Stationärer Modeeinzelhandel in Deutschland. Chancen und Herausforderungen im Rahmen der digitalen Transformation


Bachelorarbeit, 2021

62 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Methodik
1.4 Aufbau der Arbeit

2. Begriffserklärung und Abgrenzungen
2.1 Handel
2.2 Stationärer Einzelhandel:
2.3 E-Commerce
2.4 Omnichannel
2.5 Digitale Transformation

3. Situationsanalyse des stationären Bekleidungseinzelhandels
3.1 Wettbewerbssituation – Substitutbedrohung durch den Onlinehandel
3.2 Vorteilsstrategien des stationären Einzelhandels
3.3 Konsequenzen für den Einzelhandel

4. Der Kunde 4.0
4.1 Kaufentscheidungsprozess nach Kotler
4.2 Konsumentenverhalten
4.3 Auswirkungen auf den stationären Einzelhandel

5. Technologische Tools am POS
5.1 Smarte Umkleide
5.2 Smart Mirror
5.3 Selbstbedienungskasse
5.4 Nutzwertanalyse
5.4.1 Ableitung der Bewertungen und Begründung der Punktevergabe
5.4.2 Erfolgsfaktoren für eine Implementierung

6. Fazit
6.1 Handlungsempfehlung
6.1.1 Einkaufserlebnis
6.1.2 Wettbewerb
6.1.3 Technologien
6.2 Ausblick

Abstract

Die Digitalisierung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und hält massive Veränderungen für die Wirtschaft und Unternehmen bereit.

Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung für den stationären Modeeinzelhandel. Es sollen Lösungsansätze erforscht werden, die dem stationären Einzelhandel helfen, weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.

Zunächst wird geklärt, vor welche Herausforderungen die Digitalisierung den stationären Modehandel stellt und welchen Einfluss sie auf das Kundenverhalten genommen hat. Dementsprechend wird herausgearbeitet, welche Maßnahmen ein Einzelhandelsunternehmen in der Modebranche ergreifen muss, um den Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich zu begegnen. Darauf basierend gibt die Verfasserin Handlungsvorschläge für den erfolgreichen Einsatz von neuen Techniken am Point of Sales, welche im Vorfeld mithilfe einer Nutzwertanalyse bewertet wurden.

Diese Bachelorarbeit ist vor allem für stationäre Modeeinzelhändler relevant. Überdies gilt die Arbeit als Grundlage für die Folgeforschung.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Umsatz im Online-Einzelhandel im Vergleich zum Handel insgesamt nach Warengruppe 2017 (Statistisches Bundesamt, 2020)

Abbildung 2: Kaufentscheidungsprozess nach Kotler [in Anlehnung an: Kotler et al. (2010, S. 335)]

Abbildung 3: Verfahrensschritte der Nutzwertanalyse [in Anlehnung an Kühnapfel (2014, S. 1-2)]

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten

Tabelle 2: Erläuterung der Kriterien

Tabelle 3: Nutzwertanalyse

Abkürzungsverzeichnis

KI Künstliche Intelligenz

POS Point of Sales

RFID Radio Frequency Identification

NFC Near Field Communication

IIoT Industrial Internet of Things

SB Selbstbedienung

1. Einleitung

Stellen Sie sich vor, Sie kommen nach einem langen Arbeitstag nach Hause. Es ist Donnerstag und Ihnen fällt auf, dass Sie für das Wochenende noch einen passenden Smoking für eine Hochzeit benötigen. Da der Freitag im Büro deutlich länger ausfallen wird, entschließen Sie sich noch heute einen Smoking im nahegelegenen Einkaufszentrum zu besorgen. Da die Verkehrsdichte sehr hoch ist, fahren Sie trotz einer relativ kurzen Luftlinie von acht Kilometern, mehr als 30 Minuten. Als Sie beim Einkaufszentrum ankommen ist es halb sieben und Sie benötigen knapp zehn Minuten, um einen Parkplatz zu finden.

Sie verlassen gereizt ihren PKW und gehen in einen der Läden, der Smokings und Abendgarderobe führt. Die Auswahl der für Sie in Frage kommenden Smokings, begrenzt sich auf rund zwölf verschiedene Modelle. Leider fallen bereits 30% wegen Ihres begrenzten Budgets heraus und weitere 30%, weil das Design nicht ihrem Geschmack entsprechen. Weit und breit sehen Sie keinen Verkäufer, der Ihnen bei der Beratung helfen könnte. Letztendlich sehen Sie einen Smoking, der Ihnen ansatzweise gefällt und gut sitzt. Leider ist der Smoking rot und entspricht nicht der Farbe, die Sie gesucht haben.

Um acht Uhr schließen die Ladengeschäfte und es ist bereits halb acht. Sie benötigen nun dringend eine Verkäuferin zur Beratung, die Ihnen das Modell in der gewünschten Farbe bringt. Das Motto der Hochzeit lautet „Kürbiswahnsinn“, in der Einladung wurde darauf hingewiesen die Bekleidung entsprechend anzupassen. Sie benötigen somit einen Smoking in der Farbe Orange. In Ihnen steigt eine immer stärker werdende Gereiztheit auf.

Endlich treffen Sie auf einen freien Mitarbeiter, der sich ins Lager begibt und mit nicht unglücklichen Neuigkeiten zurückkommt: Der Smoking ist in der Farbe Orange nicht auf Lager. Weiterhin würde eine Nachbestellung eine Woche Zeit in Anspruch nehmen.

Unglücklich und ohne etwas zu kaufen, verlassen Sie den Laden und überlegen sich zuhause verzweifelt welche Möglichkeiten sich Ihnen nun bieten könnten.

Sie entscheiden, online zu recherchieren und filtern nach ihren Parametern. Tatsächlich finden Sie einen entsprechenden Smoking in der Farbe Orange. Dank der Express-Bestellungsfunktion wird dieser morgen Mittag bei Ihnen im Büro ankommen. Sicherheitshalber bestellen Sie drei verschiedene Größen, da der Rückversandt kostenfrei ist. Zusätzlich empfiehlt Ihnen der virtuelle Verkaufsassistent ein grünes Kummerbund Set, welches in der Garderobe eines modebewussten Smoking-Trägers nicht fehlen darf. Auch die Rezessionen fallen mit einer durchschnittlichen Bewertung von 4,8 Sternen, bei möglichen fünf, sehr gut aus.

Sie kaufen das Kummerbund Set dazu und freuen sich über die gewonnene Erkenntnis, auf welche Details ein modebewusster Mann beim Tragen eines Smokings achten sollte.

Die schnelle Kaufabwicklung, das breite Sortiment, die positiven Kundenrezessionen, der schnelle Versandt und das gute Preis-/ Leistungsverhältnis lässt in Ihnen ein gutes und positives Gefühl aufkommen, besonders nach dem unangenehmen Einkaufserlebnis im Einkaufscenter. Lange Warteschlangen vor der Umkleide, unfreundliche Verkäufer, Wartezeit im Straßenverkehr, die Parkplatzsuche und das begrenzte Sortiment hat in Ihnen das Gefühl von Unmut und Stress ausgelöst.

Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Chancen des stationären Einzelhandels. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, welche Möglichkeiten sich dem stationäre Bekleidungseinzelhandel bieten, um auch in Zukunft das wichtigste Vertriebselement zu bleiben. Welche Chancen hat der Einzelhändler, den Online-Handel nicht als Wettbewerber, sondern als Option zur Erweiterung der eigenen Reichweite anzusehen? Im Rahmen der digitalen Transformation entstehen neue, digitale Anwendungen, welche den stationären Einzelhandel dabei unterstützen können, Kunden ein angenehmes Einkaufserlebnis zu bieten. Eine komplette Abwanderung der Kunden in den E-Commerce soll so vermieden werden.

1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas

Die Digitalisierung ist in vielen Bereichen und Branchen allgegenwärtig und zählt zu den größten unternehmerischen Herausforderungen der heutigen Zeit. Geschäftsprozesse und gewohnte Vertriebskanäle müssen verändert und angepasst werden.1

Einige Branchen bewältigen die veränderten Herausforderungen besser als andere.2

Ein sichtbares Ergebnis der digitalen Transformation ist die wachsende Bedeutung des E-Commerce. Der Onlinehandel gewinnt fortlaufend an Bedeutung, wie die kontinuierlich wachsenden Umsatzeinnahmen der Onlinehändler deutlich zeigen.3

Während der Umsatz des E-Commerce 2009 noch bei 15,6 Milliarden Euro lag, stieg er bis 2019 auf 59,2 Milliarden Euro an. Im Vergleich zu 2018 ist der B2C-E-Commerce Umsatz im Jahr 2019 um 11 Prozent auf 59,2 Milliarden Euro gestiegen.4

Parallel hierzu wuchsen auch die Umsatzzahlen des Online-Bekleidungshandels, welcher zum größten Umsatztreiber der Branche zählt.

Im Vergleich dazu stagnieren die Umsatzzahlen im stationären Einzel- und Modeeinzelhandel seit Jahren.5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Umsatz im Online-Einzelhandel im Vergleich zum Handel insgesamt nach Warengruppe 2017 (Statistisches Bundesamt, 2020)

Gegenwärtig lassen sich unterschiedliche Gründe hierfür identifizieren. Das Internet und mobile Endgeräte ermöglichen neue Wege der orts- und zeitunabhängigen Informationsbeschaffung. Hierdurch wird zum einen das Einkaufen erleichtert, zum anderen führt diese Entwicklung zu Machtverlust der Händler, da Kunden über diverse Portale Preise vergleichen können. 6 Die Kunden werden anspruchsvoller, die Customer Journey beginnt bereits im Internet. Stationäre Händler sind mehr denn je gezwungen, Mehrwerte zu schaffen, um sich vom Onlinehandel abzuheben. 7

Auch der Lockdown, aufgrund von COVID 19 führte zu dramatischen Umsatzeinbußen und sinkender Kundenfrequenz im stationären Handel. Im Vergleich zum Frühjahr 2019 wurde im Frühjahr 2020 pro Online-Kauf 20 Prozent mehr gezahlt, während die durchschnittlichen Ausgaben im Ladengeschäft um zehn Prozent gesunken sind.8

Von dieser Entwicklung sind besonders stationäre Handelsgeschäfte, welche keine digitalen Absatzkanäle nutzen, betroffen und stehen so vor wachsenden Herausforderungen.9

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der stationäre Handel immer häufiger mit rückläufigen Kundenfrequenzen und stagnierenden Umsätzen zu kämpfen hat, während der Online-Handel weiter an Bedeutung gewinnt und sich zum Wachstumstreiber für die gesamte Einzelhandelsbranche entwickelt.10

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Chancen des stationären Modeeinzelhandels, bedingt durch das Voranschreiten der Digitalisierung. Das Potential, welches sich durch den Einsatz von digitalen Technologien im stationären Modeeinzelhandel ergeben kann, soll im Weiteren untersucht werden.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Nach geschilderter Relevanz des Themas, ist ein erheblicher Forschungsbedarf in der Analyse der Anforderungen an den stationären Bekleidungseinzelhandel erkennbar. Aus diesem Grund ist es notwendig, ein konkretes Verständnis für die Branche und seine Kunden zu entwickeln. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit der Frage, welche Anforderungen sich anhand der weitreichenden Veränderungen im Kontext der digitalen Transformation an die stationären Einzelhändler ergeben. Ziel der Bachelorarbeit ist somit, sinnvolle Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien mithilfe der Literaturrecherche zu erkennen und zu analysieren und herauszuarbeiten wie sich hierdurch die Stellung gegenüber reinem Onlineverkauf stärken lässt. Die Forschungsarbeit behandelt somit folgende Forschungsfrage:

„Inwieweit kann der traditionelle Bekleidungseinzelhandel seine Wettbewerbsposition, durch den Einsatz von ausgeklügelten Storekonzepten und der Integration von digitalen Technologen, gegenüber den Onlinehändlern stärken?“

1.3 Methodik

Die vorliegende Arbeit macht sich einer qualitativen, induktiven Forschungsmethode, zur Beantwortung der Forschungsfrage zu nutze. Mithilfe der Literaturrecherche werden notwendige Daten erhoben. Im ersten Teil der Arbeit soll eine kurze Einführung in den deutschen Bekleidungseinzelhandle erfolgen, um einen Grundrahmen zu schaffen.

Die vorliegende Arbeit soll weiterhing aufzeigen, worin die Potenziale des Einsatzes durch Integration digitaler Technologien im stationären Modeeinzelhandels konkret liegen.

Um einen Überblick über das sich verändernde Konsumentenverhalten und den Einkaufsprozess zu gewinnen, wird auf vorhandene Literatur und Befragungen zurückgegriffen.

Im fünften Abschnitt werden technologische Anwendungen für den Einsatz am Point of Sales vorgestellt. Aus einer Vielzahl dieser Anwendungen werden drei ausgewählt, auf die detaillierter eingegangen wird. Anhand einer Nutzwertanalyse, auch Scoring-Modell genannt, werden die digitalen Anwendungen für den Einsatz im Ladengeschäft bewertet, um so eine Transparenz herzustellen.

Diese Analyse dient dem Ziel, Handlungsempfehlungen für den stationären Einzelhandel zur dauerhaften Sicherung des wirtschaftlichen Erfolges herauszuarbeiten.

Es ist im Folgenden zu beachten, dass die Begriffe Modemarkt und Modeeinzelhandel synonym zu den Begriffen Fashion-Markt und Fashion-Einzelhandel verwendet werden. Die Begriffe Kunde und Konsument werden als sinngleich angesehen.

In der vorliegenden Thesis ist die weibliche Form der männlichen Form gleichgestellt, lediglich zur Vereinfachung und besseren Lesbarkeit wurde die männliche Form gewählt. Dies soll keinesfalls eine Geschlechterdiskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darstellen.

1.4 Aufbau der Arbeit

Zur Beantwortung der obigen Forschungsfragen gliedert sich die vorliegende Thesis in aufeinander aufbauende Bestandteile.

Zu Beginn der Arbeit erfolgt eine nähere Beschreibung und Abgrenzung der wesentlichen Begriffe. Zunächst soll mithilfe einer terminologischen Klärung, ein allgemeines Verständnis der Begrifflichkeit “stationärer Einzelhandel”, und der Vertriebs- und Distributionskanäle, “E-Commerce” und “Omnichannel” sichergestellt werden. Hier werden besonders der stationäre Einzelhandel und der Online-Einzelhandel definiert und voneinander abgegrenzt. Diese schaffen die Rahmenbedingungen für den weiteren Vorgang dieser Arbeit.

Um entlang der Fragestellung, die Zukunft des stationären Modeeinzelhandels in Deutschland beleuchten zu können, werden im zweiten Schritt die aktuellen Strukturen des Bekleidungsmarktes detailliert untersucht und näher betrachtet. In diesem Zusammenhang soll untersucht werden, ob durch eine Verbindung von On- und Offline die Wettbewerbsposition des traditionellen Handels gestärkt und somit der Substitutionsgefahr durch reinen E-Commerce entgegengewirkt werden kann. In Zuge dessen wird auch die aktuelle Wettbewerbssituation, verursacht durch die Substitutbedrohung durch den E-Commerce, veranschaulicht.

In Kapitel vier wird der Kaufentscheidungsprozess und der Kunden 4.0 skizziert und daraus Folgen und Herausforderungen, den stationären Bekleidungseinzelhändel betreffend, abgeleitet. Zusätzlich werden die verschiedenen Szenarien zu einem fassbaren Zukunftsbild der zu erwartenden Handelsstrukturen zusammengeführt.

Im anschließenden Kapitel werden Trends aus Technologie näher betrachtet und es wird ein Überblick über aktuelle Entwicklungen im Zuge der digitalen Transformation geschaffen. Darauf basierend werden stellvertretend für die Vielzahl der digitalen Technologien für den Einsatz im Store, drei Technologien näher vorgestellt und mit Hilfe einer Nutzwertanalyse bewertet. Im Fokus steht die Verbindung der analogen und digitalen Einkaufserlebnisse.

Mit einer Schlussbetrachtung der erzielten Ergebnisse schließt die vorliegende wissenschaftliche Ausarbeitung ab. Der Schlussgedanke dient zur Abrundung der Bachelorarbeit und klärt über verändertes Kundenverhalten und Erfolgsfaktoren von In-Store Technologien am Point of Sales auf.

2. Begriffserklärung und Abgrenzungen

Um ein wissenschaftliches und einheitliches Verständnis für die Erkenntnisse dieser Arbeit sicherzustellen, ist die Klärung der grundlegenden Begrifflichkeiten von Bedeutung. Im Folgenden wird zunächst eine Abgrenzung vorgenommen. Der Begriff Handel wird definiert und in die Betriebstypen stationärer Einzelhandel und E-Commerce unterteilt. In Rahmen dessen, wird eine Übersicht über die Begriffe Omnichannel-Handel und digitale Transformation gegeben.

2.1 Handel

Unter Handel kann eine Unternehmung verstanden werden, deren Zentrale Aufgabe darin besteht, dem Endverbraucher Produkte der Hersteller verfügbar zu machen. Demnach beschreibt Handel den Austausch von Gütern. In organisierten Wirtschaftssystemen wird mit „Handel“ meist der Tausch von Gütern gegen Geld bezeichnet. Der Begriff Endverbraucher wird im Folgenden für private Konsumenten oder Haushalte verwendet.

Er kann in funktionellen und institutionellen Handel unterschieden werden. Händler im funktionellen Sinne, zeichnen sich dadurch aus, dass sie Eigentum an der Ware erwerben und diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung anbieten. Sie können mit dem Begriff Distribution gleichgesetzt werden. Der institutionelle Handel wird häufig in Groß- und Einzelhandel unterschieden. Das Interesse des institutionellen Handels gilt vor allem dem Absatz (Verkauf) und nicht der Produktion.11

Unterteilen lässt sich der Bekleidungseinzelhandel in Vertriebsschienen und Betriebsformen. Bei der generellen Unterteilung in Vertriebskanal wird in der Regel zwischen stationärem Handel, Versandhandel und Onlinehandel unterschieden.12

2.2 Stationärer Einzelhandel:

Handelsunternehmen können in Vertriebstypen unterschieden werden. Hier findet die Unterscheidung zwischen stationärem Handel, Versandhandel und Onlinehandel statt.

Der stationäre Handel beschreibt einen Handelsbetrieb mit festem Standort.

Die vorliegende Bachelorarbeit bezieht sich vornehmlich auf den stationären Einzelhandel, welcher ein Betriebstyp des Handels im institutionellen Sinne darstellt.

Ein deutliches Merkmal des stationären Einzelhandels ist der Verkauf von Waren und Dienstleistungen ohne Zwischenhändler und wird dem Residenzprinzip, hierbei sucht der Kunde den Anbieter auf, zugeordnet.13

Einzelhandelsunternehmen können in ihrer Betriebsform zudem aus Sicht der Kunden unterschieden werden, indem zwischen der Sortimentsauswahl, Preis-, Erlebnis- oder Serviceorientierung differenziert wird.14

Es können drei Ausprägungen festgestellt werden: Betriebsformen mit beweglichen Sandorten, Betriebsformen mit festem Standort und ohne Verkaufsraum sowie Betriebsformen mit festem Standort und mit Verkaufsraum. Betriebsformen wie Fachgeschäfte und Fachmärkte, Supermärkte, Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser, Kauf- und Warenhäuser, Discounter sowie Kleinpreisgeschäfte können unter dem Sammelbegriff „klassische Betriebsformen“ zusammengefasst werden. Zu den Sonderformen zählen stationäre Handelsräume wie Fabrikläden, Convenience Stores, Tankshops, Kioske, Geschäfte an Bahnhöfen und Flughäfen sowie Automaten. Diese Untergliederung bezieht sich nicht auf stationäre Betriebsformen des Großhandels, welcher gewerbliche Verwender, Wiederverwender und Weiterverarbeiter zur Zielgruppe hat.

Abschließend ist somit festzuhalten, dass sich der Inhalt dieser Arbeit auf das Begriffsglied des stationären Einzelhandels in Bezug auf die Betriebsform mit festem Standort und mit Verkaufsraum konzentriert, der den Endverbraucher als Zielgruppe hat.15

2.3 E-Commerce

Im E-Commerce, auch elektronischer Handel genannt, findet der Kauf- und Verkaufsprozess ohne eine feste Verkaufsstätte nach dem Distanzprinzip statt. Bei der Auswahl der Produkte oder Dienstleistungen, sowie dem eigentlichen Kaufprozess ist der Nachfrager und Anbieter nicht an einen Ort gebunden.16 Der Kunde muss keine Zeit, Mühen und Kosten auf sich nehmen muss, um zu dem Ort des Anbieters zu gelangen, wie dies beim stationären Einzelhandel der Fall ist.

Heinemann17 beschreibt den E-Commerce als Anbahnung, Aushandlung und Abwicklung von geschäftlichen Transaktionen über Netzwerke. Kauf und Geschäftsprozesse können so vereinfacht werden und lassen sich schneller und bequemer abwickeln.18

Der Onlinehandel kann als Teilmenge von E-Commerce beschrieben werden. Die Grundlage für E-Commerce bildet die Kombination aus Informationstechnik, Telekommunikation, Medien und Unterhaltungselektronik, welche die technische Basis darstellen. Besonders das Internet und der Mobilfunk sind die Grundlage des E-Commerce.19

Der Begriff E-Commerce wird vom Handelsverband Deutschland wie folgt definiert:

„Vom englischen Begriff Electronic-Commerce: elektronischer Handel. E-Commerce bezeichnet den Kauf und Verkauf von Produkten über das Internet, sowohl im B2B (Business to Business – Kauf und Verkauf von Unternehmen zu Unternehmen), als auch im B2C (Business to Consumer – Kauf und Verkauf von Unternehmen zu Endkonsument) –Bereich. Zum E-Commerce gehört auch der M-Commerce, welcher sich auf den Kauf und Verkauf über mobile Endgeräte (M-Commerce) beschränkt. Auch elektronisch abgewickelte Geschäftsprozesse, bei denen die Beteiligten auf elektronischem Wege kommunizieren, beispielsweise im Bereich Kundenservice und Online-Banking finden unter dem Deckmantel des E-Commerce statt.“20

2.4 Omnichannel

Heinemann beschreibt den Ausdruck „Omnichannel“ als parallele Nutzung unterschiedlicher Einkaufs- und Informationssysteme, wodurch Unternehmen ermöglicht wird, umfassende Kundenerlebnisse zu schaffen. On- und Offline-Prozesse fließen so weiter ineinander, die Grenzen verschwimmen zunehmend.21

Physische, digitale und analoge Kanäle werden kombiniert und zur Interaktion mit den Kunden genutzt, wobei diese Bereiche nahtlos aneinanderknüpfen. So ist es den Händler möglich, alle kundenrelevanten Daten über jegliche Kanäle hinweg zu nutzen. Die Customer Journey verläuft somit auf allen Plattformen einheitliche und gleichzeitig individualisiert für jeden Kunden.22

2.5 Digitale Transformation

„Der Begriff Digitale Transformation bezeichnet erhebliche aktive Veränderungen des Alltagslebens, der Wirtschaft und der Gesellschaft durch die Verwendung digitaler Technologien und Techniken sowie deren Auswirkungen […] Die Digitale Transformation ist typischerweise die Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen durch Digitalisierung. Treten die Veränderungen plötzlich und umbruchartig ein, z.B. durch Digitale Transformation eines bestehenden oder neu in den Markt eintretenden Wettbewerbers, wird hierfür der Begriff Disruption verwendet.“23

Unter Digitalisierung wird die zunehmende Verbreitung des Internets und softwarebasierter Technologien in alle Bereiche des Alltags gefasst, wie z. B. im Einkaufverhalten von Kunden oder der Mediennutzung. Die Digitalisierung hat einen starken Einfluss auf Kundenansprüche. Die fortschreitende Durchdringung digitaler Technologien und sich ändernde Kundenbedürfnisse sind Nachwehen der Digitalisierung.24

In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „digitale Technologien“ Synonym für „Smarte Produkte“ verwendet. Unter „Smarten Produkten“ können intelligente und vernetzte Produkte verstanden werden. Sie enthalten beispielsweise Sensoren und Aktoren, die ihnen ermöglichen eigenständig Daten zu erheben, zu analysieren, zu bewerten und letztendliche mit anderen Produkten, Maschinen oder Menschen zu kommunizieren.25

Digitale Technologien beruhen auf Hardware, Software und Netzwerken. Cloud, Big Data, KI, Smarte Roboter, können als Vertreter digitaler Technologien angesehen werden. Sie führen zu Automatisierung und damit zu Selbstorganisation und Selbstoptimierung durch intelligente Prozesse – der Industrie 4.0.26

3. Situationsanalyse des stationären Bekleidungseinzelhandels

Laut Albrecht Metter ist der Online-Handel Treiber der Digitalen Transformation im Handel, gleichzeitig stellt der stationäre Handel eine tragende Säule der Handelsstruktur dar.27 Er nimmt rund 90% des gesamten Einzelhandelsvolumens ein.28

Diese Tatsache führt dazu, dass sich Modeeinzelhändler die Chance ergibt, eine Brücke zwischen Online und Offline zu bauen, um so Synergien und Vorteile aus zwei Absatzkanälen zu nutzen.29

Folgendes Kapitel zeigt die aktuelle Situation des Einzelhandels in Deutschland auf, wobei zwischen den Vertriebswegen Online und Offline unterschieden wird. Auch wird betrachtet, welchen Einfluss die Digitalen Transformation auf den Bekleidungshandel in Deutschland hat. Im Anschluss werden die Wettbewerbsvorteile des stationären Modeeinzelhandels im Vergleich zum Onlinehandel identifiziert und die veränderten Anforderungen an den stationären Handel abgeleitet.

Die Betriebsform, welche sich im ständigen Wandel befindet, ist eine Kombination aus unterschiedlichen Merkmalen, wie z. B. Größe des Sortiments oder der Ladenfläche. Die Digitalisierung, als der Haupttreiber dieses Wandels im Handel, hat zu einer Stagnation der Verkaufsfläche geführt. Die Umsätze im Non-Food-Sortiment von Verbrauchermärkten und Selbstbedienungs-Warenhäusern gehen zurück, wodurch auch der Rückgang der Fläche erklärt werden kann. Der Onlinehandel wird somit als ein potenzieller Auslöser dieser Entwicklung identifiziert.30

Es wurde eine neue Betriebsformen geschaffen, indem On- und Offline immer weiter ineinander verschmelzen. Ein Beispiel ist der „Smart-Store“.

„Der Sammelbegriff ‚Smart-Stores‘ fasst verschiedene digitale Betriebsformen zusammen, die eine große Bandbreite an Möglichkeiten, etwa aus den Bereichen Marketing (personalisierte Kundendaten und Kundenidentifikation, Kundenlaufwege und Instore-Navigation, Zusatzinformationen auf dem Smartphone), Technik/Einrichtung (automatisierte Kühltruhen, Beleuchtung) sowie automatisierte Bezahlvorgänge vereinen.“31

Die Bedeutung von Kleidung hat sich von einer reinen Schutzfunktion für den Körper hin zu einem Konsum- und Lifestyleprodukt gewandelt.32 Käufer setzen sich somit verstärkt mit dem Thema „Bekleidung und Mode“ auseinander und setzen dabei auf das Internet, welches eine gewaltige Informations- und Inspirationsquelle darstellt.

3.1 Wettbewerbssituation – Substitutbedrohung durch den Onlinehandel

Der Onlinehandel stelle einen disruptiven Faktor dar, der im direkten Wettbewerbsverhältnis zum stationären Handel steht.33 Dieses Kapitel befasst sich mit der Bedeutung und Entwicklung des Onlinehandels in Deutschland.

Rund zehn Prozent des Einzelhandelsumsatzes wird online generiert, wobei zwischen unterschiedlichen Warengruppen unterschieden wird. Aus einer Studie im Jahr 2017 der IFH Köln geht hervor, dass „Fashion und Accessoires“ die zweitstärkste Warengruppe darstellt.34 Noch vor knapp zehn Jahren wurde Bekleidung als weniger prädestiniert für den Internetvertrieb erachtet. Heute gehören Fashion-Artikel zu den bedeutendsten Sortimentsbereichen im B2C-Onlinehandel.35

Die zunehmenden Online-Angebote und die Digitalisierung unseres Alltags beeinflussen und verändern den stationären Einzelhandel stark. So hat die Digitalisierung bereits 1998, bedingt durch die Gründung von Amazon, neue Wettbewerber auf den Markt gebracht. Dieser Wettbewerb wird heute als „Onlinehandel“ bezeichnet.36

Der Onlinehandel ermöglicht dem Konsumenten seine Einkäufe bequem zeit- und ortsunabhängig zu tätigen.

Laut Doplbauer hat sich der Onlinehandel durch drei Metafaktoren evolutioniert.37 Das Internet wurde zunächst als Informationsmedium genutzt. Schon Mitte der 1990er-Jahre traten Onlinehändler auf den Markt, die durch ihre Innovationskraft bereits damals in der Lage waren, einen stetig wachsenden Anteil des Handelsumsatzes online zu generieren. In zunehmendem Maße treten inzwischen auch klassische Unternehmen des stationären Handels in den Onlinehandel ein, ebenso wie Versandhäuser und Hersteller. Es folgte somit die innovative Nutzung des Mediums als Vertriebskanal, dessen Umfang weiterhin durch den Einsatz von Handys und Tablets gewachsen ist. Der Innovation folgten die Marktdurchdringung und die steigende Verfügbarkeit von Onlineshops. Das Angebot wuchs kontinuierlich an, entwickelte sich weiter, wodurch der Prozess des Onlineshoppens einfacher wurde. Neue Innovationen und qualitativen Weiterentwicklung verhalfen der Marktdurchdringung und immerzu ansteigenden Umsätze. Onlineshopping wurde professioneller, Lieferungen wurden zuverlässiger, Online-Bezahldienstleister wie PayPal haben zur Datensicherheit bei Zahlvorgängen mitgewirkt Aktuell befinden wir uns in der Phase der Optimierung und Skalierung. Neue Systemanbieter und Servicebetreiber betreten den Markt, Onlineshops werden perfektioniert und die Benutzerfreundlichkeit sowie -erfahrung steigt weiter an.38

Die Verbreitung von Smart Phones hat M-Commerce (mobile Commerce) ermöglicht und wurde seit der Einführung immerzu verbessert, die mobile Ansicht von Onlineshops wurde angepasst. Das Mobile Internet und die wachsende Bedeutung von Social Media haben das Einkaufsverhalten revolutioniert. Seit dem Jahr 2013 existiert der Begriff Omni-Channel, welches eine parallele und kombinierte Nutzung aller Informations- und Einkaufskanäle ermöglicht.39

Die Vorteile sind vielfältig und die Entstehung immer neuer Innovationen sorgt dafür, dass der Anteil der Onlinekäufe weiter anwächst und an Bedeutung gewinnt. Der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandel e. V. geht aufgrund der massiven Verluste im Gesamtjahr 2020 von einer Vielzahl an Unternehmensschließungen aus.40 Vor allem private Händler, die nicht auf ihre Umsätze aus den Online-Auftritten zurückgreifen konnten, sahen sich in ihrer Existenz bedroht.41 Unabhängig von der Pandemie im Jahr 2020 und den daraus resultierenden Umsatzeinbußen im stationären Handel, ist bereits seit Jahren ein Umsatzrückgang im Vergleich zum Onlinehandel zu beobachten. Der E-Commerce wächst vor allem im Non-Food Bereich kontinuierlich.42

[...]


1 Zypries (19. März 2014).

2 Zypries (19. März 2014).

3 Bloching, Otto und Luck (Februar 2013, S. 19).

4 IFH Köln GmbH .

5 IFH Köln GmbH (S. 8).

6 Zukunft des Einkaufens (S. 5).

7 Zukunft des Einkaufens (S. 3).

8 Jung, Sven, Rürup, Bert und Schrinner (2020, S. 33).

9 Jung, Sven, Rürup, Bert und Schrinner (2020, S. 5).

10 Statistisches Bundesamt (2020).

11 Barth, Hartmann und Schröder (2015, S. 1).

12 Neiberger und Hahn (2020b, S. 28).

13 Barth, Hartmann und Schröder (2015, S. 89).

14 Barth, Hartmann und Schröder (2015, S. 90).

15 Neiberger und Hahn (2020b, S. 28–31).

16 Barth, Hartmann und Schröder (2015, S. 13).

17 Heinemann (2020, S. 53).

18 Heinemann (2020, S. 53).

19 Barth, Hartmann und Schröder (2015, S. 100).

20 Bräuniger (8. Dezember 2020).

21 Heinemann (2020, S. 179).

22 Heinemann (2020, S. 178).

23 Pousttchi (2020).

24 Haipeter (2020, S. 242–244).

25 Hanschke (2018, S. 3).

26 Hanschke (2018, S. 8–9).

27 Metter (2017, S. 63).

28 Handelsverband Deutschland (2018, S. 6).

29 Ringk (17. Oktober 2019).

30 Neiberger und Hahn (2020b, S. 29).

31 Neiberger und Hahn (2020b, S. 30).

32 Ebert (11/2016, S. 23).

33 Doplbauer (Juli 2015, S. 17).

34 Engels (2019, S. 6).

35 KPMG AG (2015, S. 41).

36 Doplbauer (Juli 2015, S. 11).

37 Doplbauer (Juli 2015).

38 Neiberger und Hahn (2020a, S. 41).

39 Neiberger und Hahn (2020a, S. 41).

40 Fetsch und Lala (2020, S. 10).

41 Fetsch und Lala (2020, S. 13).

42 Fetsch und Lala (2020, S. 21).

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Stationärer Modeeinzelhandel in Deutschland. Chancen und Herausforderungen im Rahmen der digitalen Transformation
Hochschule
Technische Hochschule Ingolstadt  (Fachhochschule)
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
62
Katalognummer
V997481
ISBN (eBook)
9783346389145
ISBN (Buch)
9783346389152
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einzelhandel, stationärer Einzelhandel, digitalisierung, bekleidungseinzelhandel, retail, pos, customer journey, omnichannel, retail 4.0, digitale transformation, Modeeinzelhandel
Arbeit zitieren
Anne Neif (Autor:in), 2021, Stationärer Modeeinzelhandel in Deutschland. Chancen und Herausforderungen im Rahmen der digitalen Transformation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/997481

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