Das Drama der Aufklärung am Beispiel von Lessings Emilia Galotti Literarische Erörterung
Hausaufsatz vom 12.01.01 - 19.01.01 Markus Wallig
Hausaufsatz
Gotthold Ephraim Lessings Emilia Galotti, ein bürgerliches Trauerspiel, wurde 1772 in Braunschweig zum ersten mal aufgeführt. Es ist ein bedeutendes Werk der Epoche der Aufklärung. G. E. Lessing wurde am 22.1.1729 in Kamenz in der Oberlausitz geboren. Mit 20 Jahren entschloss er sich, freier Schriftsteller zu werden. Er starb am 15.2.1781 in Braunschweig. Zu seinen bedeutensten Werken gehören neben Emilia Galotti Miss Sara Sampson (1755), Minna von Barnhelm (1767) und Nathan der Weise (1778). Er war ein glühender Anhänger der Aufklärung. Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgendein Mensch ist oder zu sein vermeinet, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen1. Dies schrieb er 1778 und entspricht damit Immanuel Kant, der den Gedanken der Aufklärung treffend formulierte: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Diese Unselbständigkeit kann man nicht nur als geistige Abhängigkeit, zum Beispiel durch die Kirche, sondern auch als politische Bevormundung verstehen. Karl Willhelm Ramler, ein Zeitgenosse Lessings, sah das auch so und sagte nach der Uraufführung von Emilia Galotti: Jetzt Ihr Könige,öffnet euer Herz, Ihr, die Ihr auf Erden richtet, lasst euch belehren.
Erörtern Sie anhand des Dramentextes, warum diese Aufforderung an die Herrscher des 18. Jahrhunderts ergeht und worin diese Lehre besteht!
Der Prinz Hettore Gonzaga, der sich in die bürgerliche Emilia Galotti verliebt hat, lässt diese durch seinen Kammerherrn, Marchese Marinelli, am Tag ihrer Hochzeit entführen. Bei dieser als Überfall getarnter Entführung stirbt Emilias zukünftiger Ehemann, der Graf Appiani. Gräfin Orsina, die ehemalige Geliebte des Prinzen, durchschaut diesen Plan und erzählt dies dem Vater, Odoardo Galotti. Dieser tötet Emilia auf deren Wunsch.
Der Prinz ist unselbstständig, denn obwohl er glaubt, dass ein Mann seiner Stellung keinen Freund haben kann: ,,O ein Fürst hat keinen Freund! Kann keinen Freund haben! -, dass Sie, Sie, so treulos, so hämisch mir bis auf diesen Augenblick die Gefahr verhehlen dürfen, die meiner Liebe drohte: wenn ich Ihnen jemals das vergebe - so werde mir meiner Sünden keine vergeben" (15; 16ff), vertraut er Marinelli, zu dem er dies gesagt hat, als dieser von der bevorstehenden Hochzeit Emilias erzählte, blind, fragt ständig nach dessen Meinung und will von ihm einen Rat: ,,Wenn Sie das zu machen wüssten, so würden Sie nicht lange davon schwatzen." (37,36f) und Hilfe: ,,Retten Sie mich, wenn Sie können: und fragen Sie dann."(16,9f). Man kann auch fast denken, der Prinz wäre paranoid, weil er keinem vertraut, wie man im obigen Zitat erkennen kann. Die einzige Ausnahme ist Marinelli, dem er selbst dem Mord an dem Grafen Appiani nicht übel nimmt: ,,Bei Gott! Bei dem allgerechten Gott! Ich bin unschuldig an diesem Blute. - Wenn Sie mir vorher gesagt hätten, dass es dem Grafen das Leben kosten werde - Nein, nein! Und wenn es mir selbst das Leben gekostet hätte!"(49,29ff), worauf Marinelli antwortet: ,,Wenn ich Ihnen vorher gesagt hätte? - Als ob sein Tod in meinem Plane gewesen wäre! Ich hätte es dem Angelo auf die Seele gebunden, zu verhüten, dass niemanden Leides geschähe. Es würde auch ohne die geringste Gewalttätigkeit abgelaufen sein, wenn sich der Graf nicht die erste erlaubt hätte. Er schoss Knall und Fall den einen nieder."(49,34ff). Der Prinz glaubt dies und erwidert: ,,Wahrlich, er hätte sollen Spass verstehen."(50,7ff). Hettore Gonzaga ist also unkritisch gegenüber Marinelli und von diesem damit leicht zu beeinflussen, denn Marinelli ist in Wahrheit glücklich über den Tod seines Rivalen: ,,Gut das! - Aber doch nicht so recht gut. - Pfui, Angelo! So ein Knicker zu sein! Einen zweiten Schuss wäre er ja wohl noch wert gewesen. - Und wie er sich vielleicht nun matern muss, der arme Graf! - Pfui, Angelo! Das heisst sein Handwerk sehr grausam treiben - und verpfuschen. - Aber davon muss der Prinz noch nichts wissen. Er muss erst selbst finden, wie zuträglich ihm dieser Tod ist. - Dieser Tod! - Was gäb` ich um die Gewissheit."(40,19ff). Vielleicht hat er sogar den Mord am Grafen befohlen, denn dieser war der Erzfeind des Marchese, doch dafür gibt es keine Belege. Marinelli ist der Antiheld und die Figur mit dem ausgeprägtesten Charakter in diesem Stück. Und er hält eigentlich sämtliche Fäden in der Hand. Der Prinz hingegen schätzte den Grafen hoch: ,,Denn bei alldem ist Appiani - ich weiß wohl, dass Sie ihn nicht leiden können; ebensowenig als er Sie -, bei alldem ist er doch ein sehr würdiger junger Mann, ein schöner Mann, ein reicher Mann, ein Mann voller Ehre. Ich hätte sehr gewünscht, ihn mir verbinden zu können. Ich werde noch darauf denken."(13,31ff). Dies machte Marinelli natürlich eifersüchtig. Des weiteren hat Hettore Mitleid mit sich selbst: ,,Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften! - Die traurigen Geschäfte; und man beneidet uns noch!"(5,5ff). Dies trübt sein Urteilsvermögen gegenüber den Problemen der anderen. Eine weitere schlechte Eigenschaft von ihm ist, dass er faul ist.
Nachdem er ein paar Bittschriften geöffnet und gelesen hat, sagt er: ,,Ich habe zu früh Tag gemacht. - Der Morgen ist so schön. Ich will ausfahren."(5,18ff) . Dies deutet auch auf seine Launenhaftigkeit hin. Denn, nachdem er von der bevorstehenden Hochzeit von Emilia erfahren hat, ist er sofort bereit, ein Todesurteil zu unterzeichnen, das ihm Camillo Rota, einer seiner Räte, vorlegte: ,,Recht gern. -Nur her! Geschwind."(18,18ff). Doch Camillo gibt vor, es vergessen zu haben: ,,Nun hab ich es wohl doch nicht mitgenommen"(18,23f), denn er hat die Verfassung, in der Gonzaga ist, erkannt: ,,Ich hätt` es ihm in diesem Augenblick nicht mögen unterschreiben lassen, und wenn es den Mörder meines einzigen Sohnes betroffen hätte."(18,31ff). Eine weitere schlechte Eigenschaft ist seine Willkür, denn er gewährt die Bittschrift einer Emilia, nur weil diese wie seine Angebetete heißt: ,,Emilia? Eine Emilia? - Aber eine Emilia Bruneschi? Viel gefodert, sehr viel. - Doch Sie heißt Emilia. Gewähret!"(5,9ff). Vor allem übernimmt er für seine Taten keinerlei Verantwortung. Dies gibt er sogar offen im Dialog mit Marinelli zu: ,,Und es ist meine Art, dass ich Leute Dinge verantworten lass, wofür sie nicht können!"(38,1f). Aber die Schuld am Tod des Grafen und Emilia schiebt er ganz auf Marinelli ab, obwohl der Prinz mindestens eine Mitschuld hat. Nachdem Odoardo Emilia mit einem Dolch ermordet hat, gibt der Prinz Marinelli die Waffe: ,,Hier! Heb ihn auf. - Nun? Du bedenkst dich? - Elender! - Nein, dein Blut soll mit diesem Blute sich nicht mischen. - Geh, dich auf ewig zu verbergen! - Geh! Sag ich. - Gott! Gott! - Ist es, zum Unglücke so mancher, nicht genug, dass Fürsten Menschen sind: müssen sich auch noch Teufel in ihrem Freund verstellen?" (79,18ff). Damit erkennt er auch seine eigene Abhängigkeit. All diese Faktoren zusammen lassen erkennen, dass der Prinz unfähig und als Herrscher ein Versager ist. Er kümmert sich nur um seine Belange, die des Staates sind ihm egal. Für eine Skizze von Emilia zahlt er dem Maler, soviel dieser will: ,, Schicken Sie, Conti, zu meinem Schatzmeister, und lassen Sie, auf Ihre Quittung, für beide Porträte sich bezahlen - was Sie wollen. Soviel Sie wollen, Conti." (11,8ff). Er hat also genügend Geld in der Staatskasse, aber am Anfang sagt er, als er die Bittschriften liest: ,,Die traurigen Geschäfte; und man beneidet uns noch! - Das glaub ich; wenn wir allen helfen könnten: dann wären wir zu beneiden."(5,6ff). Aber er hat eine riesige Macht gegenüber dem Volk. Dies bemerkt auch Emilia, als ihr von ihrem Vater gesagt wird, dass sie in das Haus des Kanzlers gebracht werden soll, angeblich wegen einer gerichtlichen Untersuchung: ,,Reißt mich? Bringt mich? - Will mich reißen, will mich bringen: will! will! - Als ob wir, wir keinen Willen hätten, mein Vater!"(77,4ff). Um dieser Macht des Prinzen zu entkommen, ist ihr jedes Mittel recht, denn sie hat, ,,[und] nur eine Unschuld!"(77,19), zu verlieren. Um ihren Vater zu überreden, ihr den Dolch zu geben, sagt sie: ,,Ein unbekannter Freund ist auch ein Freund."(77,36f). Lessing beschreibt in Emilia Galotti einen Menschen, der nur auf seine Bedürfnisse achtet und nicht auf die der anderen. Er meint damit natürlich die Fürsten seiner Zeit. Die Aufforderung Karl Willhelm Ramlers ergeht also, weil sich die Adeligen des 18. Jahrhunderts nicht den Prinzipien der Aufklärung entsprechend verhalten haben.
Der Inhalt der Lehre ist eindeutig die Tugendhaftigkeit von Odoardo, Appiani und Emilia. Der Prinz sagt selbst, dass Appiani ,,ein Mann voller Ehre"(13,34f) ist. Als sich Appiani mit Emilia und deren Mutter unterhält, sagt er: ,,Welch ein Mann, meine Emilia, Ihr Vater! Das Muster aller männlicher Tugenden! Zu was für Gesinnungen erhebt sich meine Seele in seiner Gegenwart! Nie ist mein Entschluss, immer gut, immer edel zu sein, lebendiger, als wenn ich ihn sehe - wenn ich ihn mir denke. Und womit sonst als mit der Erfüllung dieses Entschlusses kann ich mich der Ehre würdig machen, sein Sohn zu heißen - der Ihrige zu sein, meine Emilia?" (29,9ff). Durch dies beschreibt er nicht nur die Ehrbarkeit von Odoardo, sondern auch seine eigene. Er ist auch immer freundlich, auch gegenüber Marinelli, der Ja sein Erzfeind ist: ,,Freundschaft uns Freundschaft um das dritte Wort! - Mit wem red ich denn? Des Marchese Marinelli Freundschaft hätte ich mir nie träumen lassen." (32,31ff). Der Graf ist auch keine wirklicher Untertan des Prinzen. Er hat sich diesen gewählt, weil er diesen für ehrenhaft hielt. Als ihn aber Marinelli darauf anspricht, antwortet er: ,,Der Befehl des Herrn?
- des Herrn? Ein Herr, den man sich selber wählt, ist unser Herr so eigentlich nicht - ich gebe zu, dass sie dem Prinzen unbedingteren Gehorsam schuldig wären. Aber nicht ich. - Ich kam an seinen Hof als ein Freiwilliger. Ich wollte die Ehre haben, ihm zu dienen, aber nicht sein Sklave werden. Ich bin der Vasall eines größeren Herrn"(33,33ff). Odoardo ist kritisch und argwöhnisch. Er vertraut nicht einmal seiner eigenen Tochter. So sagt er zu seiner Frau, als er von ihr erfährt, dass Emilia allein in der Kirche ist: ,,Einer ist genug zu einem
Fehltritt!"(19,31) , nachdem diese gesagt hat: ,,Die wenigen Schritte ,,(19,30). Der Prinz hasst Odoardo, anscheinend hatte es Streit um das Gebiet Sabionetta gegeben, das die Galottis besitzen. Als ihm von Claudia Galotti erzählt wird, das der Prinz sich mit Emilia ,,in der letzten Vegghia, bei dem Kanzler Grimaldi"(23,35f), unterhalten hatte, beschimpfte er seine Frau: ,, Und das alles erzählst du in einem Tone der Entzückung? O Claudia! Eitle, törichte Mutter!"(24,6ff). Doch besinnt er sich auf seine Tugendhaftigkeit: ,,Nun gut, nun gut! Auch das ist so abgelaufen. - Ha! Wenn ich mir einbilde - Das gerade wäre der Ort, wo ich am tödlichsten zu verwunden bin! - Ein Wollüstling, der bewundert, begehrt. - Claudia! Claudia! der bloße Gedanke setzt mich in Wut. - Du hättest mir das sogleich sollen gemeldet haben. - Doch, ich möchte dir heute nicht gern etwas Unangenehmes sagen. Und ich würde, wenn ich länger bliebe. - Drum lass mich! Lass mich! - Gott befohlen, Claudia - Kommt glücklich nach!"(24,10ff). Also bringt er die Liebe des Prinzen nicht mit der Schönheit seiner Tochter in Verbindung, sondern er glaubt, dass Gonzaga ihn verwunden will. Claudia denkt aber nicht so und sie merkt, dass Odoardo etwas übertreibt: ,,Welch ein Mann! - Oh, der rauhen Tugend! - wenn anders sie diesen Namen verdienet. - Alles scheint ihr verdächtig, alles strafbar! - Oder, wenn das die Menschen kennen heißt: - wer sollte sich wünschen, sie zu kennen? - Wo bleibt aber auch Emilia? - er ist des Vaters Feind: folglich - folglich, wenn er ein Auge für die Tochter hat, so ist es einzig, um ihn zu beschimpfen? "(24,21ff). Aber manchmal scheint Odoardo nicht so tugendhaft zu sein, wie man glaubt. Nachdem Emilia ihrer Mutter von der Begegnung mit dem Prinzen in der Kirche erzählt hat, warnt diese ihre Tochter, nichts zu ihrem Vater zu sagen, denn: ,,Ha, du kennst deinen Vater nicht! In seinem Zorne hätt` er den unschuldigen Gegenstand des Verbrechens mit dem Verbrecher verwechselt. In seiner Wut hätt` ich ihm geschienen, das veranlasst zu haben, was ich weder verhindern noch vorhersehen können."(26,26ff). Des weiteren bemerkt sie: ,,Wie wild er schon war, als er nur hörte, dass der Prinz dich jüngst nicht ohne Missfallen gesehen!"(27,18f). Emilia ist streng religiös erzogen. Deswegen geht sie täglich in die Kirche. Dies weiß auch der Prinz: ,,Es fällt mir ein - um diese Stunde, um diese nämliche Stunde pflegt das fromme Mädchen alle Morgen bei den Dominikanern die Messe zu hören."(17,21ff). Auch ihre Mutter sagt, nachdem der Vater gefragt hat, ,,wo ist Emilia? Unstreitig beschäftigt mit dem Putze?"(19,23f), ,,Ihrer Seele! Sie ist in der Messe. - »Ich habe heute, mehr als jeden anderen Tag, Gnade von oben zu erflehen« sagte sie und ließ alles liegen und nahm ihren Schleier und eilte "(19,25ff). Und nachdem ihr der Prinz in der Kirche seine Liebe zu ihr gestanden hat, will sie es dem Graf beichten: ,,Ich dächte doch, ich behielte lieber vor ihm nichts auf dem Herzen."(28,1f). Als sie zum Schluss die Wahrheit erfährt, will sie sich selbst töten, aber als sie sieht, dass ihr Vater einen Dolch von Orsina bekommen hat, bittet sie ihn, dies zu tun: ,,Ehedem wohl gab es einen Vater, der seine Tochter von der Schande zu retten, ihr den ersten, den besten Stahl in das Herz senkte - ihr zum zweiten Male das Leben gab. Aber alle solche Taten sind von ehedem! Solcher Väter gibt es keinen mehr!"(78,14ff). Sie tut dies, denn sie weiß, dass sie ihren Vater damit in seiner Ehre kränken würde, wenn er es nicht täte und er somit gezwungen ist, sie zu töten. Ihr ist klar, dass sie über kurz oder lang den Verführungskünsten des Prinzen unterliegen würde: ,,Gewalt! Gewalt! Wer kann der Gewalt nicht trotzen? Was Gewalt heißt, ist nichts: Verführung ist die wahre Gewalt. - Ich habe Blut, mein Vater, so jugendliches, so warmes Blut als eine. Auch meine Sinne sind Sinne. Ich stehe für nichts. Ich bin für nichts gut. Ich kenne das Haus der Grimaldi. Es ist das Haus der Freude.
Eine Stunde da, unter den Augen meiner Mutter - und es erhob sich so mancher Tumult in meiner Seele, den die strengsten Übungen der Religion kaum in Wochen besänftigen konnten! - Der Religion! Und welcher Religion? - Nichts Schlimmeres zu vermeiden, sprangen Tausende in die Fluten und sind Heilige!"(77,21ff). Vielleicht ist dies eine Anspielung auf ihr Treffen mit dem Prinzen im Haus des Kanzlers. Zum Schluss will sie ihren Vater verteidigen, und behauptet, sich selbst getötet zu haben: ,,Nicht Sie, mein Vater - Ich selbst -ich selbst"(78,35). Doch Odoardo nimmt die Verantwortung auf sich: ,,Nicht du, meine Tochter - nicht du! - Gehe mit keiner Unwahrheit aus der Welt. Nicht du, meine Tochter! Dein Vater, dein unglücklicher Vater!"(78,36ff). Emilia stirbt also, damit ihre Ehre und die ihres Vaters erhalten bleibt.
Lessing hat das Drama in das 16. Jahrhundert eingeordnet, wahrscheinlich weil er Angst hatte vor den Adeligen. Diese hätten sich kritisiert gefühlt, wenn Lessing das Drama in das Zeitalter der Aufklärung gelegt hätte. Denn diese duldeten keinen Widerspruch an der Gottgegebenheit ihrer Macht. Auch die Kirche war sehr absolutistisch zu dieser Zeit, denn selbst ein orthodoxer Pfarrer und dessen Freunde erwirkten ein Verbot unzensierter wissenschaftlicher Veröffentlichungen gegen Lessing, der dann wieder Theaterstücke schrieb2. Auf Emilia Galotti gab es viele Reaktionen und Friedrich Nicolai schrieb, wie Lessing dessen Brief zusammenfasste: ,,Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch, zu allen gesellschaftlichen Tugenden, zu allen Arten der Großmut der aufgelegteste. Wer uns also mitleidig macht, macht uns besser und tugendhafter, und das Trauerspiel, das jenes tut, tut auch dieses ". Man muss also die Wirkung betrachten, die das Trauerspiel zur damaligen Zeit hatte. Es wertet den Bürgerstand auf und den Adel und Klerus ab, denn die Protagonistin ist eine Bürgerliche. Auch Odoardo, der ein Beispiel an Tugendhaftigkeit ist, ist ein bürgerlicher Mann, wenn auch vom Ritterstand. Nur Appiani ist adelig. Dies entspricht nicht der Ständeklausel von Aristoteles, die besagt, dass die Zuschauer am meisten Mitleid bekommen, wenn der tragische Held von hohem Stand ist und tief fällt. Und überhaupt gibt es in diesem bürgerlichen Trauerspiel keinen tragischen Held. Der Prinz verliert lediglich eine Liebschaft, die ihm irgendwann sowieso zu langweilig geworden wäre. Emilia hat ihre Unschuld bewahrt und ihr Vater seine Ehre. Der Graf ist gestorben, aber schon zur Mitte des Stücks. Damit kann er kein Held dieses Dramas sein. Marinelli ist der Antiheld des Stücks. Er ruft im gesamten Theaterstück die meisten Emotionen hervor, verliert auch am meisten, hat aber in bezug auf die Aufklärung keinerlei Bedeutung. Obwohl es die Nacherzählung einer römischen Fabel ist, unterscheiden sich die Enden deutlich. Während bei der römischen Geschichte der Tyrann durch einen Aufstand des Volkes getötet wird, wird hier am System nichts geändert. Das Drama hatte damals sicher Einfluss auf die Menschen, obwohl diese die wahre, verborgene Absicht hinter dem Stück erst erkennen mussten.
Auf mich wirkt dieses Drama nicht mehr, da es meiner Meinung nach kein Mitleid mehr weckt. Man kritisiert nur noch das heutzutage unverständliche Verhalten der handelnden Personen. Es kommt nicht zu einer befriedigenden Lösung des Konflikts. Lessing traute es sich auch nicht, seine wahren Absichten herauszustellen, um deutliche Kritik zu üben. Er hätte vielleicht einen klaren Weg zur Beseitigung des Problems zeigen sollen. Des weiteren sind die Charakter zu vielschichtig, außer Marinelli, und können damit nicht überzeugen.
Bibliographie
1. Primärliteratur
Lessing, G. E. : Emilia Galotti, Stuttgart 19948
2. Sekundärliteratur
1. Göbel, Klaus: Emilia Galotti - Interpretation (Band 21), München, 19883
2. Nürnberger, Helmuth: Geschichte der Deutschen Literatur, München, 199224
Anmerkungen
1. Nürnberger, Helmuth: Geschichte der Deutschen Literatur, München, 199224, Seite 91
2. ebd. Seite 94
- Arbeit zitieren
- Markus Wallig (Autor:in), 2001, Lessing, G. E. - Emilia Galotti, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99702