Medien - Vierte Gewalt?


Ausarbeitung, 2000

18 Seiten


Leseprobe


Medien- Vierte Gewalt?

1.Die Medien

Die Vielfalt und das Angebot der Massenmedien, so wie das Gleichgewicht der öffentlichrechtlichen wie privaten Funk- und Fernsehsender und privaten Presseerzeugnissen, in Deutschland ist im Gegesatz zu anderen Ländern gut ausbalanciert und folglich der Einfluß von Staat und Wirtschaft ausgewogen verteilt ist.

1.1 Das Fernsehen

Die auffälligste Trendveränderung der medialen Nutzung vollzieht sich vorallendingen im Bereich des Mediums Fernsehen.

Der Nutzungsschub geht dabei primär von den Bevölkerungsgruppen aus, die sich privaten Fernsehen zuwenden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die ARD und das ZDF haben ,im Laufe des Nutzungsschubes und nach der Einführung des dualen Systems, die Hälfte ihrer Zuschauer an die Privatsender verloren, wobei RTL die marktführende Position der ARD übernommen hat. Die zunehmende Verschiebung der Einschaltquoten zugunsten der Privatsender und zuungunsten der großen öffentlichrechtlichen Sender ist im Bezug auf die politische Information der Bevölkerung beunruhigend, da der Unterhaltungsaspekt im Vergleich zu politischen Beiträgen bei ,,den Privaten" deutlich mehr berücksichtigt wird. Auch beziehen die privaten Sender weder eine Position, noch ergreifen sie oft Partei für eine bestimmte Seite.

Die Einschaltquoten und mit ihnen kommerzielle Gesichtspunkte scheinen hierbei folglich eine höher Gewichtung zu haben, als die politische Botschaft.

1.2 Der Hörfunk

In Deutschland existieren private und öffentlich- rechtliche Funkmedien nebeneinander. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind zum größten Teil unter der Dachorganisation ARD ( Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands) zusammengefasst. Entsprechend der Grenzen der Bundesländer bzw. mehrerer Länder zusammenfassend existieren Anstalten unterschiedlicher Größe, die sich überwiegend durch die Rundfunkgebühren finanzieren. Die Programmgestaltung der öffentlich -rechtlichen Hörfunk- und Fernsehsender wird vom Rundfunkrat kontrolliert. Dieser setzt sich aus politischen Repräsentanten und Vertretern der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammen. Sie sollen ein möglichst pluralistisches Meinungsbild widerspiegeln und eine große bandbreite gesellschaftlicher Interessen repräsentieren.

Auch hier geht das Interesse an politischen Beiträgen zurück, aber nicht wie bei dem Medium Fernsehen, sondern es stagniert eher.

1.3 Das Pressewesen

Das vielfältige Angebot an Zeitungen und Zeitschriften lässt sich grob in die Bereiche:

- Überregionale Tageszeitungen mit anspruchsvollem Niveau und politischer Tendenz(z.B. FAZ, die Welt)
- Regionale Tageszeitungen (z.B. Westdeutsche Allgemeine Zeitung) und
- Lokale Tageszeitungen, die weitgehend auf ein politisches Profil verzichten, um damit Rücksicht auf den breitgefächerten Leserkreis zu nehmen
- Boulevardblätter( z.B. Bild)
- Politische Wochenblätter mit klarer Tendenz(z.B. Spiegel, Die Zeit, Wirtschaftswoche)
- Illustrierte/Publikumszeitschriften(z.B. Stern, Bunte), Fachzeitschriften ( z.B. ADAC-Motorwelt), Anzeigeblätter, etc.

Im Bereich der Druckmedien zeigt sich eine rückläufige Bedeutung der klassischen Tageszeitung, die eine breite Leserschaft über das Tagesgeschehen möglichst umfassend und anspruchsvoll informieren will. Die Printmedien, die allerdings auf mehr Bilder und aufwendige Aufmachung setzen, können ihre Auflage verbessern. Allerdings hat auch die Boulevardpresse mit rückläufigen Auflagen aufgrund der Medienkonkurrenz von Fernsehen und Rundfunk zu kämpfen.

Das Interesse an und die Nutzung der Zeitungen ist tendenziell rückläufig, im Gegensatz zu der Nutzung des Fernsehens.

1.4 Die Mediennutzung

Das am häufigsten benutze Medium der Medienlandschaft in Deutschland ist folglich das Fernsehen. Die Nutzung der anderen Medien stagniert oder verläuft, wie bei der Presse, rückläufig.

Der zweite auffällige Befund ist der Bedeutungsverlust der Medien als Mittler politischer Informationen, was zwei Aspekte besonders aufzeigen:

Das Publikum nutzt die privaten Rundfunkprogramme hauptsächlich unterhaltungsorientiert

Die Medien haben, nach Meinung der Bürger(West), an Funktionalität im Bereich politischer Informationen verloren, sowie an Glaubwürdigkeit eingebüßt

Die Mediennutzung in Deutschland verläuft also größtenteils unterhaltungsorientiert und das Interesse an politischen Informationen durch die Medien geht zurück.

Das Fernsehen als meistgenutztes Medium der Medienlandschaft ist meist nur noch Geräuschkulisse für andere Beschäftigungen im Alltag. Nur ca. 30% der Zuschauer springen nicht durch die Kanäle und konzentrieren sich auf das laufende Programm.

Jugendliche setzten einen deutlichen anderen Nutzungsaspekt des Fernsehens, als die älteren Zuschauer an den Tag. So nutzen die Jugendlichen, wie jungen Leute Fernsehen nur der Unterhaltung wegen, im Gegensatz dazu ist den älteren Zuschauern das erhalten von Informationen, Orientierung und Hilfe zur Bewältigung der eigenen Lebenssituation wichtiger.

Ebenso wie beim Fernsehen ist auch bei der Tageszeitung, als universelles und reichweitenstarkes Informationsmedium eine ähnliche Beobachtung zu machen.

Bei älteren Lesern erzielt die Tageszeitung konstant die höchsten Reichweitenwerte und wieder sinken die Reichweiten ,in einem beobachteten Zeitraum von 10 Jahren, bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen stetig.

1.5 Medienwirkung

Untersuchungen haben bewiesen, dass jede Meinungsäußerung im Fernsehen Wochen später eine Änderung der Einstellung der Bevölkerung nach sich zieht.

Der Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung der Menschen ist aber deutlich begrenzt, da sie ihre Meinung nicht ausschließlich über die Medien beziehen, sondern auch durch Gespräche mit Bekannten, Freunden, Familie und Kollegen. Dadurch wird eine Beherrschung der Meinung durch Medien ausgeschlossen.

Die Menschen erfahren zwar Ereignisse aus den Medien, die Bewertung dieser Ereignisse bildet sich aber aufgrund von Kontakten mit anderen Menschen.

Die Nutzung der Medien ist allgemein abhängig von der Funktion der politischen Information für den Zuschauer, was auch wiederum Einfluss darauf hat in welchen Medien Infos gesucht und genutzt werden.

Das Fernsehen ist als Sozialinstanz wirksam und schult auch Anschauungen von politischen und gesellschaftlichen Realitäten. Mit diesem Hintergrund müssen Gewaltszenen besonders kritisch betrachten werden. Durch die Verharmlosung der Gewalt im Fernsehen stumpfen die Menschen mehr ab und lässt die Hemmschwelle eigenen gewalttätigen Handelns sinken oder auch die Welt als besonders bedrohlich erscheinen.

Es besteht außerdem ein komplexer Zusammenhang zwischen zum Beispiel der Gewaltbereitschaft der Kinder und aggressiven Medieninhalten, der auch von der Umwelt in der die Kinder aufwachsen abhängig gemacht werden muss.

Die Medien unterstützen bereits existierende Dispositionen, können aber nicht neue generieren, was allein an dem gesellschaftlichen Einfluss ,den Freunde, Bekannte, Familie und Kollegen auf das jeweilige Individuum haben, festgemacht werden kann. Die Bedeutung der medialen Inhalte für ein Individuum ist nur im Gesamtzusammenhang seiner Lebens- und Erfahrungsbezüge, die wiederum vor dem Hintergrund sozialer Bedingungen vonstatten gehen, einzuschätzen.

So können all diese Komponenten die Wirkung der Medien unterstützen, relativieren oder auch negieren. Zusammengefasst kann behauptete werden, dass Parteien und Interessenverbände sehr bemüht um den Einfluss bei den Medien ringen. Die manipulierende Wirkung aber dabei dadurch begrenzt wird, dass

1. viele Bundesbürger das große Medienangebot nutzen und auf unterschiedliche Medien zurückgreifen
2. die vermittelte Meinung häufig in Kleingruppen (d.h. z.B. Familie) verarbeitet, diskutiert und selektiv im Sinne der eigenen Auffassungen aufgenommen wird.
3. Die Leser einer bestimmten Zeitung auch aus anderen politischen Lager kommen und vergleichen

1.6 Medienauftrag und eitPressefreih

Die politische Beteiligung in einer Massendemokratie wird durch Presse, Funk und Fernsehen erst ermöglicht, denn erst umfassende Information, sowie kennenlernen unterschiedlicher. Meinungen und abwägen gegeneinander ermöglicht eine politische Entscheidung. Massenmedien stellen Öffentlichkeit her in der Austausch der verschiedenen politischen Meinungen verschiedener Gruppierungen stattfindet. Erst die Meinungen die in den Massenmedien zu Diskussionsthemen werden, haben eine Chance öffentlich wirksam zu werden. Die öffentliche Meinung ist durch die Veröffentlichte weitgehend bestimmt, was eine besondere Verantwortung in die Hand der Massenmedien legt.

Durch die folgenden Begriffe lassen sich die politischen Funktionen der Massenmedien zusammenfassen:

- Information durch Berichterstattung
- Mitwirkung an der Meinungsbildung durch Auswahl von Themen und Kommentierung
- Kontrolle und Kritik durch Nachforschungen sowie Veröffentlichung und Kommentierung
- Beitrag zur Integration der Gesellschaft durch bundesweite Verbreitung und Vielfalt der Inhalte, Spiegelung aller weltanschaulichen und politischen Positionen und Strömungen

Die Medien sind weiterhin so gut wie es geht gegen wirtschaftlichen Druck von außen, der durch Reaktionen auf verschiedene Publikationen entstehen könnte, geschützt. Das Recht der freien Meinungsäußerung findet seine Grenzen in allgemeinen Straftatbeständen wie z.B. Beleidigung (das Pressegesetz bietet jedem, über den berichtet wird, das Recht der Gegendarstellung). Bei der Rechtsprechung ist man allerdings darum bemüht, diese Grenzen möglichst weit zu halten.

2. Die Rolle der Massenmedien bei der öffentlichen Meinungsbildung

Bilden die Massenmedien eine ,,vierte Gewalt", fungieren sie als eine Art Kontrollinstanz der Legislative, Judikative und Exekutive? Oder ist ihre Aufgabe auf die eines ,,Katalysators von Interessen" beschränkt?

Welche Rolle spielen die Massenmedien bei dem ständigen Theater der öffentlichen Meinungsbildung? Sind sie diejenigen, die die Stücke schreiben, oder vielleicht nur diejenigen, die die Regie führen; Oder üben sie lediglich die Rolle eines Bühnenbesitzers aus, der seine Bühne für gutes Geld an interessierte Darsteller vermietet?

2.1 Die Entwicklung der modernen Kommunikationsgesellschaft

Das Ziel jeder öffentlichen Kommunikation, jeder Kommunikationsgesellschaft ist die Verständigung zwischen den einzelnen Individuen. Durch die Entwicklung immer neuerer Medien wie Fernsehen, Kabel-/Satellitenprogramme bis hin zum Internet wurden stets neue Kommunikationsschübe verursacht. Mit dieser Entwicklung wird aber auch das Erreichen eines Konsens, einer Verständigung innerhalb der Gesellschaft schwieriger.

2.2 Die öffentliche Meinungsbildung

Die öffentliche Meinung beeinflusst die Parlamente und die Regierung und ist damit ein wesentlicher Bestandteil jeder Demokratie. Die Qualität bei dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung hängt wesentlich ab von:

1. der Rationalität, mit der er geführt wird. D.h., ist die öffentliche Meinung ein Produkt einer breiten öffentlichen Diskussion? Wurden Argumente und Gegenargumente rational abgewogen?
2. der Freiheit, die der Minorität der Andersdenkenden bei diesem Prozess eingeräumt wird. Ihre konträre Meinung muss dabei ebenso in die Meinungsbildung einfließen können.
3. der Durchsetzung der Mehrheitsmeinung. Aus ihr resultiert die demokratische Mehrheitsorientierung. (Entscheidungsträger verlassen sich häufig auf die repräsentative Umfrageforschung, die die öffentliche Meinung und mit ihr die Mehrheitsmeinung widerspiegelt.)

Öffentliche Meinung wird auch als die Meinung charakterisiert, die man öffentlich äußern kann, ohne sich zu isolieren. Im Extremfall kann man von einer Schweigespirale sprechen, bei der sich die öffentliche Meinung herausbildet. Damit ist der Konformitätsdruck gemeint, der sich z.B. bei der politischen Berichterstattung durch die Angleichung der Medien und Nachrichten manifestiert. Es kommt zu der Vermittlung von ein und derselben Medienrealität, die durch die Kumulation gleicher Realitäten in unterschiedlichen Massenmedien entsteht. Unter diesem Aspekt gewinnt die Berücksichtigung der Meinung der Andersd

2.3 Konsequenzen der Entwicklung der Kommunikationsgesellschaft für die Bildung der öffentlichen Meinung

Durch die gestiegene Bedeutung von Kommunikation in unserer Gesellschaft sind die Fähigkeit zur Kommunikation und Kommunikationsgeschick zu zwei der wichtigsten Kriterien für beruflichen Erfolg geworden. Kommunikationstraining und Kommunikationsseminare finden immer mehr Teilnehmer. Jeder ist darum bemüht, sein image und seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln, um sich im universellen Kampf um Aufmerksamkeit und Anerkennung durchsetzen zu können.

Besonders deutlich manifestiert sich diese Entwicklung in der Politik. Es geht nicht darum, für bestimmte Probleme die besten Sachlösungen zu präsentieren oder Vor- und Nachteile dieser Lösungen darzustellen. Es geht in erster Linie um das Wie der Präsentation, wie überzeugend die Darstellung der Problemlösung in der öffentlichen Debatte geführt wird. Es gibt nie sachlich beste Problemlösungen, sondern immer nur politisch schlechtere oder bessere.

Um sich bei der öffentlichen Meinungsbildung durchsetzen zu können, gewinnt die Kommunikationspolitik gegenüber der Sachpolitik immer mehr an Bedeutung. Es geht darum, den notwendigen Glauben an eine bestimmte Lösung und Handlung zu schaffen; ob diese Lösung dann auch die richtige ist, und ob diese Handlung dann auch durchgeführt wird, ist erst mal zweitrangig. Diese Entwicklung wird noch dadurch verstärkt, daß sich die Zielvorgaben der Parteien sachlich nur noch in Nuancen unterscheiden und daß der Handlungsspielraum durch eine Vielzahl von Restriktionen eingeschränkt ist. Politische Durchsetzbarkeit wird durch Geschick in der Kommunikationspolitik entschieden, durch die Kunst der Vertrauensbildung und Mehrheitsbildung, ohne relevante Minderheiten zu sehr zum Aufbegehren zu reizen.

In den Vordergrund rückt auch, welches image ein Protagonist in der Öffentlichkeit vertritt. Das ZDF-Politbarometer demonstriert Monat für Monat die Image-Werte bestimmter Politiker. Durch welche Ursachen auch immer ein Politiker in die Negativschlagzeilen gerät, sein Urteil in Sachfragen wird erheblich geschwächt sein. Den Massenmedien kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu, da von ihnen verstärkende Impulse ausgehen: Sie sind darum bemüht, für jede Imageveränderung plausible Gründe zu finden, die letztendlich über den Rückkopplungseffekt zu einer weiteren positiven oder negativen Veränderung des Images beitragen.

Die zunehmende Bedeutung der Kommunikationspolitik macht vor keinem Bereich öffentlichen Handelns halt. Neben der Politik sind auch Wirtschaft, Umweltschutzgruppen, Bürgerinitiativen, Menschenrechtsinitiativen, Hilfsorganisationen u.s.w. von dieser Entwicklung betroffen. Das heißt für alle Beteiligten Dauerpräsenz in den Medien bei allen öffentlichen Fragen und die Nutzung jeder Chance, um in die Schlagzeilen zu kommen. Es wächst der Bedarf an spektakulären Ereignissen. Dies hat zur Folge, daß die Sinne langsam abstumpfen; um z.B. die Spendierfreundlichkeit zu wecken, werden im Fernsehen schreckliche Bilder von verhungernden Kindern gezeigt. Tankerunglücke, Kriegsberichterstattungen sind alltägliche Bilder und Schlagzeilen in den Nachrichten der Massenmedien.

Reizthemen und Schlagbegriffe tauchen immer schneller auf und ab; ein Thema wird solange durchgekaut, bis es niemand mehr hören kann. In den 80er Jahren waren dies z.B. Themen wie ,,Waldsterben", ,,ökologisches Gleichgewicht"; in den 90er Jahren werden es Themen wie ,,Standortfrage" oder ,,Wettbewerbsfähigkeit" sein. Durch den Gegensatz zwischen Reden und Handeln und durch die Steigerung des Gefühls, von einem Weltgeschehen beherrscht zu werden, auf das kein Einfluss genommen werden kann, kommt es zu einer enormen Verunsicherung bei den Menschen. Es ist schwieriger geworden, zu einem Konsens bei der öffentlichen Meinungsbildung zu kommen. Eine Verständigung, ein Konsens wird heute paradoxerweise häufig gerade durch die schlichte Nichtthematisierung gefunden bzw. beibehalten.

Da sich die Öffentlichkeit durch Medien erheblich ausgeweitet hat, sind auch die Reichweiten von Gefühlen und Stimmungen gestiegen. Sie erstrecken sich und wirken auf die ganze Gesellschaft; keine Demokratie kennt Entscheidungsprozesse, welche diese Grundtatsache modernen Regierens verleugnen könnte. Alle Demokratien sichern ihre Legitimität durch enge Korrespondenz mit der öffentlichen Meinung. In diesem Zusammenhang entstand der Begriff Stimmungsdemokratie.

Das Problem liegt jedoch nicht darin, dass Stimmungen überhaupt in die Politik einfallen. - Es liegt dort, wo Stimmungen rationales Kalkül von öffentlicher Kommunikation und Wirksamkeit weitgehend ausschließen. In der Geschichte der Bundesrepublik gibt es dafür ein klassisches Beispiel: Den Sturz des Kanzlers Erhard 1966 aufgrund einer ökonomischen Krisenstimmung, die durch Tatsachen kaum gedeckt war (, 1965/66 herrschte eine Arbeitslosenquote von 0,5 %, ein Wirtschaftswachstum von 5,6 %). Trotzdem wurde die öffentliche Meinung weitestgehend durch Pessimismus geprägt. Erhard machte nun den Fehler, zu stabilisieren und zu konsolidieren, statt optimismusstiftend auf die Öffentlichkeit einzuwirken. Dadurch, dass er keine phantasieansprechende Zukunftsperspektive entwickelte, mobilisierte er keine Gegenstimmung. Dieser Fehler war sein politisches Ende.

Das Beispiel illustriert die Bedeutung des subtilen Spiels um Stimmungen und Meinungen in der Öffentlichkeit. Der Einfluss der Massenmedien ist dabei besonders erwähnenswert. - So sind sie es doch häufig, die ausschlaggebende Impulse für Stimmungen und Gefühle initiieren.

Anfang der 90er Jahre kam das Schlagwort Politikverdrossenheit auf und hielt in den Medien Einzug wie ein Lauffeuer. Die Schuldigen dieser Politikverdrossenheit sind jedoch nicht alleine die Politiker. Für dieses Stimmungsgemisch, das die Bundesrepublik damals stärker belastete als seine wirklichen Probleme, sind die Bürger durch die Rückkoppelung über die Medien mindestens ebenso verantwortlich zu machen. Die Bundesrepublik ist eine Stimmungsrepublik. Damals ,,fühlte" sie sich viel schlechter als es ihr in Wirklichkeit ging. Obwohl sich bis heute nicht viel in der Einstellung der Bürger gegenüber den Politikern verändert hat, benutzt heute niemand mehr das Schlagwort Politikverdrossenheit.

2.4 Einfluß von Interessengruppen bei der öffentlichen Meinungsbildung

Die Öffentlichkeitsarbeit der Interessenorganisationen zielt auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ab. Konkret heißt dies: Kontaktpflege zu Journalisten, Presseerklärungen, eigene Publikationen und Demonstrationen, Einflussnahmen auf die Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Medien. Wichtiger als publizistische Kampagnen im Einzelfall scheint die allgemeine, langfristig angelegte ,,Meinungspflege", mit der der Boden für erfolgreiche Interessendurchsetzung bereitet wird.

Der Einfluss von Interessengruppen auf die öffentliche Meinung ist schwer festzustellen; dabei rückt die Forschung immer mehr von der Fiktion einer einheitlichen öffentlichen Meinung ab. Selbst wenn eine Meinung von vielen Menschen konsumiert wird, wird sie nicht von annähernd so vielen geglaubt. In der Regel wirkt der Einfluss auf die öffentliche Meinung nur als Verstärker neben anderen Aktionen der Verbände. Die Teile der Bevölkerung, die einem Interesse nahestehen, sind auf Grund ihrer höheren Bereitschaft, interessengebundene Meinungsäußerungen zur Kenntnis zu nehmen, aufgeschlossener für die Ansichten, die ein Verband fördert. Bei Umfragen unter Journalisten wurde das Bemühen um Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung bei den Arbeitgeberverbänden mit 35,3 % deutlich höher eingestuft als bei den Gewerkschaften mit 17,2 %.

Auch in bezug auf das Verhältnis zwischen Massenmedien und den Interessengruppen zeichnet sich eine Entwicklung ab: Die Journalisten sind - schon wegen der zunehmend mangelnden Mitarbeiterzahl - darauf angewiesen, dass sie Mitteilungen aus den Pressebüros der politischen Institutionen, der Wirtschaft und der Interessenverbände erhalten. Diese nehmen die Rolle der Informationslieferanten mit zunehmender Professionalität wahr und verstehen es, die Medien zur gezielten Platzierung von Informationen im öffentlichen Diskurs zu benutzen. Im Extremfall kommt es zu einem bloßen Hin- und Herspielen von Statements zwischen den Protagonisten der verschiedenen Interessengruppen.

3. Funktionsprobleme der Medien

Erfüllen die Massenmedien die Erwartungen, die an sie gestellt werden? Im folgenden wird die Kritik dargestellt, mit der sich die Massenmedien in bezug auf die Erfüllung ihrer politischen Funktion auseinandersetzen müssen. Dabei bezieht sich Abschnitt 4 im wesentlichen auf die Kritik, die aus dem massenmedialen System im allgemeinen resultiert. Abschnitt 5 beschäftigt sich demgegenüber mit der Kritik, die aus der Veränderung des Systems hervorgeht

3.1 Parteipolitischer Einfluß auf die Fernseh- und Rundfunkgeräte

In den ARD- und ZDF-Rundfunkräten stammen 123 Mitglieder von 436 direkt aus der Politik (1989/1990), d.h. sie sind Vertreter von Parlamenten, Regierungen und Parteien. Über diese politischen Vertreter hinaus haben sich parteipolitische Fronten gebildet. Dementsprechend wird von politischen Konstellationen in den einzelnen Anstalten gesprochen, wie z.B. einer CDU/CSU-geneigten Mehrheit beim ZDF oder einer sozialdemokratisch orientierten Mehrheit beim Norddeutschen Rundfunk. Dieser parteipolitische Einfluss steht dem kritischen Journalismus im Wege und engt den Spielraum für neutrale Berichterstattung ein.

3.2 Politische Zwänge / Journalisten als politische Akteure

Wieweit politische Vorgaben von Verlegern und Chefredakteuren (und über sie auch Vorgaben aus der Wirtschaft wie z.B. von wichtigen Inserenten) gegenüber Journalisten durchgesetzt werden und damit die politische Meinungsbildung mitformen, scheint schwer zu überprüfen. Diese innere Pressefreiheit kann nur unzureichend durch gesetzliche Vorgaben geschützt werden.47 In diesem Zusammenhang muss man auch die Konzentration im Pressewesen und der Medienkonzerne im allgemeinen betrachten; es ist offensichtlich, dass sie die Meinungsvielfalt und die Pressefreiheit gefährden.

Eine Kritik von rechts spricht von einem linken Kampfjournalismus, der seine Position in öffentlich-rechtlichen Medien missbrauche. Publizistikwissenschaftliche Umfragen haben erkennen lassen, dass sich Journalisten tatsächlich parteipolitisch deutlich links von der Bevölkerung einordnen. Dieses Ergebnis gewinnt an Bedeutung, wenn man es zusammen mit dem journalistischen Rollenselbstverständnis betrachtet. Es klingt plausibel, dass Journalisten unter diesen Voraussetzungen ihre Rolle als neutrale Informationsvermittler nur unzureichend erfüllen.

3.3 Ökonomische Zwänge

Die Abhängigkeit von den Werbeeinnahmen wird für alle Medien größer. Sie müssen ein immer aufwendigeres Programm erstellen, um sich in der Konkurrenz behaupten zu können. Gleichzeitig wachsen die Werbeetats der Wirtschaft; die Marketingfachleute versuchen die größtmögliche Zielgruppe mit der Werbung ihres Produktes anzusprechen. Mittlerweile lässt sich eine Tendenz beobachten, nach der journalistische Darstellungen zum Rahmenprogramm der Werbung für bestimmte Konsumgüterbranchen werden.

Andere ökonomische Zwänge resultieren aus der Position des Medienbetriebs in der Marktwirtschaft. Zeitungsverlage, Fernsehprogramme, etc. werden von Konzernen nach rein ökonomischen Kriterien erworben, erhalten, veräußert oder liquidiert. Um das Risiko zu streuen, werden Firmen aus anderen Branchen hinzugruppiert, bzw. branchenfremde Konzerne kaufen sich auch in die Medienbranche ein. Beeinflussungen der Medien durch die Wirtschaft ergeben sich so schon durch den finanzierenden (Verlags-)Konzern. Hohe Auflagenzahlen und Werbeeinnahmen werden immer mehr zum Kriterium von erfolgreichem Journalismus.

Werbeeinnahmen stellen einen großen Teil der Gesamteinnahmen; Bei vielen Medien sind sie sogar die einzigen Einnahmen. Der Anzeigenerlös bei Abonnementzeitungen liegt bei knapp 70 % der Gesamteinnahmen. Rücksichtnahmen auf Inserenten sind auch tatsächlich erkennbar, wenngleich man dies sehr differenziert betrachten muß. Bei der Presse stammt ein Großteil der Anzeigen nicht von werbenden Firmen sondern aus dem nicht-gewerblichen Bereich, wie z.B. Familienanzeigen, Wohnungsmarkt, Stellenanzeigen. Im übrigen kann bei vielen regionalen, lokalen oder spezialisierten Publikationen kaum auf andere gleichwertige Werbeträger ausgewichen werden.

3.4 Konzentration von Medienkonzernen

Mit der Entwicklung der Kommunikationsgesellschaft ist ein hart umkämpfter Kommunikationsmarkt entstanden. Mit steigendem Wettbewerb können sich nur noch einige wenige große Medienkonzerne behaupten, da nur sie in der Lage sind, den ständig steigenden Aufwand an Personal und Kapital zur Verfügung zu stellen. Exemplarisch dafür ist Bertelsmann mit einem Jahresumsatz (1995) von 20,5 Milliarden DM , Hachette (Frankreich, 1989) 8,517 Milliarden DM, Maxwell Communication (Großbritannien, 1989) 3,826 Milliarden DM. Die Medienkonzentration gefährdet die Meinungsvielfalt, die durch das Angebot unterschiedlicher Medien und das breite Spektrum innerhalb einzelner Medienbereiche sichergestellt sein sollte.

Aufgrund der technologischen Entwicklung und den steigenden Arbeitskosten sind Tageszeitungen ständig dazu gezwungen, ihre Auflage zu steigern. Langfristig sank aus diesem Grunde die Vielfalt an Zeitungen; die Anzahl selbständiger Blätter sank von 630 im Jahre 1961 auf 371 im Jahre 1978. Die Anzahl lokaler Zeitungsmonopole stieg dementsprechend an. Im Lokalbereich darf man jedoch nicht die politische Relevanz dieses Konzentrationsprozesses überschätzen, da die Lokalpresse in politischer Hinsicht eher unbedeutend ist.

In den letzten Jahren offenbart sich eine weitere Tendenz: Seit der Einführung des Privatfernsehens erhärtet sich der Verdacht, dass sich ein Großteil der Privatsender im Besitz von wenigen einzelnen befinden. Konzentrationen erkennt man z.B. bei der Kirch- Gruppe und dem Springer- Verlag (u.a. SAT 1 / PRO 7). Aus diesem Grunde befassen sich die am 5.7.1996 zu Ende verhandelten Medien-Staatsverträge u.a. mit der Konzentrationskontrolle von privaten Fernsehsendern. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Kurt Beck, kommentierte, man habe sich darauf geeinigt, daß bei den Privatsendern eine ,,Vermutungsgrenze" von 30 % Marktanteil gelten solle. Mit diesem Verfahren versuche man die ,,vorherrschende Meinungsmacht" einzelner Medienkonzerne zu verhindern. Die Ratifizierungverfahren der neuen Medien-Staatsverträge werden voraussichtlich ab September in den Landtagen beginnen.

Quasi als Reaktion auf den neuen Rundfunkstaatsvertrag fusionierten zwei der größten, konkurrierenden Medienkonzerne Europas: Die Bertelsmann AG und die Luxemburger Audiofina S.A. kombinierten ihre Film-, Funk- und Fernsehtochterunternehmen Ufa und CLT zu einer Gesellschaft. ,,Dazu nickte die Politik nur zustimmend ab." Das neue Fernsehunternehmen, das das größte ganz Europas sein wird, hat einen erwarteten Jahresumsatz von über 5 Milliarden DM. Welche mediale Macht nun in der Hand eines Konzerns liegt, verdeutlicht sich, wenn man sich die Liste der Beteiligungen anschaut: Die Ufa bringt TV-Beteiligungen an den deutschen Sendern RTL, RTL 2, Vox und Premiere ein; im übrigen sind sie Teilhaber an Radio NRW, der Rufa, dem Cologne Broacasting Center und stern tv. Die Luxemburger Audiofina ist in Europa an 14 Fernsehsendern und 18 Radiostationen beteiligt, in Deutschland an: RTL, RTL 2 und Super RTL. CLT/Ufa will noch im Herbst ein eigenes Pay-TV-Paket auf den Markt bringen.

3.5 Die Nachrichtenauswahl der Journalisten

Journalisten, die sog. Kommunikatoren, haben bestimmte Auswahlkriterien, um den Nachrichtenwert eines Ereignisses zu bestimmen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von ,,Türstehern". Damit wird den Journalisten eine verhältnismäßig machtvolle Position zuteil, den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu beeinflussen. Es stellt sich die Frage, ob ,,Pseudoereignisse" geschaffen werden, die einzig dem Zweck der medialen Berichterstattung dienen.

Konkrete Auswahlkriterien sind: Dem Atypischen Vorrang vor dem Normalen zu geben, der Neuigkeit vor der Wiederholung, der affektiv ansprechenden Katastrophe und dem Skandal Vorrang vor ordentlichen Verhältnissen einzuräumen. Diese Auswahl ist notwendig, um Aufmerksamkeit zu erringen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Medien auf diese Art und Weise nicht ein völlig verzerrtes Bild von Realität widerspiegeln.

Den Medien im allgemeinen wird die Wirkung zugeschrieben, die Themen der Politik und Diskussion zu bestimmen. Journalisten haben die Möglichkeit Nachrichten zu verkürzen und ihnen eine besondere Signifikanz einzuräumen. Fernsehmoderatoren haben die Möglichkeit, politische Diskussionen in eine bestimmte Richtung zu steuern. Sie und das Konzept ihrer Sendung einschließlich der Produzenten erhalten die einflussreiche Stellung, politische Diskussion in die öffentliche Debatte zu bringen, Themen und nicht zuletzt Gäste auszuwählen. Unabhängig von ihrer Rolle als politischer Akteur wird den Journalisten also eine besonders machtvolle Position in bezug auf die öffentliche Meinungsbildung durch ihre Nachrichten- und Themenauswahl zuteil.

Bei dieser journalistischen Auswahl stellt sich heraus, dass einzelne, bestimmte Medien eine besondere Bedeutung besitzen. So orientiert sich doch ein Großteil der Journalisten an der ,,Elite" der Medien, an Flaggschiffen wie Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit, Die Welt, Frankfurter Rundschau und einigen Fernsehsendungen. Der Einfluss diese ,,Elite" reicht damit weit über ihre eigenen Auflagenziffern bzw. Zuschauerzahlen hinaus.

3.6 Medienbedingte Wirklichkeitsverzerrung

Der moderne Mensch erschließt sich immer neue Dimensionen des Wissens und der Erkenntnis; diese Dimensionen entziehen sich jedoch zunehmend der persönlichen Erfahrbarkeit. Dieser Prozess resultiert in der Herausbildung von Wahrnehmungsstereotypen, die als Bilder in unseren Köpfen wirklichkeitsprägenden Charakter annehmen. In diesem Prozeß spielen die Massenmedien eine entscheidende Rolle.

Es stellt sich die Frage, ob es so etwas wie ,,objektive Wirklichkeit" überhaupt gibt oder ob jede Realität im Kern nicht immer nur dokumentierte und berichtete Realität ist. Die Fragen, inwiefern die Medien die Wirklichkeit verzerren und ob die Massenmedien nicht eine eigene, neue Form von Medien-Realität erschaffen, gewinnen an Brisanz, besonders in bezug auf die Entwicklung des Massenkommunikationssystems. Mittlerweile manifestieren sich Tendenzen, daß durch den Konsum der Massenmedien ein systematisch verzerrtes Bild der Welt entsteht. Eine düstere Sicht der Politik - gerade bei Jüngeren, welche die Medienwelt weniger mit eigenen Erfahrungen kontrastieren können - ebenso wie zurückgehendes Vertrauen in Institutionen, scheint durch die medienbedingte Wirklichkeitsverzerrung erklärbar zu sein.

4. Entwicklung des Massenkommunikationssystems und seine Auswirkungen

4.1 Zunehmende politische Desinformation der Bürger

Bei einem Großteil des Angebots an Massenmedien lässt sich ein Trend zur Vereinfachung, Personalisierung und Emotionalisierung feststellen. Die dramaturgischen Notwendigkeiten - Spannung, Verkürzung, Simplifizierung - lassen Kontinuität und Rationalität auf der Strecke. Auf diesem Wege wird politisches Interesse und unbegründetes Kompetenzbewusstsein erzeugt. Politiker müssen sich diesen Verhältnissen anpassen und entwickeln dementsprechend ein mediengerechtes Öffentlichkeitsverhalten.

Durch Untersuchungen, die zuerst in den USA durchgeführt wurden, wurde die These einer zunehmenden Entfremdung der Bürger von der Politik bestätigt. Diese resultiere vor allem aus der negativistischen Form der Berichterstattung in den Massenmedien über Politik. Diese Video-Malaise hat weitreichende Folgen für das politische System, die noch dadurch verstärkt werden, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung von den Massenmedien direkt, d.h. ohne Vermittlung über personale Kontakte, erreicht wird. Durch den zunehmenden Verlust persönlicher Kontakte innerhalb der Gesellschaft wird das Phänomen der medialen Personalisierung begünstigt.

4.2 Trend zur Personalisierung

Durch die technisierte, robotisierte, und standardisierte Massengesellschaft zeigt sich eine Entwicklung, innerhalb derer das Individuum das Gefühl hat, überhaupt nicht mehr zu zählen. Früher, in den primären Gruppen, befand sich die Bevölkerung in persönlichem Kontakt mit den Führenden. Heute ist das Individuum bei steigendem Verlust der Integration in einer Gemeinschaft (Familie, Dorf) dabei, sich in einem administrativen und abstrakten Universum zu verlieren. Die Personalisierung der Macht ist deshalb als eine Kompensationserscheinung zu verstehen, um wenigstens an der Staatsspitze ein Minimum an menschlicher Kommunikation und Wärme wiederzufinden, die an der Basis verschwunden ist. Innerhalb dieser großen, anonymen Gesellschaft gewinnen Werte wie Familiarität, gefühlsmäßige Bindungen, Charisma eine neue Bedeutung. Politische Protagonisten sind sich dieser Werte bewußt und stehen so durch die Massenmedien im direkten, persönlichen Kontakt zu jedem Individuum. Mittlerweile hat jeder Bürger das Gefühl, den Regierungschef so zu kennen, wie er früher den Bürgermeister seines Dorfes kannte. Die Entwicklung des Massenkommunikationssystems hat dieses Phänomen der Personalisierung nicht ins Leben gerufen, sondern lediglich bekräftigt und in andere Dimensionen gerückt.

4.3 Entwicklung zum ,,politischen Showgeschäft"

Von den Politikern wird ein den Medien entsprechendes Öffentlichkeitsverhalten erwartet. Während die Presse der Personalisierung der Macht dient, machen die Politiker der Presse den Hof. Eine ständige Präsenz in allen Medien ist gefordert, sowie die Stellungnahme zu jeder aktuellen Meinung. Dabei ist es weitaus bedeutender, über die Dinge zu reden, als zu handeln. Die Dauerpräsenz in den Massenmedien erfordert von ihren Akteuren, daß sie bestimmte Darstellungstechniken beherrschen. Dies bedeutet, daß jeder Politiker und auch jeder andere Protagonist einer bestimmten Interessengruppe ein guter Schauspieler und ein guter Redner sein muß. Voraussetzung für jeden dieser Akteure ist die Idealisierung der eigenen Person ebenso wie expressive Kohärenz. Die öffentliche Kommunikation verlangt von ihren Darstellern, daß sie ihre Interessen und Anliegen in Worte der herrschenden Definition des Allgemeinwohls kleiden. Dieser Verallgemeinerungszwang öffentlicher Kommunikation führt zu einer thematischen und inhaltlichen Standardisierung.

Die Entwicklung der Medien bedeutet also nicht nur Fortschritt; die Kommunikation und vor allem die Propaganda verfallen wieder auf die Privilegisierung der Formen mageren intellektuellen Inhalts, die Begünstigung einer ultrapersonalisierten, auf die Stimme und das Bild des Führers gegründeten Kommunikation. Von neuem unterwirft sich die Affektivität das rationale Urteilsvermögen, mit einem Informationsspektakel, das die große Presse, das Radio und das Fernsehen veranstalten.

4.4 Ungleichmäßige Information der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen

Eine umstrittene Forschungshypothese besagt, daß es durch die Massenmedien zu einer zunehmenden Wissenskluft zwischen dem hoch und dem gering informierten Teil der Bevölkerung kommt. Diese These steht im erklärten Gegensatz zu Hoffnungen, durch Ausweitung des Massenkommunikationssystems käme es zu einer gewissen Angleichung der Informationsausstattung zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Diese Forschung ist von offensichtlicher Bedeutung für die gesamtpolitische Bewertung der neuen Medien (insbesondere auch der privaten Funk- und Fernsehsender). Für diese Forschungshypothese liegt eine begrenzte empirische Bestätigung vor.

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Details

Titel
Medien - Vierte Gewalt?
Autor
Jahr
2000
Seiten
18
Katalognummer
V99361
ISBN (eBook)
9783638978057
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medien, Vierte, Gewalt
Arbeit zitieren
Stephanie Voet (Autor:in), 2000, Medien - Vierte Gewalt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99361

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