles, was in der Schule gelernt werden soll, in einem Projekt vermittelbar ist. Insbesondere Fächer wie Mathematik oder Fremdsprachen brauchen ihren systematischen Aufbau. Außerdem ist es unmöglich, alles auf den Interessen und dem Erfahrungshorizont der Schüler aufbauen zu wollen. Es gibt Probleme und Fragen, die sich nicht in Projektform erarbeiten lassen. Schüler würden Gefahr laufen, sich nur einseitig zu spezialisieren, wenn der Unterricht ausschließlich nach ihren persönlichen Neigungen ausgelegt wäre. Zudem ist es schwer zu überprüfen, was der einzelne Schüler im Laufe des Projekts gelernt hat. Projektunterricht ist daher meist sinnvoll als Einstieg oder Ergänzung zu anderen Unterrichtsformen, um theoretische Wissensgebiete mit praktischen Erfahrungen verbinden zu können (GUDJONS 2014, S. 89 ff.).

2.1.5 Rollen der Lehrenden und Lernenden

In der Projektarbeit ist eines der wichtigsten Merkmale die Schülerbeteiligung und ihre aktive Rolle in der Planung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts. Schüler greifen damit in traditionelle Tätigkeitsfelder des Lehrers ein. Den Lernenden wird dabei mehr Verantwortung und Mitbestimmung übertragen, gleichzeitig spielt auch die Entlastung der Lehrkraft eine Rolle. Projektunterricht ist eine Unterrichtsform, in der Schüler mit Lehrern gemeinsam die Bearbeitung eines Problems oder Themas vereinbaren, Pläne entwerfen und sich in Gruppenarbeit der Bearbeitung zuwenden. Die Planungsphase ist meist eine kooperative Phase zwischen Schülern und Lehrkräften. Die Lernenden bringen dabei ihre Wünsche und Interessen ein und die Lehrenden müssen diese ggf. am Lehrplan orientiert ausrichten. In der Erarbeitungsphase besorgen sich Schüler die nötigen Informationen und Arbeitsmittel möglichst selbstständig und arbeiten über einen längeren Zeitraum alleine oder in der Gruppe an der Problemlösung. Der Lehrer steht in dieser Phase nur für Fragen und Probleme unterstützend zur Seite. In der Auswertungsphase steht die Präsentation der Ergebnisse und die Bewertung der Arbeit im Vordergrund, die nach festgelegten Verfahren und Kriterien ebenfalls durch die Schüler vorgenommen wird, mit beratender Funktion durch die Lehrkraft.

„Kurz: Projektunterricht ist eine Unterrichtsform, die - idealtypisch - das Planungsmonopol, das Informationsmonopol und das Kontrollmonopol des Lehrenden aufgibt und diese durch Strukturen reziproker Verantwortung ersetzt.“ (BASTIAN, COMBE 1997, S. 264).

Die Schüler-Lehrer-Beziehung wird in der Projektarbeit demokratisch und gleichberechtigt gestaltet. Dies bedingt unterschiedliche Arbeits- und Kooperationsformen, auf die sich beide Seiten einlassen müssen. Zudem geht der Anlass für Projekte vorrangig von den Bedürfnissen und Interessen der Schüler aus, sodass die Lehrkräfte ihre Rollendominanz, den Schülern Anordnungen, Inhalte und Methoden vorzugeben, aufgeben müssen. Im Unterricht sind die Rollen meist selbstverständlich festgelegt, die Lehrkraft hat die Rolle des Planenden und damit auch die Verantwortung. Die Rollenverteilung in der Projektarbeit lauten allerdings eher gemeinsam oder partnerschaftlich (BASTIAN 1988, S. 30 f.).

Die Rolle des Lernberaters, wie Kersten Reich die Lehrkraft in der Projektmethode bezeichnet, ist, wie der Name schon sagt, in einer beratenden Funktion tätig. Er gestaltet die Rahmenbedingungen, stellt Informationsquellen und Lernhilfen bereit, gibt Anregungen für Lösungsmöglichkeiten und bietet Kriterien für Entscheidungsprozesse an. Die Aufgabe des Lernberaters ist es, „den Gesamtlernprozess zu beobachten, zu begleiten, zu analysieren und ggf. zu bewerten.“ (REICH 2008b, S. 17). Kersten Reich benutzt dafür auch den Ausdruck „Hilfe zur Selbsthilfe“. Der Lernberater unterstützt durch Denkanstöße und Motivation und hilft den Lernenden dabei, das Projekt sinnvoll voran zu bringen und trotzdem so wenig wie möglich einzugreifen. Nur in den Zwischenstopps und Reflexionsphasen ist der Lernberater aktiv gefragt z.B. als Moderator (REICH 2008b, S. 17). Wo die Lehrkraft sich eher in eine zurückhaltende und beratende Rolle begeben muss, sollen die Schüler bei der Projektarbeit ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Selbstorganisation entwickeln. Vor allem bei komplexen Fragestellungen müssen die Lernenden eigene Lösungsideen erarbeiten und ihre Kompetenzen erweitern. Auch die Team- und Kommunikationsfähigkeit wird bei der Projektarbeit gefördert sowie gegenseitige Hilfe und respektvoller Umgang innerhalb der Gruppe (REICH 2008b, S. 17 f.).

2.2 Methode Projektarbeit nach Kersten Reich

In Abschnitt 2.2 wird die Methode der Projektarbeit nach Kersten Reich beschrieben. Dafür befasst sich der Abschnitt 2.2.1 mit seiner Lerntheorie des Interaktionistischen Konstruktivismus. In Abschnitt 2.2.2 werden die besonderen Merkmale von Reichs Projektarbeit zusammengefasst. Seine Methode für Projektarbeit ist dabei stark geprägt durch sein pädagogisches Vorbild John Dewey. Reichs Projektarbeit orientiert sich daher auch in ihrem Ablauf an dem, von Dewey entwickelten, problemlösenden Handlungsschema, welches in Abschnitt 2.2.3 beschrieben und mit Reichs Projektablauf in Beziehung gesetzt wird. Der Abschnitt 2.2.4 beschreibt das Phasenmodell „VEPRAPA“, das für die konkrete Umsetzung eines Projekts als Leitfaden dient.

2.2.1 Interaktionistischer Konstruktivismus

Kersten Reich ist ein deutscher Pädagoge und Professor für Allgemeine Pädagogik und Lehr- und Lernforschung an der Universität zu Köln. Er ist für seinen lerntheoretischen Ansatz des Interaktionistischen Konstruktivismus bekannt und durch seine konstruktivistischen Theorien in den Bereichen der Didaktik und Pädagogik. Sein Interaktionistischer Konstruktivismus basiert auf den erkenntnistheoretischen Grundlagen des Konstruktivismus und ist eine Beziehungsdidaktik. Beziehungen zwischen Lernenden und Lehrenden haben damit immer Vorrang vor den Inhalten (REICH 2008a, S. 17 f).

Einer der Ansätze, aus denen Kersten Reich seinen Interaktionistischen Konstruktivismus entwickelt hat, ist der pragmatischen Ansatz des Lehrens und Lernens von John Dewey. Reich bezeichnet ihn auch als Wegbereiter einer konstruktivistischen Pädagogik (REICH 2010, S. 197). Reich selbst beschreibt seinen Ansatz folgendermaßen:

„Der Interaktionistische Konstruktivismus ist ein neuer konstruktivistischer Ansatz, der stärker als der subjektive Radikale Konstruktivismus und der eher sprachtheoretische Methodische Konstruktivismus die Bedeutung der kulturellen und lebensweltlichen Interaktion bei der Re/De/Konstruktion von Wirklichkeiten beachtet und analysiert. Der Interaktionistische Konstruktivismus setzt sich umfassend mit anderen Ansätzen in der Geistes- und

Kulturwissenschaft auseinander und versucht so, den Konstruktivismus als Ausdruck einer Kulturentwicklung und kultureller Praktiken zu verstehen und zu verdeutlichen.“ (REICH 2007). Die, in dem Zitat beschriebene Re/De/Konstruktion von Wirklichkeiten, nimmt Reich als Ausgangspunkt für seine Lerntheorie. Ausgehend von der zentralen Frage des Konstruktivismus: „Wie erkennt der Mensch die Welt?“, entwickelt Reich seine Didaktik der Konstruktionen. Er vertritt die These, dass diese Re-, De- und Konstruktion stets an die Handlung der Lernenden geknüpft ist (REICH 2010, S. 118 ff.):

- Die Konstruktion hat das Grundmotto: „Wir sind die Erfinder unserer Wirklichkeit.“. Das bedeutet für Beziehungen und auch für den Unterricht von Schülern, dass sie selbst erfahren, experimentieren und ausprobieren und damit eine Konstruktion ihrer individuellen Interessen und Wünsche erstellen (REICH 2010, S.119).
- Die Rekonstruktion bedeutet: „Wir sind die Entdecker unserer Wirklichkeit.“. Nicht alles was in den Interessen und Bedürfnissen der Schüler vorhanden ist, muss von ihnen neu erfunden werden. Viele Methoden wie Fallstudien, Erkundungen und Projekte sind dazu da, den Lernenden eine Lebenswelt oder Wissens durch dokumentarische Recherche näher zu bringen, damit daraus eigenes Wissen rekonstruiert werden kann (REICH 2010, S. 120).
- Die Dekonstruktion steht unter dem Motto: „Es könnte auch noch anders sein! Wir sind die Enttarner unserer Wirklichkeit!“. Bei der Dekonstruktion geht es vor allem darum, einen anderen Blickwinkel einzunehmen und Wissen kritisch zu betrachten und zu hinterfragen (REICH 2010, S. 121).

Das bedeutet, jedes Individuum konstruiert ein eigenes und subjektives Bild seiner Umwelt. Dieser Ansatz verdeutlicht, dass Lernen ein individueller Prozess ist, der bei jedem anders aussieht. Konstruktivismus ermöglicht individuelle Entwicklung einzelner Schüler und fördert das selbstbestimmte Lernen und die Verantwortung der Schüler ein Leben lang zu lernen (REICH 2008a S. 75f.).

Mit dem Dreiklang von Erfinden, Entdecken und Enttarnen besteht eine direkte Verbindung zu Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung in pädagogischen Prozessen. Daher ist Lernen dann am effektivsten, wenn die Lernenden ihren Lernprozess selbst steuern und mitbestimmen können. Das bedeutet: Lernende werden zu aktiven Gestaltern der eigenen Lernprozesse und Lehrende werden zu Coaches und Lernberatern. Dadurch wird das selbstgesteuerte Lernen gefördert. Zudem übernimmt Reich in seinem Interaktionistischen Konstruktivismus die Auffassung von Dewey, dass Demokratie und Erziehung in einem zusammenhängenden Verhältnis zu sehen sind (REICH 2008a, S. 197 f). Vor diesem Hintergrund entwickelte Kersten Reich sein Phasenmodell für die Projektarbeit, in dem die wichtigsten Punkte wie selbstständiges, handlungsorientiertes und soziales Lernen miteinander vereint werden.

2.2.2 Allgemeine Darstellung der Methode

Kersten Reich will mit der Projektarbeit eine möglichst handlungsorientierte Methode für den Unterricht schaffen. Sein Ziel ist die Selbstständigkeit der Lerngruppe zu fördern und die Kommunikation sowie den soziale Umgang miteinander zu stärken. Die Lernenden sollen eigenverantwortlich an ihrem Projekt arbeiten, der Lernberater hat dabei nur eine unterstützende Rolle und gibt dort Hilfestellung, wo sie benötigt und von den Lernenden erfragt wird (REICH 2008b, S. 9).

Diese Grundidee seiner Projektarbeit macht Reich an bestimmten Merkmalen fest, die er in seinem Methodenpool formuliert hat:

1. Verzahnung von Theorie und Praxis

Bei einem Projekt geht es darum, theoretische und praktische Arbeit miteinander zu verbinden. Es sollte eine Praxisrelevanz und einen Situationsbezug zur Lebenswelt der Schüler herstellen. Gleichzeitig darf aber auch der Bezug zum Unterricht und dem Rahmenlehrplan nicht fehlen. Ein Projektthema sollte daher den Lernenden die Möglichkeit geben, theoretische Kenntnisse zu entwickeln und anzuwenden, um ein produktorientiertes Arbeiten für ein ganzheitliches Lernverständnis zu schaffen (REICH 2008b, S. 10).

2. Integration von Lern- und Reflexionsort

Lernen und Reflektieren sollten immer ein gemeinsames Ganzes bilden, damit sollen Erfahrungen der Schüler aus dem Alltag werden in den Lernprozess mit eingebunden werden. Daher können die Lernenden bei der Themenfindung für ein Projekt ihre eigenen Wünsche, Ideen und Interessen mit einfließen lassen. Die Aufgabe für die Projektarbeit ergibt sich dadurch aus dem Lebensumfeld der Schüler und gibt ihnen die

Möglichkeit zur praktischen Auseinandersetzung mit einem situativen Problem und damit auch zu neuen Lernerfahrungen (REICH 2008b, S. 10).

3. Arbeit an komplexen Aufgaben

Vor allem in der Projektarbeit gibt es nicht nur einen möglichen Lösungsweg zur Erreichung des Ziels, sondern viele Möglichkeiten das Projektthema zu bearbeiten. Dabei ist experimentelles Handeln sowohl in der theoretischen Vorbereitung als auch in der praktischen Durchführung des Projekts entscheidend. Die Schüler müssen bei der Bearbeitung ihres Themas auf vorhandenes Fachwissen zurückgreifen und ggf. neues Wissen generieren, Hypothesen aufstellen und diskutieren sowie einen Plan für das theoretische und praktische Vorgehen erarbeiten. Die Realisation des Projekts und die Präsentation der Ergebnisse bilden den Abschluss. Der gesamte Prozess beinhaltet durch die unterschiedlichen Aufgaben theoretisches, praktisches und soziales Lernen (REICH 2008b, S. 11).

4. Selbstständige Bearbeitung durch die Lerner

Der Grundgedanke der Selbststeuerung und Selbstbestimmung wird bei der Projektarbeit optimal erfüllt, wenn die Projektidee, die Zielsetzung und die Entwicklung des Projektergebnisses von den Lernenden selbst ausgehen. Jedoch brauchen Schüler gerade zu Beginn von Ausbildungsphasen noch eine stärkere Hilfestellung, sodass häufig eine Mischung zwischen Anregungen und Ideen des Lernberaters und den Vorschlägen der Schüler entsteht. Darauf folgt die Bearbeitungsphasen und die Durchführung des Projekts. Diese Phasen sollen dann allerdings wieder von den Schülern selbstständig gestaltet werden (REICH 2008b, S. 11 f.).

2.2.3 Ablauf der Projektmethode

Der kognitive Ablauf der Projektmethode von Kersten Reich orientiert sich an den fünf Stufen des Denkens für einen idealtypischen Prozess der Erziehung und Bildung des Menschen von John Dewey. Diese Stufen wurde bereits in Abschnitt 2.1.2 Projektmethode nach John Dewey in einem Zitat angeführt. Zu den fünf Handlungsstufen von Dewey, die für menschliches Lernen typisch sind, gehören: Emotionale Reaktion, Problemstellung, Hypothesenbildung, Überprüfung und Anwendung.

[...]

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Digitale Projektarbeit. Eine Konzeption für die berufsschulische Ausbildung von Hauswirtschaftern im Lernfeld 12 (Berufsschule, 3. Lehrjahr)
Hochschule
Hochschule Osnabrück
Note
2,1
Autor
Jahr
2020
Seiten
84
Katalognummer
V993582
ISBN (eBook)
9783346361752
ISBN (Buch)
9783346361769
Sprache
Deutsch
Schlagworte
digitale, projektarbeit, eine, konzeption, ausbildung, hauswirtschaftern, lernfeld, berufsschule, lehrjahr
Arbeit zitieren
Viktoria Engmann (Autor:in), 2020, Digitale Projektarbeit. Eine Konzeption für die berufsschulische Ausbildung von Hauswirtschaftern im Lernfeld 12 (Berufsschule, 3. Lehrjahr), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/993582

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