Intermedialität: Fotografie als narratives und visuelles Element im zeitgenössischen Erzählkino


Masterarbeit, 2006

47 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

2. Intermedialitat: Begriffserklarung und Rahmenschaffung
2.1 Der Begriff Intermedialitat

3. Film und Fotografie: Eine Analyse
3.1 Wie das Foto zum Film kam
3.2 Die evolutionare Beziehung

4. Filmanalysen
4.1 Die filmanalytischen Fragestellungen
4.2 Blow-Up - Michelangelo Antonioni - GB 1966 1
4.3 A Zed and two Noughts - Peter Greenaway - GB 1985
4.4 Memento - Christopher Nolan - USA 2000

5. Vergleichende Analyse der Filmbeispiele
5.1 Einfuhrung
5.2 Vergleichsanalysen

6. Fragen- bzw. Thesenbearbeitung
6.1 Reflektion und Diskurs

7. Schlussbemerkung

8. Literatur- und Quellenverzeichnis

9. Bildquellen

10. Filmografie

1. Einleitung und Fragestellung

Die technische und kunstlerische Entwicklung hat im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl an Kunsten und Medien hervorgebracht. Jedes dieser Medien prasentiert sich dem Rezipienten mit seinen eigenen darstellerischen und kommunikativen Eigenschaften. Werden unterschiedliche Medien miteinander kombiniert und ein Medium wird innerhalb eines anderen Mediums dargestellt, spricht man von einer Medienvermischung und das darstellende Medium bekommt intermediale Eigenschaften.

Was Intermedialitat in erster Linie bedeutet, lasst sich mit den Worten von Yvonne Spielmann beschreiben. Sie sieht Intermedialitat als „ein Phanomen der Vermischung zwischen unterschiedlichen Medien."[1]. In der Welt der Kunste und Medien gibt es mittlerweile eine Vielzahl von intermedialen Formen und Verbindungen. Eine der Interessantesten stellt die Verbindung zwischen dem Film und der Fotografie dar.

Beide Medien sind sich ahnlich, haben aber auch ihre ganz eigenen darstellerischen Eigenschaften. Speziell die Verwendung von Fotografie innerhalb eines Filmes fuhrt zu interessanten gestalterischen Verknupfungen und Erzahlweisen.

Diese Arbeit wird sich speziell mit dieser Art der Medienvermischung beschaftigen.

Dazu mochte ich auf folgende Fragen genauer eingehen: Welche Rolle bzw. welche Bedeutung hat ein Medium, das durch oder innerhalb eines anderen Mediums dargestellt wird und als tragender Teil der Handlung fungiert? Wann und unter welchen Vorraussetzungen wird das eine Medium fur das Andere interessant? Welchen Einfluss haben das Genre und die Produktionsumgebung auf den Einsatz der zu verzeichnenden Medienvermischung?

Um am besten auf diese Fragen einzugehen, ist es zuallererst von Noten, den Begriff der Intermedialitat zu fassen und verstandlich zu machen. Intermedialitat ist in der Medientheorie ein weit reichender und viel diskutierter Begriff, beinhaltet er doch alle Arten der Medien. Eine umfassende Erklarung zum Begriff der Intermedialitat wurde daher den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deshalb soll im Sinne dieser Arbeit eine eingegrenzte Begriffserklarung gemacht werden, die sich auf Film und Fotografie bezieht. Dies wird im folgenden Kapitel der Fall sein.

Film und Fotografie sind, wie schon genannt, zwei sehr ahnliche Medien. Tatsachlich ist es so, dass die Technik der Kinematografie aus der der Fotografie stammt. Das dritte Kapitel soll, anhand historischer Beispiele der Gebruder Lumiere, Aufschluss daruber geben, wie die Fotografie zum Film kam und sich eine Vermischung der beiden Medien schon in jener Zeit gezeigt hat.

Die eigentliche Grundlage, auf der die zuvor genannten Fragen beantwortet werden, bilden drei Filmbeispiele. „Blow-Up" von Michelangelo Antonioni aus dem Jahre 1966, „A Zed and two Noughts" von Peter Greenaway von 1985 und „Memento" von Christopher Nolan aus dem Jahre 2000. Ich habe diese drei Filme gewahlt, weil die Fotografie hier zum Einen auf der narrativen und/oder der visuellen Ebene zu finden ist. Zum Anderen bilden sie mit ihrer unterschiedlichen Verwendung der Fotografie, den Zeiten aus denen sie stammen und den unterschiedlichen Genres, die sie darstellen, eine breite und vielschichtige Analyse- und Vergleichsbasis. Diese Filme werden jeweils einer Filmanalyse unterzogen. Diese setzt sich aus sieben Fragen zusammen, die den Film und die Fotografie im Film behandeln und aufzeigen.

In Kapitel funf werden dann die Ergebnisse der drei Filme miteinander verglichen. Dies soll die jeweiligen Unterschiede bzw. Ahnlichkeiten, wie die Fotografie in den Filmen behandelt wird, aufzeigen. Das vorletzte Kapitel untersucht dann die oben genannten Thesisfragen.

2. Intermedialitat: Begriffserklarung und Rahmenschaffung

2.1 Der Begriff Intermedialitat

In diesem Kapitel mochte ich den Begriff Intermedialitat etwas naher behandeln. Es soil aufgezeigt werden, wie sich die Medientheorie mit diesem Begriff auseinandergesetzt hat und in welchen Erscheinungsformen Intermedialitat auftreten kann.

Der Begriff Intermedialitat gehort zu einem der meist diskutierten Begriffe in der Medien­theorie. Er beinhaltet alle Arten der Medien, wie Malerei, Theater, Musik, Lyrik, Dichtkunst, Film und Fotografie. Der Einzug des Computers und des Internets in den letzten 20 Jahren brachte neue elektronische Medienverfahren hervor, so genannte „Neue Medien". Der Begriff „Multimedia" entstand. Hierzu gehoren z. B. Internetanwendungen und computer- generierte Animationen. Es entwickelte sich eine Differenzierung zwischen analogen und digitalen Medien und es entstanden weitere Ebenen der intermedialen Transformation. Kunstler und Medienschaffende haben durch diese Medienvielfalt die Moglichkeit, ihr gestalterisches Schaffen auf mehrere Medien anzuwenden oder diese zu kombinieren.

So ergeben sich vollig neue Arten der Medienkommunikation und Gestaltungs- bzw. Ausdrucksformen.

Intermedialitat bedeutet eine Vermischung von verschiedenen Merkmalen und Eigenschaften der jeweiligen Medien. Dies geschieht innerhalb eines so genannten Hauptmediums. Zum Beispiel ein Film, der auf narrativer und/oder visueller Ebene, ein anderes Medium behandelt oder Merkmale dieses Mediums verwendet. Intermedialitat findet nur innerhalb eines solchen Hauptmediums statt. Jedes Medium stellt auch ein Hauptmedium dar, das andere Medien beinhalten und verarbeiten kann. Hierzu gehoren, neben dem Medium Film, zum Beispiel auch die Malerei, die Musik, die Lyrik oder das Theater. Folgende beispielhafte Kombinationen sind moglich: Ein Fotograf, der Gemalde fotografiert, ein Grafikdesigner, der mit abstrakter Kunst arbeitet oder ein Filmemacher, der sich mit der Fotografie in seinem Film beschaftigt. Der medientheoretische Diskurs von Jurgen E. Muller erklart dieses Phanomen so: „Intermedialitat ruckt im medientheoretischen Kontext ab von dem traditionellen Gedanken vom isolierten Medium oder Mediensorten." Ein mediales Produkt, " in unserem Fall der Film, „[...]wird von multimedial zu intermedial, wenn mediale Zitate und Elemente zweier Medienformen, [...]" hier Film und Fotografie,

„in ein konzeptionelles Miteinander gefuhrt werden. Die asthetischen Uberschneidungen und Verwerfungen, die sich dann ergeben, eroffnen neue Dimensionen des Erlebens und Erfahrens"[2]. Zwischen den Begriffen intermedial und multimedial muss aber unterschieden werden.

Multimedial ist ein Begriff, der sich im Laufe der Medienentwicklung gebildet hat. Es bedeutet, dass sich ein Hauptmedium als Medienprodukt aus verschiedenen Medien zusammensetzt, um uberhaupt zu existieren. Das Medium Film bildet zum Beispiel ein multimediales Produkt. Zu Zeiten des Stummfilmes bestand der Film als Form nur aus dem Bewegtbild. Die technische Entwicklung erweiterte dies und es kamen noch der Ton und die Musik hinzu und der Film wurde multimedial. Der Rezipient wird durch das Bild, den Ton und den Inhalt angesprochen. Im Zeitalter der digitalen Medien manifestierte sich dieser Begriff mehr und mehr. So setzen sich z. B. Computerspiele aus Elementen des Filmes und der computergenerierten Animation zusammen. Animationsfilme kombinieren Film, Ton und Musik mit der Zeichnung bzw. Malerei. Diese Medienformen bildeten sich aus der Kombination unterschiedlichster Medien und machen sie zu multimedialen Produkten. Durch die Entwicklung im Bereich der elektronischen Medien und des Filmes sind nahezu alle Medien aus diesem Bereich als Multimedial zu bezeichnen.

Intermedialitat findet statt, wenn innerhalb eines Hauptmediums typische visuelle und technische Eigenschaften eines anderen Mediums dargestellt und behandelt werden. Das Hauptmedium als Medienprodukt, also als darstellendes Medium, bleibt dominant. In unserem Fall ist der Film das Hauptmedium, das das Medium Fotografie auf den Ebenen der Bildasthetik, der Narration und der erzahlten Geschichte tragt.

3. Film und Fotografie: Eine Analyse

3.1 Der Film stammt aus der Fotografie

Das Medium Film bildet eine logische medienevolutionare Weiterentwicklung der Fotografie. Um die]se Aussage zu erlautern, mochte ich einen Exkurs in die Filmgeschichte, genauer gesagt zur Geburt des bewegten Bildes im Jahre 1895 machen.

Die Pioniere der damaligen Zeit waren Menschen wie Thomas Alba Edison und die Ge- bruder Lumiere, die versuchten, das „starre" Bild wie man es von der Fotokamera kannte, in Bewegung zu setzen. Edison stellte 1894 den ersten „Kinematograph" (der soviel wie „die Bewegung aufzeichnen" bedeutet) vor. Es war der erste Apparat der Welt, mit dem es moglich war, eine Bewegung durch eine Linse auf einen vorbeilaufenden Filmstreifen zu bringen. Der entwickelte Film konnte dann mit dem von Edison entwickelten „Kinetoskop" angeschaut werden. Nachteil dieses Vorlaufers der modernen Filmprojektion war die schwere und unhandliche Handhabung des Gerates und die Moglichkeit, dass nur eine Person den Film betrachten konnte. Diese Technik weiterzuentwickeln machten sich die Bruder Louis und Auguste Lumiere zur Aufgabe (Abb. 1).

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Abb. 1 Die Bruder Lumiere Abb. 2 Der Cinematographe

Aufgrund ihrer Herkunft als Sohne des Fotografen und Industriellen Antoine Lumiere wuchsen sie mit der Fotografie auf und experimentierten viel mit deren Technik und Funktionsweise. Das Grundprinzip der Fotografie, die Belichtung einer chemisch behandelten Oberflache, der materiellen Abbildungsschicht „Film", um einen Moment fur die Ewigkeit festzuhalten, hatte das Potenzial sich weiterzuentwickeln. Die Bruder erkannten das und die Erfindung von Edison gab ihnen den letzten AnstoB. Die Bruder Lumiere entwickelten Edisons Idee weiter und stellten 1895 ihre verbesserte Version, den "Cinematographe", in Paris vor (Abb. 2). Dieses Gerat konnte nun aufnehmen, kopieren und auch projizieren. Dies machte es moglich, dass nun mehrere Personen gleichzeitig einen Film schauen konnten. Das Kino war geboren.

Der technische Schritt in Richtung Film, der getan werde musste, war der Vorgang des mechanischen Verschlusses des Objektives und einer mechanischen Weiterfuhrung des Filmmaterials an der Linse vorbei. Versuche mit der Reihenfotografie zeigten das Prinzip auf und die Weiterentwicklung zur Filmkamera beruht darauf. Reihen- oder auch Chronofotografie bezeichnet das Prinzip wenn „[...]eine Folge von fotografischen Aufnahmen zu einer Reihe oder Serie kombiniert werden"[3]. Geschehen diese Aufnahmen mit 25 Bildern pro Sekunde wird ein flussiger Bewegungsablauf dargestellt (Abb. 3). Dieses Prinzip nutzt die Filmkamera.

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Abb. 3 Woman walking downstairs

Die Bruder drehten in der Zeit von 1895 bis 1897 mehr als 100 Kurzfilme, teils doku- mentarisch, aber auch inszeniert. Sie schickten Kameramanner um die ganze Welt, um Aufnahmen mit der neuen Technik zu machen. Charakteristisch war hier immer eine statische und feste Kameraeinstellung. Die Aufnahmen bekamen so einen fotografischen Charakter. Gerade Louis Lumiere konnte hier auf seine Erfahrungen als Fotograf zuruck- greifen und wahlte Kameraansichten und Ausschnitte wie mit einem Fotoapparat. Dadurch wirken die Aufnahmen der Bruder wie bewegte Fotografien (Abb. 4 - 6).

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Abb. 4

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Abb. 5

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Abb. 6

Diese ersten Filmaufnahmen besaBen in Bezug auf die Bildkomposition und Kadrierung schon hochste Qualitat und Asthetik. Die Bruder wahlten ihre Einstellung fur eine bestimmte Situation immer sehr sorgfaltig aus. Um Bewegungen und den Raum der Szene besser einfangen zu konnen, wurde oft eine perspektivische Bildeinstellung gewahlt. So ergab sich oft ein diagonaler fluchtpunktartiger Bildaufbau. Die Bewegung und Tiefe kamen so besonders zur Geltung (Abb. 7, 8).

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Abb. 7

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Abb. 8

Eine ihrer bekanntesten Aufnahmen ist einer ihrer ersten Filme, „L‘Arrivee du Train". Gezeigt wird ein Zug, der in einen Bahnhof einfahrt und Personen, die aus- und zusteigen (Abb. 9). Die Einstellung war damals so beeindruckend, dass die Zuschauer zuruckwichen, als der Zug am linken Bildrand vorbeizog. Hier zeigen sich der Einfluss der Flucht der Aufnahme und die Kontraststarke des Bildes, links der schwarze Zug und rechts der helle Bahnsteig mit den Passanten.

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Abb. 9

Der Einfluss der Fotografie in den Arbeiten der Bruder, ist das erste Anzeichen von Intermedialitat auf der visuellen Ebene des Filmes. Ein weiterer Film der Bruder hat dieses Merkmal auch auf der narrativen Ebene. In einer Aufnahme eines Festzuges steht in der Mitte des Bildes ein weiterer Kameramann, der die Szenerie aufnimmt (Abb. 10). Das erste mediale Dokument, das den Prozess des Filmens dokumentiert und somit eine Selbstreflektion des Mediums Films darstellt.

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Abb. 10

Es besteht also eine eindeutige Verbindung zwischen Fotografie und dem Film. Die Foto­grafie ist als Vorganger des Filmes zu sehen. AuBerdem ist erkennbar, dass es schon damals durch diese Uberschneidung zu einem intermedialen Vorgang gekommen ist.

3.2 Die evolutionare Beziehung

In diesem Unterkapitel geht es darum, den Aspekt der medienbezogenen Evolution von Foto zu Film nicht nur historisch, sondern auch medientheoretisch zu festigen.

Joachim Paech verweist in seiner Abhandlung uber dieses Thema auf McLuhans „Die magischen Kanale" von 1968. Hier spricht McLuhan davon, dass im „neueren Medium Film, das altere Medium Fotografie enthalten ist" und „dass der Inhalt jedes Mediums immer ein anderes Medium ist"[4]. Einem bestehenden bzw. einem neu entstandenen Medium muss immer ein vorangegangenes Medium zu Grunde liegen. Dies ist vergleichbar mit dem evolutionaren Charakter von Mensch und Tier. Das Eine stammt vom Anderen ab und entwickelt sich weiter.

Wie ein roter Faden finden sich die Eigenschaften des vorangegangenen Mediums in den Nachfolgenden wieder. Der festgehaltene Moment eines gemalten Bildes als Spiegel der Zeit ist, genauso wie der Vorgang des Fotografierens, um einen Moment fur die Ewigkeit festzuhalten. Der Moment des Pinselstriches auf der Leinwand entspricht dem Belichten des Fotofilms. Diese Elemente zeigen sich auch im Medium Film, mit dem Unterschied, dass nun Zeit uberbruckt und dargestellt werden kann.

Wir sehen, dass durch die Entwicklung der beiden Medien Gemeinsamkeiten bestehen. Aber es gibt auch grundlegende Unterschiede. Der Wesentlichste ist, Bewegung und somit Zeit festhalten und dokumentieren zu konnen. Der Film kann einen ganzen Handlungsablauf aufnehmen. Die Fotografie ist hier technisch eingeschrankt. Sie las- st nur die Dokumentation eines Moments zu. Diese Eigenschaft der Fotografie, wie schon McLuhan schrieb, [,..]einen einzelnen Moment in der Zeit zu isolieren, [,..]ist das entscheidende Charakteristikum der Fotografie[5]. Die Form des Mediums Fotografie, das entwickelte Bild, ermoglicht dem Rezipienten eine „geistige Zeitreise" zu machen und den Moment, den er auf dem Bild sieht, in seinem Geiste mit der Erinnerung zu vervollstandigen. Die Moglichkeit der Fotokamera, einen kurzen Moment im Leben festzuhalten, eine Mimik, eine Bewegung, zwingt den Rezipienten, sich auf das Gezeigte zu konzentrieren und sich ausschlieBlich damit auseinanderzusetzen. Er hat einen Eindruck des Bildes und formt in seinem Geiste die Erinnerung, die es wachruft, oder er sieht etwas Fremdes und macht sich seine eigenen Vorstellungen. Mit diesen Eigenschaften kann und hat die Fotografie mehrere Rollen fur den Nutzer bzw. Betrachter in sich vereint. Auf drei der wichtigsten Rollen der Fotografie werden wir in den folgenden Filmanalysen stoBen.

4. Filmanalysen

4.1 Die filmanalytischen Fragestellungen

Zu Beginn jeder Analyse werde ich eine kurze, zusammenfassende Inhaltsangabe des jeweiligen Filmes machen. AnschlieBend werde ich mich mit den folgenden, von mir ausgearbeiteten, sieben Hauptfragen auseinandersetzen:

- Historische Dekade: Zu welcher Zeit entstand der Film und in wie fern spiegelt sich diese Zeit im Film wieder?
- Genre: In welches Filmgenre lasst sich der Film einordnen oder werden mehrere Genres behandelt?
- Produktionsbedingungen: Unter welchen Bedingungen fand die Produktion des Filmes statt und wie spiegeln sie sich im Film wider?
- Autor/Regisseur: Wie zeichnen sich Interessen und Vorstellungen des Autors/ Regisseurs innerhalb des Filmes ab?
- Kritik und Resonanz: Wie waren die Reaktionen auf den Film seitens der Kritiker und der Zuschauer?
- Rolle der Fotografie: Wie wird die Fotografie in den jeweiligen Filmen dargestellt? Welche Rolle und Funktion ubernimmt sie?
- Einfluss der Fotografie: Wie stellt sich der Einfluss der Fotografie auf Narration und Visualisierung des Filmes dar? Wie korrespondieren und kontrastieren Film und Fotografie miteinander?

4.2 BLOW-UP - Michelangelo Antonioni - GB 1966

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Inhaltsangabe

Antonionis Film „Blow-Up" spielt im „Swinging London" der 60er Jahre und handelt von dem erfolgreichen Modefotografen Thomas, der bei einer Motivsuche in einem Londoner Park, ein sich merkwurdig verhaltendes Parchen heimlich fotografiert. Die Frau entdeckt ihn und mochte um jeden Preis verhindern, dass die Fotos entwickelt werden. Aber Thomas lasst sich nicht darauf ein. Als sie versucht, ihn durch Sex zum Einlenken zu bewegen, tauscht er sie und gibt ihr einen falschen Film. Thomas hat die Neugier gepackt und entwickelt die Fotos. Die Bilder scheinen zuerst ganz normal, ein Parchen, das sich im Park trifft. Aber Thomas fallt etwas an den Aufnahmen auf und beginnt, die Bilder zu vergroBern. Es scheint noch eine dritte Person im Bild zu sein, versteckt mit einer Waffe.

Ihm fallt noch ein weiteres Detail auf, das nach VergroBerung der Umriss einer Leiche sein konnte. Der Fall scheint ihm klar, er mochte aber Gewissheit. Er geht nochmals in den Park und entdeckt tatsachlich eine Leiche. Da er keine Kamera dabei hat, geht er zu seinem Geschaftspartner Ron, um ihm davon zu berichten. Aber er glaubt ihm nicht. Als Thomas ein weiteres Mal den „Tatort" aufsucht, ist die Leiche verschwunden. Thomas zweifelt an sich und fragt sich, ob er sich alles nur eingebildet hat. War das, was er auf den Bildern und im Park geglaubt hat zu sehen, nur ein Produkt seiner Fantasie?

Das Ende des Filmes zeigt Thomas im Park, wahrend er einer Gruppe Pantomimen beim „Tennis spielen" zusieht. Obwohl kein Ball oder Schlager zu sehen ist, akzeptiert er die Illusion und wirft den ins Aus gespielten „Ball" wieder an die „Tennisspieler" zuruck. Die letzte Einstellung zeigt, wie Thomas einsam in der Mitte der Wiese steht und plotzlich hort man das Gerausch von geschlagenen Tennisballen. Daraufhin verschwindet Thomas, genau wie die Leiche im Park.

Historische Dekade

Antonionis Film entstand Mitte der 60er Jahre und genau dieses Zeitgefuhl verkorpert auch der Film. Antonioni hatte wohl keinen besseren Ort als London fur diese Stimmung finden konnen. Der Begriff des „Swinging London" findet in diesem Film seinen Platz und ummalt gekonnt die Hauptfigur Thomas, gespielt von David Hemmings, und seine Umgebung. Thomas lebt als Modefotograf inmitten einer Zeit voller moralischer und gesellschaftlicher Umbruche, die Anfange der Vermarktung von Korper und Kleidern in einer der Modehochburgen der damaligen Zeit. Antonionis Film liefert eine Momentaufnahme der Epoche, der neuen bunten und flippigen Mode, des Minirocks, Partys, Drogenexzessen, Antikriegs-Demonstrationen und ausartenden Musikkonzerten.

All dies wird in diversen Szenen des Films dargestellt. Am Anfang steht die Einfuhrung der Hauptfigur Thomas, der bei seiner Arbeit mit einem Model gezeigt wird, was einem sexuellen Akt gleicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2

Ein weiteres Fotoshooting (Abb. 2) mit mehreren Models erscheint dem Zuschauer als sehr abstrakt durch die Posen und Kleider. Dies reflektiert eindeutig den Zeitgeist und die Experimentierfreudigkeit der jungen Generation. Das Verhalten und die Lebensumstande der Figur des Thomas, spiegeln genau den „Yuppie-Typen" der 60er Jahre wider. Er ist ein gefragter und begehrter Modefotograf, der in seinem Jaguar immer auf der Suche nach neuen Bildern ist, dem Geld hinterher fahrt und dabei die Menschen, die er fotografiert, wie Dinge behandelt. Eine weitere Szene am Anfang des Filmes zeigt Thomas, wie er verkleidet in ein Obdachlosenheim einschleicht, um Bilder fur ein Fotoband zu bekommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Abb. 4

AnschlieBend lasst er seine Kleider, die er dort trug, vernichten. Dies stellt Thomas als einen Menschen dar, der vollig distanziert von dem Leid und der Trauer seiner Mitmenschen handelt und nur an Bildern interessiert ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5 Abb. 6

Der moralische Zerfall, wird auch durch die lockere und unverschleierte Darstellung von Drogen und ihrem Konsum symbolisiert, z.B. auf der Party auf der Thomas seinen Partner Ron sprechen mochte (Abb. 5). Hier zeigt sich auch die Sorglosigkeit in den Reihen der „Yuppiegeneration". Thomas Freund Ron ist wie die anderen uberhaupt nicht an der Geschichte von Thomas interessiert, er ist wie die anderen Partygaste dem Drogenrausch verfallen (Abb. 6).

Mit diesen Szenen und Bildern mochte Antonioni die Ignoranz und Naivitat der jungen Generation gegenuber dem Leben und den Problemen anderer aufzeigen. Antonioni zeigt aber auch die andere Seite der Gesellschaft, jene jungen Leute, die gegen die globalen Probleme ihrer Zeit protestieren (Abb. 7).

[...]


[1] Vgl. Spielmann, Yvonne: Intermedialitat. Das System Peter Greenaway, Munchen 1998, S. 31

[2] Vgl. Muller E., Jurgen: Intermedialitat als poetologisches und medientheoretisches Konzept, in: Hel- big, Jorg: Intermedialitat, Berlin 1998, S.31-32

[3] Vgl. Wikipedia. Die freie Enzyklopadie: http://de.wikipedia.org/wiki/Reihenfotografie

[4] Vgl. Paech, Joachim: Mediales Differenzial und transformative Figurationen, in Helbig, Jorg: Intermedialitat, Berlin 1998, S. 19

[5] Vgl. McLuhan, Marshall: Understanding Media, London 1964, S.204

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Intermedialität: Fotografie als narratives und visuelles Element im zeitgenössischen Erzählkino
Hochschule
Merz Akademie - Hochschule für Gestaltung Stuttgart
Note
1,1
Autor
Jahr
2006
Seiten
47
Katalognummer
V148148
ISBN (eBook)
9783640592418
ISBN (Buch)
9783640592241
Dateigröße
2533 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Auszug: Die technische und künstlerische Entwicklung hat im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl an Künsten und Medien hervorgebracht. Jedes dieser Medien präsentiert sich dem Rezipienten mit seinen eigenen darstellerischen und kommunikativen Eigenschaften. Werden unterschiedliche Medien miteinander kombiniert und ein Medium wird innerhalb eines anderen Mediums dargestellt, spricht man von einer Medienvermischung und das darstellende Medium bekommt intermediale Eigenschaften.
Schlagworte
Intermedialität, Memento, Antonioni, Blow Up, Fotographie, Film, Greenaway, Gebrüder Lumiere, Thema Fotografie
Arbeit zitieren
Dennis Reber (Autor:in), 2006, Intermedialität: Fotografie als narratives und visuelles Element im zeitgenössischen Erzählkino, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148148

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