Arbeitslosigkeit und Lohn


Hausarbeit, 2001

14 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Arbeitslosigkeit
2.1 Arbeitslosenquote
2.2 Strukturbedingte Arbeitslosigkeit
2.2.1 Saisonale Arbeitslosigkeit
2.2.2 Fluktuationsarbeitslosigkeit
2.2.3 Strukturelle Arbeitslosigkeit
2.3 Niveaubedingte Arbeitslosigkeit
2.3.1 Die keynesianische Erklärung
2.3.2 Die neoklassische Erklärung

3 Faktoren der Lohnbildung
3.1 Tariflohnbildung
3.2 Erfolgsbeteiligung
3.3 ,,Insider-Outsider-Modell"
3.4 Effizienzlohntheorie

4 Ursachen der Arbeitslosigkeit
4.1 Zu hohe Lohnkosten?
4.2 Nachfrage und Strukturwandel?
4.3 Europäische Wirtschaftsunion?
4.4 Internationale Arbeitsteilung?

5 Schlußbetrachtung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zählen nach der Verfehlung des wirtschaftspolitischen Zieles der Vollbeschäftigung seit 1974 zu den am häufigsten diskutierten Problemen. Arbeitslosigkeit gehört neben der Inflation zu den gravierendsten ökonomischen Problemen. Sie bedeutet aus volkswirtschaftlicher Sicht den Verzicht auf Produktion, Einkommen sowie die Verschwendung menschlicher Ressourcen und sie bewirkt einen verstärkten Abbau von Humankapital. Gleichzeitig kann sie für den Arbeitslosen eine extreme persönliche Härte bedeuten und ist daher auch ein wichtiges soziales Thema.

Bei dauerhafter Arbeitslosigkeit besteht ein andauernder Angebotsüberschuß auf dem Arbeitsmarkt. Daher ist erklärungsbedürftig, weshalb weder die Nominal- noch die Reallöhne sinken. In der Realität steigen die Nominallöhne regelmäßig an; ähnliches gilt für die Reallöhne, die im allgemeinen mit steigender Arbeitsproduktivität ansteigen.

Thema dieser Arbeit ist es, Erklärungen für die andauernde Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit der Lohngestaltung darzustellen.

Unter dem Kapitel ,,Arbeitslosigkeit" werden neben der Arbeitslosenquote und der Unterteilung in verschiedene Komponenten auch neoklassische und keynesianische Erklärungsansätze erläutert.

In dem dritten Kapitel ,,Faktoren der Lohnbildung" sollen Grundlagen der Lohngestaltung arbeitnehmer- und arbeitgeberseitig betrachtet werden, und inwieweit sie einen Erklärungsbeitrag zur Beschäftigungslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland geben. Zudem soll geklärt werden, warum ein markträumendes Lohnniveau in der Realität nicht zu finden ist.

Im letzten Kapitel werden Erklärungsansätze der struktur- und niveaubedingten Ursachen der Arbeitslosigkeit zusammenfassend betrachtet und zudem dargestellt, welche anderen Faktoren bei der Entstehung von Arbeitslosigkeit eine Rolle spielen können.

2 Arbeitslosigkeit

2.1 Arbeitslosenquote

Die Arbeitslosenquote eines Landes schwankt im Zeitablauf parallel zu den Konjunkturschwankungen. Arbeitslosigkeit steigt in Zeiten der Rezession an und sinkt wieder in Boom-Zeiten.

S ä ulendiagramm 2-A:

Arbeitslosenquote (Westdeutschland) 1960-1998

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit

Das S ä ulendiagramm 2-A zeigt die zeitliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit für die Bundesrepublik Deutschland unter Verwendung der amtlichen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit (BA). In den sechziger Jahren und zu Beginn der siebziger Jahre lag die Arbeitslosenquote im Durchschnitt um 1 v.H. Ab 1974/75 ist die Arbeitslosenquote dann auf 5 v.H. hochgeschnellt. Ursache war die exorbitante Erhöhung der Rohstoffpreise. Im Zeitraum 1983-1988 verharrte die Arbeitslosenquote ungefähr auf diesem Niveau und begann erst 1989 deutlich zu sinken. Dieser Rückgang ist im wesentlichen auf den Konjunkturimpuls im Zuge der Wiedervereinigung zurückzuführen. Ein Anstieg der Arbeitslosenquote auf 9 v.H. ab 1992/93 ist als Folge der schweren Rezession zu deuten (vgl. Franz, Heidelberg 1999, S. 345ff).

2.2 Strukturbedingte Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, die in diesem Kapitel aufgeführt und genauer erläutert werden sollen.

Zur strukturbedingten Arbeitslosigkeit gehören alle Arten von Arbeitslosigkeit, die mit der Struktur von Angebot oder Nachfrage nach Arbeit zusammenhängen oder durch sie geklärt werden. Bei diesen Erklärungen werden Arbeitskräfte und Arbeitsplätze nicht als Gesamtheit betrachtet, sondern in ihrer unterschiedlichen Ausprägung nach Qualifikation und anderen Kriterien (vgl. Kromphardt, Göttingen 1998, S.44). (Kromphardt verwendet in seinen Untersuchungen zu ,,Arbeitslosigkeit und Inflation" den Begriff strukturbedingte Arbeitslosigkeit. Hiermit umschlie ß t er die saisonale Arbeitslosigkeit, Fluktuationsarbeitslosigkeit und die strukturelle Arbeitslosigkeit (vgl. Kromphardt, 1998, S.45).)

2.2.1 Saisonale Arbeitslosigkeit

Die saisonale Arbeitslosigkeit betrifft alle Branchen, die von Jahreszeiten abhängig sind. In diese Gruppe fallen Branchen, deren Produktion stark den Natureinflüssen ausgesetzt sind wie Landwirtschaft, Fischerei und Baugewerbe. Zudem betrifft sie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Tourismus. Das Ausmaß saisonaler Arbeitslosigkeit hängt von der Struktur der Volkswirtschaft ab, nämlich vom Umfang der von ihr betroffenen Branchen und von der Möglichkeit der Beschäftigten, in der ,,arbeitslosen Zeit" eine andere Beschäftigung zu finden.

2.2.2 Fluktuationsarbeitslosigkeit

Die Fluktuationsarbeitslosigkeit (friktionelle Arbeitslosigkeit) ergibt sich aus dem in modernen Industriegesellschaften sehr häufigen Arbeitsplatzwechsel. Es ist der Zeitraum zwischen Beendigung einer Tätigkeit und Beginn einer neuen Arbeit, wenn diese nicht unmittelbar aufeinander folgen. Zu unterscheiden ist, ob dem Arbeitnehmer gekündigt wurde, in diesem Fall ist die Suchphase meist länger, oder ob der Arbeitnehmer selber kündigt, wobei er meist einen nahtlosen Übergang in das nächste Arbeitsverhältnis wählt. (In Sachs/Larrain: Makro ö konomik, M ü nchen 1995, wird die Fluktuationsarbeitslosigkeit als Anteil einer nat ü rlichen Rate der Arbeitslosigkeit beschrieben, die auch bei Vollbesch ä ftigung vorliegen w ü rde. Die nat ü rliche Arbeitslosenrate ist die Rate, zu der die Wirtschaft nach einer konjunkturellen Rezession oder nach einem Boom zur ü ckkehrt (vgl. Entwickeltes Konzept von Milton Friedmann, 1968).)

2.2.3 Strukturelle Arbeitslosigkeit

Der nationale und internationale Wettbewerbsdruck erzwingen einen ständigen

Strukturwandel, der häufig zum einen durch Standortverlagerungen und zum anderen durch höhere Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte gekennzeichnet ist. Strukturelle Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht zusammenpassen, weil beide Aggregate bezüglich Qualifikation, Alter, Geschlecht, Region etc. unterschiedlich zusammengesetzt (= strukturiert) sind. Der hier aufgezeigte Strukturwandel impliziert Arbeitslosigkeit bei denjenigen, deren Qualifikation den neuen Anforderungen nicht genügt, oder die zwar ausreichend qualifiziert, aber regional immobil sind (vgl. Dieckheuer, Berlin 1998).

2.3 Niveaubedingte Arbeitslosigkeit

Diese Komponente der Gesamtarbeitslosigkeit umfaßt alle Arbeitslosigkeit, die nicht saisonal, friktionell oder strukturell ist. Die niveaubedingte Arbeitslosigkeit ist bedingt durch Differenzen im Niveau von Angebot und Nachfrage nach Arbeit. Im Gegensatz zur strukturbedingten Arbeitslosigkeit ist die Erklärung der niveaubedingten Arbeitslosigkeit heftig umstritten. Hierbei soll von zwei unterschiedlichen Theorien ausgegangen werden, die im folgenden Abschnitt näher erläutert werden.

2.3.1 Die keynesianische Erklärung

Die Keynesianer sehen die Ursache der niveaubedingten Arbeitslosigkeit im Niveau der gesamtwirtschaftlichen Endnachfrage, also in einem Nachfragemangel auf den Gütermärkten. Dieser Nachfragemangel kann konjunkturbedingt oder durch längerfristige Nachfragedefizite (Wachstumsdefizite) bedingt sein (vgl. Kromphardt, 1998, S. 64 ff). Für die Zwecke dieser Arbeit soll die Theorie Keynes' nicht ausführlicher erläutert werden. Sie ist in vielen makroökonomischen Lehrbüchern nachzulesen. Vielmehr sollen hier die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erläutert werden.

Die Gegebenheiten auf dem Geld- und Gütermarkt entscheiden darüber, wieviel die Unternehmer aufgrund ihrer Absatzerwartungen in einer gegebenen Periode produzieren. Durch die Höhe dieser dort entschiedenen Produktion ist die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeit gegeben. Ein Unternehmen wird genau so viele Arbeitskräfte beschäftigen bzw. so viele Arbeitsstunden von ihnen verlangen, wie er braucht, um die von ihm geplante Produktion realisieren zu können. Variationen des Lohnsatzes verändern die Nachfrage nach Arbeit nicht, solange die Unternehmen am geplanten Produktionsvolumen nichts ändern; denn es lohnt sich für keinen Unternehmer, mehr Arbeitskräfte einzustellen oder mehr Stunden arbeiten zu lassen, als er zur Produktion benötigt. Selbst wenn der Lohnsatz sehr niedrig wäre, wäre es für den Unternehmer verlustbringend, eine zusätzliche Arbeitskraft zu beschäftigen, deren Arbeitsergebnis er nicht verkaufen kann.

2.3.2 Die neoklassische Erklärung

Die zentrale Aussage der neoklassischen Theorie lautet: Bei flexiblem Lohnniveau kann es keine niveaubedingte Arbeitslosigkeit geben, weil das Lohnniveau sich immer so einspielt, daß Angebot und Nachfrage nach Arbeit ausgeglichen sind. Also muß die Ursache für niveaubedingte Arbeitslosigkeit in einem inflexiblen und dadurch zu hohen Lohnniveau liegen. Das Einkommen und die Beschäftigung werden zumindest mittel- und längerfristig ausschließlich durch die Bedingungen auf der Angebotsseite determiniert. Im Gütermarktgleichgewicht wird das ,,natürliche" Produktionsniveau realisiert, das mit der natürlichen Arbeitslosenquote vereinbar ist. Dementsprechend sind die Beschäftigungsprobleme auf mittlere und längere Sicht nur das Ergebnis ,,unpassender" Angebotsbedingungen und nicht etwa das Ergebnis einer zu geringen Güternachfrage.

Nach Auffassung der Neoklassiker liegen die Hauptgründe der Beschäftigungsprobleme in Unvollkommenheiten auf dem Arbeitsmarkt. Gewerkschaftsmacht, staatliche Regulierungen in Rahmen des Sozialsystems oder Mängel an fachlicher Qualifikation sowie räumlicher Mobilität haben demnach einen zu hohen Reallohnsatz und eine zu hohe natürliche Arbeitslosenquote zur Folge (vgl. Dieckheuer, 1998, S.210 ff).

3 Faktoren der Lohnbildung

Aufgrund der oben beschriebenen kontroversen Auseinandersetzung bezüglich neoklassischer und keynesianischer Sichtweise über die Zusammenhänge von Arbeitslosigkeit und Lohnhöhe soll in diesem Kapitel die Lohnbildung genauer betrachtet werden.

Die einzelnen Arbeitsmärkte sind in der Realität nicht durch volle Flexibilität von Löhnen und Preisen gekennzeichnet. Dies wäre der Fall bei Vollbeschäftigung bzw. bei einem markträumenden Gleichgewichtslohn. Warum dies nicht der Fall ist, soll in diesem Kapitel ebenfalls erläutert werden.

Löhne werden zum überwiegenden Teil in Tarifverhandlungen vereinbart und zum Teil für allgemeinverbindlich erklärt. Somit kann keine Rede davon sein, daß der Lohn voll flexibel ist. Unternehmen nutzen die Möglichkeit, übertarifliche Zahlungen zu leisten. Warum tun sie das? Arbeitnehmern wird vorgeworfen, sie hätten bei Lohnverhandlungen nur ihre eigene Arbeitsplatzsicherheit im Auge und dächten nicht an die Millionen von Arbeitslosen.

3.1 Tariflohnbildung

Traditionell wurde bei Tarifverhandlungen davon ausgegangen, daß nur die Lohnhöhe festgelegt wird und die Unternehmen dann einseitig die Beschäftigunghöhe festlegen. Seit einiger Zeit werden indessen Modelle diskutiert, die zeigen, daß es effizienter sein kann, wenn in den Verhandlungen gleichzeitig über Lohnhöhe und Beschäftigung entschieden wird. Unbeschadet der Tatsache, daß kaum Tarifverträge existieren, welche die Anzahl der beschäftigten Personen explizit festschreiben (vgl. Franz, 1999, S. 288 ff). In den Untersuchungen von Layard und Nickell (1990) wird diese Möglichkeit kombinierter Verträge aber mit einer gleichen Höhe der Arbeitslosenquote errechnet. Die Machtstellung der Gewerkschaften würde unter bestimmten Umständen sogar mit einem geringeren Beschäftigungsstand verbunden sein. Zudem wäre eine Firma bei einer unvorhersehbaren Nachfrageschwankung nicht in der Lage, ihre Beschäftigungszahl kurzfristig nach unten zu setzen.

3.2 Erfolgsbeteiligung

In Deutschland existiert bereits eine Vielzahl von unterschiedlichen Gewinnbeteiligungssystemen, welche die Lohnhöhe der Arbeitnehmer mit beeinflussen. Zu unterscheiden sind hier einerseits Kapitalbeteiligungsmodelle, die auf den Erwerb von Eigentumsrechten an dem Unternehmen beruhen, und andererseits Gewinnbeteiligungssysteme. Die beiden Beteiligungssysteme sind auch kombinierbar.

Von einer Gewinnbeteiligung der Beschäftigten verspricht man sich produktivitätsfördernde Effekte über erhöhte Leistungsanreize. Für Westdeutschland kommt Hübler (vgl. Hübler,O.: Produktivitätssteigerung durch Mitarbeiterbeteiligung in Partnerschaftsunternehmen, 1995, in: Franz, 1999,) aufgrund einer Untersuchung von 350 Unternehmen in den Bundesländern Baden-Würtemberg, Nordrhein- Westfalen und Niedersachsen zu dem Ergebnis, daß Betriebe mit einer Gewinnbeteiligung im Durchschnitt eine höhere Produktivität aufweisen als Nichtbeteiligungsbetriebe. Dagegen lassen Schätzergebnisse von Jirjahn (vgl. Jirjahn: Effizienzwirkung von Erfolgsbeteiligung und Partizipation, Heidelberg 1998, in: Franz, 1999, S. 321) unter Verwendung des Hannoveraner Firmenpanels aus dem Jahre 1994 darauf schließen, daß eine Erfolgsbeteiligung zwar keinen signifikanten Einfluß auf die Wertschöpfung besitzt, wohl aber auf die vom Management eingeschätzte Ertragslage und auf die Durchführung von Prozeßinnovationen.

3.3 Insider-Outsider-Modell

Einen weiteren Erklärungsansatz zur Persistenz der Beschäftigungslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland bietet das ,,Insider-Outsider-Modell". Das Modell erklärt sich wie folgt: Wird beispielsweise aufgrund konjunktureller Schwankungen oder eines Nachfragerückgangs eine Firma dazu gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen, entsteht Arbeitslosigkeit. Verbessert sich die Situation, nutzen die noch vorhandenen Angestellten ihre Position so aus, Lohnerhöhung durchzusetzen, und dies gegebenenfalls vertreten durch die Gewerkschaft. Dies wiederum veranlaßt die Firma, bei dem niedrigen Beschäftigungsniveau zu bleiben und Kosten zu sparen. Als ,,Insider" werden hier die bereits Beschäftigten einer Firma bezeichnet, die ,,Outsider" sind folglich die Arbeitslosen.

Die Lohnforderung sollte genau so hoch sein, daß die Firma nicht die Outsider gegen die Insider auswechselt beziehungsweise Neuanstellung von Outsidern vornimmt. Die Macht der ,,Insider" gründet sich zunächst einmal auf die hohen Fluktuationskosten, d.h. das investierte Kapital in einen vorhandenen Mitarbeiter und die Einarbeitungskosten eines neuen Angestellten. Diese Kosten können noch durch unkooperatives Verhalten der Insider gegenüber den Outsidern in die Höhe getrieben werden. Dies würde zu Lasten der Arbeitsproduktivität gehen, welches den Arbeitgeber daran hindern würde, Outsider trotz Lohnunterbietung einzustellen. Zudem würden auch institutionelle Regelungen in Tarifverträgen den Firmen verbieten, auf solche Angebote einzugehen.

3.4 Effizienzlohntheorie

Wie bei dem ,,Insider-Outsider-Modell" wird hier die Lohnbildung als Erklärungsbeitrag zum Phänomen der Arbeitslosigkeit herangezogen. In beiden Theorien sind die Löhne zu hoch, um markträumend zu sein. Die Lohnunterbietung der Arbeitslosen wird in dem vorangegangenen Modell durch die Macht der bereits Beschäftigten erklärt. In dieser Theorie wird begründet, daß die Firmen ebenfalls ein Interesse haben, den Lohnsatz nicht auf ein Niveau zu senken, der die Arbeitslosigkeit verhindern würde. Für Unternehmen mit gewinnmaximalem Verhalten steht der Lohn nicht nur als Kostenfaktor da, sondern auch als gewinnerhöhende Anreizfunktion für die Beschäftigten. Allen Ansätzen gemeinsam ist die Abkoppelung der Entlohnung von der bloßen Grenzproduktivitätsbetrachtung. Damit versagt der üblicherweise unterstellte Reallohn - Beschäftigung - Mechanismus, weil der eindeutige Zusammenhang zwischen Reallohn und Arbeitseinsatz verloren geht (vgl. Franz, 1999, S. 320).

Leistungsbereitschaft von Beschäftigten kann einerseits nicht bis ins Detail im Arbeitsvertrag geregelt werden, und andererseits würde eine ständige Kontrolle einen zu hohen Kostenaufwand darstellen. Somit liegt die Überlegung nahe, Anreize zu höheren Leistungen und somit Disziplinierung potentieller Bummelanten über den Lohn zu regulieren. Ein höherer Lohn bewirkt nicht nur eine höhere Leistung, sondern gilt auch als Anreiz, seine Aufgaben so gut wie möglich zu erledigen, um seinen Arbeitsplatz langfristig zu erhalten. Denn bei einem Wechsel zu einer anderen Firma oder sogar in die Arbeitslosigkeit würde der Arbeitnehmer mit einer Einkommensreduktion konfrontiert. Die Arbeitslosigkeit entsteht durch Entgeltzahlungen als Leistungsanreiz oberhalb des markträumenden Niveaus (vgl. Franz, 1999, S.311).

Gewährleistung der Arbeitsdisziplin ist eine Seite des Effizienzlohnmodells. Des weiteren ist es im Firmeninteresse, die Kündigungswahrscheinlichkeit des Arbeitnehmers zu minimieren. Ein höherer Lohn sowie die Angst vor einer Verschlechterung der Situation bei einem Betriebswechsel sind Anreize für den Arbeitnehmer, länger im Unternehmen zu verweilen.

Ein weiterer Ansatz der Effizienzlohntheorie geht von einer Auslesefunktion aus. Die Firma ist bereit, ein vergleichsweise hohes Lohnangebot für einen Arbeitsplatz festzusetzen. Diese Höhe ist dem potentiellen Arbeitnehmer meist nicht bekannt. Liegt er in seinen Forderungen wesentlich darunter, wird er abgelehnt. Die Firma geht davon aus, daß er die Lohnhöhe ins Verhältnis mit seinen Fähigkeiten setzt und somit den Anforderungen an den Arbeitsplatz nicht gewachsen ist. Die Bereitschaft, für einen niedrigen Lohn zu arbeiten, zahlt sich somit nicht aus, weil sie gleichgesetzt wird mit einer geringeren Qualifikation. Es erfolgt eine Negativauslese der Bewerber. Ist andererseits die Lohnhöhe bekannt, bewerben sich viele qualifizierte Arbeitskräfte um einen Arbeitsplatz. Somit tritt automatisch die Auswahl der produktivsten Arbeitskraft ein (vgl. Franz, 1999, S. 315).

4 Erklärungen der Arbeitslosigkeit

Diskussionen zur Bekämpfung der Ursachen von Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland werden nie auf ein eindeutiges Ergebnis hinauslaufen. Sicherlich unbestritten ist das Vorhandensein von strukturbedingter Arbeitslosigkeit und den entsprechenden Möglichkeiten zur Behebung dieser Form der Arbeitslosigkeit. Kontrovers wird es, wenn es um die Entwicklung einer Lohnpolitik zur Beseitigung der niveaubedingten Arbeitslosigkeit geht. In dem vorherigen Kapitel sollte deutlich gemacht werden, daß die Lohnhöhe von unterschiedlichen Faktoren abhängt und nicht einem strengen Gesetz folgt.

4.1 Zu hohe Lohnkosten?

Häufig wird eine bestehende Arbeitslosigkeit auch auf zu hohe (reale) Lohnkosten zurückgeführt. Offensichtlich bilden sich Löhne im Zusammenspiel von Arbeitsanbietern - gegebenenfalls vertreten durch Gewerkschaften - und Arbeitsnachfragern - gegebenenfalls vertreten durch Arbeitgeberverbände. Den Zielsetzungen beider Parteien liegen einerseits ökonomische und nicht-ökonomische Motive zugrunde, wie etwa Lohnerhöhungen im Ausmaß des Produktivitätsfortschritts zwecks Stabilisierung der Lohnquote, und andererseits Macht und Prestige der Funktionäre sowie deren Verhandlungsgeschick. Überspitzt formuliert läßt sich nahezu jede Arbeitslosigkeit durch eine Expansion der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen beseitigen. Die Reduktion der Arbeitslosigkeit müßte aber dann, um ökonomische Probleme zu verhindern, ohne eine nennenswerte Erhöhung der Inflationsrate vorgenommen werden. Niedrigere Arbeitslosenquoten gehen nach aller Erfahrung häufig mit höheren Inflationsraten einher, es sei denn, es bestehen erhebliche Rückgriffsmöglichkeiten auf ausländische Arbeitsmärkte wie in der Bundesrepublik in den sechziger Jahren. Arbeitnehmer streben eine Erhöhung der Reallöhne an, während die Firmen ihrerseits Preiserhöhungen in Abhängigkeit von der Entwicklung der Lohnstückkosten und der Absatzlage vornehmen wollen. Um zu verhindern, daß sich beide Ansprüche an das Sozialprodukt gegenseitig stimulieren und damit einen Anstieg der Inflationsrate in Gang setzen, ist ein Mechanismus erforderlich, der ein Gleichgewicht zwischen Verteilungsansprüchen bei konstanter Inflationsrate herstellt. Die Beschäftigungssituation kann diese Funktion erfüllen, weil sowohl die Ansprüche der Arbeitnehmer von der Arbeitsmarktlage beeinflußt werden - in einer Rezession halten sich zum Beispiel Gewerkschaften mit Lohnforderungen meist zurück - , wie auch die Firmen ihre Preisgestaltung nicht unabhängig von der Absatzlage vornehmen, welche häufig ebenfalls von der Arbeitsmarktsituation mitbestimmt wird. Unter diesen Annahmen gibt es eine Höhe der Arbeitslosigkeit (gleichgewichtige Arbeitslosigkeit), welche die genannten Ansprüche an das Sozialprodukt so koordiniert, daß die Inflationsrate konstant bleibt.

Ursache der nichtstrukturbedingten Arbeitslosigkeit ist (nach Ansicht der Keynesianer) der Mangel an Güternachfrage. Unbestritten ist zudem, daß bei geringerer Realeinkommensausweitung der Arbeitnehmer sofort weniger nachfragt. Die Unternehmen würden diese kostensenkende Maßnahme ebenfalls als negativen Effekt spüren. Folglich kann die Lohnstückkostenentlastung die Unternehmen nicht zu mehr Investition verleiten. Diesem Dilemma könnte begegnet werden, wenn man die private Kaufkraft durch sinnvolle Lohnpolitik erhält, die sich strikt an der Produktivität orientiert. Eine Lohnreduzierung kann demnach keine sinnvolle Maßnahme darstellen.

4.2 Nachfrage und Strukturwandel?

Es stellt sich die Frage, weshalb die Strukturdiskrepanzen zwischen dem Arbeitskräfteangebot und der Arbeitskräftenachfrage dauerhaft und nicht nur vorübergehend sind. Als wichtigste Ursachen für die ständigen Verschiebungen in der Struktur der Nachfrage nach Arbeitskräften sind der Strukturwandel in der Güternachfrage und der technische Fortschritt anzusehen. Bei der Struktur der Güternachfrage ist der sektorale Strukturwandel am wichtigsten. Er ergibt sich vor allem aus den Verschiebungen in der Struktur der Inlandsnachfrage in einer wachsenden Volkswirtschaft, und zwar sowohl der privaten als auch der staatlichen Nachfrage. Die Struktur des privaten Konsums ändert sich erfahrungsgemäß bei steigendem Realeinkommen; denn eine Reihe von Gütern hat eine Einkommenselastizität kleiner 1, d.h. die Nachfrage nach diesen Gütern steigt nur unterproportional mit steigendem Einkommen. Dies gilt z.B. im allgemeinen für Nahrungsmittel und Textilien. Andere Güter dagegen - vor allem neue Produkte und Dienstleistungen - haben eine Einkommenselastizität größer als 1; die Nachfrage nach ihnen steigt rascher als das Realeinkommen.

Der technische Fortschritt verändert die Struktur der Nachfrage nach Arbeit auf vielfältige Weise: Er trägt durch Produktinnovation selbst zur Änderung der Struktur der Güternachfrage bei. Auf der einen Seite werden in einigen Branchen durch den Einsatz von neuen Technologien Arbeitsplätze eingespart oder ganz wegrationalisiert, und auf der anderen Seite entstehen sogar neue Branchen, wie der EDV-Sektor, der wiederum neue Arbeitsplätze schafft.

Eine weitere wichtige Ursache für die Zunahme der Arbeitslosigkeit, die hier nicht unerwähnt bleiben soll, liegt zudem auf der Angebotsseite, nämlich in der Zunahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und der höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen seit der Nachkriegszeit.

4.3 Europäische Gemeinschaft?

In dem Thesenpapier für die Jahrestagung der Otto-Brenner-Stiftung am 04.11.99 in Berlin sieht Heiner Flassbeck einige andere interessante Erklärungsansätze zur Entstehung und Persistenz von Arbeitslosigkeit in Deutschland bzw. in Europa vor. Die wichtigsten Gründe seien demnach nicht nur in zu hohen Kosten, strukturellen Verhärtungen am Arbeitsmarkt oder mangelnder Flexibiltät der Wirtschaft zu suchen. Eher sei es ein seit 15 Jahren andauernder Anpassungsprozeß der Länder der Europäischen Wirtschaftsunion, der sicherlich eine Angleichung der Inflationsrate mit sich brachte, aber im Gegenzug dessen durch Wachstumseinbußen erkauft werden mußte (vgl. Flassbeck, Heiner: Vollbeschäftigung in Zeiten der Globalisierung, Berlin 1999).

4.4 Internationale Arbeitsteilung als Bedrohung?

Im Zusammenhang mit der zunehmenden internationalen wirtschaftlichen Verflechtung, die in den 90er Jahren unter dem Stichwort ,,Globalisierung" verstärkt diskutiert wird, gewinnt angesichts der zunehmenden dauerhaften Arbeitslosigkeit die Frage an Bedeutung, ob durch die internationale Arbeitsteilung in den Industriestaaten und insbesondere in Deutschland die Arbeitslosigkeit erhöht wird. Für die Gesamtwirtschaft wird angesichts der zunehmenden Integration von Niedriglohnländern, zu denen seit 1989/90 die osteuropäischen Staaten hinzugetreten sind, vielfach die Befürchtung geäußert, Produktionsstätten in Deutschland seien angesichts der Stundenlöhne nicht wettbewerbsfähig. Dies läßt sich für Deutschland eindeutig widerlegen, betrachtet man die Exportüberschüsse Deutschlands, die seit dem Rückgang nach der Vereinigung zwischen Ost- und Westdeutschland wieder kontinuierlich ansteigen. Somit können offensichtlich in Deutschland produzierte Erzeugnisse in großem Umfang auf dem Weltmarkt abgesetzt werden, und sie können sich auf dem Binnenmarkt gegen importierte Güter behaupten; andernfalls könnte der Exportüberschuß nicht bestehen bleiben und schon gar nicht zunehmen. Ein Fortbestehen der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands kann nur gelingen, wenn entsprechende hochproduktive Arbeitsplätze geschaffen werden, die wiederum die hohen Löhne erwirtschaften, an die die deutschen Arbeitnehmer gewöhnt sind. Hierfür ist es erforderlich, daß Deutschland weiterhin in den von Hochtechnologien geprägten Sektoren der Wirtschaft mit der internationalen Entwicklung mithält oder sie sogar anführt.

5 Schlußbetrachtung

Die Strukturänderungen der Nachfrage nach Arbeitskräften in einer wachsenden Wirtschaft führen dann zu struktureller Arbeitslosigkeit, wenn sich die Angebotsstruktur an die Nachfrageverschiebung nur unvollkommen und mit zeitlicher Verzögerung anpaßt. Verzögerte oder unvollkommene Anpassungen der Angebotsstruktur haben ihre Ursache in der Segmentierung des Arbeitsmarkes, d.h. in bezug auf Standort, Qualifikation, Alter und Geschlecht.

Die internationale Arbeitsteilung stellt nur dann eine Bedrohung dar, wenn es der deutschen Wirtschaft nicht gelingt, insbesondere im Bereich der Hochtechnologien innovativ und kreativ zu bleiben. Zudem darf die Wirtschaftspolitik bei der Aufgabe, für eine möglichst breite und umfassende Qualifizierung des deutschen Erwerbspersonenpotentials zu sorgen, nicht versagen.

Die Gewinne der Unternehmen würden sich erhöhen, wenn eine produktivitätsorientierte Lohnsteigerung nicht stattfinden würde und trotzdem die Güternachfrage steigt. In der Realität nimmt aber in diesem Fall die Nachfrageausweitung ab, weil bei geringeren Lohnsteigerungen und konstanten Preisen die Arbeitnehmer weniger Kaufkraftzuwachs haben.

Die Wirtschaftspolitik sollte zudem dahin gehen, Innovationstätigkeit der Unternehmen durch Zinssenkungen zu fördern und mit einer ausgewogenen Geld- und Finanzpolitik die Voraussetzung für günstige Gewinnerwartungen zu schaffen. Zudem gilt es, die Investitionsbedingungen von der Kostenseite her und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Literaturverzeichnis

1. Burda/Wyplosz: Makroökonomik. Eine europäische Perspektive, München 1994
2. Dieckheuer, Gustav: Makroökonomik. Theorie und Politik, Heidelberg 1998
3. Flassbeck, Heiner: Vollbeschäftigung in Zeiten der Globalisierung?, Thesenpapier für die Jahrestagung der Otto- Brenner-Stiftung am 04.11.99 in Berlin
4. Flassbeck, Heiner: Lohnzurückhaltung für mehr Beschäftigung?, in: www.flassbeck.de, Berlin 2000
5. Flassbeck, Heiner: Wie reserviert man die Produktivität für mehr Beschäftigung?, in: www.flassbeck.de, Berlin 2000
6. Franz, Wolfgang: Arbeitsmarktökonomik, Heidelberg 1999
7. Fritsch, M./Wein, T./Ewers, H.-J.: Marktversagen und Wirtschaftspolitik, München 1999
8. Gauer, Ch./Scriba, J.: Die Standortlüge, Frankfurt 1998
9. Kromphardt, Jürgen: Arbeitslosigkeit und Inflation, Göttingen 1998
10. Sachs/Larrain: Makroökonomik. In globaler Sicht, München 1995
11. Schöller, Wolfgang: Entwicklung heißt: Produktive Arbeit muß produktiver werden!, in: Neoliberalismus. Hegemonie ohne Perspektive, Heilbronn 2000, S.124 ff.
12. Olsson, M./ Piekenbrock D.: Kompakt-Lexikon. Umwelt- und Wirtschaftspolitik, Bonn 1993

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Details

Titel
Arbeitslosigkeit und Lohn
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V99484
ISBN (eBook)
9783638979283
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitslosigkeit, Lohn
Arbeit zitieren
F. Stegemann (Autor:in), 2001, Arbeitslosigkeit und Lohn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99484

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