Interpretationen zu zwei Abschnitten aus Dürrenmatts "Physiker": FAQs
Was sind die behandelten Abschnitte in diesem Text?
Der Text analysiert zwei Szenen aus Friedrich Dürrenmatts "Die Physiker": das Gespräch zwischen Möbius und seiner Familie (Seiten 31-42) und das Gespräch zwischen Fräulein Doktor von Zahnd und den drei Physikern (Seiten 78-85).
Wie werden die Charaktere in der Szene mit Familie Rose charakterisiert?
Frau Rose wird als scheinbar bemitleidenswerte, aber auch berechnende Figur dargestellt, die ihre finanzielle Belastung durch die Unterbringung Möbius' betont. Missionar Rose erscheint als weltfremder und frommer Mann. Fräulein Doktor von Zahnd wird als berechnende Person charakterisiert, die Möbius aus Eigennutz im Sanatorium behält.
Welche Bedeutung hat der Psalm Salomos im Gespräch zwischen Möbius und seiner Familie?
Der Psalm Salomos beschreibt eine katastrophale Weltraumreise, die die Gefahren des unkontrollierten technischen Fortschritts und das Eindringen in Gebiete, die die Menschheit noch nicht zu verstehen vermag, symbolisiert. Dürrenmatt zieht hier Parallelen zu Ereignissen wie in Spielbergs "Jurassic Park".
Wie beginnt die Szene zwischen Fräulein Doktor von Zahnd und den drei Physikern und welche Stimmung wird erzeugt?
Die Szene beginnt mit einem Wechsel der Stimmung: Die Pfleger legen ihre weißen Kittel ab und tragen nun schwarze Uniformen und Pistolen. Das Porträt des Geheimrates wird durch das des Generals ersetzt, was die Machtübernahme der Fräulein Doktor von Zahnd symbolisiert. Die Atmosphäre wird als dunkel und bedrohlich beschrieben.
Was ist das "düstere Geheimnis" der Fräulein Doktor von Zahnd?
Fräulein Doktor von Zahnd gesteht, jahrelang Möbius' Aufzeichnungen gestohlen und ihn betäubt zu haben, um sein Wissen auszunutzen und ein Imperium aufzubauen. Sie gesteht auch die Anstiftung der Morde an den Krankenschwestern, um die Physiker unschädlich zu machen und das Wissen für sich zu sichern. Ihr Handeln ist von Größenwahn und dem Wunsch nach Macht, Ruhm und Reichtum geprägt.
Wie reagieren die Physiker auf die Enthüllung der Fräulein Doktor von Zahnd?
Die Physiker erkennen den Wahnsinn der Fräulein Doktor von Zahnd und versuchen, ihr das auszureden. Möbius bestreitet, dass ihm Salomo erschienen ist, doch die Fräulein Doktor von Zahnd bleibt unbeirrt.
Welche zentrale Frage wirft die Aussage der Fräulein Doktor von Zahnd am Ende auf?
Die Aussage, dass jemand anderes irgendwann die Erkenntnisse der Physiker wiederentdecken würde, lässt die Frage aufkommen, ob Möbius' Handeln nutzlos war oder nicht. Der Text argumentiert, dass Möbius' Verzicht auf Ruhm und Reichtum als soziale Aufopferung interpretiert werden sollte.
Welche zentralen Themen werden im Text behandelt?
Der Text behandelt Themen wie die Verantwortung von Wissenschaftlern, die Gefahren des unkontrollierten technischen Fortschritts, die Machtstrukturen in der Gesellschaft, sowie die Grenzen von Vernunft und Wahnsinn.
Wie wird das Verhalten von Möbius letztendlich interpretiert?
Möbius' Verhalten wird nicht als verrückt, sondern als eine höchste Form der sozialen Aufopferung interpretiert. Sein Verzicht auf Ruhm und Reichtum rettete die Menschheit vor den möglichen Folgen seiner Entdeckungen.
Interpretationen zu zwei Abschnitten aus Dürrenmatts "Physiker" Gespräch zwischen Möbius und Familie Rose (Seite 31 - 42)
Frau Rose kommt ins Irrenhaus und stellt Fräulein Doktor von Zahnd ihre Kinder und ihren neuen Mann, Missionar Rose vor. Frau Rose erzählt Fräulein Doktor, dass sie sich von Möbius für immer verabschieden müssen, da sie auf die Marianen ziehen, und, dass sie nicht mehr den Unterhalt für Möbius bezahlen kann. Nachdem Möbius seine Kinder und Missionar Rose kennenlernt, flippt er aus als er erfährt, dass sein Jüngster Physiker werden will. Zum Abschied sagt Möbius noch einen Psalm Salomos auf und befiehlt seiner Familie zu gehen.
Vor dem eigentlichen Gespräch mit Möbius (auf den Seiten 31-35) unterhält sich Familie Rose mit Fräulein Doktor von Zahnd, aus dieser Unterhaltung lassen sich die Personen charakterisieren. Da gibt es Frau Rose, die heulend von ihrer scheinbar unmenschlichen Aufopferung für Möbius und deren drei Kinder erzählt und nun an den finanziellen Lasten, die sie für das Sanatorium aufbringen muss zerbrechen würde. Dabei wirkt sie selbst dümmlich, wenn sie nach ihrer früheren angeblichen Aufopferung mit noch sechs Kindern mehr auf die abseits der Zivilisation liegenden Marianen ziehen will. Andererseits könnten die bemitleidenswerten Worte der Frau Rose auch ein Grund für Fräulein Doktor von Zahnd sein, Möbius in ihrem Sanatorium zu behalten (obwohl, wie sich später herausstellt, sie das nur macht um seine physikalischen Erkenntnisse für sich auszunutzen). Was eine gewisse berechnende Klugheit bei der so bemitleidenswert wirkenden Frau Rose zeigt.
Dann ist da ihr neuer Mann Missionar Rose, ein scheinbar weltfremder kärglicher Mann, der alle Hilfe nur bei Gott und seinen Psalmen sucht und der als Theologe glaubt, das Wunder zwar durchaus geschehen könnten (Seite 33), nicht aber bei einem Geisteskranken. Durch Aussagen des Fräulein Doktor von Zahnd macht Dürrenmatt das Versagen der Medizin sichtbar. So braucht die Psychiatrie nicht darüber zu urteilen, ob die Erscheinungen, welche die Geisteskranken wahrnehmen, wirklich sind oder nicht, sondern sich ausschließlich um den Zustand des Gemüts und der Nerven zu kümmern. Die Medizin packt den Grund der Krankheit meistens nicht an der Wurzel, sondern versucht sie nur mit Medikamenten zu beheben. Auch sei es die Pflicht des Fräulein Doktors etwas Geld aus Stiftungen den Patienten zuzuschaufeln, die Tatsache, dass sie das allerdings erst macht, nachdem sie die Angehörigen der Patienten ausgepresst hat, spielen für sie anscheinend keine Rolle.
Das wichtigste an dem Gespräch mit Möbius, wenn man es zum Ende hin nicht eher Monolog nennen sollte, war sicherlich der Psalm Salomos (Seite 41), den Möbius starr und verwirrt seiner Familie vorträgt. Der Psalm Salomos handelt von Weltraumfahrern, die am Anfang noch mit großem Elan in das All hinaus fliegen, doch deren Reise schon schnell zu einer schrecklichen Odyssee wurde aus der sie keine Chance hatten zu entkommen und qualvoll sterben mussten. Dürrenmatt zeigt den Lesern auf diese Weise, die schreckliche, aber durchaus reale Konsequenz daraus was passiert, wenn Menschen, Technik benutzen und in Gebiete eindringen die sie noch lange nicht bereit sind zu beeinflussen, da sie von ihr nicht genug verstehen. Diese Lehre kann man nicht nur aus ,,Die Physiker" ziehen, sondern sie wurde zum Beispiel auch in Spielbergs Jurassic Park gebrochen. Als Folge darauf mussten mehrere Menschen ihr Leben lassen, da Wissenschaftler es geschafft hatten ein gefährliches Projekt zu verwirklichen, von dem sie Anfangs sicher waren, es zu bewältigen, doch später von den verheerenden Auswirkungen überwältigt wurden.
Gespräch zwischen Fräulein Doktor von Zahnd und den drei Physikern (Seite 78 - 85) Am Anfang der Szene betritt Fräulein Doktor von Zahnd mit ihren angeblichen Pflegern die Bühne, diese haben ihre weißen Kittel, abgelegt und tragen nun schwarze Uniformen und Pistolen, was in Zusammenhang mit den Fenstergittern die neue dunkle und bösartig Stimmung einleitet. Die zu Wärtern mutierten Pfleger tauschen das Bild des Geheimrates gegen das des General Leonidas von Zahnd aus. Dieser scheinbar modische Tick der Fräulein Doktor von Zahnd (Seite 24) zeigt dem aufmerksamen Leser ihre momentane Stimmung. Das Porträt des Geheimrates hat nun ausgedient, da sie ihr Geheimnis preisgeben wird, und wird von dem derzeitigem Machtgefühl, das der General verdeutlicht, abgelöst. ,,Er liebte Heldentode, und so was hat in diesem Hause ja nun stattgefunden.", lautete die zuerst seltsam klingende Aussage der Fräulein Doktor von Zahnd, sie bezeichnet die drei bedauerlichen Krankenschwestern als Helden, da wie sich später heraus stellt (Seite 84), sie durch ihre Tode die Macht über die drei Physiker hat. Mit Ironie versüßten Aussagen, wie glücklich und tröstlich doch diese Nacht sei, treten darauf Möbius, Newton und Einstein nichts ahnend auf die Bühne, wo sie in überraschend schneller Geschwindigkeit von Fräulein Doktor von Zahnd erfahren, dass sie entlarvt und eingesperrt sind, ohne eine Chance zu entkommen. Fräulein Doktor von Zahnd stellt deutlich ihre Macht und Überlegenheit, durch die Entwaffnung der beiden demaskieren Agenten, dar. Darauf wird der eigentlich Charakter der Agenten erkennbar, der demokratische Kilton (Newton) nimmt die ganze Sache mit Humor und fällt in gespenstisches Lachen. Bei Eisler (Einstein) dagegen kann man seine Verunsicherung deutlich spüren. Die ganze Stimmung wird durch einen grell leuchtenden Scheinwerfer nochmals getrübt, was an ein polizeilichen Verhör erinnert.
Darauf verrät Fräulein Doktor von Zahnd ihr düsteres Geheimnis, jahrelang klaute sie Möbius' Aufzeichnungen, betäubte ihn deswegen. Sie konnte mit ihm tun, was sie wollte. Baute durch die Ausnutzung der Erkenntnisse ein riesiges Imperium auf. Auch bekennt sie sich der Anstiftung der Morde, um die Physiker unschädlich zu machen und das Wissen Salomos zu sichern. Denn dadurch ist ,,Möbius machtlos gegen sie, da er durch seinen Mord für dieöffentlichkeit nichts anderes als ein gefährlicher Verrückter sei." Von, durch einen Minderwertigkeitskomplex geprägten, Größenwahn befallen und vom Streben nach Macht, Ruhm und Reichtum geblendet, bildet sich Fräulein Doktor von Zahnd ein, dass ihr tatsächlich der weise König Salomo erscheine. Die Physiker erkennen den Wahnsinn der Fräulein Doktor von Zahnd und versuchen ihn ihr vergeblich auszureden, Möbius bestätigt ihr, dass Salomo ihm nie erschienen ist, sondern er ihn nur erfunden habe, um seine Entdeckungen geheimzuhalten. Doch für die unbeirrbare Fräulein Doktor von Zahnd ist er nur ein Lügner, der Salomo verleugne. Voller Ironie (wie zum Beispiel die Aussage Einsteins über Fräulein Doktor von Zahnd: ,,Sie gehört in ein Irrenhaus." oder ,,Ich bin die letzte Normale meiner Familie.") muss man schließlich zu dem bitteren Entschluß kommen, dass die Welt nun in den Händen einer häßlichen, unfruchtbaren, wirklich verrückten Irrenärztin ist.
,,Denn was ihm offenbart worden war, ist kein Geheimnis. Weil es denkbar ist. Alles Denkbare wird einmal gedacht. Was Salomo gefunden hatte, kann einmal auch ein anderer finden.", diese bedeutende Aussage der Fräulein Doktor von Zahnd soll die Leser anregen darüber nachzudenken, ob das Verhalten des Möbius unnütz war, oder nicht. Denn leider hat Fräulein Doktor von Zahnd recht damit, dass irgendwann, auch wenn es in mehreren hundert Jahren geschehen würde, irgend jemand Anderes auf diese Erkenntnisse kommen würde und sie von Gier bewegt zum Schlechten gebraucht. Doch das Verhalten des Möbius' sollte nicht als verrückt, sondern als soziale Aufopferung in höchster Weise interpretiert werden, denn jeder Tag, den Möbius scheinbar sinnlos vergeudete, jeder Tag an dem er auf Ruhm, Macht und Reichtum verzichtete, war ein Geschenk für die gesamte Menschheit.
Bewahrung der Welt vor dem Wissen? Bewahrung des Wissens vor dem Zugriff der Macht? Maskerade als moralischer Akt!
- Arbeit zitieren
- Martin Malkus (Autor:in), 2001, Dürrenmatt, Friedrich - Die Physiker - Interpretationen zu zwei Abschnitten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99705