Die ambivalente Rolle des sakralen Königs in der Gesellschaft am Beispiel der Djukun


Seminararbeit, 2000

17 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Zur Thematik und zur Quellenlage

2. Einführendes zum sakralen Königtum und den Djukun
2.1 Definition und Merkmale des sakralen Königtums
2.2 Die Djukun

3. Das göttliche Königtum der Djukun
3.1 Der Gottkönig
3.2 Die Beziehungen des Königs zu
a) den Ahnen
b) den Priestern
3.3 Die Regierung

4. Die Zeremonien
4.1 Die Krönungszeremonie
4.2 Das tägliche Ritual
4.3 Das Puje-Fest
4.4 Die Begräbniszeremonie

5. Schlusskapitel: Der Gottkönig als Staatsformer?

6. Glossar

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Zur Thematik und zur Quellenlage

Der Begriff ,,sakrales Königtum" war früher mit einer märchenhaften Vorstellung von einem brutalen Herrscher verbunden, der einen Haufen von ,,Wilden" regiert und ihnen befiehlt in den Krieg mit anderen ,,Wilden" zu ziehen. Ihm wurden Menschenopfer dargebracht, die er mit Genuss verspeiste... Wie die Forschung aber zeigt, ist diese Vorstellung zu idealisiert und entstammt der Neigung der Europäer alles Fremde zu mystifizieren. Die sakralen Königstümer differieren sehr stark untereinander und sind in sich komplexer als angenommen. Auch entstand mit der Zeit eine Entzauberung der ,,schönen Wilden", wie sie noch aus der romantischen Sicht Rousseaus entstammten, da die wissenschaftlichen Arbeiten immer mehr Erkenntnisse sammelten und bei ihnen sogar Parallelen zur ,,zivilisierten" Welt fanden.

Mich interessiert in meiner Arbeit besonders die ambivalente Rolle des sakralen Königs in der Gesellschaft. Auf der einen Seite ist er der allmächtige Herrscher, aber auf der anderen wird er von Tabus eingeschränkt und dient seinen Untertanen als Sündenbock, der für Krisen zur Verantwortung gezogen wird. Dies möchte ich am Beispiel der Djukun, einem Volk in Nordnigeria, verdeutlichen. Dazu werde ich zu erst den Begriff ,,sakrales Königtum" definieren und das Volk der Djukun vorstellen. Danach werde ich mich ausführlich mit dem König der Djukun, den Ritualen, den Tabus und besonders seiner Stellung in der Gesellschaft beschäftigen. Am Ende meiner Arbeit werde ich dann die Ergebnisse diskutieren. Zu den Djukun konnte ich trotz intensiver Suche nur eine Monographie von C.K. Meek, ,,A Sudanese Kingdom", ausfindig machen. Seine Erkenntnisse beruhen auf einer fünfmonatigen Feldforschung bei dieser ethnischen Gruppe. Die Ergebnisse publizierte er 1931. Schon 1925 hatte er ein zweibändiges Werk über die ethnischen Gruppen Nordnigerias veröffentlicht, das ich auch für meine Arbeit benutzen werde. Des weiteren stand mir ein Aufsatz von Michael W. Young zur Verfügung, der im ersten Teil verschiedene Theorien über das sakrale Königtum vergleicht und im zweiten Teil soziale, politische und kosmologische Aspekte der Djukun unter besonderer Berücksichtigung des Königsmords untersucht. Die weiteren Werke auf meiner Literaturliste behandeln entweder theoretische Erkenntnisse über das sakrale Königtum allgemein oder sie beschränken sich auf kurze Angaben über die Djukun, die sich aber meines Wissens nach auf die Forschungsergebnisse von Meek beziehen.

2. Einführendes zum sakralen Königtum und den Djukun

2.1 Die Merkmale des sakralen Königtums

Das sakrale Königtum ist eine ,,[...] weltweit verbreitet politische und auch religiöse Ordnung, an deren Spitze der meist erbliche König steht, der bestimmte, den übrigen Menschen nicht zugestandene [...] Rechte besitzt und dem häufig übermenschliche Fähigkeiten zugesprochen werden" (Hirschberg 1988: 258). Der König kann zugleich höchster politischer Führer und Priester sein, oder als Gott von göttlicher Abstammung bzw. als von den Göttern/Ahnen Erwählter gelten. Aus diesem Grund wird das sakrale Königtum auch oft als göttliches Königtum bezeichnet. Der Einfachheit halber benutze ich im Folgenden nur den Begriff ,,sakral", da in der Forschung Uneinigkeit über die Abgrenzung zwischen sakral und göttlich herrscht.1 Die Institution des sakralen Königs ist unabhängig von der Person, die dieses Amt inne hat ,und die erst durch das Amt Sakralität erfährt.

Bei der Krönungszeremonie wird der König von dem Volk in Besitz genommen (Vgl. Abélès 1981: 3). Er bekommt eine neue Identität und wird von der Gesellschaft isoliert - er wird ,,unsichtbar" gemacht (Vgl. Ladstätter 1994: 4). Ferner gelten für den sakralen König besondere Umgangsgebote und Tabus.2 Allerdings darf bzw. muss er andere Tabus, wie z.B. Inzest oder Kannibalismus, die für den Rest der Gesellschaft gelten, brechen. Dieses Phänomen wird als ,,Transgression" - Übertreten, Überschreiten - bezeichnet. Dadurch soll sowohl Neid als auch Angst gegenüber dem König erzeugt werden. Des weiteren dient der König so auch in Krisenzeiten als Sündenbock, auf den sich der Hass und die Unzufriedenheit der Gesellschaft kanalisiert, damit deren Zusammenhalt gestärkt wird (Vgl. Muller 1981: 241 ff.).

Der König dient als Mittler zwischen den Göttern/Ahnen und den Menschen. Er garantiert die natürlich Ordnung, d.h. die Sicherung von Fruchtbarkeit bei Mensch, Tier und Pflanze. Seine Schwäche beschwört Unglück herauf. Folglich muss der König bei dem kleinsten Anzeichen von Krankheit, Alter oder Impotenz sterben (Vgl. Abélès 1981: 3). Dies geschieht durch rituellen Königsmord oder durch Selbstmord des Königs (Vgl. Thiel 1983: 139 f.). Auf diese Weise kann sich das Volk vom Unheil befreien. Diese beiden Seiten des Königtums zeigen die ambivalente Rolle, die der König in der Gesellschaft spielt: auf der einen Seite ist er der omnipotente Herrscher, auf der anderen ist er der Sündenbock für seine Untertanen (Vgl. Muller 1981: 242).

2.2 Die Djukun

Die Djukun, die zu den Bantuiden Völkern gehören (Vgl. Hirschberg 1965: 73), siedeln am mittleren Benue im nördlichen Nigeria. Ihr Gebiet wird von folgenden Siedlungen begrenzt: im Westen von Abinsi, im Osten von Kona, im Norden von Pindiga und im Süden von Donga. Zur Zeit von Meeks Forschung bewohnten 25000 Personen dieses Gebiet (Vgl. Meek 1969: 1). Young hingegen zählte nur 20000 (Vgl. Young 1966: 139) und ist der Meinung, dass es Ende der 60er sogar noch weniger sein werden. Für die Djukun gibt es verschiedene Schreibweisen (z.B. Jukun, Jukon) und verschiedene Namen. Die Hausa bezeichnen sie z.B. als Kororofawa und Kwararafa. Von den Kanuri werden sie als Kwana oder Kona bezeichnet. Das Djukun-Gebiet besteht aus den Überresten des mächtigen Kwararafa- Reiches, das aus der Kano-Chronik der Hausa bekannt geworden ist. Im 14. Jahrhundert stellte es eine gefürchtete Militärmacht dar, die unter anderem gegen die Hausa Krieg führte. Im 18. Jahrhundert setzte der Verfall des Kwararafa-Reiches ein, so dass die Djukun wehrlos den Überfällen der Chamba und der Fulani ausgesetzt waren (Vgl. Klein 1979: 316).

Aus diesen Überfällen resultierte auch die spätere Heterogenität der Djukun. Diese sind nämlich nicht in einer Gruppe organisiert, sondern leben ohne einheitliche ,,Stammesorganisation" zerstreut in ihrem Gebiet. Aus diesem Grund spricht Meek auch von den Djukun-sprechenden Völkern, obwohl er nur eine ethnische Gruppe meint. Die größte Gruppe, wap â genannt, siedelt in und um Wukari, die unter dem Aku von Wukari eine eigene Provinz bildet. Die Djukun von Absini, von Donga, von Takun und die vom Awei Distrikt gehören auch zu dieser Provinz, sind aber nicht unter der Verwaltung des Königs. Die Djukun von Kona und Wase Tofa hingegen gehören zur Adwarna Provinz und sind dem Fulani Emir von Muri untergeben. Die Djukun von Pindiga und Gwana sind in die Bauchi Provinz integriert. Folglich gibt es auch insgesamt sechs verschiedene Dialekte: 1) Wukari, 2) Donga, 3) Kona, 4) Gwana u. Pindiga, 5) Jibu und 6) Wase Tofa (Vgl. Meek 1969: 1).

,,Von der einstigen Macht der Djukun [...] ist nichts nachgeblieben als die religiöse Autorität ihres Königs, der die Fruchtbarkeit des Landes und des Volkes verkörperte", schreibt Klein (Klein 1979: 316). Diese Autorität erklärt auch zum Teil, wieso der Islam im Gegensatz zum restlichen Nigeria im Djukun-Gebiet keinen Fuß fassen konnte (Vgl. Meek 1969: 56).

3. Das göttliche Königtum der Djukun

3.1 Der Gottkönig

Der König der Djukun wird in der Literatur auch oft als göttlicher König bezeichnet. Diesen Ausdruck werde ich im weiteren Verlauf meiner Arbeit verwenden. Dabei beziehe ich mich auf eine Definition von Luc de Heusch.3,,Diese Art von Königtum (das göttlich Königtum, Anm. d. Verf.) besteht dann, wenn der Herrscher selbst als Gott oder als direkter Nachkomme Gottes gilt." (Thiel 1983: 139). Diese Aussage lässt sich auch bei Meek über den König der Djukun wiederfinden: ,,All Jukun chiefs, however minor, are regarded as being in some measure incarnations of deity; while the Aku of Wukari is regarded as the supreme incarnation" (Meek 1969: 121 f.) Um welche Gottheit es sich hier handelt, kann laut Young nicht wirklich geklärt werden (Vgl. Young 1966: 145). Meek kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass der König die Pluralität der Götter repräsentiert (Vgl. Meek 1969: 122). Trotzdem meint er nachweisen zu können, dass in früheren Zeiten der oberste Herrscher die beiden Hauptgestirne, Sonne und Mond, verkörperte (Vgl. Meek 1969: 122 ff.).4

Da der König ein Gott bzw. eine Inkarnation der Götter ist, hat er nicht unter den Grenzen des menschlichen Körpers zu leiden. Dies bedeutet, dass er weder schlafen, noch essen und niemals sterben muss. Wenn der Königs also ißt, muss er dies im Privaten tun, und das Essen wird ihm gleich einer Opfergabe für Götter dargereicht. Wenn der König schläft, sagt man allgemein, er sei im Himmel (Aku ne hwara) (Vgl. Meek 1969: 126). Stirbt der König, kehrt er in den Himmel zurück (Vgl. Klein 1979: 316).

Deswegen wird der königliche Körper auch mit einem speziellen Wort, juwe, bezeichnet. Dieser ist mit einer Art göttlicher Dynamik, eine Lebenskraft, die sowohl bedrohlich als auch nützlich sein kann, gefüllt. So darf der König z. B. niemals den Boden mit nackten Füßen berühren oder etwas vom Boden aufheben, da sonst seine Lebenskraft in den Boden fahren und die Ernte ruinieren würde (Vgl. Meek 1971 Bd.1: 254). Eine gefährlich Macht wie diese muss zum Wohl des Volkes kontrolliert werden. Aus diesem Grund wird der Aku von unzähligen Tabus eingeschränkt, die nicht nur eine Machtbeschneidung darstellen, sondern ihn auch aus der Gesellschaft ausgrenzen. (Vgl. Young 1966: 147). Folglich ist der König kein politischer Herrscher, sonder vielmehr einer mit symbolischer Macht (Vgl. Meek 1969: 129).

Wie sich zeigt, wird dem König der Djukun kein normales menschliches Leben zugestanden. Mit Amtsantritt erlangt er eine Sakralität, die ihn von der Gemeinschaft isoliert. Seine primäre Funktionen ist es die Fruchtbarkeit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu sichern, indem er den Wind und den Regen kontrolliert sowie die Harmonie zwischen Menschen, Göttern und den Ahnen zu erhalten. Der Glaube an die Macht des Königs über die Natur verleiht ihm eine unangefochtene Stellung in der Gesellschaft (Vgl. Meek 1971 Bd.1: 255).

Jedoch wird jegliche Naturkatastrophe auf seine Unfähigkeit oder Schwäche zurückgeführt. Konsequenz wäre in dem Fall der rituelle Tod des Herrschers. Dieser Brauch steht jedoch im Gegensatz zu dem Glauben, der Aku sei unsterblich. ,,'Ewig` und 'unsterblich` sind daher nicht die Individuen, sondern nur die Institutionen wie Klan, Häuptlingstum, Geheimbund und Königtum" (Thiel 1983: 141). Der Königsmord ,,löst" den Konflikt zwischen den Status des Königs als Gott und Symbol und seiner Existenz als menschliches Wesen. Die Gesellschaft tötet ihren Herrscher, um das Symbol zu retten (Vgl. Young 1966: 151).

3.2 Die Beziehung des Königs zu ...

a) den Ahnen

Die Ahnenverehrung ist bei den Djukun die vorherrschende Form von Religion (Vgl. Meek 1969: 131). Der Totenkult äußert sich besonders in der Verehrung des Gründers der ethnischen Gruppe als ,,Stammesgott" (Vgl. Thiel 1983: 141). Die Ahnenverehrung basiert auf dem universellen Glauben, dass die menschliche Seele den Tod überlebt. So wird der Tote zum Mittler zwischen den Menschen und den unbekannten Kräften des Kosmos (Vgl. Meek 1971 Bd.2: 12) Um den guten Willen des Ahnen zu bewahren, bleibt die Familie durch ihren ältesten männlichen Nachkommen im Kontakt mit dem Geist, indem dieser ihm zu Ehren Zeremonien veranstaltet. Darüber hinaus werden dem Verstorbenen Opfer an sein Grab gebracht. Bei Vernachlässigung bringt der Ahne seinen Nachkommen Unglück (Vgl. Meek 1971 Bd.2: 13).

Nach seinem Tod wird der König der Djukun zu einem mächtigen Gott. Aus diesem Grund ist auch ,,[...] the worship of deceased kings [...] the highest form of ancestor-worship" (Meek 1969: 131). Genau wie der Rest der Gesellschaft muss der König zu seinen Vorfahren und ebenfalls auch zu seinen Vorgänger durch Kulte Kontakt halten. Die ses Verhältnis geht sogar so weit, dass Meek den Aku als Sklaven seiner Ahnen bezeichnet (Vgl. Meek 1969: 131). Diese enge Verbindung wird durch das königliche Amulett, das aus einem Körperteil (meistens der rechte Arm) eines Vorfahren besteht und die Fütterung des Königs mit dem pulverisierten Herz seines Vorgängers demonstriert (Vgl. Young 1966: 149). Bei Vernachlässigung rächen sich die Ahnen, was sich z.B. in einer Hungerkatastrophe äußert. Durch das täglich Ritual und die Pflege von öffentlichen Kulten wird die gute Beziehung zwischen den Ahnen und der Menschheit garantiert (Vgl. Meek 1969: 132).

b) den Priestern

Zwar steht es in der Verantwortlichkeit des Akus die Beziehung zu den Ahnen zu pflegen, aber er nimmt niemals persönlich an den Ritualen teil. Tatsächlich ist es sogar tabu für den König bei deren Durchführung anwesend zu sein, außer natürlich bei denen, die ihm zu Ehren und in seinen Palast stattfinden. So beschränkt sich die rituelle Rolle des Königs auf das tägliche Ritual sowie die Organisation der Kulte: er stellt das heilige Essen zur Verfügung und kontrolliert, ob sie zu dem richtigen Zeitpunkt durchgeführt werden (Vgl. Meek 1969: 132). Laut Young ist der König aus diesem Grund genauso wenig ritueller wie politischer Führer, denn die Priester sind weder seine Vertreter noch ist ihre Autorität abhängig von ihm. Dies wird besonders durch das Verbot für den Aku gewisse Priester persönlich zu treffen verdeutlicht (Vgl. Young 1966: 146). So wirft man in Wukari dem Aku eine Decke über den Kopf, wenn er die Hütte des Kû Vi passieren muss (Vgl. Meek 1969: 138). Als Grund dafür nennt Meek die Göttlichkeit der Priester. Trotzdem ist er der Meinung, dass der König immer noch als göttlicher als die Priester angesehen wird (Vgl. Meek 1969: 133). Dennoch stellt das Tabu an öffentlichen Kulten teil zu nehmen und das Verbot Priester persönlich zu treffen eine Machtbeschneidung des Königs dar (Vgl. Young 1966: 146).

3.3 Die Regierung

,,The Jukun system of gouvernment might be described as a theocracy, based on the conception that the king is the representative of the gods and the divinely appointed intermediary between them and the people", beschreibt Meek das Konzept der Regierung unter dem Gottkönig (Meek 1969: 332). Doch gerade diese Sakralität grenzt die Autorität des Königs. Da auf Grund dieser Göttlichkeit niemand an ihn herantreten darf, müssen seine Untertanen ihn durch seine Beamten erreichen. Folglich wird der König nur in den Fällen informiert, die seine Beamten für wichtig erachten (Vgl. Meek 1969: 334). So nimmt der König zwar eine zentrale Stellung in der Regierung ein, kann aber nicht als Autokrat bezeichnet werden.

Die hierarchisch organisierte Beamtenschaft wird von etwa vier bis fünf Ministern angeführt, die vom König ernannt und auch wieder entlassen werden können. So hat dieser auf der einen Seite Einfluss auf sie, aber auf der anderen hängt sein Leben von ihren Wohlwollen ab, denn sie entscheiden, wann der Königsmord vollzogen wird (Vgl. Young 1966:140 ff.). Der oberste Minister, der Ab ô Achuwo, nimmt eine herausragende Position in der Beamtenschaft ein, da er entweder der Bruder des Königs ist oder der Sohn des Bruders. Er kann zwar nicht König werden, hat aber seinen eigenen Hofstab. Er, als Hauptratgeber des Königs, kann als einziger den Aku jeder Zeit besuchen. Er muss dem Königsmord zustimmen und sein Urteil hat großes Gewicht bei der Wahl des Nachfolgers (Vgl. Meek 1969: 334). Der nächst höhere Minister ist der Kinda Achuwo, der offizielle ,,jüngere Bruder" des Königs. Er ist einer der engsten Berater des Königs und unterstützt ihn bei richterlichen Angelegenheiten. Außerdem wird er laut Schachinger in der Öffentlichkeit für den Tod des Königs verantwortlich gemacht (Vgl. Schachinger o.J.: 14).

Unter der Beamtenschaft des Königs gibt es auch drei Frauen mit großem Einfluss: die Angwu Tsi, die Angwu Kaku und die Wakuku. Die Angwu Tsi ist der ,,[...] female counterpart of the king" (Meek 1969: 340). Sie war die Frau eines früheren Königs und gilt deshalb als die offizielle Mutter des Königs (Vgl. Meek 1971 Bd.1: 265). Allerdings lebt sie nicht in seinen Palast, sondern hat einen eigenen, der allen Zuflucht bietet, die in die Ungnade des Königs gefallen sind. Sie ist das Oberhaupt der weiblichen Bevölkerung und nimmt auch rituelle Funktionen ein (Vgl. Meek 1969: 341). Auf diese Weise entsteht ein Staat im Staat. Die Angwu Kaku ist die offizielle Schwester des Königs, da sie die Tochter eines früheren Königs ist. Sie kontrolliert die Frauen im königlichen Palast und ist die einzige, die die privaten Räume des Königs betreten darf (Vgl. Meek 1969: 341). Die Wakuku schließlich ist die Hauptfrau des Königs. Sie ist die Witwe des Vorgängers. Am Puje-Fest wird sie rituell mit dem regierenden Herrscher vermählt. In der darauffolgenden Nacht soll nach Meek der einzige sexuelle Kontakt zwischen den beiden stattfinden (Vgl. Meek 1969: 341). Als Hauptfrau ist es die Pflicht der Wakuku die anderen Frauen des Königs zu überwachen (Vgl. Meek 1969: 342).

Wie sich zeigt, ist der König in fast allen Entscheidungen abhängig von seinen Ministern oder den weiblichen Beamten. So werden Entschlüsse nicht durch den obersten Herrscher gefällt, sondern entstehen in einem Netz von Beziehungen und Machtkämpfen zwischen den adeligen Familien. Nicht ohne Grund stellt Meek bei den Djukun eine stark entwickelte Bürokratie fest (Meek 1971 Bd.1: 255).

4. Die Zeremonien

Die Zeremonien sind ein wichtiger Bestandteil des königlichen Lebens. Durch sie erlangt der Aku Göttlichkeit und auch durch sie wird sie ihm wieder abgesprochen. Sie bestimmen seinen Tagesablauf sowie den Verlauf seines Lebens. Im Folgenden werde ich auf die Krönungszeremonie, das tägliche Ritual, das Puje-Fest und die Begräbniszeremonie eingehen. Dabei werde ich mich auf Aspekte, die die duale Natur des Königtums zeigen, konzentrieren. Auf Details werde ich dabei aus Platzgründen leider verzichten müssen .

4.1 Die Krönungzeremonie

Die Krönungszeremonie dient dazu den Königsanwärter in eine Gottheit zu überführen. Sie reflektiert also den Glauben, dass der König erst mit der Aufnahme des Amtes Sakralität erfährt. Dafür muss sein früheres menschliches Ich rituell sterben, um dann als Gott wiedergeboren zu werden (Vgl. Meek 1969: 133).

Die Zeremonie ist im Detail bei allen Djukun-Gruppen verschieden, allerdings sind die Kernaspekte gleich:

,,[...] the seizure of the person chosen, the stripping of his clothes as the symbol of re- birth, the binding-on of cloth as the emblem of his souvereignty, the adomnition to rule justly, the period of seclusion during which he undergoes a process of divinization, learns to receive his food in ritual fashion, and is shown the secret amulets, the ceremonial bathing, the replaiting of the hair-lock, the giving of a new name, the re- clothing in the royal regalia, the feast, acclamation of the people, salutation of the tutelary genii, and the formal entry into the royal palace" (Meek 1969: 133).

Um diese Aspekte zu verdeutlichen, werde ich nun die Krönungszeremonie in Wukari in gekürzter Version schildern. Etwa eine Woche nach dem Tode des amtierenden Königs wird der neue Aku aus einer Gruppe von Thronanwärtern gewählt.5 Diese müssen sich in einer Reihe in der prallen Sonne außerhalb des Dorfes aufstellen. Der Kinda Cheku 6 inspiziert die Kandidaten und berät sich dann mit dem Kû Vi, der solange in seinem Gehöft wartet. Doch diese Beratung ist nur zum Schein. In Wirklichkeit steht der Anwärter schon vor der Zeremonie fest (Vgl.. Schachinger o.J.: 23).

Der Kinda Cheku greift dann den Ausgewählten am Handgelenk, der auf den Schultern eines Mannes zum Kû Vi gebracht wird. Als potentieller Königsanwärter und Gott ist es ihm, wie weiter oben schon erwähnt, verboten den Boden zu berühren. Im Quartier des Kû Vi wird der neue Aku entkleidet, gewaschen und in ein Lendentuch gehüllt (Vgl. Meek 1969: 136). Um seinen Körper zu verhüllen, erhält der König ein Stoffgewand, den roten Königsmantel, der mit Bildern von Vögeln, Skorpionen oder Käfern verziert ist, und eine schwarz-weiße Kappe als Krone. Als Zeichen seines Amtes wird ihm eine Peitsche übergeben. Der Regen-Priester übergibt ihm ein schwarzes Tuch, dem man spezielle Regen kontrollierende Eigenschaften nachsagt. Der Kuza, der Korn-Priester, übergibt dem König das Saatkorn seines Vorgängers. So ausgestattet wird der König offiziell dem Kinda Achuwo übergeben (Vgl. Schachinger o.J.: 24). Dieser Ablauf von Entkleiden, Waschen, Ankleiden und Übergabe der Insignien stellt meiner Meinung nach den rituellen Tod des Anwärters und seine Wiedergeburt als König dar. Besonders wichtig erscheint mir der Aspekt, dass der König während dieses Vorganges seine Eltern ,,verliert". Mit den Worten ,,Henceforth you have no father or mother" spricht der Kû Vi dem als Gott Wiedergeborenen seine irdischen Eltern ab. In früheren Zeiten wurden die Eltern sogar bei der Krönungszeremonie getötet (Vgl. Meek 1969: 137).

Nachdem die Beamtenschaft und die zurückgewiesenen Kandidaten dem König ihre Ehrerbietung gezeigt haben, reitet der König auf einem Pferd zu der Wakuku 7 , mit der er die nächsten zwei Nächte verbringt. Danach begibt er sich in die Hauptstadt, um sich von seinen Untertanen feiern zu lassen. Da dem König erst ein neuer Palast gebaut werden muss8, wohnt dieser die ersten zwei Jahre seiner Regentschaft bei Verwandten (Vgl. Schachinger o.J.: 24 f.). Dies erwähne ich, da ich der Meinung bin, dass so die Einhaltung der königlichen Tabus wohl sehr schwer ist. Außerdem ist auch die ,,Unsichtbarkeit" für die Untertanen durchbrochen.

4.2 Das tägliche Ritual

Das tägliche Ritual beinhaltet das zeremonielle Trinken von Bier. Dies wird sowohl als Füttern der Götter als auch als heilige Kommunion verstanden. Meek erklärt das auf folgende Weise: ,,Beer is the food of the gods; and when the king drinks the beer he not only receives the same nourishment as the gods, but actually feeds the gods immanent in his person" (Meek 1969: 153). Außerdem sind die Götter der Djukun Korn-Götter. Folglich ist das Bier, das aus Korn gebraut wird, kein Geschenk der Götter, sondern es symbolisiert die Götter. Dies ist vergleichbar mit dem heiligen Abendmahl im Christentum (Vgl. Meek 1969:135).

Nun zum Tagesablauf des Königs: Bei Tagesanbruch wird der König von einem Diener geweckt. Nachdem er sich gewaschen hat, geht er in sein vorher sauber gefegtes bieko 9, um sich dort anzuziehen. Würde der König in ein nicht gefegtes bieko treten, würde er innerhalb eines Jahres sterben. Daraufhin begibt er sich zu seinem geheimen Schrein, einem Sandhaufen, neben oder unter dem ein Gottessymbol vergraben ist. Ein Priester, der Ajif î, tippt erst mit befeuchteten Fingern dreimal auf den Boden vor dem Schrein und dann schüttet er Zeremonialbier auf den Sandhaufen. Der König selber betetet währenddessen, ergreift aber niemals selbst die Initiative (Vgl. Schachinger o.J.: 19 f.).

Anschließend wird dem Herrscher von einem Akolythen10 Bier gereicht. Das Bier, ebenso wie das Zeremonialbier der Götter, ist nicht aus normalen Korn gebraut, sondern nur aus bestimmten Sorten von Hirse (Vgl. Schachinger o.J.: 17). Während der Aku trinkt, senkt der Akolyth seinen Blick zu Boden. Wenn das Bier ausgetrunken ist, hustet der König einmal leicht. Der Akolyth füllt das Gefäß erneut mit Bier, außer der König lehnt durch ein Kopfschütteln ab. Dann verläßt der junge Mann die Hütte, indem er rückwärts den Boden fegt. Auf diese Weise werden alle Tropfen des heiligen Bieres, die eventuell auf den Boden getropft sind, abgedeckt und auch alle Fußspuren entfernt. Denn erstens sollten heilige Objekte nicht fallen gelassen werden und zweitens hinterlassen Götter, d.h. der Aku, keine Fußspuren (Vgl. Meek 1969: 157 f.).

Um die Mittagszeit wird das rituelle Trinken von Bier noch einmal wiederholt. Erst gegen abend nimmt der König Nahrung zu sich. Auch dies wird in zeremonieller Weise durchgeführt. Währenddessen muss im Palast und in der ganzen Stadt Ruhe herrschen. Das Essen wird von einem Mann oder einer sehr alten Frau gekocht und vom Ak û Nako, dem Haushofmeister, oder einem Akolyth serviert. Bei der Nahrungsaufnahme muss der König allein sein. Aus diesem Grund tritt der Akolyth vor die Hütte des Königs. Dreimaliges Husten signalisiert ihm, dass der König sein Mahl beendet hat. Er reicht dem König erneut ein Gefäß mit Bier und dreht seinen Kopf zur Seite, während dieser trinkt. Die Diener teilen dem Volk durch Schlagen auf ihre Oberschenkel und lautem Rufen mit, dass die Zeremonie vorbei ist, und sie sich wieder ihrer Arbeit widmen können. Danach wird der König in sein biene eskortiert (Vgl. Meek 1969: 160 ff.).

Wie diese kurze Skizze des täglichen Ritual zeigt, ist der ganze Tagesablauf des A ku stark reglementiert. Jeder Tag läuft nach diesem Muster ab. Der König darf sich niemals selber Bier oder Essen nehmen. Nur zu den bestimmten Tageszeiten darf er seine körperlichen Ansprüche befriedigen. Ohne Frage trägt das tägliche Ritual auch zur Vergöttlichung des Königs bei.

Niemand, nicht einmal seine engsten Diener, dürfen ihn beim Essen oder Trinken sehen, da er ja als Gott keine Nahrung zu sich nehmen muss. Auch das Verwischen seiner Fußspuren führt in diese Richtung. Das Schweigen seiner Untertanen während seines Abendmahles betont meiner Meinung nach die hohe symbolische Rolle, die der König in der Gesellschaft einnimmt. Seiner Stellung als Mittler zwischen den Menschen und den Ahnen wird so Rechnung getragen. Allerdings wird seine rituelle Stellung eindeutig eingeschränkt, denn nicht er führt das Ritual am Schrein der Ahnen durch, sondern ein Priester.

4.3 Puje -Fest

Bevor ich zum rituellen Tod und der Beerdigung des Königs übergehe, werde ich mich noch kurz mit dem Puje-Fest beschäftigen. Das Puje-Fest ist laut Meek ein Erntefest, das dazu dient die Ernte zu feiern sowie die Bindung zwischen Volk und König zu stärken bzw. zu erneuern (Vgl. Meek 1969: 144). Im Gegensatz zu allen anderen religiösen Zeremonien ist Frauen und auch Fremden die Teilnahme gestattet. Vor Beging des Festes müssen alle Familien soviel Korn abgeben wie sie entbehren können. Aus dem Getreide wird dann das rituelle Bier für das tägliche Ritual des Königs, für Trankopfer und zum Feiern gebraut (Vgl. Schachinger o.J.: 26).

Das Fest findet außerhalb von Wukari statt und dauert sieben Tage. Für den König und seine Minister werden extra Hütten aus Gras aufgebaut, die der Anordnung im Palast entsprechen (siehe Abb. 4). Vor Sonnenaufgang an dem festgelegten Tag begibt sich der König in einer Prozession mit seiner Beamtenschaft zum Festplatz, da er dort - wie an jeden Tag - das tägliche Ritual vollziehen muss. An der Spitze der Prozession ist eine Frau, die Asho wa pve. Ihr folgt die Wakuku, der König zu Pferde mit einer großen Schar von Dienern, Trommlern und Fiedlern, seinen Beamten und etwa 40 Frauen (Vgl. Meek 1969: 148 f.). Am Nachmittag kehren dann alle wieder nach Wukari zurück. Diesmal wird die Prozession von der Angwu Tsi und ihrem Hofstaat angeführt. Ihr folgt nun die umgekehrte Reihenfolge der ursprünglichen Prozession. In der Stadt wird jetzt sieben Tage lang gefeiert und getanzt.

Meines Erachtens nach spiegelt das Puje-Fest den Rahmen des königlichen Lebens. Bei der Krönungszeremonie wird der König Schritt für Schritt initiiert und bekommt die verschiedenen Insignien nacheinander verliehen. Bei der Beerdigung spricht man ihm diese in umgekehrter Reihenfolge wieder ab. Hier sehe ich auf jeden Fall Ähnlichkeit mit der Prozession. Außerdem geht es bei dem Fest um die Ernte bzw. die Fruchtbarkeit des Getreides. Folglich wird auch der Herrscher als Hüter der natürlichen Ordnung gefeiert. Es wird sozusagen der Sinn des königlichen Amtes begründet.

4.4 Die Begräbniszeremonie

Nach einer Zeit von sieben Jahren muss der Gottkönig der Djukun sterben. Young vermutet, dass dies im Zusammenhang mit der Wiederkehr von Hungersnöten im Zyklus von etwa sieben Jahren in Nordnigeria steht (Vgl. Young 1966: 150). Allerdings konnte sowohl Young als auch Meek Abweichungen von dieser Regel beobachten. Meek kommt zu dem Schluss, dass der Tod des Herrschers nach einer siebenjährigen Regierungszeit nur in früheren Zeiten der Fall war (Vgl. Meek 1969: 164 f.). Im Folgenden werde ich mich der rituellen Tötung des Königs und seiner anschließenden Beerdigung widmen. Die Gründe für den Königsmord habe ich weiter oben schon erklärt. Aus Platzgründen werde ich auch auf eine Interpretation des Zwangstodes verzichten, da er in der Literatur ausführlich behandelt wird11.

Die einzige zulässige Methode den König zu töten, ist ihn zu erwürgen. Erstens wird auf diese Weise kein Blut vergossen. Zweitens müssen so die ,,Mörder" dem A ku nicht in die Augen gucken, denn andernfalls würde sie die den Körper verlassende Seele erschlagen. Arrangiert wird die Tat durch die ältesten Beamten des Königs, die zwei seiner engsten Diener beauftragen ihn bei Nacht mit einer Schnur oder einem Tuch zu strangulieren. Der Mord darf niemals in der Öffentlichkeit vollzogen werden. (Vgl. Young 1966: 143 f.). Bis zum offiziellen Begräbnis des Herrschers wird dessen Tod geheim gehalten, da die Minister Zeit brauchen, um einen Nachfolger auszuwählen und Machtkämpfe zwischen/innerhalb der atsupa vermieden werden sollen. Also wird überall verkündigt, dass der König sich nicht wohl fühle. ,,Um die Fiktion, er sei noch am Leben, aufrecht zu halten, bestieg ein naher Verwandter - meist der Sohn einer Schwester des toten Königs - den Thron bis zur Krönung des neuen Herrschers" (Schachinger o.J.: 14).

Sofort nach dem Eintritt des Todes wird die Leiche des Königs von zwei Beamten, dem Kat ô Puje und dem Iche Puje, aufgeschnitten. Sie entnehmen ihr das Herz, das dann auf einem Stock neben einem Feuer getrocknet wird. Später wird es zu Pulver zerstoßen und dem neuen König ins Essen gemischt. Zusätzlich entfernen die beiden Beamten die Gedärme, die Lunge und die Leber, die dann getrennt vom Rest des Körpers beerdigt werden. Nun wird die Leiche mit Butter und Salz eingerieben, massiert und mit Bandagen umwickelt. Danach wird der Körper aufrecht in ein Loch im Boden gestellt, in dem Tag und Nacht Feuer brennen (Vgl. Meek 1969: 167 ff.).

Am Tag des Begräbnisses12 kleidet man den so mumifizierten Leichnam des Königs in den Königsmantel. Die Hände und der Kopf sind mit weißen Schleiern verhüllt. Erst jetzt wird offiziell der Tod des Aku verkündet. Das Volk verabschiedet sich von seinem Herrscher durch lautes Wehklagen. Mit Stoffbändern wird die Leiche hinter einem Reiter auf ein Pferd gebunden. Auf beiden Seiten geht ein Mann, um das Herunterfallen des Toten zu verhindern. Begleitet von den obersten Minister und den Mitgliedern der königlichen Familie begibt sich der Reiter zum Korn-Priester. Dieser verlangt das Saatkorn zurück, das er dem König am Tag der Krönung anvertraut hat. Danach schreitet die Prozession zum Kû Vi, der den Königsmantel13, die schwarz-weiße Kappe und die Peitsche wieder an sich nimmt. Beim Regen-Priester muss nun das schwarze Tuch abgeliefert werden. Mit der Rückgabe der Insignien wird sozusagen die Krönungszeremonie rückgängig gemacht. Der Aku verliert die königliche Würde und bekommt einen neuen Namen, so dass er am Ende nur noch ein gewöhnlicher Leichnam ist. In diesem Zustand legt man ihn auf eine Bahre in einer Begräbnishütte, deren Eingang dicht versiegelt wird (Vgl. Meek 1969: 171 ff.).

Durch die Begräbniszeremonie wird noch einmal der Glaube an die Unsterblichkeit des Königs verdeutlicht. Solange kein neuer Herrscher ernannt ist, besteigt ein Stellvertreter den Thron. In dem Sinne ist immer ein König da. Aus diesem Grund finde ich es zutreffender von der Unsterblichkeit des königlichen Amtes zu sprechen, als von der Unsterblichkeit der Person. Denn Tatsache ist, das der König nun mal stirbt, da er immer noch einen menschlichen Körper besitzt. Folglich gibt es hier einen Konflikt zwischen der Unsterblichkeit der Institution und dem schwachen menschlichen Körper des Königs. Dieser Konflikt wird durch das Geflecht der Tabus, dem täglichen Ritual und dem Königsmord gelöst.

5. Schlusskapitel: Der Gottkönig als Staatsformer?

In den vorangegangen Kapiteln habe ich versucht die ambivalente Rolle des Djukun-Königs in der Gesellschaft herauszustellen. Leider musste ich auf viele Details verzichten, da meine Arbeit sonst den Rahmen gesprengt hätte. Meek und Young betonen selber in ihren Arbeiten mehrmals, dass es ihnen wahrscheinlich nicht gelungen ist, alles vollständig aufzuzeichnen. In die Geheimnisse des Königtums sind nur wenige Personen eingeweiht. Folglich beruht die Forschung von Meek und Yo ung teilweise nur auf Beobachtung und Hörensagen.

Fraglich ist auch, ob das Königtum der Djukun in der von Meek und Young beschriebenen Form überhaupt noch existiert. Ich denke, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges in Nigeria - und so auch bei den Djukun - verändert hat. Durch seine reichen Ölvorkommen ist dieses Land besonders stark dem Einfluss von Amerikanern und Europäern ausgesetzt. Des weiteren hat der Islam sich nun fast vollständig in Westafrika ausgebreitet.

Trotz meiner oberflächlichen Ausführungen kann man deutlich die duale Natur des Gottkönigs erkennen. Als Garant für die natürliche Ordnung wird er vom Volk verehrt und gefürchtet. Die Sakralität seines Amtes ist unantastbar. Dennoch wird seine Macht durch verschiedene Tabus eingeschränkt. So ist der König, wie ich im Verlauf meiner Arbeit dargestellt habe, weder politischer noch ritueller Führer, sondern eher einer mit symbolischem Charakter.

Er ist ein Sinnbild für die Pluralität der Götter und die Einheit der Gesellschaft, die aus der Rolle des Königs als Sündenbock entsteht. Für Krisen wird der Herrscher verantwortlich gemacht. Seine Rolle als Sündenbock wird durch die Überschreitung von Tabus verstärkt. Auf diese Weise kann sich der Hass der Gemeinschaft im Fall einer Katastrophe auf den Herrscher kanalisieren. Konsequenz wäre zwar der Königsmord, aber der Erhalt der Gesellschaft wäre gesichert, denn mit dem Tod des Königs stirbt auch der Konflikt. Demzufolge ergründet sich aus der Institution des königlichen Amtes die Struktur des Staates. Ohne Frage ist der König dessen Mittelpunkt. Zwar nicht als regierender Herrscher im politischen Sinne, aber als Grundstein dessen. Aus diesem Grund ist auch der Glaube an die Unsterblichkeit des Gottkönigs wichtig für den Fortbestand der Gesellschaft - ohne seine integrierende Kraft würde der Staat auseinanderbrechen.14

6. Glossar

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7. Literaturverzeichnis

- Abélès, Marc (1981): Sacred Kingship and Formation of the State. In: Claessen, Henri J.M. u. Skalnik, Peter (Hrsg.): The Study of the State, S. 1 - 13. Paris/New York: Mouton Publisher ¬ Hirschberg, Walter (Hrsg.) (1988): Neues Wörterbuch der Völkerkunde. Berlin: Dietrich Reimer Verlag
- Ders. (1965): Völkerkunde Afrikas. Mannheim: Bibliographisches Institut. Hochschultaschenbuch-Verlag
- Klein, H. (1979): Der Zentralsundan. In: Baumann, Hermann (Hrsg.): Die Völker Afrkas und ihre traditionellen Kulturen. Teil 2, S. 308 - 336. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag GmbH ¬ Ladstätter, Gerhard: Sakrales Königtum in Afrika. In: http://www.unet.univie.ac.at/~a9304275/konigtum.html. Stand: Januar 1994. Abgerufen am 08.11.99, 12:48 h
- Meek, C.K. (1969): A Sudanese Kingdom. An Ethnographical Study of The Jukun-speaking People of Nigeria (2. Auflage). New York: Negro Universities Press
- Ders (1971): The Northern Tribes of Nigeria (2. Auflage). 2 Bde. Plymouth/London: Frank Cass & Co LTD.
- Muller, Jean-Claude (1981): Divine Kingship in Chiefdoms and States. A Single Ideological Model. In: Claessen, Henri J.M. u. Skalnik, Peter (Hrsg.): The Study of the State, S. 239 - 249. Paris/New York: Mouton Publisher
- Schachinger; Barbara (o.J.): Das Königtum der Djukun aus kritischer Sicht. Unveröffentlichte Hauptseminarsarbeit, Universität Münster
- Thiel, Franz Josef (1983): Grundbegriffe der Ethnologie. Vorlesungen zur Einführung (4. Auflage). Berlin: Dietrich Reimer Verlag
- Young, Michael W. (1966): The Divine Kingship of the Jukun. In: Africa. Journal of the International African Institute XXXVI, No. 2, S.135 - 152. London: Oxford University Press

[...]


Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die ambivalente Rolle des sakralen Königs in der Gesellschaft am Beispiel der Djukun
Autor
Jahr
2000
Seiten
17
Katalognummer
V99937
ISBN (eBook)
9783638983709
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Königs, Gesellschaft, Beispiel, Djukun
Arbeit zitieren
Irena Güttel (Autor:in), 2000, Die ambivalente Rolle des sakralen Königs in der Gesellschaft am Beispiel der Djukun, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99937

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die ambivalente Rolle des sakralen Königs in der Gesellschaft am Beispiel der Djukun



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden