Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Betreuungsverein Dessau-Roßlau
2.1 Stadt Dessau-Roßlau
2.2 Vorstellung des Vereins
2.2.1 Mitarbeiter und Arbeitsbereiche
2.2.2 Betreuungszahlen
3 Case Management
3.1 Entwicklung
3.2 Konzept und Prozess
4 Betreuungsarbeit und Qualität
5 Case Management in der Betreuungspraxis
5.1 Vom Case Management zum Betreuungsmanagement
5.2 Fallsteuerung
5.3 Kompetenzen des Betreuers
5.4 Zusammenfassung Praxisarbeit 2
6 Demenz
6.1 Das Krankheitsbild Demenz
6.2 Zusammenfassung Praxisarbeit 1
6.2.1 Inhalt der Arbeit
6.2.2 Schlussfolgerung der Arbeit
6.2.3 Gewonnene Erkenntnisse für die Betreuungsarbeit
7 Betreuungsmanagement bei Betreuten mit Demenz
7.1 Vom Konzept zur Anwendung
7.2 Wille und Wohl des Demenzerkrankten
7.3 Besonderheiten der Fallarbeit
7.3.1 Risiken und Gefährdungsmomente
7.3.2 Kommunikation
7.3.3 Die Arbeit des Betreuers
7.4 Die Rolle der Angehörigen
8 Assessment
9 Arbeitshilfe für das Assessment
9.1 Unterscheidung nach Versorgungs- und Besorgungsbedarf
9.1.1 Besorgungsbedarf
9.1.2 Versorgungsbedarf
9.2 Bedürfnisse des Betroffenen
9.2.1 Selbstverwirklichung
9.2.2 ICH-Bedürfnisse
9.2.3 Soziale Bedürfnisse
9.2.4 Sicherheitsbedürfnisse
9.2.5 Physiologische Bedürfnisse
9.3 Einteilung unter Zuhilfenahme von pflegerischen Gesichtspunkten
9.4 Einteilung nach dem Vorbild des MDK
9.5 Einteilung nach Empfehlungen von Roder
9.6 Ampelsystem
9.7 Defizite
9.8 Zusammenfassung
10 Erstellung des Assessmentbogens
10.1.1 Biografie
10.1.2 Erkrankungen und Diagnostik
10.1.3 Körperlicher Bereich
10.1.4 Kognitiver Bereich
10.1.5 Emotionaler Bereich
10.1.6 Materielles Umfeld
10.1.7 Wünsche und Bedürfnisse
10.1.8 Rehabilitation
10.1.9 Weitere Ressourcen und Stärken
10.1.10 Einschränkungen und Risiken
11 Fazit
12 Ausblick und Empfehlungen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Bedürfnispyramide nach Maslow
Abbildung 2 Lebensbereiche zur Beurteilung des Pflegegrades, Quelle: mdk.de
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die Arbeit des rechtlichen Betreuers1 erfordert eine gewissenhafte und professionelle Arbeitsweise. Immer das Wohl des Betroffenen im Blick gilt es, Angelegenheiten entsprechend der zugewiesenen Aufgabenkreise zu regeln, Abwägungen und Entscheidungen zu treffen. Die Betreuungsführung soll transparent und nachvollziehbar gestaltet sein. Die Planung des Unterstützungs- und Versorgungssystems für den Betroffenen soll an dessen individuellen Bedürfnissen orientiert sein. Wichtig ist die Effizienz der eigenen Arbeit des rechtlichen Betreuers, aber auch die Effizienz und Effektivität in Bezug auf die organisierten Hilfen für den Betroffenen.
Die Erkrankung Demenz ist durch einen fortschreitenden Prozess und einem irreversiblen Verlauf gekennzeichnet. Die Informationen, Wünsche und Bedürfnisse dieses Personenkreises lassen sich oft nicht ohne weiteres durch ein Gespräch mit dem Betroffenen einholen. Der Umfang der Betreuungsarbeit wächst zunehmend, wodurch auch die Arbeit des rechtlichen Betreuers zunimmt.2 Dieser kommt nicht umhin, seine Arbeitsweise dementsprechend zu gestalten.
Der Fokus liegt auf dem Betroffenen mit seinen Fähigkeiten und Ressourcen und den Defiziten. Jedoch reicht dies in der Praxis des Betreuungsmanagement demenziell Erkrankter erfahrungsgemäß nicht aus. Sind die pflegenden Angehörigen maßgeblich am Erfolg der gesetzten Ziele beteiligt? Die Rolle dieser soll deshalb der vorliegenden Arbeit näher untersucht werden.
Für die Betreuungsführung gilt es fachlichen Standards gerecht zu werden, um ein professionelles Betreuungsmanagement zu gewährleisten. Hier hat sich das Case Management als Methode bewährt und wird Berufsbetreuern empfohlen, um sowohl ihre Arbeit als auch den Versorgungs- und Unterstützungsprozess wirkungsvoll und nachhaltig zu gestalten. Durch CM können Arbeitsschritte übersichtlich und plausibel dargestellt und im weiteren Verlauf gezielter geplant werden.
Im Betreuungsverein Dessau wird diese Methode bisher nicht angewandt. Eine einheitliche Form der Betreuungsführung, wenn auch nur als Empfehlung, existiert nicht. Die Vereinsbetreuer handeln daher im Vergleich sehr unterschiedlich, eine transparente und effektive Arbeitsweise wird von jedem Einzelnen anders ausgelegt. Dennoch wird offen mit konstruktiven Vorschlägen umgegangen und neue Erkenntnisse und Erfahrungen gern in die eigene Arbeit integriert. Die Autorin dieser Arbeit möchte das BM unter Anwendung der Methode CM zukünftig in ihre Arbeit integrieren und langfristig CM im Betreuungsverein implementieren. Dazu sind geeignete Arbeitshilfen notwendig, die der Fallarbeit strukturieren und zugleich dem Erkrankungsbild Demenz gerecht werden.3
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Erstellung einer Arbeitshilfe für das Betreuungsmanagement mit demenziell erkrankten Betroffenen in Form eines Assessmentbogens, welcher die Einschätzung der Problem- und Bedarfslagen der Klienten erleichtert, strukturiert und die Grundlage der nachfolgenden Hilfeplanung darstellt. Es soll herausgearbeitet werden, was speziell bei diesem Klientel zu beachten ist und deshalb mit Hilfe einer solchen Arbeitshilfe erfasst werden sollte. Es wird dazu ein Blick auf die Pflege eines Demenzerkrankten geworfen und was davon abgeleitet werden kann. Außerdem sollen die Leitlinien der rechtlichen Betreuung Beachtung finden.
Zu Beginn der vorliegenden Arbeit wird ein Einblick in den BTV Dessau gegeben. Zur Vorstellung der Methode CM und ihrer theoretischen Grundlagen werden im nächsten Kapitel die relevanten Begriffe definiert und kurz die Entwicklung des CM sowie der Ablauf des Prozesses beschrieben. In den folgenden zwei Kapiteln werden die Betreuungsarbeit mit den Ansprüchen an deren Qualität und das CM in der Betreuungspraxis erläutert. Nachdem dann der Zusammenhang zwischen einer professionellen Betreuungsführung und der Anwendung der Methode CM aufgezeigt wurde, werden das Krankheitsbild der Demenz und die Praxisarbeit 1 mit ihren Erkenntnissen im Kapitel 6 vorgestellt. Zum besseren Verständnis wird im nächsten Abschnitt auf die Besonderheiten der Betreuungsführung von demenziell erkrankten Klienten eingegangen, welche Rolle dabei die Angehörigen eines demenzerkrankten Betroffenen spielen und weshalb der rechtliche Betreuer sie im Assessment unbedingt berücksichtigen sollte.
Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich dann mit der Erstellung der Arbeitshilfe. Bevor der Assessmentbogen erarbeitet wird, soll das Assessment selbst näher beleuchtet werden.
Die Arbeit schließt mit einem Fazit und einem Ausblick, sowie Empfehlungen für die Anwendung des Assessmentbogens.
2 Der Betreuungsverein Dessau-Roßlau
2.1 Stadt Dessau-Roßlau
Die demografische Entwicklung in Dessau-Roßlau ist von einem starken Anstieg des Seniorenanteils der Bevölkerung geprägt. Die Anzahl der Einwohner lag im Jahr 2015 bei 83.304. Fast ein Drittel (= 29,9%) der Stadtbevölkerung war im Jahr 2015 bereits im Seniorenalter (ab 65 Jahre). Zum Vergleich: Der bundesdeutsche Durchschnitt lag im gleichen Jahr bei 21,1%. Mit 24.883 Einwohnern war die Altersgruppe der Senioren im Jahr 2015 die zweitstärkste Bevölkerungsgruppe. In dieser Altersgruppe sind es vor allem steigende Bevölkerungszahlen bei den hochaltrigen Einwohnern (ab 80 Jahre), die zu einem Anstieg führten.4 Dies ist auch bei den Betreuungen im Betreuungsverein Dessau zu spüren. Zunehmend werden ältere Menschen mit einer Demenz als Diagnose betreuungsbedürftig.
2.2 Vorstellung des Vereins
Der Betreuungsverein Dessau wurde im Jahr 1992 gegründet und gehört zum Behindertenverband der Stadt Dessau-Roßlau.
2.2.1 Mitarbeiter und Arbeitsbereiche
Im Verein arbeiten vier Vereinsbetreuer und ein Sachbearbeiter. Die Vereinsbetreuer führen rechtliche Betreuungen und üben gerichtliche Verfahrenspflegschaften aus.
Einer der Vereinsbetreuer ist zudem mit der Querschnittsarbeit betraut. Er informiert und berät Bürger der Stadt Dessau-Roßlau in Fragen der ehrenamtlichen Betreuungsführung, zur Vorsorgevollmacht und zu Betreuungs- und Patientenverfügungen. Ehrenamtlich betreuende Angehörige kommen zur Beratung oder nutzen die gemeinsamen Fortbildungsangebote in Zusammenarbeit mit der Betreuungsbehörde.
2.2.2 Betreuungszahlen
Im Betreuungsverein Dessau werden aktuell5 von insgesamt 167 Betreuungen 38 Betroffenem mit und auf Grundlage einer Demenzerkrankung betreut. Dies entspricht einem Anteil von ca. 23% der Gesamtbetreuungen.
3 Case Management
Das Case Management wird in der Literatur zum Beispiel als Methode 6 oder Programm und Handlungskonzept 7, als Verfahren 8 oder „Handlungsfolie“ 9, als Managementkonzept 10 oder auch als koordinierte Intervention 11 beschrieben. Aus den verschiedenen Begriffsbestimmungen wird deutlich, dass es, wohl aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsbereiche, keine einheitliche Definition gibt. Monzer fasst als Definition dazu folgendes zusammen:
„Case Management ist ein Konzept, das sich weder ausschließlich als Methode noch als Organisationsmodell und auch nicht als Tätigkeit einordnen lässt. Es erstreckt sich nicht nur bereichsübergreifend über verschiedene Fachlichkeiten und Disziplinen, sondern auch über gesellschaftliche Institutionen. Damit lässt es sich einerseits schwer greifen, andererseits bietet es die Möglichkeit über viele Aspekte von Hilfe nachzudenken und diese zusammenzuführen. Bei dieser Weitläufigkeit bleibt allerdings ein Fokus bestehen: Das ist der einzelne Fall.“ 12
3.1 Entwicklung
In den USA der 1970iger lebten chronisch Kranke und Menschen mit diversen Behinderungen zumeist in stationären Einrichtungen. Dort wurden sie regelrecht festgehalten und waren zu Passivität gezwungen und erzogen worden. Die damit verbundenen Kosten waren enorm und sollten reduziert werden, die Menschen wieder selbstständig und frei leben dürfen. Die Entlassung der Menschen im Rahmen einer „Enthospitalisierung“ führte zu einer Steigerung des Angebots an ambulanten Hilfen, welche bis dahin kaum oder nur unzureichend bestanden. Allerdings gestaltetet sich die „angemessene Versorgung“ der Menschen als sehr schwierig, aufgrund der Vielzahl an unkoordinierten Hilfeangeboten und dem Unvermögen der Menschen, diese überhaupt abzurufen. Die entlassenen Menschen mit Hilfebedarf blieben somit hilflos.
Es wurde nach geeigneten Konzepten gesucht, wie sie Zugang zu den für sie richtigen Hilfe-angeboten unter Beachtung der Effizienz und Effektivität erlangen konnten. Das Case Management entstand als Handlungsansatz für ein koordiniertes und ergebnisorientiertes Vorgehen.13
3.2 Konzept und Prozess
Ursprünglich im Sozial- und Gesundheitswesen angewandt, soll CM Fachkräfte dazu befähigen, geeignete Hilfen für Menschen mit komplexen Hilfebedarf zielgerichtet und auf ihrem individuellen Unterstützungsbedarf abgestimmt, zu finden. Unter Berücksichtigung deren Ressourcen werden die Hilfen organisiert und koordiniert, um sie anschließend zu kontrollieren und am Ende der Fallarbeit die Ergebnisse zu erfassen und zu evaluieren.14
Der Case Manager übernimmt dann die schwierige und aufwendige Lösungsorganisation unter vorheriger Analyse der bisherigen, ggf. gescheiterten, Problemlöseversuche und unter der Prämisse, die alten und neuen Hilfen wirkungsvoll und nachhaltig, auch in Bezug auf die Einsparung von Kosten, zu koordinieren. Solche Hilfen können sowohl durch ehrenamtliche Helfer, durch Angehörige des Betroffenen und durch professionelle Dienstleister erbracht werden. Ziel ist die Unterstützung der Hilfesuchenden unter Befähigung einer maximalen Unabhängigkeit, so dass sie ihre bisherige Lebensführung bewahren oder wieder erreichen können.
Der Prozess läuft nach einem regelhaften Plan ab, der durch folgende Phasen gekennzeichnet ist:15
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Organisationen wie z. B. einem Krankenhaus wird CM zum einen:
I. personenbezogen, als Fallmanagement und zugleich
II. nicht personenbezogen, als Systemmanagement angewandt.16
Im Wesentlichen geht es im Fallmanagement um die Optimierung der Fallsteuerung und wird nur für ausgewählte und komplizierte Fälle angewandt, da die Methode sehr aufwendig ist. Zugleich kann CM aber, als Verfahren in der Prozesssteuerung angewendet, zur Optimierung von Abläufen in einer Organisation beitragen. Die Implementierung von CM als solches ist dann verkürzt.
4 Betreuungsarbeit und Qualität
Zu den Möglichkeiten, einen professionellen Betreuungsprozess zu entwickeln, hat das Bundesministerium für Justiz und Verwaltung 2018 die Ergebnisse einer durchgeführten Studie herausgegeben. Daraus gehen u. a. die Handlungsempfehlungen für die rechtlichen Betreuer selbst hervor. Eine Möglichkeit, der Qualitätssicherung genüge zu tragen, ist die Entwicklung von verbindlichen fachlichen Standards, auch zur Einhaltung einer Prozessqualität.17
Die Kriterien der Qualität sollten laut der staatlichen Koordinierungsstelle folgende Fragen beantworten:18
- Mit welchen analytischen Begriffen und Verfahren erfassen Betreuer die Bedarfe und Ressourcen des Betroffenen bei der Ausübung ihrer rechtlichen Handlungsfähigkeit?
- Welche Kommunikationsmöglichkeiten können und müssen sie nutzen, um den Willen und die Präferenzen von Menschen z.B. mit erheblichen kognitiven Beeinträchtigungen zu erfassen?
- Inwieweit müssen sie das persönliche Umfeld der betroffenen Person in den Prozess der unterstützten Entscheidungsfindung einbeziehen?
- Durch welche Instrumente (z.B. Kontaktmanagement) wird sichergestellt, dass die Unterstützung der Person bei der Umsetzung ihrer Entscheidungen in ein konsequentkoproduktives bzw. dialogisches Verfahren eingebettet ist?
Zusammenfassend sind also Standards und Methoden zu entwickeln die
- den Vorrang der unterstützten Entscheidungsfindung
- die Evaluierung der eigenen Arbeit
- und eine bedarfsgerechte Betreuungsplanung unterstützen.
Der BdB definiert einen Standard auf unterschiedliche Weise, je nach dem, für welchen Bereich ein Standard gefunden werden muss. So kann dieser für die Beschreibung von Qualität genutzt werden oder verbindlich festlegen, wie man sich in einer Situation zu verhalten und zu handeln hat. Auch die Beschreibung eines Soll-Zustandes kann ein Kriterium für einen Standard sein.
Wichtig ist, dass ein Standard machbar, also umsetzbar sein sollte und demnach auch in der Praxis auf seine Handhabung hin überprüft worden sein muss. Jeder Standard ist dann für sich ein Baustein in einem Gesamtqualitätssicherungskonzept.
Der Vorteil eines Standards ist, dass Ziele besser definiert und erreicht werden können.
Betreuungsstandards stehen aber einer individuellen Betreuung nicht entgegen. Dennoch spricht sich der BdB dafür aus, dass sie nur in geringem Maße für die Arbeit des Betreuers formuliert werden. Und wenn, dann auch nur in den Bereichen, in denen es um Dilemma-Situationen geht und eine Entscheidung nicht einfach, sondern mit einem Risiko behaftet ist. Ein Standard sollte verwendet werden, um in einem Prozess Entscheidungen des rechtlichen Betreuers auf Basis des Wohles und des Willens des Betroffenen entstehen zu lassen, um Sicherheit zu geben und um die Entscheidungen argumentativ untermauern zu können.19
So unterschiedlich die Ausbildung eines jeden Betreuers und jeder Fall für sich auch ist, so können die zu entwickelnden Standards die Qualität der Arbeit positiv beeinflussen und den Beruf des Betreuers auch in der Zukunft sichern. Die Betreuung selbst ist ein Prozess welcher untersuchbar, beschreibbar und die Qualität sichern sollte.
5 Case Management in der Betreuungspraxis
Seit langem engagiert sich der BdB für die Professionalisierung des Berufs des rechtlichen Betreuers und spricht sich für eine Prozessqualität aus.20 Die Kritik an der bisherigen Arbeit der Betreuer ist, dass diese ihre Arbeit weniger methodisch, als vielmehr intuitiv und spontan ausüben. So sei die Arbeit eines Berufsbetreuers in dieser Hinsicht kaum von der eines ehrenamtlich tätigen Betreuers zu unterscheiden. Eine qualifizierte Ausübung der Betreuung erfordert z. B. das Betreuungsmanagement, auf deren Grundlage Kenntnissen in den Bereichen der Beratung, Analyse, Planung und Koordination gefordert werden.21
In den vorgestellten Leitlinien des BdB, wird unter anderem die Fallgestaltung in Anlehnung an das CM als methodisches Handwerkszeug genannt, um die Betreuungsarbeit professionell auszuüben und den Betreuungsprozess nachvollziehbar zu gestalten. Durch Anwendung von CM, kann der Beratungs- und Unterstützungsprozess gesteuert werden.22 Das Konzept wurde an die Betreuungsarbeit angepasst und versucht in diese zu implementieren23. Durch den CM-Prozess lassen sich die Abläufe strukturieren, koordinieren, das Vorgehen gezielt planen und Handlungen in Bezug gebracht werden. Durch die Dokumentation seiner Arbeit, kann sich der Betreuer selbst kontrollieren und reflektieren, auch für spätere, ähnlich verlaufende Fälle können so Ergebnisse und Erkenntnisse einer Fallbearbeitung genutzt werden.24
5.1 Vom Case Management zum Betreuungsmanagement
Werden die wesentlichen theoretischen Grundlagen des Case Management auf die berufliche Praxis der rechtlichen Betreuung übertragen und entsprechend der gesetzlichen Mandatierung angepasst, wird das Ergebnis dieses Prozesses als Betreuungsmanagement bezeichnet.25
Nachfolgend sollen die wichtigsten Unterschiede zwischen dem CM, wie es beispielsweise im Gesundheitswesen angewendet wird, und dem BM dargestellt werden.
Während im CM die Klienten gesucht werden, der Zugang in das Fallmanagement in der Klärungsphase geprüft wird und die Arbeit nicht nur auf Freiwilligkeit seitens des Klienten basiert, sondern diese sogar zur Pflicht ernennt26, ist der Einstieg in das Betreuungsmanagment vom Charakter der Einrichtung der rechtlichen Betreuung geprägt.
Für Demenzerkrankte wird die rechtliche Betreuung eingerichtet, sofern keine Vollmacht vorliegt oder der Vollmachtnehmer nicht in der Lage ist, diese auszuüben. Je nach Schwergrad der Demenz wird der Betreuer auch ohne Kenntnis des Betroffenen, bei fehlender Einwilligung oder gar gegen dessen Willen per Beschluss zum Tätigwerden im Rahmen der verkündeten Aufgabenkreise und nach Vorliegen einer Erforderlichkeit verpflichtet.
In der Regel fehlen den Erkrankten die notwendigen Mitwirkungskompetenzen, selbst für ihre Gesundheit, Versorgung und Betreuung Sorge zu tragen und die richtigen Hilfen zu implementieren. Sie können ihre Wünsche und Bedürfnisse aber sehr wohl zum Ausdruck bringen, wenngleich dies nicht gezielt erfolgt: Die Betreuungsbedürftigkeit der Demenzerkrankten ergibt sich vor allem daraus, da sie in ihrem Kommunikationsvermögen, ihrer Orientierung und in ihrer Fähigkeit zu realitätsgerechtem Verhalten erheblich beeinträchtigt sind. Aufgrund der kognitiven Symptome und Einschränkungen der Demenz sind sie nicht der Lage, ihre Bedürfnisse und Wünsche adäquat zu äußern und Ansprüche durchzusetzen. Eine einfühlende Verständigung mit dem Betreuten und ebenso mit den nahen Angehörigen, die den Betroffenen gut kennen, ist daher erforderlich, um seine Bedürfnisse und Interessen in Erfahrung und, sofern diese nicht seinem Wohl zuwider laufen27, zur Geltung und zur Umsetzung zu bringen.28
Eine Freiwilligkeit als Einstieg in das BM ist auch deswegen nicht Voraussetzung, weil der Betreuer befugt ist, in Vertretung für den Betroffenen zu handeln29. Dies stellt ebenso eine Besonderheit des BM im Vergleich zum CM dar. Hervorzuheben sei an dieser Stelle, dass der Betreuer ausschließlich nur in den Bereichen stellvertretend handelt, in welchen der Betroffene dazu selbst nicht in der Lage ist.30
In der Monitoring-Phase sind nach Kollak und Schmidt zu Beginn der Überwachung tägliche Beobachtungen und Kontakte notwendig.31 Dies erscheint im BM weder angezeigt noch zeitlich umsetzbar, da in der Regel der Betreuer nicht nur einen Klienten, sondern bis zu 60 gleichzeitig betreut und diesbezüglich Arbeitsaufwand hat. Die Kontaktphasen im Monitoring zu Beginn der Phase zeitlich enger zu gestalten, ist wiederum sinnvoll. Die Dienstleister und Klienten müssen sich erst kennenlernen und Abläufe einspielen, so dass anfangs eine begleitende Kommunikation mit den Beteiligten förderlich für den weiteren Verlauf sein kann. Wann genau Kontakte notwendig und sinnvoll sind, sollte individuell auf den Fall abgestimmt werden.
Crefeld betont weiterhin, dass das BM nicht auf CM reduziert werden darf, da klientenabhängig in der Praxis weitere Instrumente und Methoden zur Anwendung kommen. Hier sind z. B. die klientenzentrierte Gesprächsführung32, Mediation und Konfliktmanagement, Beratung und Coaching zu nennen. Auch Aspekte der sozialen Arbeit können Bestandteil der Betreuung sein, auch wenn diese selbst keine Aufgaben der sozialen Arbeit ausführt.
Unser Gesundheitssystem sieht vor, dass der Nutzer entsprechend seinem Bedarf die erforderlichen Leistungen aus Pflege, Rehabilitation und medizinischer Behandlung selbst auswählt und abruft. Da die Betroffenen mit ihren Erkrankungen und Behinderungen, welche zur Betreuung führten, aber oftmals nicht in der Lage sind, die für sie erforderlichen Hilfen abzurufen, benötigen diese hierbei die Unterstützung und ggf. Vertretung des rechtlichen Betreuers. Auf dem doch recht unübersichtlichen Markt sind dessen Kenntnisse über diese Leistungen und ein eine planerische Fallarbeit im Sinne des Betreuungsmanagements angezeigt.
Die Anwendung des BM, mit seinen Besonderheiten in der Anwendung der CM – Methode, stellt damit ein Instrument der Qualitätssicherung der rechtlichen Betreuung dar. Denn das sorgfältige methodische Handeln des Betreuers wird so koordiniert, effizient, sicherer und durch Dokumentation nach außen hin nachvollziehbarer gestaltet.33
5.2 Fallsteuerung
Sowohl das Case Management als auch das daraus entstandene Betreuungsmanagement laufen in Phasen ab, welche sich annähernd gleichen. Die Phasen des BM sehen folgendermaßen aus:34
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5.3 Kompetenzen des Betreuers
Wendt beschreibt die wichtigsten Kompetenzen des Case-Managers folgendermaßen35:
1. Virtuosität, heißt das Abstimmen und Koordinieren der Hilfen passend für den Betroffenen.
- Vernetztes Arbeiten
- effektive Navigation
- effiziente Wegbereitung
- vielseitige Ressourcennutzung
- personengerechtes Aushandeln von Problemlösungen
2. Wissensbasis, heißt fundierte Kenntnisse im beruflichen Handlungsfeld, z. B.
- über die Erkrankung des Betroffenen
- um Problemfelder und Ressourcen zu erkennen und einzuordnen,
- Kenntnisse über die angebotenen Dienstleistungen
3. Autonomie für die Unabhängigkeit und geforderte Beweglichkeit, um Entscheidungen selbstständig treffen zu können
So sehr auch ein theoretisches Verständnis für die Anwendung des CM notwendig ist, so ist es auch wichtig, welche Qualitäten der Betreuer in Person mitbringt. Das beste methodische Handeln bringt nichts, wenn der Betreuer die Lebenswelt des Demenzerkrankten und dessen Potenziale nicht erfassen kann. Der Betroffene soll ganzheitlich betrachtet werden und individuelle Kompetenzen, Ressourcen und Defizite erfasst werden.36
Folgende persönliche Qualitäten sollten zum Repertoire des rechtlichen Betreuers gehören37:
- Empathie, Achtsamkeit und Feinfühligkeit und eine gute Beobachtungsgabe
- offene und annehmende, geduldige und wertschätzende Haltung
- ethisch reflektierte Grundhaltung, gerade in Bezug auf Dilemma-Situationen
- Toleranz gegenüber dem Anderssein des Demenzerkrankten
- Kommunikationsfertigkeiten in Bezug auf nonverbale Kommunikation, um auch nonverbale Signale im fortgeschrittenen Stadium zu erkennen und richtig zu interpretieren
Praxisarbeit 2 der Autorin befasste sich unter Beachtung der CM – Methode mit der Aufarbeitung und Fallbearbeitung zweier Betreuungsfälle aus der praktischen Tätigkeit als rechtlicher Betreuer. Im nachfolgenden Abschnitt soll diese Arbeit kurz zusammengefasst werden.
5.4 Zusammenfassung Praxisarbeit 2
Die vorgestellten Fälle behandelten die Betreuungsführung von zwei demenziell erkrankten Betreuten. Die Tätigkeit der Autorin begann im BTV Dessau vor zwei Jahren, während des Studiums und war zugleich der Start in dem für sie neuen Berufsfeld der rechtlichen Betreuung.
Durch die Praxisarbeit sollten, die bis dahin je nach Situation und meist intuitiv geführte Betreuungen, unter dem Aspekt einer klientenorientierten Fallbearbeitung und durch die Anwendung des Handlungskonzepts CM, erneut betrachtet werden. Hintergrund war, dass die Autorin durch die Arbeitsweise subjektiv das Gefühl hatte, nicht alles bedacht oder gar etwas vergessen zu haben. Dies war zumeist nicht zufriedenstellend, vor allem, wenn gewünschte Ergebnisse in der Fallarbeit ausblieben.
Mit Hilfe der Reflexion sollte die Qualität der Arbeit verbessert und die Implementierung der CM-Methode im BTV Dessau-Roßlau vorbereitet werden. Mit Hilfe der Praxisarbeit sollten erste Maßnahmen für die Umsetzung des CM – Handlungskonzeptes und für die Fallarbeit selbst abgeleitet werden und die Kriterien für die Fallauswahl bestimmt werden. Die Fallbeispiele dienten als Ausgangspunkt, welche Probleme, Besonderheiten und Fallstricke bei Betroffenen mit Demenz für den rechtlichen Betreuer zu erwarten sind.
Da nicht jede Betreuung für eine Fallbearbeitung im Case Management geeignet ist38, wurden Kriterien für die personenbezogene Fallauswahl herausgearbeitet. Betroffene mit Demenz eignen sich prinzipiell dann für die CM Methode39, wenn diese in der Häuslichkeit leben, durch Angehörige versorgt werden und weitere unterstützende professionelle Hilfen integriert werden müssen, aber die Betroffenen nicht in der Lage sind diese Hilfen selbst zu bestimmen und zu akquirieren. Die Planung soll auf den geäußerten oder mutmaßlichen Wunsch des Betroffenen, in der Häuslichkeit zu verbleiben, ausgerichtet sein.
Es wurde festgelegt, dass die Anwendung von CM zunächst zur Implementierung auf alle Betreuungsfälle mit Demenzhintergrund angewendet werden sollte, um Erfahrungen zu sammeln, Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten, um später ähnlich gelagerte Fälle, ohne erneute Zuführung zum CM, qualitativ besser bearbeiten zu können.
Bei der Fallbearbeitung können Arbeitshilfen herangezogen werden, die die Arbeit dokumentieren, strukturieren und zugleich diese in den einzelnen Phasen erleichtern. Hier wurde festgestellt, dass es dem Verein an solchen Hilfsmitteln allgemein und passend zu den Phasen mangelt. In der Regel werden Hilfsmittel bzw. Instrumente, auch Tools genannt40, angewendet, die in Form von Checklisten, Fragebögen oder Formblättern die zielorientierte Arbeit strukturieren und erleichtern sollen, aber auch als Grundlage einer transparenten Dokumentation zu verstehen sind und auf denen die Entscheidungen des Betreuers nachvollziehbar basieren und später transparent für Dritte überblickt werden können. Ohne solche Arbeitshilfen würde die Implementierung des CM nur schwer gelingen können.
Es wurde festgestellt, dass die Assessment-Phase die bedeutendste Phase im CM ist. Die Qualität der Arbeit selbst lässt sich durch die Qualität des Assessments beeinflussen. Daraus lässt sich schlussfolgern, je besser das Werkzeug und je passender für den Fall selbst ist, desto umfassender kann die Recherche und Dokumentation erfolgen, wodurch die Bewertung der zu implementierenden Hilfen sicherer und effektiver gelingen kann. Wobei darauf hingewiesen sei, dass nicht der quantitative Umfang die Qualität bestimmt, sondern je individueller das Assessment auf den Fall abgestimmt ist.
In einem ersten Schritt zur Einführung des Handlungskonzeptes im BTV sollten deshalb solche Arbeitshilfen erstellt werden. So entstand das Ziel, mit der vorliegenden Arbeit Assessment-Bögen speziell für die Fallarbeit mit demenziell Erkranken zu erstellen. Denn die Fallarbeit hebt sich in einigen Punkten aufgrund des Krankheitsbildes Demenz von denen anderer Erkrankungen ab, worauf noch eingegangen wird.
[...]
1 Die Autorin dieser Arbeit hat aus Gründen der besseren Lesbarkeit entschieden, nur die männliche Form zu nutzen. Dies ist jedoch nicht geschlechtsspezifisch gemeint und soll geschlechtsunabhängig verstanden werden.
2 Vgl. Roder 2009, S.3
3 Vgl. Monzer 2018, S.131
4 verwaltung.dessau-rossliertau.de - Sozialbericht 2011-2015, Stadt Dessau-Roßlau
5 Stand vom 05.05.2020
6 Brinkmann 2010, S.,4
7 Wendt 2018, S. 7
8 Kollak und Schmidt (1), 2019, S. 5
9 Löchterbach (DGCC) in Kollak und Schmidt (2), 2019, S. V
10 Roder in BdB Argumente 2005, S. 49
11 Schröer in Brinkmann 2010, S. 290
12 Monzer 2018, S. 1
13 Vgl. Wendt 2018, S. 18ff.
14 Vgl. Neubart 2018, S. 94
15 Vgl. Monzer 2018
16 Vgl. Wendt 2018, S. 36; vgl. Neubart 2018, S. 94
17 Vgl. auch Bdb Aspekte 105/2015, S. 31
18 Staatliche Koordinierungsstelle, 2017, S. 10
19 Vgl. Bdb Argumente 2005, S.72ff.
20 Vgl. bdb-ev.de
21 Bdb Aspekte 105/2015, S. 31
22 Roder 2009, S. 7
23 Vgl. Bdb Argumente 2005, S. 36
24 Vgl. Bdb Argumente 2005, S. 22
25 Vgl. Bdb Argumente, 2005 S. 49
26 Vgl. Kollak und Schmidt 2010 (1), S. 2, 57, 62
27 § 1901 Abs. 3 BGB; Böhm et al. 2017, S. 137
28 Vgl. Förtner-Vondey in Bdb Argumente 2005, S. 44
29 § 1902 BGB
30 Böhm et al. 2017, S. 99 ff.
31 Vgl. Kollak und Schmidt 2010 (1), S.34
32 Vgl. Wappelshammer 2018, S. 59 ff.
33 Bdb Argumente 2005, S. 45 ff.
34 Roder nach Neuffer in bdb Argumente 2005, S.52;
35 Vgl. Wendt 2018, S. 175 f.
36 Vgl. Weissenberger-Leduc 2009, S. 63
37 Vgl. Stoffers 2016, S. 135; vgl. Wappelshammer 2018, S. 61 f.
38 Vgl. Monzer 2018, S. 2 ff.
39 Vgl. Neubart 2018, S. 94
40 Vgl. Kollak und Schmidt (1) 2019, S. 1