Migrationshintergrund als Ursache von Bildungsdisparitäten im deutschen Schulsystem. Der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe


Hausarbeit, 2020

13 Seiten, Note: bestanden


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Migration
2.1. Definition und Gründe für die Migration
2.2. Begriffsfeld Migrationshintergrund

3. Bildungsungleichheiten im deutschen Schulsystem
3.1. Das deutsche Schulsystem im Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe
3.2. Lesekompetenzen von Grundschüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund anhand der IGLU Studie 2016
3.3. Entstehung und Ursachen von Bildungsdisparitäten anhand der Theorie der primären und sekundären Herkunftseffekte
3.4. Weitere Ursachen

4. Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in das deutsche Bildungssystem

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

Deutschland - ein Einwanderungsland. Menschen mit Migrationshintergrund sind ein grundlegender Bestandteil in unserer Gesellschaft. Im Schulsystem lässt sich beobachten, wie einige Schüler*innen benachteiligt beziehungsweise anders behandelt werden als andere. Meist geschieht das aufgrund verschiedener Merkmale, wie zum Beispiel der Hautfarbe, Religion oder dem Migrationshintergrund. Aufgrund dessen können Schüler*innen Nachteile bezüglich Bildungsentscheidungen oder auch bei Übergängen in andere Schulformen haben. Anhand der IGLU Studien, welche Leseleistungen von Grundschüler*innen untersuchen, kann man die Kompetenzunterschiede in der Grundschule zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund erkennen.

In der folgenden Hausarbeit befasse ich mich damit, welche Bildungsungleichheiten Schülerinnen mit Migrationshintergrund während des Übergangs von der Grundschule auf die weiterführende Schule erleben. Neben dem persönlichen Interesse aufgrund des eigenen ethnischen Hintergrundes hat diese Thematik zudem einen hohen bildungspolitischen Stellenwert.

Zum Einstieg wird kurz erläutert, was Migration ist und welche Gründe es dafür gibt. Anschließend werden die Merkmale, die einen Migrationshintergrund ausmachen, aufgelistet.

Um Vergleiche ziehen zu können, wird auf die IGLU Studie 2016 eingegangen und die Ergebnisse von Schülerinnen mit und ohne Migrationshintergrund gegenübergestellt. Im Anschluss wird ein Einblick in das deutsche Schulsystem im Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe gewährt, um dann die Ursachen von Bildungsdisparitäten zu erläutern. Abschließend werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie man diese Schülerinnen besser in das deutsche Bildungssystem integrieren kann.

2. Migration

2.1 Definition und Gründe für die Migration

Einleitend in das Thema werden nun einige Begriffserklärungen folgen.

Das Wort Migration beschreibt das langfristige Entfernen vom Lebensmittelpunkt, wobei sich diese Form der Migration von Formen der Mobilität, zum Beispiel in ein anderes Land reisen, unterscheidet, aufgrund dessen, dass bei solch einer Form der Mobilität der Lebensmittelpunkt nicht verschoben wird. Eine weitere Begriffsdefinition beschreiben die Vereinten Nationen, welche Migration als Wohnsitz in einem anderen Land mit einer Dauer von mehr als drei Monaten oder mehr als einem Jahr bezeichnen. Es gibt viele Beweggründe für das Verlassen des ursprünglichen Aufenthaltsortes. Dies könnte beispielsweise aufgrund von Suche nach neuer Arbeit geschehen (Arbeitsmigration) oder aber auch das Streben nach (Aus-)Bildung (Bildungsmigration).

Zudem kann die Flucht vor angedrohter oder befürchteter Verfolgung und Gewalt (Flucht- bzw. Gewaltmigration) eine weitere Ursache sein (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2020).

2.2 Begriffsfeld Migrationshintergrund

Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Im Einzelnen umfasst diese Definition zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländerinnen und Ausländer, zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte, (Spät-) Aussiedlerinnen und (Spät-) Aussiedler sowie die als Deutsche geborenen Nachkommen dieser Gruppen (Statistisches Bundesamt, 2020)

Im Alltag wird oft von Menschen mit und Menschen ohne Migrationshintergrund gesprochen. Der Begriff wurde erstmals Anfang der 2000er Jahre für Schulleistungsstudien verwendet und 2005 erneut im Mikrozensus aufgegriffen. Um den Migrationshintergrund zu ermitteln, werden mehrere Faktoren kombiniert. Diese sind die Staatsangehörigkeit, Geburtsort/-land, Sprache, Generationenstatus und schließlich das Zuwanderungsalter (Kemper, 2010, S. 315- 316). Nachfolgend wird auf die Bildungsungleichheiten im deutschen Schulsystem eingegangen, wobei als erstes das Schulsystem in Deutschland beschrieben wird, um dann die Ergebnisse der IGLU Studie 2016 darzustellen.

3. Bildungsungleichheiten im deutschen Schulsystem

3.1 Das deutsche Schulsystem im Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe

Für das Bildungssystem in Deutschland sind die jeweiligen Bundesländer verantwortlich. Diese besitzen die sogenannte Kulturhoheit, welche beschreibt, dass sie für Kulturpolitik und -verwaltung verantwortlich sind (vgl. van Ackeren/ Klemm/ Kühn, 2015, S.95). Aufgrund dessen unterscheidet sich das Schulsystem der einzelnen Bundesländer bezüglich der Inhalte der Lehrpläne (vgl. Dollmann, 2011, S. 598).

Ab dem sechsten Lebensjahr beginnt für Kinder in Deutschland die Schulpflicht. In einigen Bundesländern ist dies auch schon früher der Fall. Die Grundschule umfasst in der Regel vier Jahre, in Berlin und Brandenburg sogar sechs. Ziel der Grundschulen ist es, den Schüler*innen ein Grundwissen zu bieten und diese auf die Sekundarstufe vorzubereiten (vgl. van Acke- ren/Klemm/Kühn, 2015, S. 49).

Auf Empfehlung der Lehrer entscheiden die Eltern für welche weiterführende Schule diese ihr Kind voraussichtlich anmelden (vgl. Lokhande, 2016, S. 21). Dabei kann die Präferenz der Eltern als Indikator für die im Anschluss besuchte Schule beschrieben werden. Für ca. 40 Prozent der Schülerinnen erwarteten die Lehrerinnen, welche 2016 während der IGLU Studie befragt wurden, den Realschulabschluss oder das Abitur. Ungefähr 20 Prozent würden mit dem Hauptschulabschluss abschließen. Verglichen zu IGLU 2011 haben die Schülerinnen immer weniger Empfehlungen für den Hauptschulabschluss. Umso mehr wurde das Abitur als Empfehlung ausgesprochen (vgl. Stubbe/Bos/Schurig, 2016, S. 239).

3.2 Lesekompetenzen von Grundschüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund anhand der IGLU Studie 2016

Seit 2001 nimmt Deutschland alle fünf Jahre an internationalen Schulleistungsstudien teil, wie z.B. der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung. Schülerinnen werden am Ende der vierten Klassen in ihren Leseleistungen bewertet. Die IGLU Studien belegen, dass sich Grundschulkinder in ihren Lesekompetenzen unterscheiden. Die Ergebnisse dieser Studien sollen bedeutende Informationen über die Schülerinnen liefern, um nachvollziehen zu können, in welchem Maße „sich eingeleitete Reformen und Veränderungen im Schulwesen als zielführend oder wirksam erweisen“ (vgl. Bos, 2016, S. 11).

Dass der Migrationshintergrund einen Einfluss auf die Leseleistungen der Kinder in der vierten Klasse hat, bestätigt die IGLU Studie seit 2001. Diese erbringen demnach niedrigere Leseleistungen. Bei Eltern, welche mit ihren Kindern im Haushalt Deutsch sprechen, sind die Leistungen der Schüler*innen besser als jene, welche zuhause kein Deutsch sprechen (vgl. Wendt/Schwippert, 2016, S. 219-220).

„Laut Miyamoto et al. (2017) gibt es Hinweise darauf, dass Kinder mit Migrationshintergrund seltener lesen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne Migrationshintergrund“ (ebenda, S. 220).

Gemäß der Studie des Jahres 2016 gaben 83,4 % der Schülerinnen an, zu Hause immer oder fast immer Deutsch zu sprechen. Um genauere Schlussfolgerungen über die Kinder zu erhalten, wurden diese anhand von Fragebögen über das Geburtsland der Eltern befragt. Im Vergleich zur ersten IGLU Studie 2001 ist der Anteil an Kindern, deren Eltern beide in Deutschland geboren sind, von 77,8 % auf 68,3 % zurückgegangen. Zudem zeigten die Ergebnisse, verglichen zu 2001, dass sowohl die Kinder, deren Eltern beide in Deutschland geboren sind als auch jene, deren Eltern beide im Ausland geboren sind, signifikant höhere Leistungen erbrachten. Auf allen Ebenen lässt sich jedoch aufweisen, dass Grundschüler*innen ohne Migrationshintergrund häufiger auf höheren Kompetenzstufen einzuordnen sind. Grundschüler*innen, deren Angehörige Migrationshintergrund aufweisen, erbringen laut IGLU 2016 niedrigere Leistungen. Letzteres ist ebenfalls bei Schülerinnen, die zu Hause kein Deutsch sprechen der Fall. Insgesamt ist anzumerken, dass Viertklässler*innen, bei denen beide Elternteile einen Migrationshintergrund aufweisen, der Anteil an schwachen Leseleistungen bei 29 Prozent liegt (vgl. ebenda, S. 222-232).

Um einen Überblick zu schaffen, wie und warum es zu diesen Bildungsdisparitäten kommt, wird im Folgenden die Theorie von Raymond Boudon bezüglich primärer und sekundärer Herkunftseffekte erläutert.

3.3 Entstehung und Ursachen von Bildungsdisparitäten anhand der Theorie der primären und sekundären Herkunftseffekte

Eine mögliche Ursache soll anhand des Ansatzes von Raymond Boudon (1974) der primären und sekundären Herkunftseffekte dargestellt werden. Laut dem französischen Soziologen würden familiäre Ressourcen Kindern aus höheren Sozialschichten ermöglichen, Fähigkeiten zu erlangen, welche für die Schule von Vorteil sind. Diese fallen somit unter die Kategorie der primären Effekte. Zusätzlich wird verdeutlicht, dass neben finanziellen Ressourcen auch kulturelle Ressourcen, Interessen und Einstellungen zählen. Kinder aus niedrigen Sozialschichten weisen diesbezüglich Nachteile auf, welche sich auf die schulischen Leistungen auswirken (vgl. Bellin, 2009, S. 27-31).

Dies lässt sich sowohl genetisch als auch auf unterschiedliche Ressourcen, wie kulturelles und soziales Kapital zwischen verschiedenen sozialen Gruppen begründen. Verschiedene Sozialisationsbedingungen hinsichtlich der Sprache, oder aber auch der Lern- und Bildungsmotivationen in den jeweiligen Elternhäusern verdeutlichen den Unterschied zwischen den sozialen Schichten. Beispielsweise lässt sich veranschaulichen, dass Kindern aus weniger privilegierten Verhältnissen schulische Hilfsmittel in geringeren Maßen zur Verfügung stehen und Bildung einen niedrigeren Stellenwert hat. Familienangehörige haben somit weniger Motivation, bei den schulischen Leistungen der Kinder zu helfen und diese zu fördern. Folglich führt dieser Nachteil dazu, dass die Schüler*innen sich hinsichtlich der Leistungen unterscheiden (vgl. Gresch, 2012, S. 46).

Der sekundäre Herkunftseffekt bezieht sich auf die Kosten-Nutzen-Abwägung der Bildungswege. Bildungsziele sind in Bezug auf die eigene soziale Stellung aufgebaut und Eltern sind dabei motiviert den eigenen Status zu erhalten und somit das Kind eher auf ein Gymnasium zu schicken, wenn sie selbst auch das Abitur erworben haben. Des Weiteren können Kosten für Schulbücher oder Ausflüge für Angehörige niedriger sozialer Schicht stärker von Bedeutung sein als für solche, mit finanziell höherem Status. Eltern aus unterschiedlichen Sozialschichten haben somit trotz gleicher Schulleistungen der Kinder unterschiedliche Vorstellungen über schulische Entscheidungen (vgl. ebenda, S. 46-47).

Boudon gibt an, es seien sekundäre Effekte in Entscheidungssituationen ausschlaggebend. Der primäre Effekt würde zwar auch berücksichtigt werden, sei jedoch nicht entscheidend für die Entstehung von Disparitäten (vgl. Maaz/Nagy, 2010, S. 153).

Die oben genannten Herkunftseffekte sind jedoch nicht der einzige Grund, wieso Disparitäten im Bildungssystem entstehen können. Anknüpfend werden einige weitere Ursachen genannt, die ebenfalls ausschlaggebend für die unterschiedlichen Leistungen der Schüler*innen sein können.

3.4 Weitere Ursachen

Im Folgenden wird erläutert, welche weiteren Aspekte dazu führen, dass Bildungsdisparitäten im deutschen Schulsystem entstehen.

Stereotype können für negative Urteilsverzerrungen der Lehrerpersonen sorgen. Oftmals sind diese in der Lage, Einfluss auf die Leistungserwartungen und -beurteilungen, aber auch auf die endgültigen Schulleistungen der Schüler*innen zu haben. Am folgenden Beispiel lässt sich erkennen, wie Stereotype sich auf Beurteilungen auswirken können: Gresch erläutert, dass bei den selben Leistungen, die Schüler*innen bessere Noten bekämen, denen man ohnehin schon hohes Leistungspotenzial zuschreibt, als jene, bei denen niedrigere Leistungen zu erwarten seien (vgl. Gresch, 2012, S. 63-64).

Der Effekt der sich-selbst-erfüllende Prophezeiung ist eine weitere Ursache. Dieser beschreibt, dass eine ursprünglich falsche Erwartung von jemandem über eine Person, von dieser Person bestätigt wird und sich somit bewahrheitet (vgl. Jonas/Stroebe/Hewstone, 2014, S. 71).

Dadurch kann erklärt werden, wieso Schüler*innen leistungsstärker sind, wenn man ihnen ein hohes Leistungspotenzial zuschreibt. Unterstellen Lehrpersonen bestimmten Schüler*innen niedrigere Leistungen als anderen, strengen diese sich als Konsequenz weniger an und das Leistungspotenzial wird kaum verstärkt (vgl. Gresch, 2012, S. 64).

Davon abgesehen lässt sich der Primacy-Effekt darstellen. Diesen kennzeichnet, dass frühere Informationen, die man über etwas oder jemanden hat, einen stärkeren Einfluss auf die Meinungsbildung haben als spätere (vgl. Jonas/Stroebe/ Hewstone, 2014, S. 69).

Der erste Eindruck von Lehrkräften kann Auswirkungen auf ihr Verhalten im weiteren Verlauf haben und dieses beeinflussen. Verdeutlicht wird dies durch die Aussage: „Die nachfolgenden Wahrnehmungs- und Handlungsabläufe werden von diesem ersten Eindruck gesteuert, sie sind vor allem darauf ausgerichtet, das vorhandene Bild zu bestätigen “ (Schweer/Thies/Lachner, 2017, S. 127, Hervorh. im Orig.).

Anknüpfend an den Ursachen werden einige Maßnahmen genannt, um Schüler*innen mit Migrationshintergrund in das deutsche Bildungssystem zu integrieren.

4. Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in das deutsche Bildungssystem

Anhand der bisherigen Erkenntnisse lässt sich schließen, dass es bei Schüler*innen mit Migrationshintergrund an Unterstützung bedarf, um die Bildungsdisparitäten zu hemmen.

In vielen Fällen haben Familien mit niedrigem Sozialstatus oder wenig Bildung nicht die Gegebenheiten, ihren Kindern optimale Lernbedingungen zu bieten und viele Probleme in der Schule entstehen demnach aufgrund der sprachlichen Barrieren. Wichtig ist daher, dass diese bereits im frühen Kindesalter gefördert werden (vgl. Dumont et al., 2014, S. 14).

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Migrationshintergrund als Ursache von Bildungsdisparitäten im deutschen Schulsystem. Der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
bestanden
Autor
Jahr
2020
Seiten
13
Katalognummer
V994009
ISBN (eBook)
9783346364494
ISBN (Buch)
9783346364500
Sprache
Deutsch
Schlagworte
migrationshintergrund, ursache, bildungsdisparitäten, schulsystem, übergang, grundschule, sekundarstufe
Arbeit zitieren
Zilan Orak (Autor:in), 2020, Migrationshintergrund als Ursache von Bildungsdisparitäten im deutschen Schulsystem. Der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/994009

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