Leserfang und Leserbindung

Die Gratifikationsstrategien der BILD-Zeitung


Hausarbeit, 2008

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einführung

2. Grundannahme zur modernen Medienwirkungsforschung trivialer Texte
2.1 Funktionen des Lesens trivialer Texte
2.2 Gratifikationen als Motiv der Medienzuwendung

3. Zentrale Faktoren unmittelbarer Gratifikation bei Boulevardmedien
3.1 Inhaltlich-thematische Relevanz
3.2 Kognitiv-intellektuelle Adäquanz
3.3 Unspezifische emotionale Aktivierung und das Prinzip der Abweichung
3.4 Aktivierung durch spezifische Emotionalität
3.5 Emotionale Adäquanz

4. Gratifikationsstrategien der BILD-Zeitung
4.1 Techniken der Herstellung inhaltlich-thematischer Relevanz
4.2 Unspezifische emotionale Aktivierung: Die Narrativierung
4.3 Aktivierung durch spezifische Emotionalität: Das Vokabular der Brachialgewalt
4.4 Komplexitätsreduktion zur Herstellung kognitiv-intellektueller Adäquanz
4.5 Emotionale Adäquanz
4.6 Verunsicherung und Orientierung

5. Schlusswort

6. Bibliographie
6.1 Literatur
6.2 Quellen

1. Einführung

BILD polarisiert: Die Geschichte der Rezeption der BILD-Zeitung ist gefüllt von Akklamation und Ablehnung.[1] Doch trotz dieses ambivalenten Image wird die Zeitung wie keine andere auf dem bundesdeutschen Zeitungsmarkt konsumiert. Mit mehr als zehn Millionen Lesern an einem Durchschnittstag erlangt sie eine Publikumsgröße, die sonst nur Thomas Gottschalk oder die deutsche Fußballnationalmannschaft erreicht.[2] Wie bewirkt die BILD-Zeitung, dass täglich jeder sechste erwachsene Deutsche zur ihr greift? Diese Frage zu beantworten, ist Ziel der vorliegenden Hausarbeit. Ausgehend von der These, dass ein Verkaufserfolg dieser Größe nur möglich ist, wenn grundlegende Bedürfnisse einer breiten Leserschaft erfüllt werden, wird untersucht, mit welchen Mitteln es der BILD-Zeitung gelingt, die Wünsche der Leser zu antizipieren und sie an das Blatt zu binden.[3]

Um die Ursache für den Verkaufserfolg der BILD-Zeitung zu finden, muss zunächst geklärt werden, welche Funktionen das Lesen von Boulevardblättern für die Rezipienten haben kann und wie ihre Zuwendung zu diesen motiviert ist. Da in der Massenpresse die gleichen auf Wirkung zielenden Strategien verwendet werden wie in der Trivialliteratur,[4] kann eine Annäherung an die Funktionen der Lektüre der BILD-Zeitung über eine Analyse von Trivialtexten erfolgen. Im Anschluss daran, werden kommunikationstheoretische Grundlagen zur Medienwirkungsforschung dargelegt: Aufzuzeigen ist, dass die Zuwendung zu Medien stets durch eine Gratifikationserwartung begründet ist. Welche zentralen Faktoren für die Medienzuwendung und unmittelbare Belohnung bei Boulevardformaten von Bedeutung sind, soll im dritten Kapitel erarbeitet werden. Schließlich werden die spezifischen Gratifikationsstrategien der BILD-Zeitung näher eruiert. Es wird sowohl theoretisch als auch praktisch untersucht, mit welchen Techniken es der Zeitung gelingt, die Aufmerksamkeit der Leser zu erregen und sie an sich zu binden. Dabei werden anhand authentischer Materialien – BILD-Schlagzeilen und Artikel – die Strategien und Wirkungsabsichten durchleuchtet. Als Untersuchungsgegenstand dienen BILD-Ausgaben aus den Regionen Frankfurt und Mainz/Wiesbaden vom 24. März 2008 bis zum 7. April 2008.

2. Grundannahme zur modernen Medienwirkungsforschung trivialer Texte

Dieses Kapitel möchte eine Einführung in die Medienwirkungsforschung trivialer Texte geben. Es soll Grundlagenwissen vermittelt werden, welches vonnöten ist, um eine Analyse der Gratifikationsstrategien von Boulevardmedien im Allgemeinen und der BILD-Zeitung im Konkreten durchzuführen. Anhand verschiedener literaturwissenschaftlicher Klassifikationen soll zunächst erörtert werden, welche psychologischen Funktionen das Lesen trivialer Texte haben kann. Im Anschluss werden verschiedene Theorien der Medienwirkungsforschung vorgestellt, die erläutern weshalb Rezipienten sich einem Medium zuwenden und welche Rolle Produzenten in dem kommunikativen Akt erfüllen.

2.1 Funktionen des Lesens trivialer Texte

Der Kommunikationsmodus Lesen stellt für die Rezipienten einen komplexen Vorgang dar, der intensive Konzentration auf den Gegenstand verlangt.[5] Umso so ersichtlicher ist auch die Tatsache, dass dem Handlungsakt Lesen eine Motivation zugrunde liegt, die die Aufnahme der Anforderungen rechtfertigt. Worin die Funktion trivialer Texte bestehen kann, legen Richter und Straßmayr dar, indem sie „Lesen als Ablenken von bestimmten Tatsachen“ und „Lesen als Hinlenken auf bestimmte Tatsachen“ unterscheiden. Für eine Untersuchung der Rezeption trivialer Texte ist das ablenkende Lesen von Interesse. Dieses kann eskapistische und evasorische Tendenzen aufweisen: Die Motivation der Leser ist es dann, der Realität langfristig zu entfliehen. Eine weniger extreme Lesemotivation stellt eine kompensatorische dar. Ziel dieses Lesens ist, kurzfristige Ablenkung von einer psychischen Belastung zu erhalten.

Eine weitere Typisierung der Grundfunktionen des Lesens stammt von Scheele und Groeben.[6] In dieser werden kognitiv-reflexive, moralisch-soziale und hedonistisch-individuelle Funktionen der Kommunikation unterschieden. Für die Lektüre von Texten sind dabei nicht nur die einzelnen Funktionen sondern auch deren Kombinationen von Bedeutung. Die kognitiv-reflexive Funktion bildet die Basis dieser Trias, da das vorliegende Wissens- und Reflexionssystem die Grundlage für Bestätigung oder Verneinung von Normen und Werturteilen (moralisch-soziale Funktion) sowie die emotionale Bewertung (hedonistisch-individuelle Funktion) ist. Besonders wichtig bei der Lektüre trivialer Texte ist der hedonistisch-individuelle Faktor: So stehen das Vergnügen an der Bewältigung des Materials und die emotionalen Aktivierungsmöglichkeiten im Vordergrund.[7] Der hedonistische Wert ist in der Regel umso größer, je weniger die Leser zur Reflexion veranlasst werden.[8] Das bedeutet dass, je weniger bestehende Werte in Frage gestellt werden, desto angenehmer verläuft die Rezeption trivialer Texte. Die Erkenntnisse der beiden Klassifikationen vereinend lässt sich schließen: Leser wenden sich trivialer Literatur zu, um mittels affektiver und kognitiv unanspruchsvoller Texte Unterhaltung, Entspannung und Ablenkung von den Belastungen des Alltags zu erhalten.

2.2 Gratifikationen als Motiv der Medienzuwendung

Die Zuwendung zu Trivialliteratur erfolgt gemäß den Erkenntnissen aus 2.1. aufgrund einer bestimmten Motivation und zwar dem Bedürfnis nach Ablenkung. Wie Medienzuwendung im Allgemeinen zu erklären ist, erläutert der kommunikationstheoretische Uses-and-Gratifications-Ansatz.[9] Prinzipiell lässt sich formulieren: Die Zuwendung zu einem Medium oder Medieninhalten erfolgt immer dann, wenn sich die Rezipienten eine beliebige Form von Bedürfnisbefriedigung versprechen. Die Rezipienten sind willentlich aktiv Handelnde, die sich gewissen medialen Angeboten zuwenden und andere ablehnen. Dabei treffen sie sowohl Entscheidungen über die Selektion eines bestimmten Mediums als auch über die Zuwendung zu einem Medieninhalt.[10] Die Gratifikationen, die es bei der Mediennutzung zu erlangen gilt, können direkte oder verzögerte sein. Eine unmittelbare Belohnung stellt sich unter anderem bei Nachrichten über Verbrechen, Unfälle, Sportereignisse sowie „human-interest“-Themen ein. Als verzögerte Belohnung erfahren Rezipienten öffentlich-politische, ökonomische oder soziale Themen. Während folglich die unmittelbare Gratifikation die sofortige Trieberfüllung mit sich führt oder eine künstliche Erfahrung bietet, besteht die verzögerte Belohnung darin, dass für spätere Lebenssituationen spezifisches Wissen bereitgehalten wird.

Es ist davon auszugehen, dass sich Rezipienten eines bestimmten Medienangebots bei wiederholt erlebter Gratifikation dem entsprechenden Produkt regelmäßig zuwenden.[11] Um die Rezipienten an ein Medium zu binden, sind Produzenten darauf angewiesen, sich primär an dem Angebot zu orientieren, das die Rezipienten am leichtesten zufrieden stellt und sie zur Nutzung anreizt.[12] Daher gelten die Durchschnittsbedürfnisse des Käufers als Marktbedingungen.[13] Dieser Gedanke wurde im dynamisch-transaktionalen Ansatz verarbeitet, in dem der Uses-and-Gratifications-Ansatz mit einem medienzentrierten Wirkungsansatz gekoppelt wird. Nach dem dynamisch-transaktionalen Ansatz stellt Massenkommunikation einen Prozess der Wechselbeziehungen zwischen den Interessen von Kommunikator und Rezipienten dar.[14] Während die Rezipienten sich von der Mediennutzung bestimmte Gratifikationen erwarten, versucht der Kommunikator aus ökonomischen Beweggründen, die rezipientenseitigen Bedürfnisse zu antizipieren.[15] Welche Faktoren dabei für die Gratifikation und die entsprechenden Zuwendungsreaktionen zu bestimmten Medien bzw. Medieninhalten von Bedeutung sind, soll im Folgenden analysiert werden.

[...]


[1] Henscheid, S. 121.

[2] Habicht, S. 151.

[3] vgl. Büscher, S. 1.

[4] vgl. Nusser, S. 141.

[5] Richter/ Straßmayr, S. 15.

[6] Büscher, S. 77.

[7] Schmidt, S. 123.

[8] Büscher, S. 77f.

[9] ebd., S. 78-81.

[10] Dornsbach, S. 392-396.

[11] Büscher, S. 80.

[12] Sandig, S. 70.

[13] Grimminger, S. 17.

[14] Renckstorf, S. 324.

[15] Büscher, S. 83.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Leserfang und Leserbindung
Untertitel
Die Gratifikationsstrategien der BILD-Zeitung
Hochschule
Universität Siegen  (Germanistik und Allg. Literaturwissenschaft - Medien- und Literaturtheorie )
Veranstaltung
Die BILD-Zeitung und ihre Kritik in der bundesdeutschen Literaturgeschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V113974
ISBN (eBook)
9783640142903
ISBN (Buch)
9783640143399
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leserfang, Leserbindung, BILD-Zeitung, Kritik, Literaturgeschichte, Gratifikationen, Publizistik, Rezeptionsforschung, Uses-and-Gratification, BILD, Medienanalyse, Journalismus, Boulevardjournalismus, Emotionalisierung, Skandalisierung, Praktiken, Strategien
Arbeit zitieren
Laura Dorfer (Autor:in), 2008, Leserfang und Leserbindung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113974

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