Der Rheinische Minnesang


Hausarbeit, 1999

18 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

A.Einleitung

B.Der rheinische Minnesang

C.1 Herr Friedrich von Hausen
1.1 Biographie
1.2 Werk
1.3 Überlieferung

2 Herr Heinrich von Veldeke
2.1 Biographie
2.2 Werk
2.3 Überlieferung

D.Literaturverzeichnis

Einleitung

Unter dem Aspekt einer idealtypischen Formentwicklung gliedert sich die mittelhochdeutsche Minnelyrik in Phasen, welche nicht als zeitlich lineare Abfolge zu verstehen sind, sondern vielmehr parallel oder überschneidend verlaufen. Der ersten Phase (1150/60 - 1170), auch Frühphase genannt, dem donauländischen Minnesangs, schließt sich der rheinische Minnesang an. Diese zweite Phase ( ca. 1170 - 1190/1200), auch erste Hochphase genannt, erscheint bei den unter westlichem Einfluß stehenden Minnesängern, die am Oberrhein zu lokalisieren sind.

Der führende Vertreter des rheinischen Minnesangs ist Friedrich von Hausen. Nach ihm wird der rheinische Minnesang auch als "Hausen - Schule" bezeichnet. Weitere Dichter aus dem Umfeld des Oberrheins sind Bligger von Steinach, Bernger von Horheim, Ulrich von Gutenburg und Heinrich VI. Im weiteren Umkreis stellen sich Heinrich von Veldeke, Rudolf von Fenis und Heinrich von Rugge. Die meisten dieser Dichter könnten eine Verbindung zum Stauferhof gehabt haben; für Friedrich von Hausen ist dies bezeugt, Heinrich von Veldeke hatte, nach eigenen Angaben, ebenfalls diese Verbindung.1

B. Der rheinische Minnesang

Der rheinische Minnesang stellt den Beginn des hohen Minnesangs dar. Er lässt Einflüsse aus der provenzalischen Trobadorlyrik und der Trouvèrelyrik erkennen, d.h. er bildet nicht nur Themen und Formen aus der heimischen Lyrik fort, er nimmt auch bedeutsame formale, thematische und motivliche Anregungen aus der provenzalischen und altfranzösischen Minnelyrik auf.

Der rheinische Minnesang kennzeichnet sich formal durch seine Mehrstrophigkeit aus. Die Einzelstrophigkeit tritt zurück. Die Stollenstrophe, die dem romanischen Einfluss zugeschrieben wird, erhält eine zunehmende Bedeutung. Ihre Verszusammenstellung kann sowohl isometrisch als auch heterometrisch sein. Die Strophen werden durchgereimt und es entwickeln sich zunehmend differenzierte Reimschemata. Des weiteren etabliert sich der reine Reim oder Vollreim. Obwohl der Refrain als längere Periode erst im 13.Jh. beliebt wird, findet man ihn in unterschiedlichen Ausprägungen bereits im rheinischen Minnesang. Thematisch findet eine Ausgestaltung der Dienstminne zur Hohen - Minne statt, d.h. die Liebenden begegnen sich nicht mehr als Partner, vielmehr wird ein fiktives Dienstverhältnis zu einer Frau gestaltet, welches zwar auf Belohnung durch Liebesgunst abzielt, aber als hoffnungslos dargestellt wird, da die Frau zu einem unerreichbaren Ideal emporstilisiert ist. Die Hohe - Minne - Klage und das Kreuzlied sind die typischen Gattungen des rheinischen Minnesangs aber auch Gattungen wie Leich, Tagelied und Dialoglied kommen bei einigen Dichtern dieser Phase vor.2

C. 1. Herr Friedrich von Hausen

1.1 Biographie

Friedrich von Hausen wird in der Forschung übereinstimmend mit Fridericus de Husen gleichgesetzt. Geboren wurde er wahrscheinlich um 1150 zwischen Bingen und Mannheim. Sein Vater, Freiherr Walther von Hausen, der zwischen 1140 und 1173 im rheinpfälzischen und rheinhessischen Gebiet mehr als zwanzigmal urkundlich bezeugt wurde, stand in Kontakt mit anderen Sängern seiner Zeit und der Umgebung Kaiser Friedrichs I..3 Friedrich von Hausen wurde 1171 das erste Mal zusammen mit seinem Vater bezeugt. 1175 erscheint er erstmals in zwei Urkunden des Erzbischofs von Mainz, welche von Pavia ausgestellt wurden. Diese Zeugnisse italienischer Herkunft lassen den Schluss zu, dass Friedrich am fünften Italienfeldzug Barbarossas teilnahm. 1186 und 1187 wurde sein Name wiederum in Zeugnissen des Kaisersohns Heinrich IV urkundlich belegt. Hier erscheint er erstmals im näheren Umkreis des Kaiserhofes. Aus der um 1200 verfasstenChronicon Hanoniense, des Geschichtsschreibers Gislebert von Mons, gehen die weiteren Lebensdaten Friedrichs hervor. Er war Vertrauter des Kaisers und von 1187 bis zu seinem Tod im Gefolge des Kaisers Barbarossa. In seinem letzten Lebensjahrzehnt war er ein hochangesehener Ministeriale am Stauferhof. Er nahm an den vielen Kreuzzügen des Kaisers teil. Laut der letzten Zeugnisse fiel Friedrich auf dem 3. Kreuzzug am 6.5.1190 bei Philomenium ( heutiges Anatolien).4 In fünf mittelalterlichen Schriften wird sein Tod beklagt.

1.2 Werk

1.2.1 Formdeutung

Hausen entfaltet erstmals den Variantenreichtum, der für den hohen Minnesang kennzeichnend ist und gestaltet so die Übergangsphase von der frühen zur hohen Minne. Er bildet Themen und Lyrik aus der heimischen Minne fort uns ergänzt sie mit formalen thematischen und motivlichen Anregungen aus der provenzalischen und altfranzösischen Minnelyrik. Dadurch erschafft er ein eigenständig zu sehendes Werk.

1.2.2 Strophenstrukturen

Hausen verwendet eine große Anzahl an verschiedenen Strophenformen. Seine Reimpaarstrophen sind mit heterometrischen Versen kombiniert.

Die Periodenstrophen sind durchweg isometrisch und mit Kreuzreimen gebildet. Die häufigste Form ist, zum ersten Mal in der Geschichte der mittelhochdeutschen Lyrik, die Stollenstrophen. Diese haben eine isometrische oder heterometrische Struktur, jeweils abhängig von der Lesung der weiblichen Kadenzen. Bei den heterometrischen Strophen zeigt sich sowohl eine geringere Variation der Hebungszahlen, als auch eine stärkere Differenzierung der Hebungen, vom Dreiheber bis zum Sechsheber. Hausen arbeitet mit Strophenvariationen, mit der metrischen Kunst, bestimmte Grundelemente unterschiedlich zu kombinieren, indem er Reimschemata umstellt, Verse verkürzt oder verlängert und die Strophen versweise verlängert. Dieses Baukastenprinzip ermöglichte wohl auch das nachträgliche Zusammenstellen ursprünglich verschiedener Strophen zu einer Liedeinheit.5

1.2.3 Versstruktur

Langzeilen finden sich bei Hausen nur in einem Lied , wobei diese wiederum durch einen Binnenreim differenziert ist. Er bevorzugt die alternierenden Verse und die mhd. Daktylen. Bei der Durchführung der einzelnen Versprinzipien erscheinen unterschiedliche Grade der Regelmäßigkeit. Der alternierende Vers wird nicht immer streng durchgeführt, was eine Lebendigkeit innerhalb des Verses zur Folge hat. Ob diese Formabweichungen immer gewollt sind oder teilweise überlieferte Angleichungen sind, läßt sich nur schwerlich feststellen.6

2.1.4 Reimtechnik

Über die Hälfte seiner Lieder sind partiell oder ganz durchgereimt. Reimtechnisch stehen sie auf der Grenze vom frühen zum hohen Minnesang, wobei einige Schwierigkeiten bei der Durchreimung ersichtlich sind. Diese Reimungenauigkeiten bei Hausen belaufen sich auf konsonantische Unterschiede, z.B. auslautendes t auf p :lîp:zît, huop:guotund quantitative Unterschiede, wiegetân:kan:hân.7

2.1.5 Thematik

Hausens Lyrik ist Minnesang. Betrachtet man die Stellung der Frau in Hausens Liedern, kann man eine dreiteilige Gruppierung der Lieder erkennen. Neben den Minneliedern in der Heimat, welche die erste Gruppe bilden, wird die Zweite Gruppe aus den Minneliedern aus der Ferne gebildet. Als letzte Gruppe seien die Kreuzzugslieder, entweder als Gottes oder Frauenminne, genannt.8 Bei Hausen bedeutet Minne in erster Linie hohe Minne, d.h. das Werben um die unerreichbare Frau. Die Lieder sind prinzipiell monologisch, d.h. es gibt keine Dialoge, Wechsel und Frauenmonologe sind sehr selten. Aus dieser formalen Tatsache ist ersichtlich, dass bei Hausen der Sänger immer der Werbende bleibt und nicht zum Partner der Umworbenen sein oder werden kann. Die Bitte seiner Lieder bleibt immer vergeblich und hat keine Aussicht auf Erhörung. Die monologischen Lieder sprechen weder diefrouwennoch das Publikum direkt an. Ein weiteres Anzeichen für die monologische Liedeinheit ist die große Anzahl von Strophen, welche mit „ich“ anfangen oder direkt einen Verweis zur Person des Sängers geben.

Die Thematik Hausens wird bestimmt durch Frauen-, Ritter- und Gottesdienst. In der Kreuzzugsthematik hebt sich Hausens Priorität, der Pflicht zu dienen, sehr stark heraus. Das Leiden des Ritters, der fern von der Heimat seine Last tragen muss. Erschwert wird die ganze Szenerie noch durch die lokale und mentale Entfernung zu seiner begehrten Frau. Dieses Bild gebraucht Hausen sehr oft. Eine weitere Charakteristik seiner Dichtung ist, dass er den Minnedienst hinter den Gottesdienst stellt.

Oftmals kommt er in die Konfliktsituation, dass sich Minnedienst und Gottesdienst gegeneinander ausschließen könnten, da die Minne, das Streben nach Liebe und Erhörung, als Sünde eingestuft werden könnte. So stellt er Kreuzzugsthematik und Gottesdienst in unmittelbaren Zusammenhang. Die Ansicht dieser ritterlichen Verpflichtung wird aus seiner Biographie ersichtlich. Der Konflikt, der daraus hervorgeht, bricht in den Abschiedsliedern aus, wo die ritterliche Ehre gegenüber dem Minnebegehren obsiegt. Damit reformiert er die bisherige Minnehaltung, indem er ihr erstmals ideologische Züge zuspricht. Diesen ideellen Werten lässt sich auch die introvertierte Gedanklichkeit zuordnen. Er stellt die innerliche Reflexion an vorderste Stelle. So legt er keinen ersichtlichen Wert auf Bilder; Naturbilder fehlen gänzlich. Diese Arbeitsweise führt er auch bei seinen Frauenbildern fort. So bleibt die Beschreibung der Frau im Allgemeinen. Er geht in keinem Lied näher auf das äußerliche oder innerliche Erscheinungsbild seiner Umworbenen ein. Sie ist nurdiu guoteoderder beste eine. Dagegen fällt die oftmalige Benutzung seines Seelenzustandes auf. Ferner benutzt er viele Motive aus dem Bestand des Minnesangs. Hierzu gehören die Liebe von Kindheit an MF 49,4, die Wendung aus der Liebeskriegsterminologie MF 44,5, MF 46,9, die Paraphrase als Unmögliches MF 49,4, der Schöpfergott MF 44,22, MF 49,37 und die Paraphrase für Christus MF 48,32.9

1.3 Überlieferung

Unter seinem Namen sind seine Lieder nur in der Weingartner (B) und in der Großen Heidelberger Liederhandschrift (C) überliefert. In der Berner Liederhandschrift p und in der Weimarer Handschrift F finden sich die Strophen MF 54,1 und MF 54,10 – allerdings anonym. Sein lyrisches Schaffen besteht aus 53 Strophen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Lied besteht aus durchgereimten Strophen mit stolliger Struktur (abab baab). Die Verse sind Fünfheber mit abwechselnd weiblicher und männlicher Kadenz. Gelegentliche Doppelsenkungen (z.B. 1,2 und 1,4) bestehen in den Handschriften B und C, sind aber in MF durchweg gebessert. Dadurch ergibt sich eine konsequente Alternation in diesem Lied. Da das Lied allerdings auch weitere Anzeichen für solche Lockerungen aufweist, stellt sich die Frage, inwieweit der Dichter diese strenge Form beabsichtigt hatte.

In diesem sehr bekannten Lied verknüpft Hausen die Kreuzzugsthematik mit der Minneproblematik. Der Sänger kommt in den Konflikt zwischen Gottesdienst und der Verpflichtung gegenüber seiner Dame. Schließlich kommt er zu der Einsicht, dass das Problem nur dann gelöst werden kann, wenn Herz und Leib getrennte Wege gehen. Das Motiv von dem Herzen, das zu Hause bei der Geliebten verweilt, während der Leib in der Ferne ist, ist in der altfranzösischen und deutschen Literatur weit verbreitet.

In Strophe 1 wendet sich der Kreuzritter an Gott, um ihn nach einer Lösung seines Problems zu fragen. Dies ist das erste Anzeichen für die Höherstellung des Gottesdienstes, da er Frau Minne nicht befragt, was ein Minnender tun würde. Gott ist für ihn die höhere Instanz. In Strophe 2 teilt der Ritter seine Sorge mit, auf welchen Weg sein Herz nun ist. Er bittet Gott, das arme Herz an einen Ort zu senden, wo man es freundlich empfängt. In Strophe 3 beklagt der Ritter sich über die Abtrünnigkeit seines Herzens, erklärt dieses aber wiederum mit seinen Grundtugenden (stætekeit). Diese Tugend bezieht sich auf die beiden Dienstverhältnisse. Würde das Herz seinen Willen aufgeben, könnte der Ritter ein wirklichlebendic mansein, nämlich ein Mensch, der wahrhaft im Hinblick auf das ewige Leben zu leben und zu sterben bereit ist. In Strophe 4 beschwert sich der Ritter über die Dame und macht sie für diesen Konflikt verantwortlich, da sie ihm gegenüber so kaltherzig erscheint. Man kann diese Strophe auch als Scheltstrophe ansehen. Er kommt zu dem Schluss, dass sie diese Beachtung gar nicht wert ist. Die Aufkündigung des Minnedienstes kann nicht als Widerspruch zu den Tugenden gesehen werden, weil die Dame sich gleichgültig und unverständig verhält.

2. Herr Heinrich von Veldeke

2.1 Biographie

Heinrich von Veldeke, auch Henric van Veldeken, wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in der Nähe von Hasselt im Limburgischen, geboren. Er entstammte einem seit 1195 vielfach bezeugtem Rittergeschlecht, Ministerialen der Grafen von Loon. Er besuchte eine Kathedral- oder Klosterschule, wo er neben einer guten Bildung auch Französisch gelernt haben muss. Vermutlich hat er eine kurzfristige Stellung am Hofe des Grafen von Loon bezogen. Durch die Gräfin Agnes von Loon, die er in seinen Werken preist und die wahrscheinlich seine Gönnerin war, fand er zu seiner Dichtung. Gestorben ist er vor 1205, vermutlich 1190, da Wolfram von Eschenbach im achten Buch des Parzivals seinen Tod beklagt. 10

2.2 Werk

Heinrich von Veldekes Hauptwerk ist der Servatius und der Eneasroman. Über diese epischen Werke findet die Forschung auch näheren Zugang zu seinen Lebensdaten. Seine lyrische Dichtung begleitete sein episches Schaffen zum größten Teil. Seine Lyrik gehört der Übergangsphase zwischen frühem und hohem Minnesang an. Weitgehend sind seine Lieder einstrophig, welches ihn mit dem frühen Minnesang eines von Kürenberg verbindet. Seine örtliche Nähe zur romanischen Liedkunst wird wohl mit ein Grund sein, ihre Motive, Formen und ihre Ideologie aufzugreifen und auf seinen Minnesang einfließen zu lassen. Durch eine umfassende Kenntnis der romanischen Liedkunst, war seine Minne nicht auf Nachahmung aufgebaut, sondern entwickelte ein starkes eigenes Profil. Ausgehend von dieser neuen Form der Minne, zählt man ihn zum Mitbegründer des rheinischen Minnesangs, wie man auch an Strophenstruktur und Reimtechnik ablesen kann.11

2.2.1 Strophenstrukturen

Der größte Teil seines lyrischen Werks ist auf die Stollenstrophe gegründet. Diese variiert er vom einfachen Grundschema mit zweizeiligem Abgesang (MF 66,32) bis zu Formen mit mehrzeiligen Stollen (MF 18,1) und reichgegliedertem Abgesang (MF 58,35; MF 59,11). Weiterhin finden sich Periodenstrophen MF 61,25 und eine durchgereimte Langzeilenstrophe mit Steg, deren altertümliche Grundstruktur allerdings u.a. durch daktylischen Versgang überspielt wird. Der Bau der meisten Strophen ist heterometrisch, gelegentlich verbunden mit isometrischem Aufgesang.

Die Grundstruktur der Einzelstrophen ähnelt sich teilweise so stark, dass sie zu mehrstrophigen Liedern zusammengefasst wurden. Die gemeinsame Grundstruktur variiert nur minimal im Reim – oder Versschema, z.B. Unterschied im Abgesang oder unterschiedliche Kadenzen.

Auch aus der Strophenfolge der Lieder lässt sich eine Zugehörigkeit zur Übergangsphase von der frühen zur hohen Minne ersehen. So sind neben einer großen Zahl einstrophiger Lieder, wie auch zwei -, drei -, bis fünfstrophiger Lieder überliefert. Teilweise geht dieser Variantenreichtum aus den unterschiedlichen Überlieferungen und Textvarianten der verschiedenen Handschriften hervor.

In den Handschriften stehen die Lieder mit besonderen formalen Kennzeichen häufig beieinander, genauso die Strophen mit grammatischem Reim, Periodenstrophen, Lieder mit gleichem Aufgesang und mit gleichen Reimvokalen. Auch eine thematische Zusammengehörigkeit fällt auf. Die Ursache oder die Absicht, ob chronologische Reihenfolge oder Vortragsprogramm, ist leider nicht ersichtlich. Man muss sich also mit der editorischen Ordnung zufriedengeben. Man kann aber davon ausgehen, dass eine eindeutige thematische Strophenfolge im Widerspruch zu Veldekes gestalterischen Vielfalt steht. 12

2.2.2 Versstruktur

Es ist durchaus eine Tendenz zur Alternation zu beobachten, wobei auch ein – oder dreisilbige Takte eingestreut sind. Jedoch ist nicht bekannt, inwieweit diese Durchbrechungen auf die Umsetzung der niederdeutschen Sprachform ins Mittelhochdeutsche zurückzuführen sind. In Lied MF 63,20 begegnen uns regelmäßige Doppelsenkungen, die sogenannten mittelhochdeutschen Daktylen. Veldeke benutzt als häufigsten Vers den Vierheber, in seinem gesamten Werk reicht die Verslänge aber vom Zwei – bis zum Sechsheber. 13

2.2.3. Reimtechnik

Ursprünglich sind seine Reime in der Regel rein. Da er aber überwiegend niederdeutsche Lautformen eingesetzt hat, welche bei den Überlieferungen teilweise ins Mhd umgeschrieben wurden, entstehen unreine Reime. In den Handschriften, die die niederdt. Reimformen wahren, finden sich die durchgereimten Reime. Ungenaue Reimformen finden sich aber trotzdem noch, z.B. das Endungs- n und die vokalische Ungenauigkeitendeaufvinde(MF 64,26).

Veldeke legt Wert auf durchgereimte Verse. So sind über die Hälfte seiner Verse klar durchgereimt. Bei partiell durchgereimten Versen (12(14) Verse) sind unterschiedliche Grade zu beobachten. Er verwendet hier entweder die Anreimung durch das Reimwort, die partielle Durchreimung mir Reimvokalen oder den sogenannten grammatischen Reim (MF 66,32). Aus diesen gelegentlichen Reimspielen, nicht nur aus den aus Vollreimen bestehenden Reimbändern, erweist sich Veldekes fortgeschrittene Formbeherrschung.14

2.2.4 Thematik

Veldekes Themenvielfalt reicht vom einfachen Liebeslied bis zur Hohen Minne. Daneben finden sich eine ganze Reihe Schelt – und verhaltenen Mahnstrophen, in denen er sich gegen Missstände, z.B. die Sittenlockerung oder den Verlust der Minnehaltung, wendet. Inhaltlich gehören diese Strophen zur Spruchdichtung, formal kann man sie aber nicht ausgrenzen, da sie zuwenig von den Minnestrophen abgesetzt sind.15

Des weiteren nehmen Naturbilder einen breiten Raum ein. Reine Naturbilder stehen neben Natureingängen und Naturvergleichen.

Bezeichnend ist seine Tendenz, nicht allgemeine Naturbilder zu nennen, sondern er differenziert diese Bilder im einzelnen, z.B.aberelle(MF 62,25). Seine Bilder reichen von volkstümlichen Anklängen bis zu literarischen Anspielungen, das Suchen nach der Birne auf der Buche, als Zeichen für vergebliches Tun, usw.

Im Vergleich zu Hausen wirken Veldekes Strophen anschauungsreicher; seine Naturbilder sind plastischer und differenzierter. Er geht humorvoll – spielerisch mit den Themen Natur und Minne um. Diese anschaulich – witzige Spruchdichtung kann man auf der Basis der volkstümlichen Spruchdichtung gründen, von der er wahrscheinlich gute Kenntnis hatte und gut für seine lächelnd- moralistische Einstellung nutzte. Sein Zentralmotiv istbliderschaft,die Freude.16

2.2.5 Sprachliche Form

Es ist davon auszugehen, dass Veldeke seine Lieder zwar in niederdeutscher Lautform vorgetragen hat, aber trotzdem Rücksicht auf die oberdeutsche und mitteldeutsche Sprache genommen hat. Bei den Überlieferungen wurden die niederdeutschen Lautformen ins Oberdeutsche umgesetzt. Dabei wenden die Handschriften mehr oder minder konsequent diese Umsetzungen an. Dies erklärt auch die Reimformen, welche ursprünglich niederdeutsche Lautformen nahe legen. Eine allgemeine Sprachform herzustellen ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich, z.B. ist Veldekes dichterische Sprache durch kein Zeugnis gesichert. Aus seiner Herkunft ist nichts abzuleiten, da im Mittelalter Herkunft und Lebensraum nicht zwingend identisch sein müssen.17

2.3 Überlieferung

Zum größten Teil ist seine Lyrik in der Großen Heidelberger Handschrift

(C) und in der Weingartner Liederhandschrift (B) überliefert.

Zur Veranschaulichung seines lyrischen Könnens dienen zwei von mir ausgewählte Strophen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

MF 66,9 ist eine Minnestrophe. Sie ist durchgereimt, so wie Veldeke es fast kontinuierlich betrieben hat. Sie hat einen stolligen Bau ab ab aba.

Vers 1 – 4 sind Vierheber x | x´x | x´x | x´x | x´Ù || x´x | x´x | x´x | x´Ù ||. Im Abgesang, ergeben sich durch Versetzung der Versgrenzen ( Vers 5,6) ein Drei – und ein Fünfheber, x | x´x | x´x | x´Ù || x´x | x´x | x´x | x´x | x´Ù ||. Der Schlussvers ist evtl. ebenfalls ein Fünfheber.

Der Sänger bittet die Minne, dass sich seine Schöne ihm mehr zuwendet. Im Abgesang verwendet er das Bild von einem Schwan, welcher anfängt zu singen, als er sterben muss. Hier also ein differenziertes Naturbild, mit dem er sich ironisch vergleicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Strophe hat ebenfalls einen stolligen Bau abab b´b´. Die Verse sind Vierheber mit abwechselnd männlicher und weiblicher Kadenz, x | x´x | x´x | x´x | x´x || x | x´x | x´x | x´x | x´|| . Der zweizeilige Abgesang ist mit grammatischem Reim an die b – Reime des Aufgesanges gebunden, tôt – tôte; nôt – nôte.

Der Sänger ermahnt die Frau ihn zu trösten, so wie sie es schon mal gemacht hat. Seine Bereitschaft, für sie zu sterben ist fast erloschen, da sie ihn nicht erhört. Im Schlussvers wird diese Situation noch ironisch unterstützt.

Literaturverzeichnis

Killy, Walther [ Hrsg.] : Literatur Lexikon, Band 4 – 5. Gütersloh :

Bertelsmann Lexikon Verlag, 1990

Ruh Kurt [Hrsg.], Stammler, Wolfgang : Die deutsche Literatur des

Mittelalters : Verfasserlexikon, Band 2 - 3, 2. Aufl.

Schweikle, Günther : Minnesang. Stuttgart : Metzler Verlag, 1989 Schweikle, Günther : Die mittelhochdeutsche Minnelyrik : Texte und

Übertragungen. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977

Weddige, Hilkert : Einführung in die germanistische Mediävistik.

München : Beck, 1997

[...]


1 vgl. Metzler 1989, S.83

2 vgl. Metzler 1987, S.84

3 vgl. Killy 1990, Bd.4, S. 23 ff

4 vgl. Ruh [Hrsg.] , Bd.2, S. 935 ff

5 vgl. Schweikle 1977, S. 471 ff

6 vgl. Schweikle 1977, S. 473

7 vgl. Ruh [Hrsg.], Bd. 2, S. 943

8 vgl. Ruh [Hrsg.], Bd.2, S. 939

9 vgl. Schweikle 1977, S. 477 ff

10 vgl. Ruh [Hrsg.], Bd. 3, S.899 ff

11 vgl. Ruh [Hrsg.], Bd. 3, S.902

12 vgl. Schweikle 1977, S. 416 ff

13 vgl. Schweikle 1977, S. 421

14 ebd. S. 421ff

15 vgl. Weddige 1997, S. 254

16 vgl. Schweikle 1977, S. 422 ff

17 vgl. Schweikle 1977, S. 427

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Rheinische Minnesang
Note
2+
Autor
Jahr
1999
Seiten
18
Katalognummer
V99732
ISBN (eBook)
9783638981699
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rheinische, Minnesang
Arbeit zitieren
Susanne Friedrich (Autor:in), 1999, Der Rheinische Minnesang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99732

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