Die französische Schulpolitik des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Verbreitung der Nationalsprache?


Hausarbeit, 2018

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1.1 Sprachpolitische Auswirkungen der Revolution
2.1.2 Nationenbegriff
2.1.3 Nationalsprache im nachrevolutionären Frankreich
2.2 Sprach-und Schulpolitik zu Beginn des 19. Jahrhunderts
2.2.1 Das Schulsystem- Von der Restauration bis zur Zweiten Republik
2.2.2 Jules Ferry- Schulreform und Gesetzgebungen der Dritten Republik
2.3 Verdrängung der Regionalsprachen

3. Schluss
3.1 Zusammenfassung

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Dass die französische Sprache zu den bedeutendsten Sprachen unserer Zeit gehört, dürfte den meisten bekannt sein. Sie ist eine von zehn romanischen Sprachen und hat ihren Ursprung im alten Rom, dem Latein. Die Anfänge der französischen Sprachgeschichte gehen bis ins Mittelalter zurück und sind für das französische Volk und der damaligen Herausbildung einer Identität als Nation von hoher Bedeutung.

Anfang des 19. Jahrhunderts machten sich nunmehr die Nachwirkungen der französischen Revolution bemerkbar und hatten einen großen Einfluss auf gesellschaftspolitische Veränderungen. Das Volk befand sich nach den Ereignissen in einem Zustand der Ziel- und Orientierungslosigkeit und sehnte sich nach neuer Solidarität und einem Gefühl der Zusammengehörigkeit innerhalb der Gesellschaft. Es entfaltete sich infolgedessen mit dem Ende der Ständegesellschaft ein allgemeines Interesse an der Herausbildung einer Gemeinschaft, um genauer zu sein einer nationalen Identität.

Der französische Staat strebte fortan danach, das Volk zu modernisieren und zu einer Einheit zu formen, worauf politische Maßnahmen folgten. Eines dieser Ziele war die Durchsetzung der französischen Standardsprache als durchgängige Nationalsprache in allen Bereichen. Grundlage dieses Wunsches war die Alphabetisierung, d.h. die Bildung des Landes im Allgemeinen zu fördern.

In dieser Seminararbeit geht es primär um die Frage, welche Maßnahmen in der Schulpolitik der 3. Republik ergriffen wurden, um die französische Sprache als einheitliche Sprache der Nation durchzusetzen und gleichzeitig die vielen Regionalsprachen zu unterdrücken.

Zunächst wird am Anfang dieser Arbeit kurz dennoch präzise auf die Frage eingegangen, welche Rolle die französische Standardsprache während und nach der französischen Revolution spielte und wie der Wunsch einer Einheit aufkam. Im zweiten Teil dieser Hausarbeit wird die Sprachpolitik des 19. Jahrhunderts näher beleuchtet, unter anderem mit Bezugnahme auf den damaligen französischen Ministerpräsidenten Jules Ferry, der mit seiner Politik einen bedeutsamen auf das Schulwesen hatte. Anschließend werden dem Leser wesentliche Änderungen innerhalb der Schulpolitik, d.h. neue Gesetzgebungen, aufgelistet und deren Einfluss auf die Durchsetzung einer Nationalsprache erläutert. Gleichzeitig soll aufgezeigt werden, inwiefern die vielen Regionalsprachen Frankreichs nachteilig behandelt wurden und neben der französischen Standardsprache verdrängt wurden.

Im Schlussteil dieser Arbeit werden die Ergebnisse der Untersuchung, mit welchen Mitteln Frankreich es schaffte, die Französische Standardsprache als National sprache durchzusetzen, zusammengefasst und gewichtet. Des Weiteren wird die Aussagekraft dieser Ergebnisse beurteilt und eine Hypothese aufgestellt, welche Auswirkungen die Änderungen des Schulwesens des 19. Jahrhunderts auf das 20. Jahrhundert hatten.

2. Hauptteil

2.1.2 Sprachpolitische Auswirkungen der Revolution

Das französische Volk war Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts politischer Instabilität und Unruhen innerhalb der Gesellschaft ausgesetzt. Ein wichtiger Faktor hierbei ist die Tatsache, dass Frankreich 5 verschiedene Regimes in 55 Jahren hatte.

Das erste Regime war Le premier Empire und ging von 1804-1815, gefolgt von der Restaurationsepoche mit der Julimonarchie 1830-1848 und der Februarrevolution 18481852. Darauffolgend wurde 1851 ein Staatsstreich ausgeführt, nach dem die 2. Republik ausgerufen wurde. Zu guter Letzt wurde die 3. Republik nach der Niederlage im deutschfranzösischen Krieg ausgerufen.

Nachdem sich der Dritte Stand 1789 zur Nation erklärte, bildete dieses Ereignis den entscheidenden Wendepunkt im Nationenkonzept und repräsentierte einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte der Sprachpolitik und Sprachgeschichte Frankreichs. Somit ist das Ende des 18. Jahrhunderts die entscheidende Zeit, in der die Idee einer Nation ihren Ursprung fand, „keine hat so langwirkende Folgen für die Entwicklung der gesellschaftlichen Sprachpraxis und der Sprache (n) im eigenen und in angrenzenden Ländern gehabt [...J“1. Sprache war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr nur Sprache, die Sprachpolitik stellte für die Herrscher ein Hilfsmittel dar, um die Idee einer Nation zu verwirklichen, und war somit eines der „ersten Instrumente der Herrschaft“.2 Damit war eine neue Qualität verbunden, indem erkannt wurde, dass „Kommunikation und Sprache zum Objekt von Politik werden müssen.“3 Das bedeutete, dass der Austausch zwischen Beherrschern und Beherrschten immer mehr an Bedeutung gewann und ein Faktor für das Erreichen der politischen Ziele war.

Es wird deutlich, dass der Sprache der Nation nach 1789 eine ganz neue Rolle in den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen zugeordnet wurde. „Von 1789 an sind somit in Frankreich die kommunikativen Bedingungen und Strategien grundlegend verändert“4, so Klare. Das Ziel der Politik war die Französischsprachigkeit eines jeden Bürgers der Nation, wodurch gleichzeitig die vielen Regionalsprachen Frankreichs verdrängt und benachteiligt wurden. Auf diesen Aspekt wird im Punkt 2.3 des Hauptteils näher eingegangen.

Die französische Sprache erlangte einen immer höheren Stellenwert in allen Bereichen des Lebens. Aufgrund der Tatsache, dass die Sprache zum Instrument der Revolutionäre wurde, hatte der Austausch mit dem Volk für sie einen sehr hohen Stellenwert. Dass dem so ist, lässt sich auch an der Nationalversammlung 1790 darstellen, als ein Antrag mit der Forderung eingebracht wurde, „Übersetzungen der wichtigen revolutionären Texte in die in Frankreich gesprochenen Sprachen anzuordnen, um die notwendige Verbreitung der neuen Ideen zu erreichen.“5

2.1.2 Nationenbegriff

Um die Frage beantworten zu können, wie sich das Französische als eine Nationalsprache im nachrevolutionären Frankreich entwickelte, gilt es zunächst festzustellen, was „Nation“ denn eigentlich bedeutet.

Nation kommt aus dem Lateinischen „natio“ und bedeutet ,Geburt‘ ,Volksstamm‘ ,Gattung‘. Im 16. und frühen 17. Jahrhundert wurde noch nicht zwischen Nation und Staat unterschieden, die Differenzierung folgte erst im Laufe des späten 17. Jahrhunderts, als die Académie fran9aise die Nation definiert als ein Volk, das ein und dieselbe Sprache spricht und dieselben Gesetze ausübt. Die Definition des eigenen Wörterbuches der Akademie besagt nämlich, ,,une nation est constituée par tous les habitants d’un meme État, d’un meme pays, qui vivent sous les memes lois et usent le meme langage.“6

Auch Diderot wagte sich an eine Definition und definierte Nation ähnlich wie die Akademie als eine Menge an Menschen, die innerhalb bestimmter Grenzen leben und derselben Regierung gehorchen.7 Aus diesen beiden Definitionsansätzen der damaligen Zeit lässt sich vermuten, dass schon damals deutlich wurde, welch hohen Stellenwert der Nationengedanke für die Franzosen hatte, ebenso wie die Sprache einer Nation.

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde deutlich, dass es keine einheitliche, allgemeingültige Definition des Wortes gab, vor allem aufgrund der Tatsache, dass es nicht die eine Nation gab. Genauso wie heute existierten damals Völker, die sich als eine Nation fühlten, d. h., sie verfügten über staatliche, sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeit, jedoch hatten sie keine eigenen Staatsgrenzen und galten deshalb nicht als Staatsnation. Demzufolge durfte sich ein Volk erst dann Staatsnation nennen, wenn es über ein eigenes Staatsgebiet verfügte.

Im Jahr 1789 vollzog sich der womöglich größte Wendepunkt in diesem Kontext, „als sich der Dritte Stand zur Nation erklärte und wenig später die „Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte“ proklamierte.“8 Auf Basis des durch diese beiden Ereignisse entstandenen Nationalstolzes der Franzosen entwickelte sich zudem zeitgleich ein Wunsch nach Uniformität in Sachen Sprache.

2.1.3 Nationalsprache im nachrevolutionären Frankreich

Nachdem der Begriff ,Nation‘ erläutert wurde, stellt sich nun die Frage, wie sich eine französische Nationalsprache in der Gesellschaft festigte und welchen Symbolcharakter sie für die Nation hatte.

Die Sprachpolitik im nachrevolutionären Frankreich kennzeichnete sich durch ihre Uniformität. Dem war allerdings nicht immer so, denn ihr ging zuvor eine Sprachpolitik der Diversität voraus. Mit Diversität ist eine Politik gemeint, welche die Minderheitensprachen akzeptiert, anerkennt und wichtige Texte in alle Sprachen übersetzt, wie es während der Französischen Revolution der Fall war. Jene Rücksichtnahme nahm jedoch im Laufe der Revolution immer mehr ab. Als sich die Lage zunehmend verschärfte und die Kämpfe eskalierten, „kommt es in den Folgejahren zu einer zunehmenden Monopolisierung des Französischen.“9

2.2 Sprach- und Schulpolitik zu Beginn des 19. Jahrhunderts

2.2.1 Das Schulsystem - von der Restauration bis zur Zweiten Republik

Die Monopolisierung des Französischen vollzog sich in nahezu allen Bereichen des Lebens, sei es in der Wirtschaft, im Städtebau, in der Justiz etc. Das System, das jedoch den mit Abstand größten Einfluss auf die Sprache eines Volkes hat, ist das Bildungssystem. Nach der Erkenntnis, dass die Sprache als Instrument der Revolution fungierte, wurden auch in der Sprachpolitik diverse ausschlaggebende Änderungen vorgenommen, die das Durchsetzen des Französischen als Nationalsprache begünstigten.

Die Einführung eines einheitlichen laizistischen Bildungssystems von 1789 sollte jedem Franzosen einen Zugang zur französischen Nationalsprache gewähren. Jedoch waren damals nur etwa 50 % der Franzosen Französischsprecher, der Rest setzte sich aus Sprechern zusammen, die Minderheitensprachen sprachen. Der französische Autor Grégoire fand heraus, dass mindestens 12 Millionen Franzosen die Nationalsprache nicht ausreichend beherrschten, lediglich „3 Millionen Französischsprecher werden von Grégoire als im Bereich der Mündlichkeit allseitig kompetent, weit weniger als des Schreibens und Lesens kundig angesehen.“10 Dies stellte den französischen Staat vor ein Problem: Welche Reformen benötigt das Bildungssystem des Landes, um jeden Franzosen der französischen Nationalsprache mächtig zu machen?

[...]


1 Brumme, Jenny (1993): Sprachpolitik in der Romania: Zur Geschichte sprachpolitischen Denkens und Handelns von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart. Berlin: De Gruyter, S.63.

2 Ebd.

3 Kremnitz, Georg (2015): Frankreichs Sprachen. Berlin: De Gruyter, S.15.

4 Klare, Johannes (2011): Französische Sprachgeschichte. Stuttgart: Ibidem-Verlag, S.152.

5 Ebd. Kremnitz

6,,Eine Nation besteht aus allen Bewohnern desselben Staates und desselben Landes, die unter denselben Gesetzen leben und dieselbe Sprache sprechen." (Originaltext übersetzt mithilfe www.dict.leo.org.org): Fehrenbach, Elisabeth 2014: Politischer Umbruch und gesellschaftliche Bewegung: Ausgewählte Aufsätze zur Geschichte Frankreichs und Deutschlands im 19. Jahrhundert. München: Oldenbourg, S.270.

7 Vgl. Ebd.

8 Vgl. Brumme (1993), S.69.

9 Vgl. Kremnitz (2015), S.28.

10 Vgl. Brumme (1993), S.64/65.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die französische Schulpolitik des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Verbreitung der Nationalsprache?
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
14
Katalognummer
V994310
ISBN (eBook)
9783346360199
ISBN (Buch)
9783346360205
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schulpolitik, jahrhunderts, beitrag, verbreitung, nationalsprache
Arbeit zitieren
Dilara Akcelebi (Autor:in), 2018, Die französische Schulpolitik des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Verbreitung der Nationalsprache?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/994310

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