Was macht "Pipi Langstrumpf" zu einem Kinderbuchklassiker?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was sind Kinderbuchklassiker?
2.1 Ein Definitionsversuch
2.2 Kriterien und Merkmale
2.3 Internationalität von Kinderklassikern

3. Analyse der Aspekte und Kriterien im Hinblick auf Pippi Langstrumpf

4. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wer kennt sie nicht: Pippi Langstrumpf? Aus der Feder Astrid Lindgrens entstand eine literarische Figur, die die Menschen begeistert. Über Generationen hinweg und in über 60 Übersetzungen schaffte es das rothaarige Mädchen, mit dem vollen Namen Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraims Tochter Langstrumpf, Bewunderung von Jung und Alt zu erhalten. Die aufgeweckte, emanzipierte Piratentochter und ihre Freunde Annika und Thomas lassen ihre Leser (Zuschauer etc.) in eine Welt voller kindlicher Stärken und Schwächen, Abenteuer und verschiedener Identifikationsmöglichkeiten eintauchen.

Ich kann es mir nicht nehmen lassen, wenigstens kurz, auf meine eigenen Erfahrungen mit Pippi einzugehen: Ich selbst bin rothaarig, was die Versuche mich selbst in Pippi wieder zuerkennen nur förderten. Das kesse Mädchen war für mich Vorbild, Respektperson und Freundin in einem. Die phantastischen Geschichten und Erlebnisse ermöglichten es mir für die Zeit des Rezipierens ebenfalls so stark und verrückt zu sein wie Pippi. Im Nachhinein deute ich daraus einen Versuch meinerseits, Eigenschaften und Wünsche auszugleichen, die mir bisher fehlten, deren Vorteile mir aber voll bewusst waren.

Nun soll es in meiner Ausführung jedoch nicht um subjektive, kindliche Wahrnehmungen gehen, sondern um wissenschaftliche Ansätze, die den Begriff des Kinderklassikers zu erklären versuchen.

Warum wurde gerade Lindgrens Pippi so erfolgreich, über Generationen hinweg?

Es dürfte der Wahrheit entsprechen, wenn ich behaupte, jeder kenne das Wort „Klassiker“. Doch was genau ist eigentlich ein Klassiker und wo genau liegen die Gemeinsamkeiten zu anderen klassischen Kinderbüchern? Diese und anderen themenbezogene Fragen werde ich im Folgenden aufgreifen und erörtern.

2. Was sind Kinderbuchklassiker?

Das folgende Kapitel geht auf die Begriffe „Kinderbuchklassiker“ oder „Kinderklassiker“ ein und arbeitet heraus, was ein Kinderbuch zu einem so genannten Klassiker macht. Um die ausschlaggebende Frage („Was macht Pippi Langstrumpf zu einem Kinderklassiker?“) meiner Ausarbeitung beantworten zu können, müssen gewisse Kriterien und Aspekte benannt werden, die ein Kinderbuch zu einem Klassiker machen. Erst dann ist es möglich „Pippi Langstrumpf“ im Hinblick auf diese Thesen als Klassiker bezeichnen zu können und die Gründe dafür offen zu legen.

Aufgrund der Herausgabe ihres Lexikons „Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur“ (in zwei Bänden) beschäftigte sich Bettina Kümmerling- Maibauer mit dem Begriff Kinderklassiker genauer. Um ihre große Auswahl an Büchern (insgesamt 534) aus 65 Ländern in ihrem Lexikon begründen zu können und den Lesern[1] ihres und der darin genannten Werke zu verdeutlichen, welche Forschungsdesiderate erfüllt werden müssen, um sich Klassiker nennen zu können, leitet Kümmerling- Maibauer ihr Lexikon mit einem Aufsatz ein.[2]

Bei ihr, aber auch anderen Autoren, steht die Suche nach einer Definition an erster Stelle. Wenn auch die Herangehensweisen der Wissenschaftler an diese Begriffsklärung verschieden sind.

2.1 Ein Definitionsversuch

Bettina Hurrelmann sieht die Anfänge der Spezifierung „Kinder- und Jugendliteratur“ im 18. Jahrhundert. Die Entfaltung hingegen lässt sich auf das 19 Jahrhundert datieren.[3]

Weiterhin muss festgehalten werden, dass sich Kinder- und Jugendliteratur (KJL) nicht auf eine bestimmte Gattung bezieht, sondern in den unterschiedlichsten Varianten wieder zu finden ist. So kann ein Roman genauso gut zur KJL gezählt werden wie Märchen oder Werke, die nicht mit der Intention geschrieben wurden ein Kinderbuch entstehen zu lassen und sich erst im Nachhinein dazu entwickelten.

Obwohl ein Trend zu erkennen ist, der gewisse Autoren wie Erich Kästner oder Astrid Lindgren Klassikerautoren nennt, geht es in erster Linie um einzelne Werke. Des Weiteren kann man, im Gegensatz zur deutschen Literaturgeschichte, in der Kinderliteraturgeschichte keine klassische Epoche wie etwa den „Sturm und Drang“ ausmachen. Kinderliteratur kann man also nicht epochenbezogen kategorisieren.

Zur Klassifizierung „Kinderklassiker“ zählen nicht nur Werke, die vor oder während des Zweiten Weltkrieges entstanden. Diese dominieren zwar quantitativ gesehen, Kinderbücher, die seit den 1980er Jahren entstanden sind spielen jedoch auch eine Rolle. Auch internationale Bücher, die zwischen 1945 und 1990 erschienen und den qualitativen Maßstäben eines Klassikers entsprechen, müssen bedacht und aufgelistet werden. So ergibt sich, dass mittlerweile ein Drittel der Klassikerliste aus modernen Werken besteht.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass es nicht auszuschließen ist, dass bestimmte Werke „de- kanonisiert“ werden oder aber andere, ob alt oder modern, hinzugefügt und sich somit Kinderklassiker nennen werden.

Diese Werke erfüllen den Anspruch „beliebt und weitverbreitet“ zu sein sowie gegenwärtig (noch) gelesen zu werden. Die literaturwissenschaftliche Perspektive bezüglich der Kriterien eines Klassikers wurde häufig in den Hintergrund gedrängt und die pädagogischen, vorbildlichen Aspekte eines Kinderbuches standen im Vordergrund des Interesses, wenn es darum ging einen Klassiker zu benennen. Auch aktuell besteht das Problem Kinderklassikern eine eindeutige Definition zuzuweisen.

Es kristallisieren sich zwei Ansichten heraus:

Die Überzahl hebt das „Postulat der Popularität und Langlebigkeit“ hervor, lässt das „wirkungs- und rezeptionsgeschichtliche“ jedoch nicht außen vor. Die Vertreter der anderen Ansicht legen Wert auf eine „literarische Qualität und Vorbildfunktion“. Auch Hurrelmann betont, dass seit den 1980er Jahren Fiktionalität und Qualität der Lektüren in den Vordergrund rücken statt der bisherigen Ideologiekritik. So ist festzuhalten, dass die Kinderliteraturwissenschaftler bisher nicht zu einer klar umrissenen Definition gekommen sind. Die allgemeine Literaturwissenschaft hingegen verbindet die bereits genannten Kriterien, um den Begriff „Klassiker“ zu definieren.[4]

Auch die Kinder und ihre individuellen variierenden Vorlieben schaffen es stets, die Wissenschaft davon abzuhalten eine Norm zu erschließen.

Für Hurrelmann erfüllen gewisse Werke den Anspruch eines Klassikers bereits durch ein über Generationen anhaltendes Leseinteresse oder durch Übertragung des Buches in verschiedenste mediale Formen. Kinderklassiker seien außerdem jene Bücher, die es schaffen, sich gegen Kritiken sämtlicher Wissenschaftsbereiche durchzusetzen. Andere Wissenschaftler jedoch setzen bei ihrer Bestimmung eines Klassikers Grenzen wie etwa im Bereich der Gattung (Comics) oder des Erscheinungsjahres.[5]

Kümmerling- Maibauer legte ihren Schwerpunkt bei der Literaturauswahl ihres Lexikons auf den synchronen Qualitätsaspekt. „Wirkung und Wertung“ einer Lektüre können die Auswahl zwar ebenfalls prägen, jedoch steht dieses diachrone Kriterium hinter dem oben genannten, da es sich nicht auf alle aufgelisteten Kinderbücher anwenden lässt. Die Entstehungsgeschichten können also variieren, indem es z.B. Klassiker gibt, die erst nach einer gewissen Zeit anerkannt wurden oder aus dem Blickfeld der Kinderliteraturforschung verschwanden bzw. wieder „auftauchen“. Weiterhin steht das diachrone Kriteriumsmerkmal häufig im Zusammenhang mit pädagogischen Kriterien, die gewissen Werken vorwerfen, nicht kindgerecht zu sein. Dies betrifft nach Kümmerling- Maibauer besonders auf „innovative und anspruchsvolle“ Literatur zu, die aufgrund dessen nicht als Klassiker akzeptiert werde. Mit „nicht kindgerecht“ ist dabei gemeint, dass z.B. das Happy -End fehlt oder Brutalität Teil der Handlung ist.

Es wird zwar darauf hingewiesen diese Aspekte bei der Bewertung von KJL nicht außer Acht zu lassen, der literarisch-ästhetischen Qualität wird jedoch Priorität zugesprochen.

Kinderklassiker sind also Werke, denen innerhalb einer (Sprach-) Region eine enorme Wichtigkeit zugeschrieben wird und sich durch besondere Innovation und Repräsentativität auszeichnen.[6]

Des Weiteren wird Klassikern die Rolle eines „gemeinsamen literarischen Kulturguts“ zugesprochen. Charakteristisch ist ebenfalls eine Verknüpfung aus kulturell fremden und bekannten Inhalten, welche neutral und plausibel eingegliedert werden müssen. So bilden die bekannten Figuren (Pippi, Pinocchio, Alice etc.) „eine einzige Gesellschaft“.

Außerdem wird betont, dass nicht mehr nur die literarischen Werke als Klassiker bezeichnet werden können. Aufgrund der Medienpräsenz und -vielfalt geht es mittlerweile mehr um „die Stoffe und Figuren“. Das mediale Angebot ist enorm und sorgt für die anhaltende Popularität eines Klassikers. Vor allem die Hauptfigur tritt dabei in den Fokus des Interesses.[7]

2.2 Kriterien und Merkmale

Durch folgende Kriterien und Merkmale wird versucht an die Charakteristik eines Kinderklassikers heranzugehen:

Innovativität:

Die Innovativität eines Werkes meint erst einmal generelle Charakterisierung eines Textes wie „Inhalt, Motive, Genre, Erzählweise, Sprache usw.“ Lässt sich mindestens eins dieser Textmerkmale im Kinderbuch wieder finden und idealtypisch integrieren, kann man von Innovativität eines Werkes sprechen. Es ist dabei jedoch nicht zu vergessen, dass die Bestimmung des Kriteriums der Innovativität in den Entwicklungsstand des jeweiligen Landes einzubetten ist. Diese Abhängigkeit bringt also mit sich, dass klassische Kinderliteratur einer Nation nicht generell auf ein anderes Land übertragbar ist. Wird ein Werk in einem Land als klassisch bezeichnet und es impliziert das innovative Kriterium, so kann es hingegen in gewissen Ländern, aufgrund einer veränderten Bedeutung nicht gegeben sein.

[...]


[1] Ich verwende Begriffe wie Leser oder Wissenschaftler ausschließlich aus Gründen der Vereinfachung. Ich meine damit jedoch in allen Fällen sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht.

[2] Vgl.: Bettina Kümmerling- Maibauer: Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon (in zwei Bänden). Stuttgart; Metzler 1999. S. 9-10.

[3] Vgl.: Bettina Hurrelmann (Hg.): Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Einleitung: Was heißt hier „klassisch“? Frankfurt. Fischer. 1995. S.10.

[4] Vgl.: Kümmerling- Maibauer. 1999. S. 10. (Vgl. auch Hurrelmann. 1995. S. 13.)

[5] Vgl.: Hurrelmann. 1995. S. 10- 12.

[6] Vgl.: Kümmerling- Maibauer. 1999. S. 9-12.

[7] Vgl.: Hurrelmann. 1995. S. 11.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Was macht "Pipi Langstrumpf" zu einem Kinderbuchklassiker?
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V87142
ISBN (eBook)
9783638047265
ISBN (Buch)
9783638943635
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pipi, Langstrumpf, Kinderbuchklassiker
Arbeit zitieren
Katharina Hardt (Autor:in), 2007, Was macht "Pipi Langstrumpf" zu einem Kinderbuchklassiker?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87142

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