Der Einfluss der Holländer im Nordamerika des 17. Jahrhunderts beruhte auf Handelsambitionen. Diese führten dazu, dass der in holländischen Diensten stehende Engländer Henry Hudson am 4. September 1609 vor dem heutigen New York mit der “Half Moon” vor Anker ging. Der Entdecker suchte für seine – im Unterschied zu Engländern und Franzosen – mehr an Geschäftsinteressen denn an kolonialen Machtzielen interessierten Geldgeber eine nördliche Passage in den Orient. Im Jahre 1624 entstand an der Mündung des nach seinem europäischen Entdecker benannten Hudson die Siedlung Neu Amsterdam. Bis 1664 führte sie eine unsichere Existenz, wirtschaftlich erfolgreich aber umgeben von mächtigen Konkurrenten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Entdeckungsphase 1609-24
2. Kriege
2.1 Der Untergang der Mahicans
2.2 Der Angriff auf Swanendal
2.3 Willem Kiefts Krieg
3. Der Untergang Neuhollands
3.1 Die Esopuskriege
3.1 Das Ende - Die Übergabe an England
4. Fazit
5. Personenregister
6. Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Einfluss der Holländer im Nordamerika des 17. Jahrhunderts beruhte auf Handelsambitionen. Diese führten dazu, dass der in holländischen Diensten stehende Engländer Henry Hudson am 4. September 1609 vor dem heutigen New York mit der “Half Moon” vor Anker ging. Der Entdecker suchte für seine – im Unterschied zu Engländern und Franzosen – mehr an Geschäftsinteressen denn an kolonialen Machtzielen interessierten Geldgeber eine nördliche Passage in den Orient. Im Jahre 1624 entstand an der Mündung des nach seinem europäischen Entdecker benannten Hudson die Siedlung Neu Amsterdam. Bis 1664 führte sie eine unsichere Existenz, wirtschaftlich erfolgreich aber umgeben von mächtigen Konkurrenten.
1. Die Entdeckungsphase 1609-24
“Neuholland” lag zwischen drei wichtigen Wasserwegen: Im Osten wurde es begrenzt durch den Connecticut, den die Holländer als Versche Rivier kannten, im Norden durch den Hudson, den sie zunächst Noort Rivier nannten, und im Süden durch den Suyt Rivier, den späteren Delaware.[1]
Von Anfang an zeigte sich, dass die Ureinwohner auch in diesem Raum intensive Handelsbeziehungen und -netze pflegten, die allerdings mit einer klaren Freund-Feind-Einteilung verbunden waren. Es war den Europäern nicht möglich, mit allen sich anbietenden Partnern risikofrei Handel zu betreiben, ohne dabei die Feindschaft mit deren jeweiligen Konkurrenten zu riskieren. Dies machte sich beispielsweise dadurch bemerkbar, dass Hudsons Männer, nachdem sie noch am Tag ihrer Ankunft mit den Navasinks[2] Geschäfte getätigt hatten, nur zwei Tage später von den rivalisierenden Canarsees angegriffen wurden (dabei kam ein Seemann ums Leben, zwei erlitten Verletzungen). Mindestens ein weiterer Zusammenstoß ereignete sich, bei dem sechs oder sieben Ureinwohner starben.[3] Shorto[4] meint angesichts dieser Ereignisse: “One cannot help noting that immediately Europeans entered the watery perimeter of what would become New York City, these two things take place: trade and violence.” Diese Schlussfolgerung suggeriert, dass Handel und Gewalt vor der Ankunft der Europäer selten gewesen seien – eine Annahme, die durch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse größtenteils widerlegt wurde. Außerdem beinhaltet die Auffassung Shortos eine Monokausalität, die sich bei der Erforschung von Konfliktursachen generell als untauglich erwiesen hat. Tatsächlich gilt es vor allem eines festzuhalten: Die Träger der indianischen Kultur erkannten auch im späteren holländischen Einflussgebiet die ausgeprägte europäische Differenzierung zwischen Handels- und Militärbeziehungen nicht an.
Andere Konflikte, die Hudson austrug, zeugen vom unterschiedlichen Verständnis für Eigentumsrechte. So schildert die Bordchronik der Half Moon einen Vorfall, bei dem sich ein Einheimischer an Bord des Schiffes zog, in eine Kabine eindrang, mehrere Sachen entwendete und dabei erschossen wurde.[5] Diese glaubwürdige Darstellung spiegelt ein weit verbreitetes Muster wider, dessen Komplexität bei näherer Betrachtung des kulturellen Umfeldes deutlich wird.
Das unmittelbare Küstengebiet der späteren holländischen Kolonie war überwiegend algonkinsprachig, aber dennoch so kulturell heterogen wie der Rest des Kontinentes und daher gleichermaßen von althergebrachten Konflikten geprägt. Allein auf Long Island lebten etwa 6000 Menschen, die zwar von den Holländern in 13 Stämmen untergegliedert wurden, die aber, neuen Erkenntnissen zufolge, vor allem Dorfgemeinschaften bildeten. Diese stellten das entscheidende Indentifikationsobjekt dar.[6] Ethnologen und Anthropologen hinterfragen die Einteilung der Ureinwohner in “Stämme” in diesem Zusammenhang auch grundsätzlich und verweisen darauf, dass diese Struktur aus europäischer Perspektive überliefert wurde. Die einzelnen indianischen Dörfer verfügten jedenfalls oft über einen hohen Grad an Autonomie.
Die mit schätzungsweise 10 000 Angehörigen stärkste Stammesgruppe bildeten die Delawaren, die ganz im Süden des holländischen Einflussgebietes lebten. Ihre über 50 Dörfer befanden sich zwischen dem heutigen Cape Henlopen und der westlichen Seite Long Islands, so dass die Delawaren Anspruch auf ein Territorium erhoben, das sich vom gleichnamigen Tal bis nach Manhatten erstreckte und direkte Handelskontakte mit den Holländern und den Schweden ermöglichte.[7]
Dieser Stamm hätte – wie die ebenfalls vergleichsweise zahlreichen Mahicans – ein wichtiger machtpolitischer Akteur sein können, doch fehlte es in beiden Fällen an den hierfür nötigen übergreifenden politischen Strukturen, wie es sie unter den benachbarten Stämmen im Norden und Süden Neuhollands (sprich den Bünden der Huronen und Irokesen bzw. dem Powhatan-Imperium) durchaus existierten.[8] Autoritäten, deren Einfluss über die Dorfgrenzen hinausging, gab es lediglich bei einem Teil der Bewohner des westlichen Long Islands, deren soziales Netzwerk viel stärker jenem der Neuenglandstämme ähnelte. Die Holländer mussten sich vor diesem Hintergrund anfangs nicht mit ähnlich einflussreichen und expansiven indianischen Rivalen auseinandersetzten wie die Engländer; die mächtigeren Irokesen blieben zunächst ferne Handelspartner.[9]
Die Navasinks, mit denen die Holländer zuerst handelten, lebten an der Mündung des Hudson, nördlich der Delawarengebiete. Auf dem heutigen Staten Island siedelten die Raritans, auf Governor’s Island die Canarsees. Manhattan Island war die Heimat des gleichnamigen Stammes, während die heutige Bronx von den Wecquaesgeeks bewohnt wurde, zu deren Nachbarn die Sintsinks, Kitchawanks, Nochpeems, Siwanoys, Hackensacks, Tappans, Haverstraws, Wappingers und die Munsees gehörten. Letztere bestanden aus sechs Untergruppierungen, von denen vier durch die Holländer mit dem Sammelbegriff “Esopus” zusammengefasst wurden. Die beiden beiden andere bezeichnete man als Catskills und Ninisinks. Im Norden dieser Stammesverbände lebten entlang des Hudsons die rund 4000 Mitglieder zählenden Mahicans angesiedelt.
Auf ihrem Gebiet entstand ein wichtiger Handelsposten der Holländer, der heute als Albany bekannt ist und bei seiner Gründung im Jahr 1614 Fort Nassau getauft wurde. Innerindianische Spannungen hatten die weißen Händler veranlasst, das Gebäude auf einer Flussinsel zu errichten.[10] Mit einer Größe von etwa 100 Quadratmetern handelte es sich weniger um ein Fort im eigentlichen Sinne, vielmehr um eine mit einem Palisadenzaun und Burggraben umgebene befestigte Unterkunft für die zehn- bis zwölfköpfige Besatzung. Diese setzte sich weder aus Berufssoldaten noch aus holländischen Kolonisten zusammen, sondern allein aus Händlern. Die Geschäftsleute konzentrierten sich bis zur Aufgabe von Fort Nassau 1618 – abgesehen von einigen Erkundungsexpeditionen – ganz auf ihr eigentliches Anliegen und versorgten gegen Pelze, die das wichtigste Tauschprodukt der Indianer darstellten, ihre umwohnenden Handelspartner mit holländischen Gütern, darunter äußerst begehrte Luntschlossmusketen, Blei und Schießpulver.
Im Jahre 1624 begann die zweite Phase des holländischen Engagements in der “Neuen Welt”, als die Westindische Handelsgesellschaft versuchte, sich durch die Gründung neuer Niederlassungen dauerhaft zu etablieren. Am Westufer des Hudson, in Höhe des ehemaligen Forts Nassau, entstand Fort Orange, während man einen weiteren Handelsposten auf dem heutigen Governors Island errichtete. Ein dritter Stützpunkt wurde am Delaware gegründet und übernahm die Bezeichnung “Fort Nassau”. 1626 kam es dann zum in der Geschichtsschreibung massiv kritisierten Landkauf von Manhattan[11] und damit zur Entstehung des Stützpunktes Neu Amsterdam, der sich schnell zur wichtigsten Siedlung Neuhollands entwickelte.
Die Beziehungen zu den Ureinwohnern waren, wie in den benachbarten englischen Kolonien, zunächst primär von Handelsinteressen bestimmt. Erst 1633 schickte die “Westindische Kompanie” rund 50 Soldaten als feste Garnison.[12] Die strategische Lage des holländischen Einflussgebietes zwischen den Flüssen Delaware, Hudson und Connecticut war für Handelszwecke optimal. Man bemühte sich kaum um Ländereien für eigene Siedler, so dass es zu keinem demographischen Druck auf die Indianer kam.
Ähnlich wie andere europäische Akteure im damaligen Nordamerika legten die holländischen Unternehmer sehr viel Wert auf gute Beziehungen zu den Einheimischen. Deutliche Parallelen etwa zu den Engländern Neuenglands zeigen sich auch hinsichtlich ihrer Motivation, die sich als eine Mischung von religiösem Universalismus und ökonomischem Nützlichkeitsdenken umschreiben lässt, wobei die Holländer letzteres deutlich höher gewichteten als ihre europäischen Konkurrenten. Während der Gründungsjahre 1624/25 wurde vier Erlasse zum interkulturellen Umgang verfasst, die den lokalen Sachwaltern Neuhollands die Vollmacht verliehen, nach eigenem Gutdünken Abkommen mit den Indianern abzuschließen. Notfalls sollte die Einhaltung der entsprechenden Verträge mit Waffengewalt durchgesetzt werden. Das galt nicht zuletzt für eigene Kolonisten, die gegenüber den indianischen Vertragspartnern “Person, Frauen und Eigentum”[13] zu respektieren hatten. Unter Androhung massiver Strafen bei Zuwiderhandlungen wurde für den Umgang mit den Ureinwohnern “Ehrlichkeit” und “Treue” angemahnt und die Devise ausgegeben, von den Indianern die “Geheimnisse des Landes” zu erlernen. Dabei wurde das Gebot der Freiwilligkeit betont, um das Entstehen einer für die interethnischen Beziehungen naturgemäß problematischen Sklavenwirtschaft zu verhindern. Weiter hieß es, dass Einheimische, die ihre Arbeitskraft aus freiem Willen anboten, zur Hälfte eines holländischen Gehalts zu beschäftigen seien.[14]
Für den Fall von Übergriffen zwischen Angehörigen der verschiedenen Kulturen wurde bestimmt, dass in bezug auf indianische Täter zunächst die Reaktion des betreffenden Stammes abgewartet werden müsse. Erst wenn der oder die Täter dabei ungeschoren davonkamen, sahen sich die Kolonisten verpflichtet, diesen zu verhaften und zu bestrafen. Umgekehrt waren weiße Siedler bei Übergriffen gegen Einheimische umgehend vor Gericht zu stellen. Diese Regelungen wurden mit großem Nachdruck formuliert, indem mangelnde Handlungsbereitschaft seitens der Behörden mit Körperstrafen geahndet werden sollte. Hinsichtlich der zahlreichen innerindianischen Konflikte verhängte die Westindische Handelsgesellschaft ein striktes Neutralitätsgebot, da sie keinesfalls in diese hineingezogen werden wollte.[15]
Eine Beurteilung der Ernsthaftigkeit all dieser Vorschriften ist nur eingeschränkt möglich, da viele zeitgenössische Unterlagen verloren gegangen sind. Dennoch belegen die vorhandenen Dokumente, dass die Holländer zumindest bemüht schienen, diese Gesetze auch umzusetzen. Und es ist wichtig festzuhalten, dass weniger das Regelwerk selbst, sondern die Handlungen bzw. Machenschaften einzelner Personen den Ausbruch von Feindseligkeiten herbeiführten. So zeigt das Verhalten des Gouverneurs Wilhelm Kieft, dass es durchaus Spielräume gab, bestehende Regeln als Vorwand für einen blutigen Krieg zu instrumentalisieren.[16]
Insgesamt gesehen waren die interkulturellen Beziehungen in Neuholland jedoch nur von verhältnismäßig wenigen, wenngleich heftigen militärischen Auseinandersetzungen geprägt. Dabei legten die Holländer insofern eine ungenügende strategische Planung und zu wenig Weitblick an den Tag, als sie dauerhafte Allianzen mit bestimmten Indianerstämmen vermieden. Ihr Beziehungsgeflecht beschränkte sich weitgehend auf die unmittelbaren Erfordernisse des Handels.[17] Allerdings unterstellen ihnen Wissenschaftler in einem wichtigen Fall eine konkrete strategische Vorgehensweise, indem gezielt Waffen an die Irokesen geliefert worden seien. Damit wollten die Holländer, so wird behauptet, zur Unterwerfung der Huronen durch die Irokesen beitragen und den florierenden Pelzhandel ins französische Kolonialgebiet nach Neu Amsterdam umleiten.[18] Man fragt sich in diesem Zusammenhang aber, warum die Holländer anscheinend keinen vergleichbaren Erfolg in der Konfrontation mit den am Delaware angesiedelten Schweden hatten. Diese konnten erst 1655 durch eine direkte militärische Intervention des holländischen Gouverneurs Peter Stuywesant ausgeschaltet werden.
2. Kriege
Der Strom holländischer Handelsgüter verursachte Ressourcen- und Rangordnungs-konflikte unter den Ureinwohnern, welche um günstige Handelsbeziehungen zu den Neuankömmlingen und dem damit verbundenen Zugang zu Stahl- und Schusswaffen konkurrierten. Obgleich allgemein als weniger sendungs- und machtbewusst als die weißen Nachbarn beschrieben, wird den Holländern vielfach die Schuld am Ausbruch der sogenannten “Biberkriege” zugewiesen, da sie zu Waffenverkäufen an die Indianer bereit gewesen seien. Ihre nur schwach ausgeprägten Bekehrungsversuche trugen vermutlich dazu bei, dass sie von den Indianern als geringere Bedrohung wahrgenommen wurden. Speziell die traditionellen Führer sahen sich, im Vergleich zum englischen Einflussgebiet, deutlich schwächeren Angriffen auf ihre Autorität ausgesetzt. Zwei Beispiele für den extrem geschäftsorientierten Pragmatismus der Holländer bieten die Ersetzung der Mahicans als Haupthandelspartner durch die Mohawks sowie die Vernichtung der Siedlung Swanendal im Jahre 1632.
2.1 Der Untergang der Mahicans
Die Mahicans hatten im Gefolge der Gründung von Fort Orange 1624 eine wertvolle Funktion als Zwischenhändler gewonnen. Durch ihren direkten Zugang zu den Holländern kontrollierten sie die Handelsnetzwerke zu weiter entfernten Stämmen und verfügten aufgrund der günstigen Lage ihres Stammesgebietes über eine Monopolstellung im Norden des holländischen Einflussgebietes. Diese war für die traditionell mit den Mohawks verfeindeten Mahicans weit mehr als ein Prestigegewinn,[19] zumal der Zugang zu europäischen Waffen, Blei und Schießpulver von existentieller Bedeutung war.
Vor diesem Hintergrund kam es im Frühjahr 1626 zu einem Zwischenfall, der als Vorgeplänkel zu den so genannten „Biberkriegen“ erscheint. Der Befehlshaber von Fort Orange, Daniel van Krieckenbeeck, wurde von den Mahicans um militärische Unterstützung gebeten, nachdem in der Gegend ein Kriegstrupp der Mohawks bemerkt worden waren. Van Krieckenbeecks 16 Mann starke Garnison stellte zwar nur eine kleine Streitmacht dar, dennoch erklärte sich der Kommandant bereit, den Mahicans die gewünschte Militärhilfe zu leisten und verstieß damit gegen die Neutralitätspolitik der Handelsgesellschaft. Krieckenbeeck, der die örtlichen Handlungszwänge eines isolierten Handelspostens wohl am besten beurteilen konnte, schöpfte vermutlich Selbstbewusstsein aus den bisherigen Erfahrungen hinsichtlich der Wirkung von Schusswaffen und Stahl auf indianische Gegner und suchte durch die Beteilung an dem Kampf größtmögliche Sicherheit für die umwohnenden Kolonisten zu gewinnen, unter denen sich viele, teils schwangere junge Frauen sowie Kinder befanden.[20] Außerdem musste er für den Fall des Nichthandelns natürlich befürchten, dass die fruchtbaren Beziehungen zu den Mahicans gefährdet worden wären.
Zusammen mit sechs Musketieren begleitete er die Mahicans und fiel etwa drei Meilen vom Fort entfernt einem Hinterhalt der Mohawks zum Opfer. Nur drei Holländern gelang die Flucht, drei weitere wurden an Bäume gebunden und zu Tode gemartert. Um ihre Verachtung für die weißen Feinde zu demonstrieren, schnitten die Mohawks den Leichen je einen Fuß und eine Hand als Trophäen ab und warfen die verstümmelten Körper ins Feuer.[21] Isaack de Rasiere, der Provinzsekretär von Neuholland, ersuchte daraufhin vergeblich um Erlaubnis, mit einer Streitmacht die Mohawks als Störfaktor für den Handel im Norden auszuschalten. Pieter Barentsen, ein Händler, der kurz nach dem Vorfall in Fort Orange eintraf, schlichtete schließlich den Konflikt mit den Mohawks, die auf diesem Wege mehr zu gewinnen als zu verlieren hatten, denn die Holländer verhielten sich fortan neutral. Bis 1628 gelang es den Mohawks, im Konflikt mit den Mahicans endgültig die Oberhand zu gewinnen.[22]
Im Gegensatz zu den Engländern erwiesen sich die Holländer als unzuverlässige Verbündete. Ihre Erkenntnis der martialischen Vitalität der Irokesen bzw. Mohawks mündete nicht in kämpferischen Gegenmaßnahmen, sondern hatte lediglich die Anpassung an die neuen “Kunden” zur Folge. Die Mahicans verloren unterdessen ihre Jagdgebiete westlich des Hudson; viele starben an Krankheiten, während andere abwanderten.[23]
2.2 Der Angriff auf Swanendal
Durch die Siedlungspolitik der Holländer kam 1631 ein Gruppe von 28 Wallonen ans westliche Ufer der Delaware Bucht in die Nähe des heutigen Lewes. Zusammen mit einigen weiteren Männern errichteten sie ein kleines Fort, das aus einem teils aus Ziegelsteinen erbauten Garnisonshaus und Holzpalisaden bestand.
Die etwa 35 Quadratmeter große Befestigung sollte als “Fort Swanendal” in die Geschichte eingehen, als im darauffolgenden Jahr 33 der 34 Bewohner bei einem Angriff der Delawaren umkamen. Auslöser für diese Katastrophe war das Aufstellen eines Pfostens, an dem das niederländische Wappen befestigt war. Ein einheimischer Sachem fühlte sich von dem bunten Wappen derart angezogen, dass er es klaute, um sich aus dem Blech eine Pfeife zu machen. Der Anführer der Kolonie, Gilles Honset, forderte angesichts der Würde des verloren gegangenen Hoheitssymbols von dem Stamm Reparationen. Die Indianer wiederum schlossen aus der Empörung der Weißen, dass es sich um ein “heiliges” Objekt handeln müsse und exekutierten den Dieb umgehend. Honset war über die Härte der Strafe entsetzt, aber dennoch zufrieden, dass die Delawaren auf seine Forderungen reagiert hatten.
Allerdings war er sich offensichtlich nicht des indianischen Brauches bewusst, der Familie des Getöteten durch Wampumzahlungen ein Trauergeld zukommen zu lassen.
Die Verwandten des Getöteten kamen in kleinen Gruppen nach Swanendal, wobei einige unter dem Vorwand, mit Pelzen handeln zu wollen, ins Fort hineingelangten, wo sie den holländischen Befehlshaber und einen seiner Mitarbeiter töteten. Die übrigen Einwohner wurden auf ihren Feldern erschlagen oder erstochen; nur einer überlebte.[24]
Im Dezember 1632 versuchte ein Teilhaber des betroffenen Unternehmens, David Pietersen de Vries, durch Verhandlungen mit den Delawaren die örtlichen Handelsbeziehungen wieder aufleben zu lassen und das Geschehene als kulturelles Missverständnis zu verbuchen. Aber es kam zu keinem Versuch, die Siedlung Swanendal wiederzugründen.
Im Jahre 1633 trat mit Wouter Van Twiller ein neuer Direktor an die Spitze der Westindischen Kompanie und leitete eine weitere Expansionsphase ein. Er errichtete nicht nur Fort Goeie Hoop (Gute Hoffnung) am Connecticut – an der Stelle des späteren Hartford – und verbesserte die dortigen Beziehungen zu den Ureinwohnern, sondern interessierte sich in verstärkten Maße auch für das Gebiet entlang des Delawares.[25] Ein Landkauf führte zur Errichtung eines Handelspostens am Flussufer (etwa dort, wo heute die Stadt Philadelphia liegt). Zu diesem Zeitpunkt waren unter den Indianern der Region wichtige Grundsatzentscheidungen gefallen, die den Kauf von Land begünstigten – mit dem Zweck, die Beziehungen der Delawaren zu den Holländern zu intensivieren. Zur Erklärung muss man wissen, dass dem erwähnten Druck der Mohawks auf die Mahicans am Delaware eine erfolgreiche Expansion der irokesischsprachigen Susquehannocks gefolgt war. Diese hatten schon ab 1608 mit französischen Gütern gehandelt und setzten nun dazu an, den Handel mit den Holländern zu erzwingen.
Fort Orange befand sich kurzzeitig in einer prekären Lage, nachdem man Hans Jorrison Hontom zum Kommissar des Postens berufen hatte. Hontom konnte zwar auf jahrelange Handelserfahrungen verweisen was, brachte aber eine Hypothek mit, die den Behörden, die ihn ernannt hatten, vermutlich unbekannt war: Er hatte einen Sachem der Mohawks entführt und umgebracht. Als die Mohawks Hontom wiedererkannten, unterbrachen sie den Pelzhandel, setzten ein Schiff in Brand und töteten die Rinder in Resselaerswyck. Eine weitere Eskalation blieb nur deshalb aus, weil Hontom an den Folgen einer Schlägerei unter Weißen verstarb.
[...]
[1] vgl. Gehring, Charles (ed.), Correspondence 1647-1653, New Netherland Documents Series, Vol. XI, Syracuse University Press, 2000, S. XV
[2] Die englischen Stammesbezeichnungen werden im Text zur Erleichterung des Verständnisses beibehalten.
[3] vgl. Trelease, Allen, Indian Affairs in Colonial New York – The Seventeenth Century, Lincoln, 1997, S. 28
[4] vgl. Shorto, Russel, The Island at the Centre of the World – The Untold Story of Dutch Manhattan and the Founding of New York, Transworld Publishers, London, 2004, S. 37
[5] vgl. Trelease, 1997, S. 28
[6] Engel, Elmar, Unkas – Der letzte Mohikaner, Lamuv Verlag, Göttingen, 2001, S. 29
[7] Mauer, Kuno, Das neue Indianerlexikon – Die Macht und Größe der Indianer bis zu ihrem Untergang, Langen Müller, München, 1994, S. 82
[8] Der Kontakt zu den Mohawks als westlichstem Vertreter des Irokesenbundes war zunächst friedlicher Natur und beschränkte sich auf den Handel im heutigen Albany.
[9] Trelease, 1997, S. 2
[10] Dies war eine Entscheidung mit Folgen, da die Insel im Frühling durch Schmelzwasser regelmäßig überschwemmt wurde, weshalb Fort Nassau bereits nach vier Jahren aufgegeben werden musste.
[11] Per Kaufvertrag wurde die Insel durch Peter Minuit für Güter mit einem seinerzeitigen Gesamtwert von 60 Gulden erworben. Dieser Landkauf wird allgemein als Inbegriff des “Landraubs durch die Europäer” bewertet. Diese Interpretation lässt allerdings einige für eine unideologische Betrachtung wesentliche Faktoren außer Acht:
1. Die Indianer hatten ein anderes Verständnis von Landbesitz und waren sich zunächst wohl nicht über die folgenschwere Bedeutung dieses Vertrags im Klaren. Ebenso wie in den englischen Kolonien Nordamerikas gingen sie in aller Regel davon aus, ein Nutzungsrecht für verkauftes Land behalten zu können.
2. Der Güterwert von 60 Gulden wurde von den Carnasees als Verkäufern anscheinend sehr hoch eingeschätzt, zumal sich für sie durch den Verlust Manhattans zunächst kein Landmangel ergab und die Bodenpreise vorerst äußerst niedrig blieben. Erst später stiegen die Kosten für Ländereien angesichts einer wachsenden Nachfrage und der zurückgehenden Verfügbarkeit erheblich an.
3. Die tatsächlichen Kosten des Landkaufs durch Peter Minuit waren keineswegs so klar und abschließend feststellbar, wie sich vermuten ließe. Die im Gebiet verbliebenen Alteigentümer erzeugten zusätzliche Kosten, die Historiker erst unlängst aus neu entdeckten zeitgenössischen Dokumenten ablesen konnten. So zeigen die Aufzeichnungen Brant van Slichtenhorsts, der 1648 durch Landbarone zur Verwaltung von deren Ländereien in der Neuen Welt angestellt wurde, dass die ursprünglichen indianischen Besitzer oft noch über Jahre hinweg “Betreuungskosten” verursachten. In einem überlieferten Fall mussten über einen Zeitraum von drei Jahren Übernachtungen und Versorgungsleistungen für bis zu 59 Indianer gewährleistet werden, ehe diese schließlich aus Manhattan abwanderten. Materiell ähnlich bedeutsam waren die Verluste durch die von Indianer häufiger begangenen Diebstähle, so dass selbst Shorto (2004: 66) zu der Schlussfolgerung kommt, die Summe für den Kauf Manhattans müsse deutlich über die im Vertrag selbst genannten Güter hinaus berechnet werden.
[12] Der Umfang der holländischen Garnison schwankte zwischen 28 im Jahre 1650 und 250 im Jahre 1660 (Chartrand, 2002: 41).
[13] vgl. Van Laer, New Netherland Documents, 1624-1626, S. 5, 17, 39
[14] vgl. Trelease, 1997, S. 37
[15] vgl. Van Laer, New Netherland Documents, 1624-1626, S. 110-113
[16] Siehe Kiefts Krieg S. 14
[17] vgl. Morgan, 1993, S.153
[18] vgl. Nash, 2000, S. 83
[19] Der Beobachter und Zeitzeuge Adriaan Van der Donck führte die traditionelle Feindschaft zwischen Mohawks und Mahicans auf deren unterschiedlichen Lebensweisen zurück (1655: 51). Während die Mohawks stärker sesshaft gewesen seien, pflegten die Mahicans seiner Aussage nach einen am Jahreslauf orientierten halbnomadischen Lebensrythmus.
[20] vgl. Shorto, 2004, S. 54
[21] vgl. Engel, 1999, S. 125
[22] vgl. Trelease, 1997, S.48
[23] Während des König-Phillip-Krieges (1675-76) zogen viele Indianer aus Neuengland zur Mahicansiedlung Schaghticok, ermutigt durch den New Yorker Gouverneur Andros, der sich davon die Schaffung einer Pufferzone gegen Franzosen und Irokesen erhoffte. Die Mahicans führten diese Ansammlung von Reststämmen – die sogenannten “River Indians”, solange an – bis diese zu Beginn des 18. Jahrhunderts dem Druck der Irokesen nicht mehr standhalten konnte und sich zerstreute. Eine große Gruppe siedelte sich im Lauf der Zeit im Hausatonic Tal in Stockbridge an (Galloway in Gallay, 1996: 410).
[24] vgl. Otto, Paul, “Fort Swanendael or Swanendael Massacre” in Gallay, Alan (ed.), Colonial Wars of North America 1512-1763 – An Encyclopedia, Garland Publishing, New York & London, 1996, S. 730/31
[25] Die Holländer hatten schon 1622 eine Handelsdelegation in die Region geschickt, die sich allerdings die Feindseligkeit der Einheimischen einhandelte, indem ein entführtes Dorfoberhaupt erst nach Zahlung von Lösegeld wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Erst der Einfluss Pieter Barendsens sorgte zehn Jahre später für eine Verbesserung der Beziehungen.
- Quote paper
- Dr. Stephan Maninger (Author), 2007, Pelze, Pulver und Musketen - Die Konfliktgeschichte Neuhollands 1609 bis 1664, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120470
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