Was bedeutet es, in einer Welt zurückzukehren, die dich vergessen hat? Wolfgang Borcherts erschütterndes Werk "Draußen vor der Tür" katapultiert uns in das Nachkriegsdeutschland, in dem Unteroffizier Beckmann, traumatisiert und körperlich versehrt, eine verzweifelte Suche nach Sinn und Akzeptanz beginnt. Aus der eisigen Weite Stalingrads kommend, findet er sich in einer zerstörten Heimat wieder, wo seine Frau einen anderen liebt, sein Kind tot ist und die Gesellschaft sich taub gegenüber dem Leid der Kriegsheimkehrer zeigt. Verlassen und unverstanden irrt Beckmann durch die Trümmer Hamburgs, konfrontiert mit der Gleichgültigkeit derer, die vom Krieg unberührt blieben. Seine Odyssee führt ihn zu einem zynischen Oberst, einem abgestumpften Kabarettdirektor und schließlich zurück zu seinem Elternhaus, wo er eine erschütternde Entdeckung macht. Borchert zeichnet ein unbarmherziges Bild der Nachkriegszeit, in dem Schuld, Verdrängung und die Unfähigkeit zur Trauer die Seelen der Menschen vergiften. Beckmanns Begegnungen mit Gott und dem Tod, verkörpert durch einen rülpsenden Beerdigungsunternehmer und einen Straßenfeger, sind von schmerzhafter Ehrlichkeit und bitterem Humor geprägt. "Draußen vor der Tür" ist mehr als nur ein Antikriegsstück; es ist ein erschütterndes Zeugnis der menschlichen Zerbrechlichkeit, der Suche nach Identität und der verzweifelten Frage nach dem Sinn des Lebens angesichts unvorstellbaren Leids. Es ist ein literarisches Mahnmal, das die Leser dazu auffordert, sich der Vergangenheit zu stellen und die Verantwortung für eine bessere Zukunft zu übernehmen. Borcherts kraftvolle Sprache und ungeschönte Darstellung machen dieses Werk zu einem unvergesslichen Leseerlebnis, das noch lange nach dem Zuklappen des Buches nachhallt. Tauchen Sie ein in diese bewegende Geschichte über Kriegstrauma, gesellschaftliche Verantwortung und die ewige Suche nach Menschlichkeit in einer entmenschlichten Welt. Dieses Drama ist ein Schlüsselwerk der deutschen Nachkriegsliteratur und ein absolutes Muss für alle, die sich mit den dunklen Kapiteln der Geschichte auseinandersetzen wollen.
Wolfgang Borchert (1921-1947)
Biographie:
- am 20. Mai 1921 als Sohn eines Volksschullehrers und einer Schriftstellerin geboren
- 1928: eingeschult
- 1932: Besuch der Oberrealschule Hamburg-Eppendorf
- 1938: verlässt die Schule nach Abschluss der Obersekunda mit dürftiger Leistung im Dezember
- 1939: Beginn der Lehre in der Buchhandlung Boysen, privater Schauspielunterricht bei Helmuth Gmelin
- 1940 von Gestapo wegen unerwünschter Gedichte verhaftet, Abbruch der Buchhändlerlehre
- 1941, Lüneburg: vom 3.3 bis 6.6. Schauspieler an der Landesbühne Osthannover, erhält im Mai auf einer Tournee Einberufungsbefehl
- Weimar: Panzergrenadier bei der 3. Panzer-Nachrichten-Ersatz-Abteilung 81 in der Kaserne Weimar-Lützendorf
- Witebsk: im November Abtransport an die Front, im Dezember erster Einsatz im Raume Kalinin
- 1942, Kalinin: 1. Fälle von Gelbsucht am Jahresanfang, Verwundung an der linken Hand
- Schwabach: Überführung ins Heimatlazarett Schwabach
- Nürnberg: Verhaftung auf den Verdacht, sich die Verwundung selbst beigebracht zu haben
- nach Freispruch erneute Verhaftung wegen Äußerungen gegen Partei und Staat, 6 Wochen Einzelhaft, Verurteilung zu anschließender Frontbewährung
- Saalfeld: Von Oktober bis November bei der Garnison Jena
- Toropez: Wolfgang Borchert als Melder ohne Waffe in harten Kämpfen
- 1943, Smolensk: erneute Anfälle von Fleckfieber und Gelbsucht, Januar und Februar im Seuchenlazarett Smolensk, Verlegung ins Seuchenlazarett Elend/ Harz
- Hamburg: ab September Kabarettist im Bronzekeller
- Kassel: von Oktober bis November in einer Durchgangskompanie, soll zu Fronttheater abgestellt werden, wegen politischer Witze denunziert
- 1944, Berlin: Verhaftung wegen Parodie auf den ,,Reichsminister Dr. Goebbels", Gefängnis Moabit, wird nach neun Monaten im September zur Feindbewährung entlassen
- 1945, Frankfurt/M. : im Frühjahr gefangengenommen, kann auf Fahrt in Kriegsgefangenschaft fliehen, Wanderung Richtung Norden, schwer krank
- 1946, Hamburg: Krankheit fesselt ihn ans Bett
- von Januar bis April im Elisabeth-Krankenhaus, von da an im Haus in der Karl-Cohn-Straße 80, Ärzte geben ihm noch 1 Jahr
- 1947, Basel: Freunde und Gönner ermöglichen Reise in die Schweiz, stirbt am 20. November um 9.00 Uhr im Clara-Spital im Alter von 26 Jahren
Werke:
1936: erste Gedichte
1938: ,,Reiterlied", das erste publizierte Gedicht, in der Zeitung ,,Hamburger Anzeiger"
1940: Verschiedene Russlanderzählungen in mehreren Bänden mit dem Obertitel ,,Im Schnee, im sauberen Schnee",
1946: Geschichtenband ,,Die Hundeblume", 24 Prosatexte
Im Januar schreibt Borchert innerhalb von 8 Tagen das Schauspiel ,,Draußen vor der Tür". Dezember: Gedichtsammlung ,,Laterne, Nacht und Sterne" ( Gedichte von 1940-45)
Oktober 1947: berühmtes Antikriegsmanifest ,,Dann gibt es nur eins", sein letztes Werk.
Bedeutung: Er ist mit 2 Dutzend Kurzgeschichten und dem Stück ,,Draußen vor der Tür" die wichtigste Stimme der Nachkriegsliteratur.
Wolfgang Borchert: ,,Draußen vor der Tür" (1946)
Aufbau: I: Vorspiel II: Der Traum III: 5 Szenen
Hauptperson: Unteroffizier Beckmann, kein Vorname (eigene Frau behandelte ihn wie ein Möbelstück, sagte nur Beckmann zu ihm), war drei Jahre lang in Russland im Raume Stalingrad, kehrt nach Hamburg zurück, kaputte Kniescheibe; Aussehen: kurze Stoppelfrisur, trägt Gasmaskenbrille
Handlung: Vorspiel: Beerdigungsunternehmer sieht eine Gestalt in die Elbe springen;unterhält sich mit altem Mann, Beerdigungsunternehmer ist der Tod, muss ständig rülpsen · vollgefressen, alter Mann ist Gott, klagt um Kinder, haben ihn verlassen
Der Traum: Beckmann hat sich in Elbe gestürzt, will sterben, Elbe spuckt ihn wieder aus, sein Leben ist nichts wert, wird an Blankeneser Strand angespült
1. Szene: Beckmann erzählt dem ,,Anderen" (imaginärer Begleiter im Stück, welcher ihm neuen Lebensmut vermitteln will) dass er nach Hause kam, Frau lag mit anderem im Bett, 1 Jahr alter Sohn unter Trümmern begraben; Mädchen kommt, nimmt Beckmann mit nach Hause
2. Szene: Mädchen gibt ihm neue Kleider, die ihrem Mann gehörten, Beckmann hört ein ,,Teck-Tock", ,,einbeiniger Riese"/ Mann des Mädchens steht hinter ihm, er hasst Beckmann (dieser gab ihm in Stalingrad Befehl, die Stellung bis zuletzt zu halten, er verlor Bein), verjagt ihn aus seinem Haus, Beckmann irrt auf der Straße herum
3. Szene: Beckmann kommt an ein Fenster, sieht reich gedeckten Tisch · tritt in das Haus seines früheren Oberst ein, er erzählt ihm von seinem Elend und dem Traum, den er jede Nacht träumt: Ein General mit Arm- und Beinprothesen spielt auf einem Knochenxylophon, er schwitzt Blut, die toten, verwesten Soldaten stehen aus den Gräbern auf, der General befiehlt Beckmann, sie abzählen zu lassen, sie zählen nicht, sondern schreien laut und furchtbar ,,Beckmann", bis dieser keine Luft mehr kriegt und aufwacht, nach dem Traum kann er nicht einschlafen; er hatte am 14. Februar die Verantwortung für den Spähtrupp vom Oberst übertragen bekommen: Von 20 wurden 11 getötet · diese Verantwortung will er dem Oberst zurückgeben; dieser lacht ihn aus und empfiehlt ihm, mit seinem ungewöhnlichen Aussehen und seinem Traum auf der Bühne aufzutreten
4. Szene: Beckmann geht zu Kabarettdirektor und trägt ihm ein eigen gedichtetes Kriegslied vor, Direktor lehnt ihn ab: Stück ist zu düster, würde die Zuschauer erschrecken; Beckmann will sich umbringen, der Andere erinnert aber an Eltern
5. Szene: Beckmann kommt zu Elternhaus, Kramers wohnen jetzt dort, erfährt. dass sein judenhassender Vater keine Pension erhielt, Eltern sollten auf die Strasse gesetzt werden, vergasten sich gemeinsam in der Küche, Frau Kramer: ,,So was Dummes, sagt mein Alter, von dem Gas hätten wir einen ganzen Monat kochen können." Beckmann ist bestürzt über Gleichgültigkeit der Lebenden gegenüber den Toten; Beckmann wird müde, lässt sich am Straßenrand nieder und träumt (Trancezustand), Gott erscheint, Beckmann fragt, warum er den Tod seines Sohnes und die Ermordung von 11 Soldaten des Spähtrupps zuließ, Gott ist machtlos, weil die Menschen nicht mehr an ihn glauben, Gott geht ab, Beckmann hört einen Besen kehren, der Tod erscheint in Gestalt eines Straßenfegers, Beckmann will mitgenommen werden, der Tod lässt ihn liegen (,,Ich vergesse keinen.", ,,Meine Tür steht immer offen."), in seinem Traum erscheinen nacheinander der Oberst, der Kabarettdirektor und Frau Kramer, Beckmann wirft ihnen vor, ihn durch ihr Verhalten ermordet zu haben, diese streiten ab und gehen schnell weiter; danach kommt das Mädchen, will ihn mit zu sich nehmen, doch der Einbeinige kommt, er hat sich in Elbe gestürzt, weil Beckmann seine Frau wegnahm, er möchte, dass Beckmann den Mord an ihm nicht vergisst, geht ab; Beckmann wacht auf, fragt, ob er nach all seinen Erlebnissen kein Recht auf den Tod hat
Erzählstil: metaphorisch - rülpsender Tod
Personifizierungen - Elbe
gesellschaftskritisch
Mit einfachen, direkten, teilweise auch brutalen und sarkastischen Formulierungen drückt er seine Gefühle und Gedanken aus.
Besonderheit:
Häufig gestellte Fragen
Wer war Wolfgang Borchert?
Wolfgang Borchert (1921-1947) war ein deutscher Schriftsteller und Dramatiker, der vor allem für seine Werke der Nachkriegsliteratur bekannt ist. Er starb sehr jung im Alter von 26 Jahren.
Was sind die wichtigsten Stationen in Wolfgang Borcherts Biographie?
Borchert wurde 1921 in Hamburg geboren. Er war in der Schule, machte eine Buchhändlerlehre, die er abbrach. Er war Soldat im Zweiten Weltkrieg, wurde mehrfach verhaftet und erkrankte schwer. Nach dem Krieg arbeitete er als Kabarettist und Schriftsteller. Er starb 1947 in Basel.
Welche Werke hat Wolfgang Borchert geschrieben?
Zu Borcherts Werken gehören Gedichte, Kurzgeschichten (,,Die Hundeblume") und das Drama ,,Draußen vor der Tür". Bekannt ist auch sein Antikriegsmanifest ,,Dann gibt es nur eins".
Was ist das Thema von ,,Draußen vor der Tür"?
,,Draußen vor der Tür" thematisiert die Erfahrungen eines Kriegsheimkehrers (Beckmann), der in der Nachkriegszeit in Deutschland nicht mehr zurechtfindet und mit den Traumata des Krieges, der Schuld und der Gleichgültigkeit der Gesellschaft konfrontiert wird.
Wer ist Beckmann in ,,Draußen vor der Tür"?
Beckmann ist der Protagonist des Dramas, ein Unteroffizier, der aus dem Krieg zurückkehrt und mit den Folgen des Krieges zu kämpfen hat. Er ist traumatisiert und findet keinen Platz mehr in der Gesellschaft.
Was passiert im Vorspiel von ,,Draußen vor der Tür"?
Im Vorspiel sieht ein Beerdigungsunternehmer eine Gestalt (Beckmann) in die Elbe springen. Er unterhält sich mit Gott über die Sinnlosigkeit des Krieges und das Leid der Menschen.
Was passiert im Traum in ,,Draußen vor der Tür"?
Beckmann stürzt sich in die Elbe, um zu sterben, wird aber wieder ausgespuckt. Er findet kein Ende seines Leidens.
Was ist die Bedeutung des "Anderen" in "Draußen vor der Tür"?
Der "Andere" ist ein imaginärer Begleiter Beckmanns, der ihm Lebensmut zusprechen will. Er repräsentiert vielleicht die letzte Hoffnung oder den Wunsch nach einem Neuanfang.
Welche Rolle spielt der Oberst in "Draußen vor der Tür"?
Der Oberst repräsentiert die militaristische und verantwortungslose Haltung des Krieges. Beckmann will ihm die Verantwortung für den Tod der Soldaten zurückgeben, aber der Oberst weist ihn ab und verspottet ihn.
Wie wird Gott in "Draußen vor der Tür" dargestellt?
Gott wird als machtlos dargestellt, da die Menschen nicht mehr an ihn glauben. Er kann das Leid und die Grausamkeiten des Krieges nicht verhindern.
Was bedeutet der Titel "Draußen vor der Tür"?
Der Titel symbolisiert Beckmanns Situation als Ausgestoßener, der vor der Tür der Gesellschaft steht und keinen Einlass findet. Er steht "draußen" und ist von der Normalität und dem Leben abgeschnitten.
Welchen Erzählstil verwendet Borchert in "Draußen vor der Tür"?
Borchert verwendet einen metaphorischen und gesellschaftskritischen Erzählstil. Seine Sprache ist direkt, brutal und sarkastisch, um seine Gefühle und Gedanken auszudrücken.
Was ist das Besondere an Borcherts Schreibweise?
Borchert beschreibt, dass er seine Texte schnell und ohne große Überarbeitung schreibt. Seine Werke sind oft von einem "kurzen Rausch" inspiriert, was zu einer direkten und authentischen Darstellung seiner Gefühle führt.
- Quote paper
- Frank Oberländer (Author), 2000, Borchert, Wolfgang - Draußen vor der Tür #, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99711