Berufsbildung in der ehemaligen DDR - ein Resümee


Hausarbeit, 2009

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung:

I. Einleitung und Arbeitsthese

II. Hauptteil
1. Planung der Berufsausbildung
2. Organisation und Verantwortung der Beruflichen Bildung
3. Organe und Leitung der Berufserziehung – ein Überblick
4. Die Berufsausbildung mit Abitur
5. Die Stellung des Facharbeiters in der Gesellschaft

III. Zusammenfassung & Fazit

IV. Literaturverzeichnis

I Einleitung und Arbeitsthese

„Die Intensivierung der Produktion, die Entwicklung von Wissenschaft und Technik stellen große Ansprüche an Bildung und Erziehung. Die Berufsausbildung ist weiter zu vervollkommnen. Durch praxisverbundenen, theoretischen und berufspraktischen Unterricht ist den Lehrlingen solides, anwendungsbereites Wissen und Können zu vermitteln, das sie zur schöpferischen Arbeit im Beruf befähigt.“

(Programm der SED)

Mit diesem Zitat aus dem Programm der SED möchte ich meinen Überblick über einzelne Kapitel der Berufsbildung in der ehemaligen DDR beginnen, die sich in ihrer 40-jährigen Geschichte um die Bildung der Lehrlinge sehr bemühte. Dieser Überblick soll auch dazu dienen, dass international anerkannte hohe Ausbildungsniveau näher zu beleuchten. Waren doch einige Elemente von hohem Nutzwert, vor allem der akribisch geplante Bedarf an Fachkräften führte zu einer komplexen Struktur. Auch der schon mit Beginn der Lehrzeit beginnende Prozess der Einflechtung in das Arbeitskollektiv bot erhebliche Vorteile. Insbesondere die Sozialisation in den für den Lehrling völlig neuen Erfahrungsschatz „Arbeitskollektiv“ fiel durch straffe Planung und Organisation leichter.

Dazu fügen Geuther/Heinze/Siemon (1980) an: „Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Persönlichkeit ist das Arbeitskollektiv.“ Weiter heißt es: „Vor allem bei der Ausbildung der Lehrlinge in sozialistischen Arbeitskollektiven wird das Arbeiten und Lernen als Einheit verwirklicht.“

Durch den Zusammenbruch des politischen Systems in der DDR brachen auch die Strukturen des zentralistisch organisierten Berufsausbildungs- und Weiterbildungsverfahrens zusammen. Politisch gesehen war der Bruch einfacher zu verstehen, als es sich die meisten Bürger der ehemaligen DDR im Hinblick auf die „über Nacht“ veränderte Arbeitswelt vorstellen konnten. Als Arbeiter oder Angestellte waren sie es gewöhnt, dass sich Betriebe und Kombinate um ihre Belange kümmerten. Das Feilbieten der eigenen Arbeitskraft, der Kampf um Jobs und Ausbildungsplätze war Neuland. Auch der Bereich der beruflichen Erstausbildung, welcher in der DDR komplett durchorganisiert war, stand vor dem Aus. Potentielle Lehrlinge mussten sich erstmals völlig selbst orientieren und ihre Lehrstelle eigenständig suchen.

Auch die Organisation und das Thema Berufsberatung sollen unter dem Kontext heute üblicher Praxis in Arbeitsämtern und ähnlichen Stellen beleuchtet werden.

Dabei ist eine Betrachtung von Strukturen und Organisationssystemen der Berufsbildung von Nöten. Über 10 Jahre war das in vielen Fällen bewährte System der betrieblich gesteuerten und komplett betrieblich verantworteten Lehrlingsausbildung, wie es in der DDR üblich war, kein Thema im vereinten Deutschland. Möglicherweise ist diese Überlegung ein Schritt nach vorn, die aktuelle Ausbildungsplatzmisere zu bekämpfen.

Mit dem Erfahrungs- und Wissensschatz, der aus der noch nicht all zu lange „toten“ DDR-Bildungspolitik übrig geblieben ist, lässt sich gegebenenfalls die Debatte um die Reform der beruflichen Erstausbildung und die Krise im Dualen System der Berufsausbildung ergänzen.

Für mich stellt sich folgende Überlegung:

Viele Einrichtungen und Durchführungsweisen in der Berufsberatung und die Kombination aus Allgemeinbildung und betrieblicher Spezialisierung waren in der ehemaligen DDR sehr gut gelöst. Können diese Erfahrungen genutzt werden, um einen doppelt-qualifizierenden Bildungsgang einzuführen? Gerade die Symbiose von berufsspezifischen Kenntnissen und einer Erweiterung der Allgemeinbildung hilft, die langen Ausbildungszeiten zu verkürzen und dem „Lehrling“ einen Weg aufzuzeigen, entweder ins Arbeitsleben einzusteigen oder ein Hochschulstudium aufzunehmen.

Diese These soll vergleichend dazu dienen, einen Überblick über die Berufsausbildung mit Abitur in der ehemaligen DDR zu geben. Gleichzeitig soll die heute vielfach übliche Ausbildungskarriere Abitur, einer anschließenden Ausbildung im Dualen System und einem Hoch- respektive Fachhochschulstudium im Kontext dargestellt werden.

II Hauptteil

1. Planung der Berufsausbildung

Die Planung der Berufsausbildung und die damit verbundene Gewinnung von Facharbeiternachwuchs genoss in der DDR eine Schlüsselrolle. Bereits frühzeitig wurde erkannt, dass der technologische und damit dynamische Veränderungsprozess auch vor den Volkswirtschaften des sozialistischen Lagers nicht halt machte.

Die in der DDR übliche „5 Jahr-Planung“ nach sowjetischen Modell stand Pate bei der Planung der Berufsausbildung.

W. Rudolph (1988) führt vier Ausgangspunkte für die Planung und Steuerung an:

- „eine tiefgründige Analyse des vorhandenen Arbeitsvermögens (nach Berufen, Alter, Geschlecht, Verteilung usw.);
- eine umfassende Kenntnis der perspektivischen Entwicklung des Kombinats resp. Betriebes (wissenschaftlich-technische Entwicklung, Ausbreitungsgeschwindigkeit von Innovationen, Erzeugnis- und Technologieentwicklung, Investitionen, Rationalisierung usw.);
- eine Analyse der zu erwartenden Abgänge (natürliche Abgänge, Gewinnung von Werktätigen für andere Arbeitsaufgaben, Fluktuation);
- eine Analyse der möglichen Zugänge (Schulabgänger für eine Berufsausbildung, Gewinnung von Werktätigen aus anderen Bereichen usw.).“

Verantwortlich für die Planung der Verteilung der Schulabgänger war die Staatliche Plankommission. Ihr unterstanden mit bindender Norm die Ministerien, die Kombinate und Betriebe. Mitglieder der Plankommission waren vor allem Parteifunktionäre, hochrangige Politiker und Wirtschaftsfachleute, als Leiter der Plankommission fungierte lange Jahre Gerhard Schürer. Auf Grundlage ihrer Entscheidungen erfolgte direkte Anweisung an die Betriebe und Kombinate. Diese verteilten den ihr „zugedachten“ Nachwuchs unter Mithilfe der territorialen Organe (Rat des Bezirkes / Rat des Kreises). Mitwirkung hatten dabei die beiden staatlichen Stellen, das Staatssekretariat für Berufsbildung und das Zentralinstitut für Berufsbildung.

Für die Aufnahme von Schulabgängern aus der POS und EOS waren im Prinzip die Kombinate - für wenige Berufe die Räte der Bezirke bzw. die Räte der Kreise - zuständig. Ausschlaggebendes Merkmal war der lern-theoretische Unterricht in der Berufsschule. Der Großteil der vorhandenen 955 Berufsschulen, nämlich 717, war an Kombinate angeschlossen und galt als Betriebsberufsschulen (vgl. Statistisches Taschenbuch der DDR 1988. S. 15).

238 so genannte „Kommunale Berufsschulen“ unterstanden der Leitung der Räte der Kreise. In ihnen wurden zum Teil kaufmännische Berufe und die Lehrlinge der wenigen privaten Betriebe bzw. kleinerer PGH ausgebildet.

Problematisch war für die Nachwuchsgewinnung in der DDR auch die demographische Entwicklung. Der allgemein als „Pillenknick“ bezeichnete Geburtenrückgang erreichte die DDR in den 1970-iger Jahren, in denen die Geburten von 292.000 im Jahr 1964 auf 179.000 im Jahr 1974 zurückgingen (vgl. Rudolph 1988. S. 38). Dieser erhebliche Einbruch, der immerhin eine Quote von 38 % erreichte, hatte für eine Volkswirtschaft, welche ohne eine ausgleichende Migration auskommen musste, schwerwiegende Folgen. Ein chronischer Arbeitskräftemangel war an der Tagesordnung. Daher folgte eine sorgfältige Planung einer gewissen Notwendigkeit. Immerhin waren 1981 auch 1,4 Mio. Menschen mit abgeschlossener Hoch- bzw. Fachschulausbildung tätig (vgl. „Fragen und Antworten zum Programm der SED“ 1982 S. 247). Dabei besaßen rund 86 Prozent der Schulabgänger, die 1980 eine Berufsausbildung aufnahmen, den Abschluss einer 10-klassigen Polytechnischen Oberschule, 88 Prozent aller jugendlichen Berufstätigen hatten 1980 einen Facharbeiterabschluss, 12 Prozent einen Hoch bzw. Fachschulabschluss (vgl. a.a.O. 1982). Einen entscheidenden Anteil am sorgfältigen Übergang von allgemeinbildender Schule zur Berufsausbildung war in der DDR der Berufsberatung und dem hohen Stellenwert, den die Berufsausbildung und insbesondere der Facharbeiterbrief gesellschaftlich mitbrachten, zu verdanken. Dies führt zum nächsten Kapitel, welches sich mit den Verantwortlichen für Berufsberatung und Berufsausbildung beschäftigt.

2. Organisation und Verantwortung der beruflichen Bildung

In vielfacher Hinsicht besser geregelt war die Vorbereitung der künftigen Lehrlinge und Werktätigen auf das Arbeitsleben. Hierbei griffen insbesondere die Kontakte, welche bereits in der Polytechnischen Oberschule (POS) bzw. in der Erweiterten Oberschule (EOS) geknüpft wurden. Diese bestanden zum einen aus der engen Verzahnung der Schule mit ortsansässigen Betrieben und Kombinaten, zum anderen wurde das Thema „Berufswahl und Berufsvorbereitung“ in den gesellschaftlichen Prozess des Schulalltages integriert. Durch die polytechnischen Fächer „Produktive Arbeit – PA“, „Einführung in die sozialistische Produktion –ESP“ und „Technisches Zeichnen – TZ“ ab der Klasse 8 wurden Kontakte zu zukünftigen potentiellen Arbeitgebern geknüpft. Doch bereits in der Grundschule begann durch spielerische Einführung der Einblick in die Arbeitswelt. Meist geschah dies auf Initiative der Patenbrigaden aus den Betrieben. Durch diese Maßnahmen, eine Thematisierung in der Familie und in den Massenorganisationen, wie durch die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ oder die „Freie Deutsche Jugend – FDJ“, identifizierten sich Kinder und Jugendliche bereits sehr früh mit dem späteren Berufsleben.

Rudolph (1988) erläutert: „Dabei wurde schon Beachtliches erreicht, da gegenwärtig bereits etwa 85 Prozent aller Schulabgänger bei ihrer ersten Bewerbung einen Lehrvertrag mit dem gewünschten Betrieb für den gewählten Beruf abschließen“.

Die Verantwortung für die Berufsausbildung übernahmen, wie bereits angedeutet, zum Großteil die Betriebe und Kombinate. Diese waren geneigt, ihre zukünftigen Facharbeiter sehr frühzeitig an sich zu binden. Aufgrund des Arbeitskräftemangels herrschte, insbesondere um Schüler mit guten Leistungen und ausgeprägter Haltung zum politischen System, ein Wettbewerb. Durch die erwähnten Patenbrigaden, über die Betreuung von Arbeitsgemeinschaften sowie deren Finanzierung und Ausstattung sicherten die Kombinate und Betriebe das Interesse ihrer zukünftigen Beschäftigten. Verstärkt wurden auch Berufsberatungskabinette in den Betrieben eingerichtet, die spezielle Fragen beantworteten und fester Anlaufpunkt für Veranstaltungen der FDJ waren.

In der Rolle der Partei- und Staatsführung übernahmen die Berufsberatungszentren als Abteilungen der Räte der Kreise eine Schlüsselposition, die sich sowohl auf die Koordinierung und Planung als auch auf die Beratung von Schülern, Eltern und Lehrern konzentrierte. Die Berufsberatung führte regelmäßig soweit, dass sie mit dem Abschluss einer Lehrstelle, der Verpflichtung zum Armeedienst oder der Bewerbung um einen Studienplatz bzw. der Abiturstufe (EOS) mündete.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Berufsbildung in der ehemaligen DDR - ein Resümee
Hochschule
Universität Kassel
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
23
Katalognummer
V141543
ISBN (eBook)
9783640510016
ISBN (Buch)
9783640510252
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Berufsbildung, DDR, Hausarbeit, berufliche Bildung
Arbeit zitieren
Mario Hartmann (Autor:in), 2009, Berufsbildung in der ehemaligen DDR - ein Resümee, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141543

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