Zielsetzungen in "Erziehung nach Auschwitz" von Theodor W. Adorno. Demokratiepädagogische, Kind zentrierte sowie bildungspolitische Konzeption

Ein Überblick


Term Paper, 2018

16 Pages, Grade: 1,3

Natascha Bosch (Author)


Excerpt


Literaturverzeichnis

Thema: Seite:

Einleitung:

1. Einige Gründe für den Faschismus und Auschwitz:
1.2. Gesellschaftliche und soziale Gründe:

2. Konzeption der Erziehung nach Auschwitz:
Methodische Vorgehensweise:

3. Zielsetzung:
3.1. Demokratiepädagogische Zielsetzung:
3.2. Kind zentrierte Pädagogische Zielsetzung:
3.3. Bildungspoltische Zielsetzung:

4. Kritik:

5. Resume:

6. Literaturverzeichnis

Einleitung:

Kaum ein Thema ist im Zuge verschiedenster Disziplinen der Geisteswissenschaften häufiger diskutiert worden wie der Nationalsozialismus in Deutschland und Europa. Immer ging es darum zu verstehen, wie es in einer Gesellschaft, welche sich positiv als Zivilisation beschreibt, die sich nicht nur durch technischen, sondern vor allem auch moralischen Vorsprung als besonders und besser bezeichnet, zu so etwas wie der systematischen Ermordung von Millionen von Menschen, zu Auschwitz kommen konnte. Ferner gab und gibt es immer auch den Wunsch, die Lösung, die Strategie, die beste Herangehensweise zu finden, welche eine Wiederkehr zu verhindern mag. So viel diskutiert das Thema heute auch ist, umso weniger wurde nach Kriegsende darüber gesprochen. Das Thema in den wissenschaftlichen Diskurs zu bringen war schwierig, da man in Deutschland darüber schwieg und auch schweigen wollte.

In den 1920er Jahren gründete sich in Frankfurt das Institut für Sozialforschung. Man beschäftigte sich vor allem mit der Frage, wie es sein konnte, dass die marxistische Revolution in Deutschland ausblieb und wie es mit der marxistischen Theorie weiter gehen sollte. Ziel war es, die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung zu untersuchen. Mit der Bestätigung der Existenz von Vernichtungslagern und der Ermordung Millionen von Juden, Sinti und Roma, Andersdenkenden und anderer als nicht lebenswürdig angesehener Menschen, erfuhren die Exiltheoretiker ein eindrückliches Erlebnis, was einen Bruch in ihrer Theorie zur Folge hatte.1

Erziehung nach Auschwitz ist als Essay in dem 1961 herausgekommene Buch Erziehung zur Mündigkeit von Theodor W. Adorno erschienen. Intention und Ziel ist hier wie folgt beschrieben: „Das Auschwitz nicht noch einmal sei ist die allererste an Erziehung.“.2 Es handelt also von den Gründen, die so etwas wie den faschistischen Staat in einer scheinbar zivilisierten Gesellschaft ermöglichte und welche Möglichkeiten es gäbe, seien sie auch begrenzt, eine Wiederholung zu verhindern. Dieses Essay wurde oft rezipiert und kritisiert. Im Folgenden möchte ich darstellen, was Adorno in seiner Konzeption einer Erziehung nach Auschwitz vermittelt und seine Zielsetzung und auch die Maßnahmen untersuchen, welche hier zum Erfolg führen sollen.

1. Einige Gründe für den Faschismus und Auschwitz:

Das Grauen des Nationalsozialismus und seine wohl schlimmste Ausuferung Auschwitz, hat vielfältige Ursachen. Diese werden womöglich niemals alle erfasst werden können und es gibt auch nicht den einen Grund zur Erklärung, warum so etwas geschah. Es ist vielmehr von einem Ursachenbündel zu sprechen. Hier möchte ich einige Gründe aufführen, die für Adorno von besonderer Wichtigkeit waren.

1.2. Gesellschaftliche und soziale Gründe:

Um Adornos Konzept einer Erziehung nach Auschwitz verstehen zu können ist es zunächst wichtig, sich einige grundlegende Annahmen über die Gesellschaft und die von ihm identifizierten Gründe für den Faschismus und somit auch Auschwitz vor Augen zu fürhren.

Die gesellschaftlichen Umstände und ihr Gewordensein sieht Adorno als bedeutend für Auschwitz und somit auch für die Zukunft an: „Ich möchte aber nachdrücklich betonen, dass die Wiederkehr oder Nichtwiederkehr des Faschismus im Entscheidenden keine psychologische, sondern eine gesellschaftliche Frage ist“.3 Ein grundlegende und problematische Figur stellt die Aufklärung und die aus ihr entsprungene Zivilisation dar. So ist die Aufklärung kein qualitativer Bruch in der Menschheitsgeschichte, sondern die Menschheitsgeschichte ist vielmehr seit jeher geprägt von dem Wunsch die Natur zu beherrschen. Diese Beherrschung über die äußere und innere Natur wird durch das Aporie Vernunft noch radikaler, da es sich nun auch in in den Köpfen eingeschrieben hat. Es handelt sich also um ein dialektisches Verhältnis nach dem jede Errungenschaft ambivalent ist und in der Aufklärung, die die Menschen frei machen sollte schon Beherrschung impliziert.4 So ist also auch Auschwitz kein Zivilisationsbruch, sondern die Konsequenz eben dieser5. Er bemerkt also „[...]wie sehr die Kräfte, gegen die man angehen muss, solche des Zuges der Weltgeschichte sind“6.

Beispielhaft hierfür ist die Entwicklung der Gesellschaft. So wird sie immer totaler und integrativer, gleichzeitig, so Adorno, gibt es Zerfallstendenzen eben dieser.

Die Gleichheit, welche eine der Errungenschaften der Aufklärung ist, schlägt als Herrschaft des allgemeinen auf alles besondere um. Der Verlust der Einzigartigkeit geht einher mit dem Verlust von Identität, Wiederstandkraft und Qualität. All dem also, was die Menschen dazu befähigt aufzubegehren gegen Unrecht.7 Die Gesellschaft, die so genannte verwaltete Welt, tut den Menschen Gewalt an und produziert Klaustrophobie. Denn die Menschen haben „ein[...] Gefühl des Eingesperrtseins in einem durch und durch vergesellschafteten, netzhaft dicht gesponnenem Zusammenhang.“.8 Und je dichter dieser Zusammenhang ist, umso mehr wollen die Menschen aus ihm hinaustreten, gleichzeitig macht die Dichte ein herauskommen unmöglich. So wird Wut gegen Zivilisation gestärkt. Adorno beschreibt es eindrücklich: „Gewalttätig und irrational wird gegen sie aufbegehrt“.9 Hier führt er als Beispiel Verfolgungen an, die sich zum einen auf die Schwachen und als subjektiv glücklich angesehen werden, konzentriert.10

Das Faschismus, dem im Geiste der Deutschen inne wohnender Autoritätsglauben geschuldet ist, hält Adorno für oberflächlich. Vielmehr sind es der Wegfall von etablierten kaiserlichen Autoritäten und der psychischen Unreife der Menschen, die noch nicht für Freiheit bereit waren. Auf Grund dessen „[...]dann die Autoritätsstrukturen jene Destruktive [...] irre Dimension angenommen, die sie vorher nicht hatten, jedenfalls nicht offenbarten“.11

Bedeutendes Problem sind für Adorno die Bindungen, welche oftmals als Gegenmittel gegen Barberei und Untätigkeit gegen Unrecht angesehen werden.12 Bindungen nämlich, die gesellschaftlich gefordert und für die Menschen nicht mehr substantiell erfahrbar sind, sie also nicht mehr als für sich verbindlich empfindet, können einfach als Auslese von Gesinnung missbraucht werden.13 Solche zweckrationalen Bindungen bedeuten Abhängigkeit von Normen, welche sich nicht mehr vor dem Individuum rechtfertigen müssen.14 Das Gewissen der Individuen wird durch äußere Autoritäten, welche auswechselbar sind, ersetzt. Das erschafft ein Klima der Machtorientierung und Unterwerfung und einen Zustand des „Permanenten Befehlsnotstand[es]“ erzeugt.15 Ein weiteres Problem sieht Adorno in Kollektiven jeglicher Art. Es gibt eine Tendenz sich mit ihnen blind zu identifizieren, was ein bedeutendes Merkmal des Funktionierens des NS-Staats war, denn so verschwindet die Persönlichkeit in einer Masse und kann auch andere (Juden, Homosexuelle ect.) nur noch als Masse sehen. So geht der einzelne und das Mitleid und die Empathie für den Einzelnen verloren. Jedes Kollektiv fügt den Personen, die in selbiges aufgenommen werden wollen oder müssen, Leiden zu. Hier führt er als Beispiele die ersten Schulerfahrungen und Initiationsriten an.16 In der traditionellen Erziehung war Härte eines der Ideale, das unumstritten war. Dieses ist jedoch in der Erziehung in jeglicher Hinsicht unangebracht. Denn Härte, die man erfahren hat, mündet in Härte gegen sich selbst. Wird diese Erfahrung verdrängt und unhinterfragt akzeptiert, mündet dies Härte gegen andere und stellt für sich einen Mechanismus dar, der äußerst gefährlich sei.17

Ein besonders bedeutender Grund für die Ermöglichung von Auschwitz sei, so Adorno, die Kälte. Er stellt fest, dass, wenn die Menschen nicht so kalt gegenüber allen außer ihren Engsten gewesen wären, Auschwitz überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Jeder verfolge seit Beginn der Menschheitsgeschichte nur seine eigenen Interessen gegen die der Anderen. Dies und gesamtgesellschaftliche Gefühle unzureichender Liebe führen dazu, dass keiner sich mehr mit dem Leid des anderen Identifizieren kann und so etwas wie die Systemtische Vernichtung von Menschen möglich war.18

2. Konzeption der Erziehung nach Auschwitz:

Methodische Vorgehensweise:

Um nun der Wiederholung von Auschwitz entgegen zu wirken, beschreibt Adorno zwei wichtige Momente: Die Erziehung in der frühen Kindheit und eine allgemeine Aufklärung, die ein Klima hervorbringt, welches die Gesellschaft sensibler und Widerstandsfähiger macht.19

Diese Aufforderung begründet er damit, dass das „Ungeheuerliche nicht in die Menschen eingedrungen ist [...]“20 und es deshalb auch die Wahrscheinlichkeit der Möglichkeit einer Wiederholung darstellt. Auschwitz stellt nämlich keinen Rückfall oder aber auch Tendenz in den Rückfall von Barberei dar; Auschwitz ist genau das gewesen. Und diese Barberei wird solange fortbestehen, wie die Bedingungen fortbestehen werden die sie ermöglichten.21 In den 60er Jahren, wurde der Nationalsozialismus gewissermaßen totgeschwiegen und geriet in öffentliche Vergessenheit.22 Hier sieht Adorno ein bedeutendes Problem, denn die Strukturen, Umstände und das Bewusstsein der Menschen hätten sich nicht wirklich verändert, und seien nicht in ihre Köpfe eingedrungen, was eine Wiederholung ermöglicht.23 Jedem einzelnen Menschen muss also wirklich bewusst sein, was passiert ist und außerdem den Umfang dieser Taten verstehen und die Strukturen aufzeigen, um eine Wiederholung zu verhindern. Dies soll primäres Ziel und vor allen anderen Zielen der Erziehung sein: „Jede Debatte über Erziehungsideale ist nichtig und gleichgültig diesem einen gegenüber, daß Auschwitz sich nicht wiederhole“.24

Adorno stellt fest: „ Die einzige wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie“25. Diese aber in einem ganz bestimmten Sinne, welchen er von Kant übernimmt: „[...]die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht- Mitmachen“26

Methodisch vollzieht er eine Wendung auf Subjekt.27 Dies begründet er in der Annahme, dass die Grundlegenden gesellschaftlichen Voraussetzung, die zu Auschwitz führten, nur schwer oder vielleicht gar nicht veränderbar sind: so „[...]sind die Versuche, der Wiederholung entgegenzuarbeiten, notwendig auf die Subjektive Seite abgedrängt“28 Die Erziehung soll jedem die Mechanismen bewusst machen, die zum Faschismus und blinden Befehlsfolgen geführt haben und so ein Bewusstsein schaffen. Ferner soll die Erziehung, wenn dann eine zur kritischen Reflexion des selbst förderlich Sein und eine allgemeines Bewusstsein jedes einzelnen soll gewährleistet sein. Denn erst, wenn jedem einzelnem das Ausmaß der Grausamkeit bewusst ist und das Subjekt zu einer kritischen Reflexion seines eigenen Verhaltens fähig ist, ist es möglich, dass sich so etwas wie Auschwitz nicht wiederholt.29

3. Zielsetzung:

Die Intention Adornos ist mit dem berühmten Zitat: „ Das Auschwitz nicht noch einmal sei(...)“ beschrieben. Er will also die Wiederholung von Auschwitz oder einem ähnlichen Zustand vermeiden. Seine Intention geht aber über die reine Feststellung hinaus. Er gibt keine spezifischen Anweisungen über die Realisierung, jedoch zeichnen sich einige Bereiche ab, die Adorno für bedeutend hält, um eine Wiederholung zu vermeiden oder die zumindest das Potential haben, etwas gegen solch eine Barbarei zu halten. Adorno ist sich nämlich sehr bewusst darüber, dass die strukturellen Gegebenheiten ein bedeutender Grund für das Funktionieren des NS-Systems waren und diese Gegebenheiten immer noch dieselben sind. Durch seine methodische Vorgehensweise versucht er dem zu entgehen. Im Folgenden möchte ich mich auf drei Aspekte konzentrieren, die unter anderem für Adornos Konzept einer Erziehung nach Auschwitz bedeutend sind. Nämlich eine Demokratiepädagogische Zielsetzung, Kinder zentrierte Zielsetzung und Bildungspolitische Zielsetzung.

[...]


1 Vgl. Kritische Theorie, S. 88-99.

2 Erziehung zur Mündigkeit S. 88.

3 Erziehung zur Mündigkeit, S. 92.

4 Vgl. Dialekt der Aufklärung, S. 9 - 49.

5 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 89.

6 Erziehung zur Mündigkeit S. 98.

7 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, s. 91.

8 Erziehung zur Mündigkeit, S. 90.

9 Erziehung zur Mündigkeit, S. 90.

10 Vgl. Erziehung zu Mündigkeit, S. 90.

11 Erziehung zur Mündigkeit, S. 92.

12 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 92.

13 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 92.

14 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 92.

15 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 93.

16 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 95.

17 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 96.

18 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 101.

19 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 91.

20 Erziehung zur Mündigkeit, S. 88.

21 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 88.

22 Vgl. Klaus Allheim, S. 38.

23 Franz Pöggeler, S. 56.

24 Erziehung zur Mündigkeit S. 88.

25 Erziehung zur Mündigkeit, S. 93.

26 Erziehung zur Mündigkeit, S. 93.

27 Vgl. Klaus Allheim, S. 45.

28 Erziehung zur Mündigkeit, S. 89.

29 Vgl. Erziehung zur Mündigkeit, S. 90.

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Details

Title
Zielsetzungen in "Erziehung nach Auschwitz" von Theodor W. Adorno. Demokratiepädagogische, Kind zentrierte sowie bildungspolitische Konzeption
Subtitle
Ein Überblick
College
Martin Luther University  (Institut für Pädagogik)
Grade
1,3
Author
Year
2018
Pages
16
Catalog Number
V1000097
ISBN (eBook)
9783346388797
ISBN (Book)
9783346388803
Language
German
Keywords
Erziehung, Soziologie, Frankfurter Schule, kritische Theorie, Theodor W. Adorno
Quote paper
Natascha Bosch (Author), 2018, Zielsetzungen in "Erziehung nach Auschwitz" von Theodor W. Adorno. Demokratiepädagogische, Kind zentrierte sowie bildungspolitische Konzeption, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1000097

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