Die Zahl der überschuldeten Haushalte in Deutschland erreichte im Jahr 2007 mit 3,5 Mio. den bisherigen Höchststand. Dies stellt eine enorme Wichtigkeit hinsichtlich der Auswirkungen auf den Bereich des Sozialrechts dar. Vor allem die Krankenkassen gehören in der Regel zu den Gläubigern von Beitragsrückständen, weil eine Vielzahl der Menschen aus den überschuldeten Haushalten ihr Einkommen überwiegend aus dem Bezug von Sozialleistungen bestreitet. Wo Leistungen gewährt werden, kommt es aus den verschiedensten Gründen immer wieder zu Fehlern. Für den Bereich des Sozialleistungsrechts kann dies bedeuten, dass Ansprüche zu Unrecht nicht erfüllt werden, Beiträge nicht erhoben werden, oder aber etwas gewährt wird, ohne dass die vom Gesetz vorgegebenen Anspruchsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen.
In all diesen Fällen ist es notwendig, die einmal entstandenen Fehler zu korrigieren. Auf verfahrensrechtlicher Ebene stellt das SGB X ein ausdifferenziertes Instrumentarium zur Verfügung, dass sowohl den Interessen des Bürgers als auch jenen der Sozialleistungsbehörde in ausreichendem Maße Rechnung trägt. Probleme tatsächlicher Natur tauchen dann auf, wenn der zur Leistung Verpflichtete aus irgendeinem Grund die geschuldete Leistung nicht erbringen will oder kann. Ist die Schuld in Geld zu erfüllen, kann in einer solchen Situation im Zivilrecht bei Vorliegen der Voraussetzungen die Aufrechnung nach den §§ 387 BGB erklärt werden.
Ähnliche Überlegungen können auch seitens der Sozialleistungsträger angestellt werden, wenn der eigenen Forderung ein Sozialleistungsanspruch des Bürgers gegenübersteht. Selbst wenn der Schuldner von ihnen gar keine Leistung (mehr) bezieht, bietet das Sozialrecht die Möglichkeit, die Forderungen von einem anderen Sozialleistungsträger im Wege der Verrechnung nach § 52 SGB I einziehen zu lassen.
Angesichts dieser Eingriffsmöglichkeit, die sich für die Sozialleistungsträger bietet, um die rechtmäßige Vermögenslage wieder herstellen zu können, stellt sich für die vorliegende Arbeit die Frage der dogmatischen Einordnung von Aufrechnung und Verrechnung in die rechtliche Systematik und auch nach ihrem rechtlichen Verhältnis zueinander.
Wie sich Rechtsprechung und Literatur entnehmen lässt, ist diese in höchstem Maße umstritten, ob also die Verrechnung einen Verwaltungsakt darstellt oder eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung der Behörde ist?
INHALTSVERZEICHNIS
Literaturverzeichnis
§ 1 Einleitung
I. Ausgangssituation
II. Zielsetzung der Arbeit
§ 2 Die Entwicklung der Verrechnung als allgemeines Rechtsinstitut im Sozialrecht
§ 3 Die sozialrechtlichen Verrechnungsvorschriften
I. § 52 SGB I
II. § 28 Nr. 1 SGB IV
III. Die Drittaufrechnung gem. § 333 III SGB III
§ 4 Das Verhältnis der Verrechnung zur Aufrechnung
I. Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur
II. Die systematische Stellung der Verrechnung
III. Frage der Verrechnung im Bürgerlichen Recht
IV. Die Übertragbarkeit der Forderung als Kriterium zur Begründung eines eigenen Rechtsinstituts
1. Die Möglichkeit der Übertragbarkeit einer Forderung
2. Die Zulässigkeit der Übertragung
a. Die Übertragbarkeit einer zivilrechtlichen Forderung
b. Die Übertragbarkeit einer öffentlich-rechtlichen Forderung
c. Zwischenergebnis
V. Die Verrechnung als Vollstreckungshandlung
VI. Der allgemeine Rechtsgedanke des § 387 BGB
VII. Notwendigkeit der Begründung eines eigenen Rechtsinstituts
VIII. Ergebnis
§ 5 Die Voraussetzungen der Verrechnung
I. Rückgriff auf die Aufrechnungsdefinition im BGB
II. Die Aufrechnung im Zivilrecht
III. Die Voraussetzungen für eine Verrechnungslage
1. Aufrechnungslage
a. Gleichartigkeit der Forderung
b. Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Aktivforderung
c. Erfüllbarkeit der Passivforderung
aa. Erfüllbarkeit sozialer Rechte
bb. Dauerschuldverhältnisse aus sozialrechtlicher Sicht
d. Ausschluss der Aufrechnung
2. Sozialrechtliche Besonderheiten der Aufrechnung – Von der Aufrechnungs- zur Verrechnungslage
a. Verrechnungsermächtigung eines Leistungsträgers
aa. Tatbestandsmerkmal und Bestimmtheit der Ermächtigung
bb. Die Ermächtigung im Ermessen der Sozialleistungsträger
cc. Die Rechtsqualität der Ermächtigung im Innenverhältnis
b. Abgabe der Verrechnungserklärung
§ 6 Die Rechtsnatur der Verrechnung
I. Ausgangssituation der Diskussion
II. Aktueller Streitstand
1. Die Argumente des 4. Senats
2. Die Argumente des 13. Senats
3. Rechtliche Würdigung: Das Verrechnungsersuchen als Verwaltungsakt
§ 7 Die Schranken der Verrechnung
§ 8 Zusammenfassung und Fazit
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