Usprung des Kunstwerks


Hausarbeit, 1998

15 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitende Worte und Methodik Heideggers

Die Frage nach dem Werksein des Werkes

Die Frage nach der Dingheit des Dinges

Das Künstlerische, die Allegorie und die Auslegung des Zeugseins des Zeugs

Was ist im Werk am Werk?

Das Werk und die Wahrheit

Die Wahrheit und die Kunst

Was ist Kunst?

Rückkehr zum Ursprung

Gliederung von Heideggers Schrift

Einleitende Worte und Methodik Heideggers

Diese Arbeit will den Gedankengang Heideggers in seiner Frage nach dem Ursprung des Kunstwerkes nachzeichnen. Da es sich vielmehr um ein Referieren und Nachzeichnen der Gedanken und Argumen- te Heideggers handelt, werde ich zum einen nah an Heideggers Sprache verweilen, teils mit Paraphra- sierungen, um das Verständnis zu erleichtern und teils mit Hinweisen zu anderen philosophischen Wer- ken, und zum anderen von genauen Zitatenangaben Abstand nehmen, da lediglich Heideggers Gedan- ken wiedergegeben werden sollen.

Zunächst einige Worte zu Heideggers Methode. Typisch scheint, daß er zuerst in jedem Denkschritt die traditionellen Auffassungen behandelt, wie die Auslegungen des Dinges, und aufzeigt, daß diese ungenügend sind, eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Kunstwerkes und dem Wesen der Kunst zu geben.

Nachdem Heidegger auf den Zirkelschluß aufmerksam gemacht hat, daß das Werk aus der Tätigkeit des Künstlers entspringt, der Künstler aber nur das, was er ist, durch das Werk ist, zeigt er zwar auf, daß diese Denkwege “Holzwege” sind, dennoch zieht er aber aus diesem Denken seine Prämissen. Aus dem gewöhnlichen Schluß, daß der Künstler der Ursprung des Werkes sei und das Werk der Ur- sprung des Künstlers, und aus der Tatsache, daß beides durch ein drittes vermittelt werde - durch die Kunst - zieht Heidegger seinen Denkansatz, daß die Kunst der Ursprung von Werk und Künstler sei.

Die Frage nach dem Ursprung verschiebt sich demnach. Aus der Frage nach dem Ursprung des Kunstwerkes wird die Frage nach dem Wesen der Kunst.

An diese Frage schließt der zweite Zirkel an: Was Kunst sei, entnehmen wir lediglich aus dem Kunst- werk. Was aber das Werk sei, können wir nur aus dem Wesen der Kunst erfahren.

Heideggers Methode besteht darin, den Kreisgang zu vollziehen. Er will das wirkliche Werk suchen und es danach fragen, was es ist.

Zu Heideggers phänomenologischen Betrachtungsweise werde ich an gegebener Stelle einige Bemer- kungen einfügen.

Die Frage nach dem Werksein des Werkes

Heidegger unterscheidet zunächst zwei Aspekte des Werkes. Alle Werke haben zum einen etwas Dinghaftes, zum anderen noch etwas Anderes, was sich als das Künstlerische beschreiben ließe. Das erste scheint ziemlich banal, dennoch unverrückbar zu sein. Auch der ästhetische Eindruck komme am Farbigen des Gemäldes und am Lautenden des Sprachwerkes nicht herum. Das Künstlerische besagt, daß das Werk mit einem Anderen bekannt macht, daß es etwas Anderes offenbart; es ist Allegorie.

Das Dinghafte bildet den Angelpunkt für die folgenden Überlegungen Heideggers. Es wird sich aber später herausstellen, daß dieses Dinghafte das Werkhafte ist, dasjenige, was das Werk in seinem We- sen ausmacht. Heideggers These lautet nun, daß das Kunstwerk in erster Linie ein Ding sei. Das Dinghafte ist damit das Wesentlichste am Wesen des Kunstwerkes.

Um die volle Wirklichkeit des Kunstwerkes zu treffen, müssen wir demnach das Dinghafte des Wer- kes in den Blick bekommen, denn es steht die Frage, ob das Kunstwerk ein Ding ist, an dem noch et- was Anderes haftet. Erst dann ließe sich entscheiden, ob das Kunstwerk überhaupt ein Ding ist oder eben etwas Anderes und nie ein Ding.

Die Frage nach der Dingheit des Dinges

Um die Frage nach dem Dingsein zu beantworten, schlägt Heidegger drei Wege vor, die er in der Phi- losophiegeschichte sich eröffnen sah. Der erste Weg sieht das Ding als ein Seiendes. Das Kunstwerk wäre demnach ein Ding, insofern es etwas Seiendes ist.

Ein Ding ist das, worum sich die Eigenschaften oder Merkmale versammeln. Das entspricht dem Kernhaften des Dinges, das zu Grunde und immer Vorliegende (hypokeimenon). Aus dieser Benen- nung, sagt Heidegger, spreche die griechische Grunderfahrung des Seins des Seienden. In der Neuzeit kam es zu einer Veränderung dieser Grunderfahrung des Seins des Seienden. Aus dem Kernhaften, dem hypokeimenon wurde das Subiectum, das allem zu Grunde liegende Subjekt, wie er es in Die Zeit des Weltbildesausführlicher beschreibt, aus der hypostasis die substantia und aus dem symbebekos die accidens.

Das heiß t, die Neuzeit bestimmt das Ding als eine Substanz mit ihren Akzidenzien. Diese Bestimmung ist nun zum geläufigen Verhalten zu den Dingen geworden. Es besteht im Ansprechen der Dinge und im Sprechen über sie. Daher die Analogien zwischen Dingbau und Satzbau, wie man sie beispielsweise in Wittgensteins Tractatus noch ausgeprägt sieht.

Doch die Auslegung der Dingheit des Dinges, das das Ding als Träger seiner Merkmale denkt, hat das Ungewohnte, dem diese Auslegung entsprungen ist, vergessen. Die Dingheit des Dinges wurde ver- gessen und ist nunmehr zum Ungewohnten geworden. Dabei sollte es doch Gegenstand der Auslegung sein.

Diese Schwäche zeigend, geht Heidegger zur zweiten Weise der Auslegung über. Sie betrachtet das Ding alsaistheton, als etwas sinnlich Wahrgenommenes, als etwas, was in den Sinnen der Sinnlichkeit durch Empfindungen vernehmbar ist. Das Ding wird dabei als Einheit der Mannigfaltigkeit des in den Sinnen Gegebenen aufgefaßt.

Doch auch dieser Dingbegriff weist nicht zum Dinghaften, sondern stellt wie die erste Auslegung einen Überfall auf das Ding und einen übersteigerten Versuch, das Ding in seiner größtmöglichen Unmittel- barkeit zu uns zu bringen, dar. In beiden Auslegungen verschwindet das Ding. Es muß aber bei seinem Insichruhen belassen bleiben.

Deshalb schlägt Heidegger einen dritten Dingbegriff vor. Dieser betrachtet das Ding als einen geform- ten Stoff. Das Ständige des Dinges, seine Konsistenz, bestehe demnach darin, daß der Stoff mit einer Form zusammengebracht sei und mit ihr zusammenstehe. Diese Auslegung beruft sich auf den unmit- telbaren Anblick, mit dem uns das Ding mit seinem Aussehen (eidos) angeht und in unsere Sinne ein- geht.

Das bedeutet, daß das Dinghafte am Werk der Stoff ist, aus dem es besteht. Der Stoff bildet die Un- terlage und das Feld für die künstlerische Formung. Dennoch, wendet Heidegger ein, hat das Stoff- Form-Gefüge seinen Ursprung nicht im Dinghaften des Dinges, sondern im Wesen des Zeugs, denn es gründet in der Dienlichkeit.

Ich werde nun mit Heidegger den Blick auf das Zeug richten, um die Wurzel dieser Dingauslegung zu begreifen. Das Zeug ist etwas, was eigens zu seinem Gebrauch hergestellt worden ist. Es ist halb Ding und doch mehr; halb Kunstwerk, weil hergestellt und in Form gebracht, und doch weniger, weil die Selbstgenügsamkeit des Kunstwerkes fehlt.

Die Auslegung des Dinges nach Stoff und Form ist heute geläufig und selbstverständlich geworden. Diese Auslegung behandelt das bloße Ding als eine Art von Zeug, obzwar als das seines Zeugseins entledigte Zeug. Das Dingsein besteht in dem, was dann noch übrigbleibt. Damit erweist sich auch diese dritte Dingauslegung als ein Überfall auf das Ding, die darin scheitert, das Ding als das funktions- lose Anwesende zu denken.

Die drei Auslegungen begreifen das Ding als Träger von Merkmalen, als Einheit einer Empfindungs- mannigfaltigkeit, als den geformten Stoff. Diese Auslegungen haben sich in der Geschichte verkoppelt. Aus der Verkopplung erwuchs eine Denkweise, nach der wir nicht nur über das Ding, das Werk und das Zeug im besonderen, sondern auch das Seiende im allgemeinen denken. Diese geläufig gewordene Denkart greift allem unmittelbaren Erfahren des Seienden vor. Dieser Vorgriff unterbindet die Besin- nung auf das Sein des jeweiligen Seienden.

Alle drei Auslegungen sind demnach unzureichend dafür, das Dinghafte am Ding zu denken. Die herr- schenden Dingbegriffe geben vor, das Dinghafte des Dinges zu denken, blockieren jedoch den Weg zum Dinghaften des Dinges. Die dritte Auslegung, die zur herrschenden geworden ist, denkt zudem nicht einmal das Ding, sondern das Zeug und täuscht sich damit selbst.

Deshalb brauchen wir verschiedene Denkweisen, über das Ding, Zeug und Werk im besonderen zu denken. Ding, Zeug und Werk müssen in ihrem Denken getrennt werden. Es bedarf einer Besinnung auf das Sein des jeweiligen Seienden.

Das Künstlerische, die Allegorie und die Auslegung des Zeugseins des Zeugs

Die dritte Dingbestimmung, die sich am Leitfaden Stoff-Form orientiert, entstammt, wie wir gesehen haben, nicht einer Auslegung der Dingheit, sondern einer Auslegung des Zeugseins des Zeugs. Das Zeugsein des Zeugs besteht in seiner Dienlichkeit.

Die Auslegung des Zeugseins des Zeugs wird anhand der Interpretation von van Goghs Bild unter- nommen. Das Bild der Bauernschuhe vergegenständlicht nach Heidegger das Zeughafte. In seiner Auslegung macht Heidegger den Aspekt des Allegorischen des Kunstwerkes klar, welchen er dem über das Dinghafte hinausgehende Künstlerische zuschrieb.

Das Zeug, sagt Heidegger, gehört zur Erde und ist in der Welt behütet. Hier kündigt sich bereits Hei- deggers Unterscheidung der wesentlichen Züge der Werk- und Dingheit an. Aus diesem behütetem Zugehören zur Erde ersteht Zeug selbst zu seinem Insichruhen.

Der zweite Aspekt des Zeugseins des Zeugs ist die Verläßlichkeit. Die Veränderung des Zeugseins wird dabei als Hinschwinden der Verläßlichkeit und als vernutzte Gewöhnlichkeit des Zeugs gefaßt.

Wir sind zum Zeugsein des Zeugs gekommen, indem wir das Kunstwerk betrachteten. In der Nähe des Werkes sind wir je anderswo gewesen, als wir gewöhnlich zu sein pflegen. Das Werk wurde uns als Allegorie ins Bewußtsein gerückt. Das Kunstwerk gab zu wissen vor, was das Schuhzeug in Wahrheit ist. Nur in und durch das Werk kommt das Zeugsein des Zeugs eigens zum Vorschein.

Damit demonstriert und “performiert” Heidegger das, was er später definieren will.

Was ist im Werk am Werk?

Das Gemälde van Goghs ist für Heidegger die Eröffnung dessen, was das Zeug in Wahrheitist. Das Seiende, das Schuhzeug, tritt in die Unverborgenheit (aletheia) seines Seins heraus. Diese Wahrheit, die sich im Werk entbirgt, ist die Eröffnung des Seienden.

Im Werk ist, wenn hier eine Eröffnung des Seienden geschieht in das, was und wie es ist, ein Gesche- hen der Wahrheit am Werk, d.h. im Werk der Kunst hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk ge- setzt. Setzen meint hier zum Stehen bringen. Ein Seiendes (das Paar Bauernschuhe) kommt im Werk in das Licht seines Seins zum Stehen. Das Sein des Seienden kommt in das Ständige seines Scheinens.

Als Schlußfolgerung ließe sic h sagen: Das Wesen der Kunst ist das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahr- heit des Seienden. Wir gelangen damit von der Schönheit, den schönen Künsten und dem Kunstwerk, zum Problem der Wahrheit.

Diese Wahrheit, die im Werk am Werke ist, verlangt, das Wesen der Wahrheit zu überdenken und neu zu fassen: Wahrheit ist kein Abbild des Wirklichen, noch die Wiedergabe des jeweils vorhandenen ein- zelnen Seienden, sondern die Wiedergabe des allgemeinen Wesens der Dinge.

Aber auch diese Bestimmung reicht nicht zu, wie Heidegger an einem weiteren Kunstbeispiel zeigt. Das Gedicht “Der römische Brunnen” von Meyer ist weder das Abbild eines wirklich vorhandenen Brunnens, noch die Wiedergabe des allgemeinen Wesens eines römischen Brunnens, sondern die ins Werk gesetzte Wahrheit.

Aus unseren Überlegungen zeichnen sich zwei Ergebnisse ab: Zum ersten sind die Mittel, das Dingliche am Werk zu fassen unzureichend; die herrschenden Dingbegriffe, reichen nicht zu. Zum zweiten gehört der dingliche Unterbau, den wir als die nächste Wirklichkeit des Werkes annahmen, nicht in solcher Weise zum Werk.

Bleiben wir beim zweiten Leitfaden, betrachten wir das Werk als Zeug, dem wir außerdem einen O- berbau, das Künstlerische, zubilligen. Das Werk aber ist kein Zeug, das mit ästhetischem Wert ausges- tattet ist. Das Werk ist aber auch kein Zeug, das nur des eigentlichen Zeugcharakters, der Dienlichkeit und Anfertigung, entbehrt. So halb nach Ding und halb nach Zeug zu fragen, ist Fragestellung der Äs- thetik. Die Ästhetik scheitert aber, den Ursprung des Werkes und das Wesen der Kunst zu denken, weil sie das Werk nichtalsWerk denken kann.

Deshalb sind wir gezwungen, die Aufgabe neu zu stellen. Wir müssen versuchen, das Dinghafte am Werk aus dem Werkhaften zu denken.

Das Werk und die Wahrheit

Die dinghafte Wirklichkeit des Werkes führt also nicht über das Ding zum Werk, sondern über das Werk zum Ding. Dies bedeutet die Umkehrung der von Heidegger auf Seite 10 gemachten Aussage: “Allein dieses Eine am Werk, was ein Anderes offenbart, dieses Eine, was mit einem Anderen zusam- menbringt, ist das Dinghafte im Kunstwerk.”1

Heidegger ruft dazu auf, die gewöhnlichen Denkschemata umzukehren. Das heißt aber auch, daß wir unsere anfänglichen Ansätze fallen lassen oder umkehren müssen. Um diesen Weg begehen zu kön- nen, müssen wir zunächst Zugang zum Werk finden. Dazu muß das Werk aus allen Bezügen zu sol- chem, was ein anderes ist als es selbst, herausgerückt werden. An dieser Forderung wird Heideggers phänomenologische Methode sichtbar. Das Herauslösen des Werkes aus seinen Bezügen bedeutet, eine phänomenologische Reduktion vorzunehmen und das Werk nur auf sich selbst beruhen zu lassen als “reines Insichselbstbestehen”.

Durch den Bezug zur Welt, der vom Künstler bestimmt wird, wird das Insichselbstbestehen des Wer- kes verhindert. Das bedeutet für unsere Betrachtung, daß der Künstler gegenüber dem Werk etwas gleichgültiges haben muß, d.h. der Geniebegriff entfällt, und zum anderen, daß das Werk, das als Ge- genstand des Kunstbetriebes (in Ausstellungen wird es dem vereinzelten Genuß zugänglich gemacht - für Kunstkenner, Kunstrichter, Kunsthändler) fungiert, von diesem getrennt betrachtet werden muß, denn in diesem Funktionieren werden die Werke aus ihrem eigenen Wesensraum herausgerissen. Die Welt der vorhandenen Werke sei in diesen Bezügen zerfallen, was nach Heidegger Ausdruck von Weltentzug und Weltzerfall sei.

Doch in welche Welt gehört das Werk? In welchen Bezügen sollte ein Werk stehen? Das Werk gehört einzig in den Bereich, der durch ihn selbst eröffnet wird, antwortet Heidegger. Dafür stehen die bei- spielhaften Interpretationen von Kunstwerken. Im Bild van Goghs geschieht die Wahrheit, ist die Wahrheit im Werk am Werke. Durch den Tempel west der Gott im Tempel an, d.h. der Gott ist als solcher anwesend. Dieses Anwesen des Gottes ist die Ausbreitung und Ausgrenzung des heiligen Be- zirkes. Das Tempelwerk sammelt die Bezüge zum Menschenwesen, um des Menschen Geschick zu zeigen.

Widmen wir uns nun der Frage nach dem Werksein. Heidegger sucht seinen Ansatz im Griechischen physis, was das Herauskommen und Aufgehen selbst und im Ganzen bedeutet. Die physis lichtet jenes, worauf und worin der Mensch sein Wohnen gründet - die Erde. Die Erde ist das, wohin das Aufgehen alles Aufgehende zurückbirgt. Im Aufgehenden west die Erde als das Bergende.

Das Tempelwerk eröffnet eine Welt und stellt sie zurück auf die Erde, auf den heimatlichen Grund. Dieses Stellen geschieht als ein Aufstellen des Werkes, als eine Errichtung. Das Werk, schließt Hei- degger, ist in seinem Werksein aufstellend. In-sich-aufragend eröffnet das Werk eine Welt und hält diese im waltenden Verbleib.

Was aber ist eine Welt?

Die Welt ist nicht die bloße Ansammlung vorhandener oder bekannter Dinge, nicht der eingebildete, zum Vorhandenen vorgestellte Rahmen. Die Welt weltet und ist seiender als das Greifbare und Ver- nehmbare. Die Welt ist nie Gegenstand. Sie ist immer das Ungegenständliche, dem wir unterstehen. Welt weltet, wo die wesenhaften Entscheidungen unserer Geschicke fallen, formuliert Heidegger in seiner obskuren Sprache. Doch halten wir uns nicht an der Dunkelheit der Sprache auf noch fest.

Es gibt zwei Weisen, wie Welt weltet. Im Welten ist jene Geräumigkeit versammelt, aus der sich die Huld der Götter verschenkt oder versagt. Das zweite besagt das Ausbleiben Gottes, wie es sich in Hölderlins Dichtung und Nietzsches Fröhlichen Wissenschaftausspricht.

Das Werk räumt diese Geräumigkeit ein. Einräumen meint dabei, das Frei des Offenen freigeben und dieses Freie in seinem Gezüge einrichten.

Es lassen sich zwei Wesenszüge des Werkes herauskristallisieren. Erstens, das Werk stellt als Werk eine Welt auf. Das Werk hält das Offene der Welt offen (Einräumen und Einrichten). Zweitens, das Werk ist als Werk herstellend. Im Zeug geht Stoff widerstandslos im Zeugsein unter, das Werk aber läßt den Stoff nicht verschwinden, sondern erst hervorkommen und zwar im Offenen der Welt des Werkes. Die Welt ist also der Ort der Offenheit, wo der Stoff des Werkes hervorkommt.

Das verdeutlicht Heidegger wiederum an der Interpretation der Kunstwerke. Das Tempelwerk läßt den Fels zum Ruhen und Tragen kommen. In der Offenheit der Welt des Sprachwerkes kommt dage- gen der Ton zum Klingen und das Wort zum Sagen. Beides kommt hervor, indem das Werk sich zu- rückstellt in den Klang des Tones und in die Nennkraft des Wortes, also in das Erdenhafte. Indem das Werk eine Welt aufstellt, stellt es die Erde her. Das Herstellen der Welt geschieht in der Weise, daß das Werk sich in sie zurückstellt.

Die Erde wird als das Hervorkommend-Bergende beschrieben, als das zu nichts gedrängte Mühelos- Unermüdliche. Auf die Erde gründet der Mensch sein Wohnen. Offen gelichtet erscheint die Erde nur, wo sie als die wesenhaft Unerschließbare gewahrt und bewahrt wird, die vor jeder Erschließung zu- rückweicht, d.h. sich ständig verschlossen hält. Die Erde ist das wesenhaft Sich-Verschließende. Die Erde her-stellen hieße demzufolge, sie ins Offene bringen als das sich Verschließende. Diese Herstel- lung leistet das Werk, indem es sich selbst in die Erde zurückstellt.

Der Dichter gebraucht das Wort nicht wie ein gewöhnlich Redender, nämlich als Zeug und um mit Foucault zu reden: als Diskurs, denn so gehen Klang und Nennkraft im Zeugsein unter, sondern so, daß das Wort erst wahrhaft ein Wort wird und bleibt. Foucault spricht in diesem Zusammenhang von Lite- ratur, die das Sprechen in seinem Sein hervorkommen läßt.

Man könnte sagen, daß die Erde die Verbergung ist, die sic h auf die Lichtung bezieht, die Welt aber die Lichtung, die sich auf die Verbergung bezieht. Heidegger nennt die Welt im Gegensatz zur Erde die sich öffnende Offenheit der Bahnen der Entscheidungen im Geschick eines Volkes. Die Erde aber sei das zu nichts gedrängte Hervorkommen des ständig Sichverschließenden und Bergenden. Die Welt gründe sich auf die Erde und die Erde durchragt die Welt. Das Gegeneinander von Welt und Erde nennt Heidegger den Streit. Im Streit aber bleibt die Selbstbehauptung des jeweils eigenen Wesens unangetastet. Das Werk stiftet diesen Streit an, indem es Welt aufstellt und Erde herstellt. Das Werksein des Werkes besteht deshalb in der Bestreitung des Streites zwischen Welt und Erde. Und in der Bestreitung dieses Streites geschieht die Wahrheit.

Wahrheit bedeutet griechischaletheia(Unverborgenheit des Seienden). Dieser Begriff widerspricht dem der Neuzeit, der Wahrheit als die Übereinstimmung der Erkenntnis mit der Sache begreift. Dies, so Heidegger, meint aber nicht Wahrheit, sondern Richtigkeit. Wahrheit sei etwas viel Grundlegende- res. Damit ein Satz verbindlich ist, d.h. richtig ist, muß sich aber Sache selbst als solche zeigen, d.h. aus der Verborgenheit herausstehen. Der ganze Bereich, in dem das “Sichrichten nach etwas” (auch das, wonach eine Erkenntnis sich richtet) vorgeht, spielt sich im Unverborgenen ab.

Was aber ist die Unverborgenheit selbst? Heidegger hat dafür das Wort Lichtung. Inmitten des Seie n- den im Ganzen west eine offene Stelle. Sie ist seiender als das Seiende. Sie ist die lichtende Mitte selbst und umkreist wie das Nichts alles Seiende. Dank der Lichtung ist das Seiende unverborgen. Zugleich hält sich das Seiende in eine Verborgenheit zurück.

Die Lichtung wäre das, was etwas als solches hervorbringt. Zum anderen ist sie wie das Licht, das uns die Gegenstände erscheinen läßt, selbst nicht sichtbar. Die Lichtung, in die das Seiende hereinsteht, ist dieVerbergung. Das Seiende steht in das Gelichtete der Lichtung herein (Verbergung) und heraus (Unverborgenheit). Die Verbergung waltet inmitten des Seienden auf zweifache Weise. Zum einen als Versagen, d.h. nicht als Grenze der Erkenntnis, sondern als Anfang der Lichtung des Gelichteten, zum anderen als Verstellen, d.h. innerhalb des Gelichteten. Ein Seiendes schiebt sich vor das andere Seie n- de und verschleiert, verdunkelt es. Das Seiende erscheint zwar, aber gibt sich anders, als es ist. Die Lichtung geschieht nur als dieses zweifache Verbergen.

Die Unverborgenheit ist ein Geschehnis, ein Ereignis. Sie ist weder eine Eigenschaft der Sachen im Sinne des Seienden noch solche der Sätze. Zum Wesen der Wahrheit als der Unverborgenheit gehört das Verweigern in der Weise des zweifachen Verbergens.

Daraus zieht Heidegger folgenden Schluß: Die Wahrheit ist in ihrem Wesen Un-Wahrheit, d.h. die Wahrheit west als Wahrheit, sofern das verbergende Verweigern als Versagen erst aller Lic h- tung die ständige Herkunft, als Verstellen jedoch aller Lichtung die Schärfe der Beirrung zumißt. Die Wahrheit ist Unwahrheit, insofern ihr der Herkunftsbereich des Noch-nicht (des Un-) Entborgenen im Sinne der Verbergung gehört. Es handelt sich demnach um einen Wahrheitsbegriff mit einer innewoh- nenden Dialektik; sie trägt ihren Entzug in sich. Zum anderen bestimmt sich die Wahrheit aus sich selbst heraus. Sie richtet sich den Schauplatz ihres Streites selbst ein.

Das Gegeneinander von Lichtung und zwiefacher Verbergung ist der Urstreit. Die Wahrheit ist der Urstreit, indem je in einer Weise das Offene, also die Lichtung, erstritten wird, in das alles hereinsteht und aus dem sich alles zurückhält, was als Seiendes sich zeigt und entzieht. Dabei darf jedoch keine einfache Entsprechung von Welt und Lichtung einerseits und Erde und Verborgenheit andererseits angenommen werden. Die Erde ist nicht einfach das Verschlossene, sondern das, was als Sic h- verschließendes aufgeht.

Im Werk (Tempel, van Goghs Bild, Meyers Gedicht) ist also die Wahrheit am Werk, geschieht die Wahrheit und gelangt das Seiende als Ganzes in die Unverborgenheit. Das sich verbergende Sein wird somit in der Ins-Werk-Setzung der Wahrheit im Werk gelichtet. Das so geartete Licht fügt sein Schei- nen ins Werk. Das ins Werk gefügte Scheinen ist das Schöne. Schönheit ist die Weise, wie Wahrheit als Unverborgenheit west. Diese Schönheit ist die einzige ästhetische Perspektive, die Heidegger dem Werk zuweist. Darin haben verschiedene Kritiker einen Mangel seiner Schrift gesehen (beispielsweise W. Franzen).

Die Wahrheit und die Kunst

In diesem Kapitel wird es uns um die folgenden Fragen gehen: Wie ist Schaffen als Gegensatz zum Verfertigen oder Anfertigen zu bestimmen? Welches ist das Wesen des Werkes, insofern das Ge- schaffensein zu ihm gehört? Was ist das Wesen der Wahrheit als Zug des Werkes? Was ist die Kunst; inwiefern gibt es Kunst?

Wir gehen zurück zur Ausgangsthese: Ursprung des Kunstwerkes und des Künstlers ist die Kunst. Das Werkhafte des Werkes besteht in seinem Geschaffensein durch den Künstler.

Das Wesen des Schaffens ist das Hervorbringen. Das Hervorbringen als Schaffen wird nun im Gegen- satz zum Handwerk, zum Hervorbringen in der Weise des Anfertigen, gesehen. Das Hervorbringen der Offenheit des Seienden, also der Wahrheit, ist die Weise des Hervorbringens als Schaffen. Dagegen ist das Anfertigen nie unmittelbar die Einwirkung des Geschehens der Wahrheit. Vielmehr heißt das Fertigseins des Zeugs, in der Dienlichkeit aufzugehen. Beide Weisen geschehen im Hervorbringen, für beide nutzen die Griechen das Wort techné. Techné bezeichnet eine Weise des Wissens, das Wissen wiederum bezeichnet ein Vernehmen des Anwesen- den als eines solchen und ist damit eine Tätigkeit des Machens, denn es bringt das Seiende aus seiner Verborgenheit in Unverborgenheit seines Aussehens hervor.

Das Werkwerden des Werkes ist eines Weise des Werdens und Geschehens der Wahrheit.

Ich werde nun mit Heidegger summarisch die verschiedenen Weisen des Einrichtens der Wahrheit unterscheiden:

1. Weise, wie sich die Wahrheit in dem durch sie eröffneten Seienden einrichtet, ist das Sich-ins- Werk-Setzen der Wahrheit (Kunstwerk).
2. Weise, wie Wahrheit west, ist die staatsgründende Tat (Politik; entspricht Foucaults Idee der Dis- kursbegründung, die er in seinem Essay Was ist ein Autor2 ausführt).
3. Weise ist Nähe dessen, was schlechthin nicht ein Seiendes ist, sondern das Seiendste des Seienden. (Dies ist vielleicht schon eine Anspielung Heideggers auf die Dichtung.)
4. Weise ist das wesentliche Opfer. (Hier finden sich der Tod, die Erotik, das Heilige und Batailles Idee der Verschwendung wieder3.)
5. Weise ist das Fragen des Denkers, der als Denken des Seins dieses in seiner Fragwürdigkeit nennt. (Das ist die Philosophie als Denken des Seins, die Heideggers Fundamentalontologie entspricht, ebenso der Archäologie Foucaults.4)

Dagegen ist die Wissenschaft kein ursprüngliches Geschehen der Wahrheit, sondern lediglich der Aus- bau eines schon offenen Wahrheitsbereiches durch Auffassen und Begründen dessen, was in seinem Umkreis sich an möglichem und notwendigem Richtigen zeigt. Die Philosophie wäre in diesem Sinne der Versuch, über das Richtige hinaus zu einer Wahrheit, d.h. zur wesentlichen Enthüllung des Seie n- den als solchem, zu kommen. Zu der Frage, wie eine solche Philosophie aussehen müßte, könnte man nur diese Antwort finden: Heidegger praktiziert sie.

Kehren wir aber zurück zur ersten Weise. Die Einrichtung der Wahrheit im Werk ist das Hervorbrin- gen eines solchen Seienden, was vorher noch nie war und nachmals nie mehr sein wird. Die Hervor- bringung bringt die Offenheit des Seienden, die Wahrheit, hervor. Dieses so Hervorgebrachte ist ein Werk; solches Hervorbringen ist ein Schaffen.

Es gilt nun, das Wesen des Schaffens aus seinem Bezug zum Wesen der Wahrheit zu bestimmen. Ausgangspunkt dazu ist die bereits gemachte Aussage, daß die Wahrheit sich ins Werk richtet und als Streit zwischen Lichtung und Verbergung west. Das Geschaffensein des Werkes ist im Gegensatz zur Anfertigung des Zeugs die Erwirkung des Geschehens der Wahrheit. Die Wahrheit richtet sich ins Werk.

Heidegger erklärt nun mit bedachter Wortverwendung und mit Wortspiel den Zusammenhang des Streites und der Gestalt des Werkes. Der Streit ist kein Riß als das Aufreißen einer bloßen Kluft, son- dern da der Streit die Innigkeit des Sichzugehörens der Steitenden voraussetzt, ist er Grundriß, da die- ser Riß die Gegenspieler in die Herkunft ihrer Einheit aus dem einigen Grunde zusammenreißt. Und er ist Auf-riß, der die Grundzüge des Aufgehens der Lichtung des Seienden zeichnet. Der in den Riß ge- brachte und festgestellte Streit ist die Gestalt.

Geschaffensein des Werkes heißt: Festgestelltsein der Wahrheit in die Gestalt. Sie ist das Gefüge, als welches der Riß sich fügt.

Der zweite Punkt besagt, daß durch das Geschaffene nicht die Leistung eines Könners bezeugt und dadurch der Leistende in öffentliches Ansehen gehoben werden soll, sondern das einfache Geschaf- fensein soll im Werk ins Offene gehalten werden: die Tatsache,daßdie Unverborgenheit des Seienden hier geschehen ist und als dieses Geschehen erst geschieht, daß ein solc hes Werkistund nicht vie l- mehr nicht ist. Das ist übrigens der Ansatz Lyotards zu seiner Theorie der Avantgarde5.

Dieses “daß” des Geschaffenseins tritt im Zeug nicht heraus; es verschwindet in der Dienlichkeit. Die- ses “daß” ist das Ereignishafte, daß das Werk als dieses Werk ist. Man könnte Heideggers Ästhetik durchaus eine Ereignisästhetik nennen.

Im folgenden stellt Heidegger das Problem der rechten Bewahrung des Werkes. Bewahrung des Wer- kes heißt, das Werk ein Werk sein lassen. Alle Bezüge zum Menschen seien zu lösen. Bewahrung des Werkes heißt außerdem: Innestehen in der im Werk geschehenen Offenheit des Seienden. Die Instän- digkeit der Bewahrung ist ein Wissen. Wissen ist das ekstatische Sicheinlassen des existierenden Menschen in die Unverborgenheit des Seins. Es heißt, zu wissen, was man inmitten des Seienden will. Wis- sen ist deshalb auch ein Wollen. Zum Wollen aber gehört die Entschlossenheit als die Eröffnung des Daseins aus der Befangenheit im Seienden zur Offenheit des Seins. Das Wollen ist also die nüchterne Entschlossenheit des existierenden Übersichhinausgehens, das sich der Offenheit des Seienden als der ins Werk gesetzten aussetzt.

Das Dinghafte am Werk ist - vom Werk her erfahren - das Erdhafte des Werkes. Die Erde ragt ins Werk, weil im Werk die Wahrheit am Werke ist. An der Erde als das wesenhaft sich Verschließende findet die Offenheit des Offenen höchsten Widerstand und zugleich die Stätte eines ständigen Standes, darein die Gestalt festgestellt werden muß.

Als Ergebnisse läßt sich folgendes formulieren: Aus dem Dinghaften läßt sich nicht das Werkhafte bestimmen, nur das Dinghafte am Werk, d.h. aus dem Wissen vom Werkhaften des Werkes kann die Frage nach dem Dinghaften des Dinges auf den rechten Weg gebracht werden. Da die geläufigen Denkweisen das Dinghafte des Dinges überfallen, mußten wir einen neuen Ansatz wählen, dessen Ausgangspunkt die Zugehörigkeit des Dinges zur Erde bildet. Wir denken also das Dinghafte aus dem Werksein heraus und aus dem Ins-Werk-Setzen der Wahrheit.

Das Wesen der Erde ist das zu nichts gedrängte Tragende-Sichverschließende. Es enthüllt sich nur im Hineinragen in Welt und in Gegenwendigkeit beider, im Streit.

Wir erfahren das Zeughafte des Zeugs und das Dinghafte des Dings erst im Werk, denn nur im Werksein des Werkes ist das Geschehnis der Wahrheit, die Eröffnung des Seienden am Werk.

Was ist Kunst?

Kunst ist das Ins -Werk-Setzen der Wahrheit.

Um diesen Satz zu verstehen, müssen wir folgende zwei explifizierende Denkschritte unternehmen. Die Kunst ist das Feststellen der sich einrichtenden Wahrheit in die Gestalt im Schaffen als dem Hervor- bringen der Unverborgenheit des Seienden. Als zweites bedeutet das Ins-Werk-Setzen auch ein in Gang- und ins Geschehen-bringen des Werkseins, was als Bewahrung geschieht.

Die Kunst ist damit die schaffende Bewahrung der Wahrheit im Werk. Kunst ist ein Werden und Ge- schehen der Wahrheit.

Alle Kunst ist als Geschehenlassen der Ankunft der Wahrheit des Seienden im Wesen Dichtung.Dichtung meint, daß inmitten des Seienden die Wahrheit eine offene Stelle aufschlägt, in deren Offen- heit alles anders ist wie sonst. Die Dichtung faltet als lichtender Entwurf an Unverborgenheit das Of- fene, das sie geschehen läßt, auseinander und wirft es in den Riß der Gestalt voraus. Das Offene wird durch die Dichtung erst inmitten des Seienden zum Leuchten und Klingen gebracht.

Dichten (im weiten Sinne) heißt das lichtende Entwerfen der Wahrheit. Der Weisen des lichtenden Entwerfens der Wahrheit gibt es verschiedene (Poesie, Bau-, Bild-, Tonkunst). Aber das Sprachwerk (Dichtung im engeren Sinne) hat eine ausgezeichnete Stellung im Ganzen der Künste. Wird Sprache landläufig als eine Art von Mitteilung behandelt, muß dennoch beachtet werden, daß erst die Sprache das Seiende als ein Seiendes allererst ins Offene bringt. Wo keine Sprache west, da ist auch keine Offenheit des Seienden. Indem Sprache erstmals das Seiende nennt, bringt solches Nennen das Seie n- de erst zum Wort und Erscheinen.

Sprache ist das Geschehnis des Sagens, das als Entwerfen des Lichtens bezeichnet werden kann. Das entwerfende Sagen ist jenes, das in der Bereitung des Sagbaren zugleich das Unsagbare als ein solches zur Welt bringt.

Heidegger legt also bei seiner Wahrheitsauffassung besonderen Wert auf das In-Erscheinung-Bringen. Lichtung und Dichtung, Sichtbarkeit und Aussagbarkeit, haben dabei Priorität. Jedes Werk gibt zu se- hen - bringt etwas in die Offenheit der Lichtung - und sagt etwas aus.

Wenn Sprache und das entwerfende Sagen Dichtung ist, ist die Kunst als das Ins-Werk-Setzen der Wahrheit auch dem Wesen nach Dichtung. Das Wesen der Kunst ist also die Dichtung.

Das Wesen der Dichtung aber ist die Stiftung der Wahrheit; und zwar Stiften in dreierlei Weise, als Schenken(Neues aus einem schon Bekannten gewähren), Gründen (den Grund hervorheben), Anfan- gen (als Sprung, durch den die Geschichte einen (An)Stoß erhält).

RÜCKKEHR ZUM URSPUNG:

Die Kunst als Dichtung ist immer die Anstiftung des Streits der Wahrheit, ist Stiftung als Anfang. Die- ses Anstiften sieht Heidegger im Aufwecken von neuen, wesentlichen Welten, die Foucault in seiner ArchäologieEpistemenennt. Die Griechen begriffen die Kunst als Stiftung und Gründung in die Offen- heit; das Sein aber als die Ins-Werk-Setzung der aletheia. Das Mittelalter sah das eröffnete Seiende im Ganzen als das von Gott Geschaffene. Und die Neuzeit faßt das Seiende als einen rechnerisch be- herrschbaren und durchschaubarern Gegenstand, welcher dem Subjekt entgegengestellt ist. Jedesmal mußte die Offenheit des Seiendes durch die Feststellung der Wahrheit in die Gestalt, in das Seiende selbst eingerichtet werden.

Kunst ist geschichtlich und als geschichtliche die schaffende Bewahrung der Wahrheit im Werk. Kunst geschieht als Dichtung und Kunst gründet Geschichte. Kunst läßt Wahrheit entspringen in dem Sinne, daß sie als stiftende Bewahrung die Wahrheit des Seienden im Werk “erspringt”. Der Ursprung bedeu- tet sodann, etwas im stiftenden Sprung aus der Wesensherkunst ins Sein bringen. Und so ist die Kunst der Ursprung des Kunstwerkes.

Damit die Kunst Ursprung sein kann und nicht nur Nachtrag bleibt, vergilbte Tradition, die mitgeführt wird, ist ein besinnliches Wissen notwendig. Wir müssen in unserem Dasein geschichtlich am Ursprung sein. Wir müssen das Wesen des Ursprungs wissen und achten. Nur so können wir ein eigentliches Verhältnis zur Kunst haben, eines, was dem Wesen der Kunst entspricht und die Kunst Kunst sein läßt, und nicht eines, das sich lediglich auf gebildete Kenntnisse des Vergangenen stützt.

Gliederung von Heideggers Schrift

Ausgangspunkt: Ursprung / des Kunstwerkes / ist die Kunst.

Dreiteilung bzw. Vierteilung:

1. Ursprung

2. Kunstwerk

3. Kunst

4. und zurück zum Ursprung

Argumentationsschritte:

- Ausgang: Ursprung
- Frage nach dem Werksein des Werkes
- Problemkreise: das Dinghafte

das Künstlerische

- Frage nach der Dingheit im Ding
- Die drei Dingauslegungen als Überfälle auf das Ding
- das Zeug
- Was ist im Werk am Werk? Das Geschehen der Wahrheit
- Neue Frage nach dem Dinghaften am Werk Werksein (Aufstellen und Herstellen)

Erde und Welt

Lichtung und Verbergung Schaffen und Anfertigen

Wesen der Wahrheit als Zug des Werkes Weisen des Einrichtens der Wahrheit

Die rechte Bewahrung des Werkes Das Dinghafte am Werk

- Was ist Kunst?

Dichtung als Kunst

- Rückkehr zum Ursprung

Verhalten zur Kunst, damit Kunst Ursprung sein kann

[...]


1 Martin Heidegger: Der Ursprung des Kunstwerkes. Stuttgart 1960.

2 Michel Foucault: Schriften zur Literatur. Frankfurt 1988.

3 Georges Bataille: Die Aufhebung der Ökonomie. München 1986; ders, Die Erotik. München 1992.

4 Michel Foucault: Die Archäologie des Wissens. Frankfurt 1976.

5 Jean-Francois Lyotard: Beantwortung der Frage: Was ist postmodern?; in: Postmoderne und Dekonstruktion. Texte französischer Philosophen der Gegenwart, Hg. von Peter Engelmann. Stuttgart1990.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Usprung des Kunstwerks
Note
1
Autor
Jahr
1998
Seiten
15
Katalognummer
V99735
ISBN (eBook)
9783638981729
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Usprung, Kunstwerks
Arbeit zitieren
Volker Sanuel (Autor:in), 1998, Usprung des Kunstwerks, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99735

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Titel: Usprung des Kunstwerks



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