Sexuelle Gewalt
Was genau als sexuelle Gewalt oder sexuellen Übergriff verstanden werden kann und wird, ist verschieden. Ist es körperliche Zuneigung, die das Kind nicht möchte, ist es Zuneigung, zu dem das Kind überredet wurde, zu der es gezwungen wurde, die es von sich aus nicht ausführen würde? Die Meinungen gehen auseinander.
,,Wir sprechen von Sexueller Ausbeutung von Kinder, wenn ein erwachsener oder jugendlicher Täter (in einigen Fällen auch eine Täterin) zu seiner eigenen Befriedigung ein Kind sexuell benutzt und das Vertrauen, das uns Kinder schenken, schamlos ausnützt."
,,Als Inzest gilt laut Strafgesetzbuch der Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Bruder und Schwester. Im erweiterten Sinn wird darunter der sexuelle Missbrauch eines Kindes in der Familie oder durch einen Erwachsenen, der Erziehungsfunktion ausübt, verstanden."
So lautet die Definition sexueller Gewalt von Pro Juventute. Bei dieser Definition geht es also darum, dass der Täter seine eigenen Bedürfnisse mit Hilfe des Opfers (meist Kindern) stillt. Vertrauen missbrauchen heisst Macht ausüben. Wir alle befinden uns in verschiedenen Machtsituationen. Meistens sind wir irgendwo mitten in einer ,,Machtkette", wenn nicht sogar gegen Ende dieser Kette. Dadurch wird auch immer Macht auf uns ausgeübt, was natürlich nicht schlecht sein soll. Sind wir allerdings gegen Ende dieser Kette, bleibt oft nur noch das Kind, das sich unter uns befindet. Kommt man mit dem Machtverhältnis nicht mehr klar (wenn die eigenen Grundbedürfnisse verletzt werden), versucht man selbst in die höhere Machtposition zu kommen. Somit ist der Leidtragende immer der letzte in der Reihe, weil er nichts mehr weitergeben kann. Der letzte in der Reihe ist das Kind.
Prävention
Es ist wichtig, was ihr Kind denkt und wie es sich fühlt. Es sollüber alles sprechen dürfen, was es bewegt.
So lautet der erste Ratschlag von Pro Juventute, um Kinder davor zu bewahren, selber Opfer zu werden. Das Kind soll sich verstanden fühlen und mitteilen können, wie es sich momentan fühlt. Dadurch bekommt das Kind Sicherheit. Es weiss, dass es verstanden und ernst genommen wird. Es hat jemanden, der ihm zuhört und ihm Beachtung schenkt, der ihm glaubt was es erzählt. Durch diese Sic herheit entsteht Vertrauen. Vertrauen des Kindes in sich und in seine Umwelt (Erikson: ich bin, was man mit gibt).
Ihr Kind soll wissen, dass es nein
sagen darf,zu allen Berührungen, die ihm unangenehm sind.
Ratschlag Nummer zwei. Das Kind soll selber entscheiden, was es will und was nicht. Es soll seine Wünsche erkennen und anbringen. Es reicht natürlich nicht, dass das Kind nur zu Berührungen ja oder nein sagen kann. Denn schliesslich gibt es noch andere Arten von Missbrauch von Kindern. Das Kind soll in allen Situationen abwägen können, was es will und was nicht. Wichtig ist dabei, dass das Kind auch lernt, in welcher Situation es knallhart seinen eigenen Willen kundgeben soll, darf, muss, und wann es auch den Willen der anderen akzeptieren soll, darf, muss (Erikson: ich bin, was ich will). Das Kind soll also autonom sein. Sollen: hier kann eine ,,falsche" Entscheidung (ich will eigentlich nicht, aber ich tu's zu liebe) noch keine gravierenden Folgen haben
Dürfen: die Entscheidung ist dem Kind frei gestellt (will es ein Eis oder nicht) Müssen: hier geht es um den Schutz des Kindes
Ihr Kind muss wissen,
dass es Erwachsene gibt, die Kinder sexuell ausbeuten.
Der dritte Ratschlag von Pro Juventute. Die Augen vor der Realität verschliessen, nützt nichts. Das Kind soll lernen, mit solchen Problemen umzugehen. Das Thema muss nur kindgerecht behandelt werden. Die Kinder dürfen wissen, dass es Menschen gibt, die sie nicht immer zuerst fragen, was sie gerne wollen. Das Kind muss erfahren, wann es sich wehren soll, wann es seine Meinung mitteilen soll, und muss. Denn bekanntes gibt Sicherheit und durch Sicherheit kann wiederum Autonomie gelernt werden (Erikson). Ist dem Kind diese Tatsache bekannt, kann es auch eher darüber sprechen, denn es weiss, dass andere schon in dieser Situation waren und es nicht alleine da steht.
Ihr Kind soll wissen, dass es immer jemanden gibt, der ihm helfen kann, wenn es in Schwierigkeiten ist. Es soll wissen, wo und bei wem es sich Hilfe holen kann.
Information statt Versteck-Spiel. Ähnlich wie beim vorherigen Punkt, geht es auch beim vierten Ratschlag darum, dem Kind Sicherheit zu geben und somit seine Autonomie zu fördern. Da braucht es auch Informationen der Bezugspersonen des Kindes. Weil der Täter auch oft eine Bezugsperson ist, braucht das Kind eventuell jemanden aus einem anderen Kreis, den es um Rat fragen kann. Ist das Kind informiert, weiss, wie es sich sogar selber Hilfe holen kann, so besteht eine weitere Möglichkeit, dass das Kind sich meldet, wenn es zum Opfer wurde.
Und der Täter?
Oft wird Prävention und Hilfe nur für die Opfer angeboten (z.b. auch auf dieser Internetseite von Pro Juventute). Aber was ist mit den Tätern? Auch sie brauchen Hilfe. Schliesslich ist die Situation für sie auch belastend. Ich möchte sie hier nicht in Schutz nehmen. Aber ihre Situation muss auch verstanden werden. Denn bis es zu sexueller Gewalt kommt, steckt oft viel dahinter. Wie schon beschrieben spielt das Machtverhältnis eine grosse Rolle. Die Grundbedürfnisse des Täters (Erikson) wurden verletzt. Genau wie die des Kindes. Dazu kommt meistens noch ein Konflikt mir der Definition der eigenen Rolle. Besonders, wenn der Täter ein Familienmitglied (Vater/Mutter) ist. Denn kaum ist das Kind auf der Welt, sind die beiden Elternteile nicht mehr Geliebte, sondern eben Eltern. Wenn sie mit dieser neuen Rolle nicht klar kommen, wenn sie die eine ganz ausschalten, also keine Lösung für diesen Konflikt finden, kann das sehr belastend werden. Denn schon wieder wurden die eigenen Bedürfnisse verletzt.
Beispiel:
Der Ehemann wurde zum Vater. Er wird von seiner Frau in dieser Rolle festgehalten. Durch die Art und Weise wie sie ihm begegnet, wie sie ihn anspricht, usw. Er möchte aber auch gerne weiterhin der Partner seiner Frau sein. Hier entsteht ein Konflikt. Wird der nicht für beide zufriedenstellend gelöst, werden seine Bedürfnisse verletzt. Folge: Frustration Also. Wo bleibt die Hilfe für den Täter? Sie ist unterwegs. Es gibt immer mehr Therapien für Opfer und Täter getrennt, die ganze Familie, etc.
Doch was ist mit Prävention der Täter?
Darüber habe ich (noch) nichts gefunden. Eheberatung, soziale Hilfen,... könnten da sehr wirksam sein. Nur braucht es ziemlich viel, bis sich ein Paar eingesteht, dass es Hilfe von aussen benötigt. Lieber wird das Zuhause gelöst, oder eben nicht. Da spielen nur schon die Werte der Gesellschaft sehr viel mit. Es gehört sich nicht, wenn man seine Probleme nicht alleine lösen kann. Besonders nicht die in seiner Partnerschaft. Schliesslich sind wir ja alle erwachsen und können miteinander reden. Schön wär's!
Zur Prävention des Täters könnte ich die selben vier Tipps von Pro Juventute, wie für die Prävention des Opfers auflisten. Auch Erwachsene haben Bedürfnisse. Diese sollen so gut wie möglich gestillt und berücksichtigt werden. Viele Erwachsene müssen lernen, ihre Wünsche offen anzubringen und darüber zu reden. Nein, reden alleine reicht nicht. Aber es ist ein Anfang, wenn man sich mitteilt. Danach kann man gemeinsam einen Lösungsweg suchen, der für beide akzeptabel ist. Somit kann schon sehr viel Präventionsarbeit geleistet werden. Denn Menschen in glücklichen Beziehungen (glücklich im Sinn von der Befriedigung der Grundbedürfnisse, so weit möglich) sind kaum Täter sexueller Gewalt.
Ich bin doch selber schuld
Viele Opfer sexueller Gewalt sehen sich als mitschuldig, wenn nicht sogar Täter. Das ist sehr leicht nachvollziehbar. Denn eigentlich könnte man sich ja meistens wehren. Rein objektiv betrachtet. Und wenn man ehrlich ist, war da vielleicht doch etwas, das gar nicht ma l so schlimm war. Hilfe wäre auch an vielen Orten gefunden worden, hätte man darüber geredet. Nur darüber reden ist sehr schwer, weil man sich eben als mitschuldig sieht. Da beginnt es wieder von vorne. Was hier fehlt ist die Autonomie, wenn nicht sogar das Vertrauen. Nämlich das Vertrauen in sich selber. Ich bin, was man mir gibt. Wenn mir gegeben wird, ich war selber schuld, so verletzt das mein Grundbedürfnis nach Vertrauen. Die Folge: Misstrauen. Da fehlt dann auch der Mut (Autonomie) hinzugehen und NEIN zu sagen. Hinzugehen und sich mit zuteilen. Hinzugehen und sich wehren. Lieber verkriecht man sich in einen ruhigen Raum in dem man sich sicher und geschützt fühlt und hofft auf irgendein Wunder. Dazu kommt die emotionale Bindung, die oft zwischen Opfer und Täter vorhanden ist. Man hat ihm ja vertraut. Und man hat ihn gern. Ich kann doch nicht es ist wie eine Art schlechten Gewissens. Jemanden den man gern hat, lässt man doch nicht ins offene Messer laufen. Und die Hoffnung, dass es besser wird. Man gibt ihm oft noch eine letzte Chance, und dann noch eine, und noch eine,
Die Reihe ist an uns
Weil sich die Opfer nur selten von sich aus melden, sind wir (=Menschen in der Umgebung, Erzieher, Familienmitglieder, etc.) gefragt. Wir haben die Möglichkeit, objektiv zu urteilen. Wir können helfen. Sei es nur im kleinen. Wir können professionelle Hilfe einholen, wir können Ansprechpartner sein. Wenn wir über uns und unsere Gefühle sprechen können, wenn wir zu uns selber stehen können, können wir auch mitteilen, wenn wir ein ungutes Gefühl bei einer Situation haben. Das gibt schon mal das Zeichen, das jemand da ist (Sicherheit für das Opfer, Wink an den Täter). Schon das kann viel nutzen.
Wir müssen uns nur getrauen. Und wir müssen wissen, wie wir uns bemerkbar machen. Der Täter soll sich durch uns nicht bedroht fühlen. Denn wir verstehen auch seine Lage (aber wir entschuldigen sie nicht!). Wir sind Hilfe für beide Beteiligten (Opfer und Täter). Keine Schuldzuweisungen, sondern reine Feststellungen. Keine Drohungen, sondern Angebot der Hilfe.
Wir müssen auch informiert sein, wann wir wie reagieren müssen (ein Blick in die Gesetzte kann da sehr hilfreich sein). Nicht gleich bei jedem Verdacht auf den Polizeiposten. Denn wir können so Menschen schädigen, die unschuldig sind.
Oberstes Gebot: Dem Opfer darf nicht noch mehr Last aufgetragen werden. Was für ihn am besten ist, danach sollten wir uns richten. Denn auch wenn der Täter ebenso Hilfe benötigt, das Opfer ist dennoch der leidtragendste. Besonders bei sexueller Gewalt an Kindern.
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