Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Hinfuährung
2.1 Psychische Erkrankung
2.1.1 Definition
2.1.2 Häufigkeit psychischer Stärungen
2.1.3 Bewusstsein uber Psychosomatik
3 Methodik
3.1 Literatursichtung
3.2 Literaturauswahl
3.2.1 Kriterien fur soziologische Literatur
3.2.2 Kriterien fuär Forschungsergebnisse zu psychischen Erkrankungen
3.3 Bearbeitung der Texte und Extraktion der Informationen
3.4 Darstellung der Ergebnisse
4 Theoriebezug
4.1 Soziale Inklusion und soziale Exklusion
4.1.1 Soziale Exklusion
4.1.2 Soziale Inklusion
4.2 Stigmatisierungsbegriff nach Erwing Goffman
4.2.1 Stigmatisierte Individuen vs. ,,normale“Individuen
4.2.2 Das Phanomen der Stigmatisierung
4.2.3 Kategorien der Stigmatisierung
4.2.4 Discredited people vs. people who are discreditable
4.2.5 „Mixed contacts“ und mogliche Konsequenzen
4.3 Umgang mit Psychisch Erkrankten in der Vergangenheit
4.3.1 Beispiele fur Umgang mit psychisch Erkrankten in der Vergangenheit
4.3.2 Psychiatrie-Enquete
4.4 Umgang mit psychisch Erkrankten im 21. Jahrhundert
4.4.1 Repräsentanz psychisch Kranker in den Medien
4.4.2 Beispiele fur Umgang mit psychisch Erkrankten in der Ge genwart
5 Erklarung und Konsequenzen der anhaltenden Stigmatisierung und Ex klusion von psychisch Kranken
5.1 Grunde Ausschluss psychisch Erkrankter aus der Gesellschaft ...
6 Mäglichkeiten der Reversibilitat
6.1 Öffentliche Normalisierung von psychischen Erkrankungen
6.2 Strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft
7 Ergebnisse
8 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Menschen erkranken von Zeit zu Zeit. Haöufig wird das Wort Erkrankung“ primaör mit koörperlichen Leiden assoziiert, waöhrend psychische Erkrankungen außen vor gelassen werden. Eine fragliche Assoziation, wenn man bedenkt, dass bereits 2013 im DAK-Gesundheitsreport1 zu lesen war:
Die Zunahme der Arbeitsunföahigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen ist seit etwa 15 Jahren die bei weitem auffalligste Entwicklung im Arbeitsunföhigkeitsgeschehen. [...] Im aktuellen DAK-Gesundheits- report kann nun ein Zeitraum von 16 Jahren (1997-2012) uberblickt werden. In dieser Zeit haben sich die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen enorm gesteigert.“2
Laut des Gesundheitsreports ruöckten die psychischen Erkrankungen im genannten Zeitraum „mit einem Anteil von 14,5 Prozent an den Fehltagen auf Rang zwei der wichtigsten Ursachen für Krankschreibungen - hinter Muskel-Skelett Erkrankungen.“3 Laut diesen Aussagen mussten psychische Erkrankungen ahnlich stark gewichtet werden wie die koörperlichen Erkrankungen. Dennoch gibt es dahingehend ein Ungleichgewicht. Psychische Leiden scheinen auf eine Weise geaöchtet zu sein, wie es korperliche Leiden nicht sind. In einem TED-Talk4 des amerikanischen Psychiaters Dr. Jeffrey Lieberman aus dem Jahr 2016 bringt dieser ein Beispiel auf: Er ladt die Zuhorer*innen ein, an einem Gedankenexperiment teilzunehmen. Sie sollen sich vorstellen, sie seien zum 50. Geburtstag ihres Vorgesetzten eingeladen worden und man haötte sie gebeten, die Geburtstagsrede zu halten. Am Tag des Ereignisses seien sie allerdings leider erkrankt. Welche Entschuldigung wurden sie bei der Absage lieber vorbringen? Dabei wagt er verschiedene Erkrankungen gegeneinander ab und lasst die Zuhörer*innen gedanklich auswöhlen. Er fragt beispielsweise, ob diese lieber sagen wuörden, sie haötten einen Nierenstein oder eine Verletzung des Ruöckens oder stattdessen, dass sie depressiv und suizidal seien, beziehungsweise eine Panikattacke erlitten höatten. Bewusst wöahlt er Beispiele aus dem physischen und dem psychischen Erkrankungsspektrum und schlussfolgert mit den Worten:
If you would prefer the former to the latter in each case, you, my friends, are affected by stigma.“5
Das angesprochene Stigma also wuörde in diesem Gedankenexperiment dazu fuöhren, dass die Teilnehmenden eher einen physischen statt einen psychischen Grund als Entschuldigung fuör die Absage nennen wuörden. Wenn man nun davon ausgeht, dass psychische Erkrankungen eine aöhnliche Gewichtung hinsichtlich der Krankschreibungen wie Muskel-Skelett-Erkrankungen haben, so liegt die Vermutung nahe, dass Liebermans Zuhorer*innen einer unterbewussten Beeinflussung unterliegen. Mit der angesprochenen Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen wird sich die vorliegende Arbeit befassen. Die Frage, nach der öffentlichen Wahrnehmung und Wertung von psychischen Erkrankung ist, wie am Gesundheitsreport der DAK zu sehen ist, nicht nur eine demoskopische Plöankelei, sondern ein handfestes gesellschaftliches Problem mit hoher Relevanz. Menschen, die mit psychischen Leiden jeglicher Art zu tun haben, haben ein ebenso großes Interesse an deren Linderung, wie physisch Erkrankte. Aus diesem Grund sind nicht nur etwaige dem Gesundheitssystem inharente Probleme zu hinterfragen, wie beispielsweise die Diagnostik von psychischen Erkrankungen, sondern auch soziale Faktoren, wie die Stigmatisierung und Exklusion von psychisch Erkrankten. Um dieser Frage nachzugehen gliedert sich die vorliegende Arbeit in die folgenden Teile:
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird zuerst eine thematische Hinfuöhrung angestrebt, bei der der Gegenstand der psychischen Erkrankungen fur den weiteren Verlauf naher eingegrenzt und seine Bedeutsamkeit dargestellt wird. Weiterhin soll die Methodik beschrieben werden, die bei der Erstellung dieser Bachelorarbeit angewendet worden ist. Im theoretischen Teil dieser Bachelorarbeit werden die genutzten Begriffe erklaört und eingegrenzt und es wird ein definitorischer Rahmen gesetzt. Mithilfe dieses Rahmens ist es möoglich, die Leitfrage zu bearbeiten und die Ergebnisse anschließend vorzustellen.
2 Hinführung
Im Folgenden werde ich spezifischer auf den Gegenstand dieser Arbeit eingehen um definitorischen Schwierigkeiten in deren Verlauf vorzubeugen.
2.1 Psychische Erkrankung
2.1.1 Definition
Einen arbeitsfahigen Begriff von psychischen Storungen kann man sich ebenso wenig aus dem Volksglauben ableiten, wie die Definition eines komplexen koörperlichen Leidens. Aus diesem Grund werden dieser Arbeit zwei Definition der weltweiten Autoritaöt zu Gesundheitsfragen zu Grunde gelegt, naömlich der Weltgesundheitsorganisation. Diese definiert psychische Gesundheit und psychische Erkrankung wie folgt: Psychische Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Faöhigkeiten ausschoöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewaöltigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.
Psychische Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Faöhigkeiten ausschoöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewaöltigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.
Psychische Stoörungen stellen Stoörungen der psychischen Gesundheit einer Person dar, die oft durch eine Kombination von belastenden Gedanken, Emotionen, Verhaltensweisen und Beziehungen zu anderen gekennzeichnet sind. Beispiele fuör psychische Stoörungen sind Depressionen, Angststoörungen, Verhaltensstoörungen, bipolare Stöorungen und Psychosen.“6
Psychische Stoörungen und Erkrankungen sind also dadurch gekennzeichnet, dass sie die Faöhigkeiten einer Person einschraönken, ihr Leben im vollen Umfang zu bewaltigen.7 Psychische Erkrankungen umfassen außerdem eine große Bandbreite an verschiedenen Leiden. Wie in der Definition der Weltgesundheitsorganisation bereits angeschnitten, gibt es fuär psychische Stoärungen viele Beispiele. Fuär die vorliegende Arbeit soll keine Eingrenzung von psychischen Stoärungen von vornherein vorgenommen werden, welches sich wie folgt begriinden lasst: Zum einen wuärde es die zur Recherche nutzbare Literatur um ein Vielfaches einschräanken, wenn man sich spezifisch auf bestimmte psychische Stoärungen fokussieren wuärde. Die meisten der zu diesem Thema bereits durchgefuährten Studien befassen sich mit psychischen Stoärungen im Ganzen. Weiterhin ist es fuär die allgemeine Bearbeitung der Fragestellung der vorliegenden Bachelorarbeit notwendig, psychische Erkrankungen in ihrer Gesamtheit zu beruäcksichtigen, da es um den gesellschaftlichen Umgang mit psychisch Erkrankten im Ganzen und nicht beispielsweise depressiver Menschen im speziellen geht. Diagnosen uäber Erkrankungen zu treffen, gestaltet sich in der Realitaät als schwierig und kann nicht immer strikt begrenzt werden. So wie auch korperliche Erkrankungen oft miteinander (und im ubrigen auch mit psychischen Symptomen) verknupft sind, so gehen auch psychische Stäorungen oft miteinander einher und koännen nicht immer streng einer einzigen Erkrankung zugesprochen werden.
Daruäber hinaus bestehen bei Patienten mit käorperlichen Erkrankungen und gleichzeitig bestehenden psychischen Stoärungen komplizierte und bislang nur teilweise verstandene neurobiologische, psychologische und soziale Wechselwirkungen, die fur das Verstandnis der Ätiologie, Ausloäsung und Aufrechterhaltung von psychischen Stoärungen und somatischen Erkrankungen bedeutsam sind.“8
Um die Effekte von Exklusion zu untersuchen, ist es außerdem noätig, psychische Stoärungen in ihrer Fuälle wahrzunehmen. Dennoch werden hier und da in dieser Bachelorarbeit spezifische Beispiele angebracht, wenn es sich thematisch und aus der Recherche heraus anbietet.
2.1.2 Haufigkeit psychischer Stärungen
Waährend man von den käorperlichen Beschwerden Bekannter regelmäaßig etwas mitbekommt, bleiben psychische Stärungen häufiger im Verborgenen. Über eine eigens erlebte Depression wird nicht so offen gesprochen, wie beispielsweise uäber einen Schnupfen. Dennoch gibt es eine hohe Zahl psychisch erkrankter Menschen in Deutschland.
Wie große internationale Studien zeigen, haben psychische Stöorungen in der Allgemeinbevöolkerung eine sehr hohe Pröavalenz. Mehr als ein Drittel der Bevoölkerung leidet irgendwann einmal im Leben an einer psychischen Erkrankung (sic.). Rund 25% der Bevolkerung erweisen sich im Laufe eines Jahres als behandlungsbeduörftig wegen seelischer Störungen und Erkrankungen.“9
Das Schweigen, welches die Thematik umgibt, wird umso weniger nachvollziehbar, wenn man diese alarmierenden Zahlen beruöcksichtigt , legen sie doch nahe, dass wohl in nahezu jedem Freundeskreis und jeder Familie behandlungsbeduörftige psychische Erkrankungen vorliegen. Über die Zahl psychisch Erkrankter, die keine Behandlung in Anspruch genommen haben, löasst sich keine Information finden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Dunkelziffer wesentlich hoöher liegt.
2.1.3 Bewusstsein uber Psychosomatik
Die Verbindung von Geist und Koörper wird uöberdies schon am Beispiel der Psychosomatik deutlich. Hierbei fuöhrt ein psychischer Leidensdruck unmittelbar zu Auswirkungen auf der physischen Ebene. Dementsprechend nehmen psychische Stoörungen ebenfalls starken Einfluss auf unsere koörperlichen Funktionen. Wie gelaöufig es ist, dass sich unsere Psyche auf den Koörper auswirkt, merkt man beispielsweise, wenn man die deutsche (Umgangs-) Sprache naöher betrachtet. In einem Online-Ratgeber zum Thema Angststoörung, werden folgende Beispiele gegeben: Die Angst raubt ihm den Schlaf“, Vor Angst bekam sie weiche Knie / war sie wie gelöhmt / blieb ihr die Luft weg / bekam sie Beklemmungen“ oder „Vor Angst versagte ihr die Stimme“.10 Dass solche Symptome ein koörperlicher Ausdruck von psychischen Ausloösern sein köonnen, ist also bereits im allgemeinen Sprachgebrauch verankert. Dennoch werden bis heute haufiger die Hausarzt*innen aufgesucht, als ihre beratenden Kolleg*innen aus dem Psychologie- oder Sozialtrakt. So kann es geschehen, dass lange versucht wird, eine Besserung der koörperlichen Symptomatik zu erreichen, waöhrend der Ursprung des gesundheitlichen Problems eigentlich in der Psyche zu finden ist. Um eine allumfassende Aussage zum gesundheitlichen Zustand einer Person treffen zu koönnen, waöre es nöotig, sowohl den Status der koörperlichen, als auch der psychischen Gesundheit im Auge zu behalten.
Die zahlreichen Uö berschneidungen psychischer Stöorungen untereinander als auch mit somatischen Erkrankungen machen die Integration der psychopathologischen, psychologischen und somatischen Untersuchungsebenen in eine umfassende medizinische Gesamtbetrachtung zwingend erforderlich.“11
Dieses Zitat stammt aus dem Jahre 1997. Es wurde also bereits damals als von großer Bedeutung angesehen, dass der psychischen Gesundheit ein markanter Stellenwert beigemessen wird, wie auch der köorperlichen Gesundheit. Es stellt sich die Frage, inwieweit dieses Ziel bis heute umgesetzt worden ist und welche Verönderungen eventuell noch von Noten sind.
3 Methodik
Die Schwierigkeit, ein Thema zu untersuchen, welches klarerweise an der Schnittstelle verschiedener Wissenschaften liegt, ist offensichtlich. In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Schnittstelle zwischen Soziologie, Psychologie, Politikwissenschaft, Paödagogik und Medizin. All jenen Fachbereichen gerecht zu werden ist kaum moöglich und so liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Evaluation der Fragestellung aus dem Blickwinkel der Soziologie. Es wurde sich im Zuge dessen bewusst dagegen entschieden eigene Forschung in Form der Durchfuöhrung von Interviews und deren Auswertung zu betreiben. Eine aussagekraöftige Antwort quantitativ oder qualitativ zu ermitteln wurde den Rahmen der vorliegenden Arbeit deutlich sprengen, dementsprechend musste ein passenderes Format gewaöhlt werden, um einen relevanten Beitrag zu der Debatte leisten zu können.
Stattdessen wurde sich fuör eine Bearbeitung der Thematik im Rahmen einer Evaluation der relevanten Literatur entschieden. Zum einen wurden hierfuör explizite soziologische Werke verwendet um eine theoretische Fundierung zu gewaöhrleisten und die notwendige Klarheit auf begrifflicher Ebene zu schaffen. Zum anderen wurden relevanten Forschungsergebnisse zum Thema Umgang mit psychisch Erkrankten“ ausgewertet, um auch die notwendige empirische Grundlage mit einzubringen.
3.1 Literatursichtung
Fuör die Literaturrecherche war es notwendig, nicht nur klassische soziologische Theorien zu verwenden, sondern diese auch mit modernen Forschungsergebnissen gegeneinander abzuwiegen und zu vergleichen. Begonnen wurde die Recherche damit, dass versucht wurde, die fuör die Forschungsfrage wichtigen Begriffe wie zum Beispiel Stigmatisierung“ , Exklusion“ oder Psychische Erkrankung“ zu definieren. Um den Anspruöchen der Wissenschaftlichkeit genuöge zu leisten, kann sich ein solches Vorgehen nicht darauf beschröanken einfache Wortbedeutungen herauszufinden. Es muss eben auch der soziologische Kontext mit einbezogen werden, in welchem die Begriffe verwendet werden. Fuör die Recherche wurden nicht nur die Universitaötsbibliothek Marburg und die Pföalzischen Landesbibliothek Speyer herangezogen, um die relevante Literatur zu erhalten, sondern auch die wissenschaftlich geprufte online Suchmaschine Google Scholar12 verwendet. Neben der Suche nach Schlagworten konnten so auch Querverweise in Augenschein genommen werden. Diese Recherche konnte im weiteren durch den fruchtbaren Austausch mit Kommiliton*innen unterfuttert werden, welche aus ihrer eigenen Tatigkeit in diesem Feld wichtige Impulse geben konnten. Ergöanzend dazu war eine Taötigkeit im Bereich der Pflege von psychisch Kranken fuör die Verfasserin eine große Quelle fuör Inspiration, welche gepaart mit den Erkenntnissen des Studiums zu einer holistischeren Herangehensweise an die vorliegende Arbeit fuöhrte.
3.2 Literaturauswahl
Da sich auf diese Weise bereits eine große Menge an Quellen zusammengefunden hatten, war es im naöchsten Schritt noötig, die Quellen auf ihren Nutzen fuör die Arbeit zu pruöfen und die passende Literatur herauszukristallisieren. Aus diesem Grund wurden im Voraus folgende Kriterien festgelegt.
3.2.1 Kriterien för soziologische Literatur
Es wurde bewusst nach Quellen gesucht, die dabei unterstuötzen, die wichtigen Begriffe und Themen dieser Bachelorarbeit in einen sozialen Kontext einordnen zu koönnen. Fuör eine Arbeit wie der vorliegenden, deren Gegenstand sich in der Lebenswelt verorten laösst, ist es wichtig, dass sich dies auch in der aus- gewaöhlten Literatur widerspiegelt. Gerade bei den Begriffen Stigmatisierung“ und Exklusion“ kann die Literaturrecherche dazu verleiten, auch Quellen aus anderen geisteswissenschaftlichen Bereichen fuör die Bearbeitung der Forschungs-
3.3 Bearbeitung der Texte und Extraktion der Informationen
frage zu nutzen. Gerade im philosophischen und psychologischen Bereich gab es viele Moglichkeiten, sich mit den Phanomenen der Stigmatisierung und Exklusion zu befassen. Diesem Impuls wurde ein Stuck weit nachgegeben, da es wahrend der Recherche interessant war, sich umfassend mit der Thematik auseinander zu setzen. Dennoch ist es nun, nach der Aneignung eines fachuöbergreifenden Hintergrundwissens umso wichtiger, die Basis fuör die Recherchen soziologisch zu unterlegen. Erst wenn sich mit den Auswirkungen befasst wird, die sowohl Stigmatisierung, als auch Exklusion in zwischenmenschlicher Hinsicht haben, kann man versuchen, eine Antwort auf die Forschungsfrage zu finden, ob moögliche verursachte Lasten reversibel sein koönnen.
3.2.2 Kriterien för Forschungsergebnisse zu psychischen Erkrankungen
Zum Thema Psychische Erkrankungen waren bei der Literaturauswahl folgende Kriterien wichtig: Zum einen sollte diese Bachelorarbeit einen festen Verstaöndnis- rahmen bieten und Begriffe und Phaönomene moöglichst genau und pröazise beschreiben und definieren. Um das zu ermöoglichen, war es notwendig, sich auch hier weitgehend mit dem Thema der psychischen Erkrankungen auseinander zu setzen. Durch die Informationen der Weltgesundheitsorganisation war es moöglich, den Begriff der psychischen Erkrankungen in einem Rahmen zu definieren, der es erlaubt, in dieser Bachelorarbeit damit zu arbeiten. Wie auch im physischen Bereich gibt es unter den psychischen Erkrankungen eine große Vielfalt und bei der Sichtung der Quellen musste gepruft werden, ob sich die Literatur und Forschungsergebnisse auf bestimmte psychische Erkrankungen begrenzen lassen oder ob sie allumfassend sind. Im Vergleich musste entschieden werden, ob es im Rahmen dieser Bachelorarbeit notwendig ist, diesbezuöglich eine Eingrenzung vorzunehmen oder ob es moöglich ist von psychischen Erkrankungen“ im Allgemeinen zu sprechen.
3.3 Bearbeitung der Texte und Extraktion der Informationen
Im naöchsten Schritt wurden ausgewaöhlte Texte intensiv bearbeitet und es wurde sich mit deren Inhalten auseinandergesetzt. Die daraus gewonnenen Informationen wurden in dem theoretischen Teil dieser Bachelorarbeit festgehalten. Dies ist ein besonders wichtiger Teil der Arbeit, da er die Grundlage fuör die nachfolgenden Kapitel bildet. Ohne diese theoretische Ausarbeitung und Uberpriifung der recherchierten Informationen waöre es nicht möoglich, die Fakten im Anschluss zu bearbeiten und gegeneinander abzuwiegen. Es ist bei einer Literaturarbeit von Noöten, das theoretische Hintergrundwissen moöglichst fundiert darzustellen, um ein einheitliches Verstaöndnis der Thematik erwirken zu koönnen. Nur dadurch gibt man den Lesenden ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie die weiteren Schritte der Bachelorarbeit mit durchdenken und nachvollziehen koönnen. Es ist wichtig, den Vorgang der Stigmatisierung und der Exklusion moöglichst genau zu beschreiben. So sollte die Aufschluösselung der Begriffe moöglichst in einer Form ausgearbeitet werden, die es im Anschluss möoglich macht, diese auf das Beispiel der psychisch Erkrankten anzuwenden. Auch bei den Recherchen bezuglich des Umgangs mit psychisch Kranken sollten die wichtigsten Informationen extrahiert und geordnet vorgestellt werden, so dass ein Vergleich zwischen den Ergebnissen möoglich ist.
3.4 Darstellung der Ergebnisse
Mit den im Theorieteil erarbeiteten Ergebnissen laösst sich nun die Fragestellung der Bachelorarbeit bearbeiten. Die nöachsten Kapitel werden nach folgenden Aspekten gegliedert: Welchen Einfluss haben die Stigmatisierung und die Exklusion von Individuen aufeinander? Es soll in der vorliegenden Arbeit anhand des Beispiels psychisch Erkrankter belegt werden, dass diese beiden gesellschaftlichen Phaönomene einander bedingen. Dies bildet die Basis, um im Anschluss die Frage beantworten zu koönnen: Auf welche Weise koönnten die sozialen Krankheitslasten fuör psychisch Erkrankte aufgehoben werden? Erklaören möochte ich meine Ergebnisse mit Entwicklungen, die sich im psychiatrischen Bereich bereits getan haben. Dazu muss ein zeitlicher Vergleich abgebildet werden, wie die Gesellschaft noch vor einigen Jahren mit psychisch Erkrankten umzugehen pflegte und auf welche Weise sich dieser Umgang bis heute veröandert hat. Daraus soll herausgefiltert werden, welche Grunde es für die Verönderungen gegeben hat und immer noch gibt. Die Grunde sollen dann mit den gewonnenen Informationen zum Thema Stigmatisierung und Exklusion verglichen werden, um zu sehen, inwiefern die Veranderungen die Exklusion von psychisch erkrankten Menschen tatsachlich aufzubrechen vermöogen. Das Hauptziel dieser Vorgehensweise ist es, nachvollziehen zu koönnen, ob die Ausgrenzung psychisch erkrankter Menschen reversibel ist. Die Ergebnisse sollen schlussendlich zusammengetragen und vorgestellt werden.
4 Theoriebezug
Im folgenden Kapitel wird darauf eingegangen, welche Literatur und soziologischen Theorien für die Recherche herangezogen worden sind. Fur eine verständlichere Unterteilung, wurden die folgenden Kapitel nach den Schwerpunkten dieser Bachelorarbeit gegliedert. Herangezogen wurde Literatur, welche dabei geholfen hat, die Begriffe der Stigmatisierung und der Exklusion zu verstehen und innerhalb der Recherchen genau zu definieren. Dies ist notwendig, um im weiteren Verlauf dieser Arbeit reibungslose Vergleiche zu ermöglichen. Der im Folgenden erarbeitete theoretische Rahmen geht nach den im Vorangegangenen beschriebenen Prinzipien vor, um den darauf folgenden Kapiteln ein theoretisches Fundament zu bieten.
4.1 Soziale Inklusion und soziale Exklusion
Da diese Bachelorarbeit sich primaär mit dem sozialen Ausschluss und der potentiellen Wiedereingliederung psychisch erkrankter Menschen in die Gesellschaft beschaäftigt, sollen die Begriffe der sozialen Inklusion und der sozialen Exklusion an dieser Stelle naäher definiert werden.
Die beiden gesellschaftlichen Phanomene „soziale Inklusion“ und „soziale Exklusion“ hangen eng miteinander zusammen.
Ausgehend von der Entstehung des Begriffs laässt sich Inklusion grund- satzlich durch die Modi der gesellschaftlichen Zugehorigkeit - Interdependenz und Partizipation - beschreiben. Soziale Inklusion ist sowohl als Zielbestimmung als auch als der Weg zu deren Erreichung zu verstehen. Soziale Exklusion als Gegenpart lässt sich ebenfalls zugleich als Resultat wie Prozess denken. Das Ausmaß sozialer Exklusion in einer Gesellschaft und damit auch sozialer Inklusion ist stets von politischen und damit von normativen Entscheidungen abhängig.“13
Waährend soziale Inklusion die Integration eines Individuums in die Gesellschaft beschreibt, beschreibt die Exklusion den Ausschluss aus eben dieser. Waährend diese Information im Grunde bereits der wortwäortlichen Bedeutung der Begriffe zu entnehmen ist, stellt sich weiterhin die Frage inwiefern Individuen in einer Gesellschaft inkludiert oder exkludiert werden käonnen, beziehungsweise unter welchen Umstanden man tatsachlich von einer sozialen Inklusion oder Exklusion sprechen kann. Wie anhand des Zitats zu erkennen ist, funktionieren Begriffe wie Inklusion und Exklusion nicht in einem theoretischem Vakuum, sondern sind Ausdruck einer gesellschaftlich geprägten Haltung, welche sich in einem politischen Willen niederschlagen.
4.1.1 Soziale Exklusion
„Von sozialer Exklusion kann nach der hier vertretenen Herangehensweise somit nur dann gesprochen werden, wenn Menschen in einem Maße von Gesellschaftsfunktionen ausgeschlossen werden, zu denen sie aus Sicht gangiger Normvorstellungen Zugang haben sollten und aus eigenem Antrieb Zugang haben wollen. Soziale Inklusion ist als Gegenpol zu sozialer Exklusion zu verstehen und wirkt dieser gleichzeitig entgegen.“14
Wichtige Punkte, an dem die soziale Teilhabe eines Individuums gemessen werden können, sind also zum einen, inwiefern das Individuum aus objektiver, urteilsfreier Sicht und der gesellschaftlichen Norm nach, die Erlaubnis haben sollte an sozialen Funktionen teilnehmen zu durfen und zum anderen, inwiefern dieses Individuum aus eigenem Antrieb an eben diesen sozialen Funktionen teil haben mochte. Wenn also eine Person an einer sozialen Funktion teilhaben möchte, an der auch alle anderen Individuen dieser Gesellschaft teilhaben durfen und ihr der Zugang dennoch aus individuellen Grunden verwehrt wird, so kann man von einer sozialen Exklusion sprechen.
Wichtig ist, an dieser Stelle anzumerken, dass bei dieser Form der Exklusion nicht der vollkommene Ausschluss aus der Gesellschaft gemeint ist. Die beschriebenen Individuen werden zwar von sozialen Funktionen ausgeschlossen, verbleiben aber dennoch in der Gesellschaft.
„Um Exklusion und damit auch Inklusion angemessen begreifen zu können, geht Kronauer von einer Ausgrenzung innerhalb der Gesellschaft aus. Diese, in den Worten Georg Simmels (1858 - 1918), Gleichzeitigkeit des Drinnen“ und Draußen“ beschreibt die Exklusion bestimmter Bevöolkerungsteile, die nicht mehr oder nur einseitig in die Interdependenzbeziehungen eingebunden sind und nach den herrschenden moralischen Vorstellungen nicht die Moöglichkeit haben, angemessen am gesellschaftlichen Leben zu partizipieren, sich aber dennoch nicht aus der Gesellschaft verabschieden können.“15
Wie im Zitat bereits angemerkt, bietet die Theorie des „Drinnen“ und „Draußen“ nach Georg Simmel eine gute Grundlage um diese Unterschiede einer Exklusion zu Begreifen:
Ist ein Individuum einer Gesellschaft von vornherein fremd, so kann es nicht wirklich exkludiert werden, denn „Ausschließung setzt ein Verhaltnis der Zugehörigkeit oder zumindest den Anspruch auf Zugehörigkeit voraus“16. Selbst wenn dieses fremde Individuum nicht an sozialen Funktionen unserer Gesellschaft teil hat, so kann man noch nicht von einer Exklusion sprechen, denn wie oben bereits angesprochen, muss der Aspekt erfuöllt sein, dass dieses Individuum nach gesellschaftlicher Normvorstellung Zugang zu eben diesen sozialen Funktionen haben duörfen sollte.
Anders verhölt es sich mit Individuen, die unserer Gesellschaft angehören. Wenn diese an bestimmten sozialen Funktionen teilhaben mochten, so ware dies nach gesellschaftlicher Norm erlaubt. Wird ihnen der Zugang zu bestimmten Funktionen verwehrt, sind sie „zwar von Exklusion betroffen, sind aber weiterhin Teil der Gesellschaft, der sie sich auch nicht entziehen können: Sie befinden sich sozusagen „Draußen“ im „Drinnen“ (Kronauer 2010, S. 250ff.)“ .17
4.1.2 Soziale Inklusion
Nach dieser Aufschluösselung der sozialen Exklusion ist es umso interessanter, zu uöberlegen, auf welche Weise dieser Ausschluss ruöckgöangig gemacht werden und in welcher Form die soziale Inklusion verlaufen kann.
Schutte spricht in dem Kapitel „Das besondere Potential des Inklusionsbegriffs“ davon, dass der Verlauf der sozialen Inklusion von zwei Menschenbildern abhangig ist, dem „homo oeconomicus“ und dem „homo sociologicus“.18 Diese beiden Menschenbilder unterscheiden sich in ihren Leitlinien voneinander und mussen daher bezuöglich der sozialen Exklusion und Inklusion getrennt voneinander betrachtet werden.
Waöhrend der homo oeconomicus ein Individuum beschreibt, das allein an einer Nutzenmaximierung interessiert ist und dafuör so gut wie alle gesellschaftlichen Einflusse auf das Handeln ausblendet“19, handelt der homo sociologicus unter gesellschaftlicher Einwirkung.
[...]
1 Der hier zitierte Gesundheitsreport wurde für Thüringen angefertigt, wird für die vorliegenden Zwecke jedoch als für die Bündesrepüblik repräsentativ angenommen.
2 IGES Institüt GmbH (2013, S. 15)
3 IGES Institüt GmbH (2013, S. 16)
4 TED-Talk sind popülarwissenschaftliche Vorträge, bei denen wissenschaftliche Themen dürch einen Vertreter mit der entsprechenden Expertise einem breiteren Pübliküm naher gebracht werden.
5 Lieberman, Dr. Jeffrey (November 2016, Minute 3:26-3:33)
6 Weltgesundheitsorganisation (2019, S. 1)
7 Es ist an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, dass die Begriffe „Störung“ und „Erkrankung“ im Laufe der Bachelorarbeit synonym verwendet werden und nicht etwa unterschiedliche Phänomene beschreiben.
8 Härter und Baumeister (2007, S. 1)
9 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde-DGPPN (1997, S. 6)
10 AAA - Allgemeine Angst-Auskunft (Abgerufen am 28.08.2020)
11 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde-DGPPN (1997, S. 5)
12 URL: https://scholar.google.com
13 Schütte (2012, S. 104)
14 Schütte (2012, S. 105)
15 Schütte (2012, S. 134)
16 Kronauer (1999, S. 9)
17 Schütte (2012, S. 107)
18 Vgl. Schütte (2012, S 118 ff)
19 Vgl. Schütte (2012, S. 118 ff)
- Arbeit zitieren
- Elina Adam (Autor:in), 2020, Stigmatisierung und Exklusion. Irreversible soziale Krankheitslasten psychischer Störungen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1001267
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