Facetten des Phänomens "Boreout". Eine empirische Studie


Thèse de Bachelor, 2017

146 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Kurzfassung

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsfragen
1.3 Inhaltlicher Aufbau der Arbeit

2 Stand der Forschung
2.1 Boreout
2.1.1 Langeweile
2.1.2 Chronische Unterforderung
2.1.2.1 Psychische Sättigung
2.1.2.2 Fehlbelastung
2.1.3 Desinteresse
2.2 Entstehungsbedingungen und Ursachen
2.3 Betroffene Berufsgruppen
2.4 Unterschiede zwischen Boreout und Faulheit
2.5 Boreout-Paradox
2.6 Boreout-Strategien
2.7 Nachteile von Boreout
2.7.1 Negative Auswirkungen für die Betroffenen
2.7.2 Negative Auswirkungen für Unternehmen ..

3 Methodik
3.1 Empirische Sozialforschung
3.2 Wahl des Erhebungsinstrumentes
3.2.1 Qualitative Inhaltsanalyse
3.2.2 Gütekriterien qualitativer Forschung
3.2.3 Experten interviews
3.3 Interviewleitfaden
3.4 Probeinterview
3.5 Stichprobe
3.6 Untersuchungshergang
3.7 Datenauswertung

4 Ergebnisse
4.1 Kategoriensystem
4.2 Beantwortung der Forschungsfragen

5 Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse
5.2 Kritische Würdigung
5.3 Fazit und Ausblick

Abbildungsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Quellenverzeichnis

Kurzfassung

Als Langeweile, Unterforderung und Desinteresse am Arbeitsplatz definiert und von Strategien zur Tarnung begleitet, wird Boreout ausgezeichnet. Durch eine empirische, qualitative Studie zu den Facetten des Phänomens Boreout, wird dieses Thema im Rahmen dieser Facharbeit ergründet.

Untersucht wurde, wie Betroffene mit dem Thema Langeweile, Unterforderung und Desinteresse auf der Arbeit umgehen. Thematisiert wurden dabei unter anderem von welchen Merkmalen Betroffene berichten, welche Symptome durch Boreout in Er­scheinung treten, ob und welche leistungsbezogene Folgen eintreten und wie Boreout von Betroffenen auf der Arbeit kommuniziert und behandelt wird. Für die Untersuchung wurde ein qualitatives Forschungsdesign gewählt und 12 teilstandardisierte Interviews mit Betroffenen geführt. Diese wurden basierend auf der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet unter Verwendung der Auswertungssoftware MAXQDA.

Die Ergebnisse zeigen, dass Betroffene unterschiedlich mit dem Thema umgehen und haben einerseits einen bestätigenden, andererseits einen ergänzenden Charakter zum Thema Boreout bewiesen. Dabei spielt das Kommunikationsverhalten zwischen Ar­beitnehmer sowie Arbeitgeber die bedeutendste Rolle. Viele vom Boreout betroffenen sind nicht die einzigen Benachteiligten dieses Phänomens. Die negativen wirtschaftli­chen Auswirkungen sind ebenso wenig zu unterschätzen und nicht unerheblich, um die Wichtigkeit dieses Themas zu begründen.

Stichwörter: Boreut, Langeweile, Unterforderung, Desinteresse, Monotonie, Merkma­le, qualitative teilstrukturierte Interviews, Inhaltsanalyse,

Die Strukturierung dieser Bachelorthesis wurde auf Basis der von der RFH zur Verfügung ge­stellten Formatvorlage formatiert (FO3-8Formatvorlage-thesis-arial11_Gertler)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Das erste Kapitel eröffnet das Themengebiet mit dem inhaltlichen Aufbau dieser Arbeit, informiert den Leser über die Problemstellung sowie das Ziel der Arbeit und schließt mit der Definierung der Forschungsfragen ab.

1.1 Problemstellung

Das Zeitalter der westlichen Leistungsgesellschaft wird nach Brühlmann durch eine „neokapitalistische Wirtschaftsentwicklung“ (vgl. 2015, S.387) geformt. Seiner Meinung nach gehört zu den nachdrücklichsten Faktoren der durchdringende Wettbewerbs­zwang. Er sieht den Spagat zwischen Über- und Unterforderung als eine schmale Gratwanderung. Der Begriff Burnout ist heutzutage überall präsent und hat in den letz­ten Jahren eine dynamische Entwicklung erfahren (vgl. Brühlmann, 2015). Rothlin und Werder geben der Unterforderung, Langeweile und dem Desinteresse in Bezug auf die Arbeit im Jahre 2007 erstmals einen neuen Namen: Boreout. Sie widmen dem Phäno­men Boreout inzwischen zwei Lektüren und machen es bekannt. Als den weniger be­kannten, unterschätzten kleinen Bruder des Burnouts stellen sie ihn vor und warnen bereits zu Beginn die Leser mit folgender Ansicht:

„Aussagen zum Thema Stress sind also mit Vorsicht zu genießen - er gehört nicht nur einfach zum guten Ton, sondern ist sozial erwünscht und hat einen wesentlich höheren Unterhaltungswert als zum Beispiel Langeweile“ (Rothlin & Werder, 2007, S. 7).

Studien zeigen allerdings inzwischen, dass auch Unterforderung weitreichende und fatale Folgen erreichen kann. Daher macht es durchaus Sinn, sich der Herausforde­rung anzunehmen, lösungsorientierte Ansätze für Unternehmen sowie auch Betroffene zu finden, mit denen man die Nachteile beider Parteien begrenzt.

Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Wenn Du ein Leben lang glücklich sein willst, Liebe deine Arbeit“ (Kiwus, 2011, S. 32). Menschen verbringen in der Regel einen Großteil ihres Lebens auf der Arbeit und täglich mehr Zeit mit Kollegen und Vorgesetz­ten als mit der Familie oder Freunden. Arbeit bekommt eine immer höhere Bedeutung. Dies liegt nicht allein am Lohn. Die Tätigkeit übt ebenfalls einen direkten Einfluss auf den sozialen Wert aus und Arbeitslose werden nicht selten mit Ausgrenzung diskrimi­niert (Oelkers, 2007, S. 2). Manche suchen in ihrer Arbeit Erfüllung, andere dagegen soziale Anerkennung und wiederum andere sehen sie als notwendiges Übel, um Geld zu verdienen und die Existenz zu sichern. Arbeit kann sowohl Statussymbol als auch Machtausübung sein. Deshalb ist es von großer Relevanz, ein Gleichgewicht zwischen Unter- und Überforderung zu finden und das Arbeitsleben nicht zur Belastung werden zu lassen.

Obwohl das Thema in der Forschung vergleichsweise unberührt ist, hat das Thema Boreout in Wirtschaft und Gesellschaft eine hohe Präsenz. Vorhandene Studien (vgl. StepStone, 2009, Lohmann-Haislah, 2012, S. 85) lassen verlauten, dass Unterforde­rung ebenso häufig anzutreffen ist wie Überforderung.

Die meisten vorhandenen Studien zu Boreout beschränken sich auf seine einzelnen Bestandteile Unterforderung, Desinteresse oder Langeweile. Heutzutage ist Boreout weit verbreitet, allerdings gibt es kaum wissenschaftliche Studien, welche sich mit der belastenden Thematik befassen und weitaus mehr Betroffene, welche sich nicht ver- standen fühlen. Aus diesem Grund greift diese Studie den Bereich Boreout und seine Facetten auf und leistet einen Beitrag zu dessen Erforschung.

1.2 Forschungsfragen

Abgeleitet von dem Thema dieser Arbeit „Zu den Facetten des Phänomens Boreout eine empirische Studie“ und der vorherrschenden Literatur, entstanden die nachfol­genden Teilfragen.

1. Wie macht sich Boreout bei Betroffenen bemerkbar?
2. Wie gehen Betroffene mit Boreout auf der Arbeit um?
3. Welche Symptome werden durch Boreout verursacht?
4. Welche Folgen hat Boreout auf die Leistung von Betroffenen?
5. Mit welchen Konsequenzen müssen Unternehmen rechnen, wenn MA sich langweilen?
6. Wie wird Boreout zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommuniziert?
7. Welche Maßnahmen können dazu beitragen, Boreout zu verringern oder gar zu vermeiden?
8. Was hindert Betroffene an einem Wechsel der Arbeitsstelle?

Diese dienen dazu, dem Thema Boreout neue Erkenntnisse zu liefern und werden im Laufe dieser Arbeit und anhand der durchgeführten qualitativen Studie möglichst kon­kret beantwortet.

1.3 Inhaltlicher Aufbau der Arbeit

Hier erhält der Leser eine kurze Zusammenfassung über den inhaltlichen Aufbau und den Zusammenhang der einzelnen Kapitel. Diese Arbeit ist in zwei Hauptbestandteile aufgeteilt. In der ersten Hälfte wird der Leser in Kapitel 2 über den aktuellen Stand der Forschung informiert und mit der Vermittlung von fundamentalen Kenntnissen auf die durchgeführte Studie vorbereitet. Sie bildet die Grundlage für das Verständnis der qua­litativen Studie und stützt sich auf vorhandene Fachliteratur. Letzterer Hauptteil befasst sich in Kapitel 3 mit der Methodik der empirischen Studie in Form von teilstandardisier­ten Interviews. Zum Schluss werden die Ergebnisse in Kapitel 4 erläutert und vorge­stellt und in Kapitel 5 interpretiert. Kapitel 5 umfasst außerdem die kritische Würdigung und empfiehlt Zukunftsperspektiven zum Thema.

Die vorliegende Facharbeit beschäftigt sich mit der „tödlichen“ Langeweile, Unterforde­rung und Desinteresse am Arbeitsplatz und deren Folgen. Langeweile, Unterforderung oder Desinteresse, ausgelöst durch private Rahmenbedingungen werden nicht weiter berücksichtigt. Zudem werden keine auf Boreout konzentrierten Lösungsmaßnahmen ergründet oder dargelegt, da sich hier aufgrund der noch jungen, dennoch komplexen Thematik eigene Untersuchungen anbieten.

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit aus­schließlich die männliche Geschlechtsform verwendet, obwohl alle Geschlechter ge­meint sind.

2 Stand der Forschung

Das gesamte zweite Kapitel bringt dem Leser die Begrifflichkeiten, den wissenschaft­lich ergründeten Hintergrund sowie aktuellen Forschungsstand des Themas Boreout näher. Es soll dem Leser ermöglichen, der nachfolgenden Studie zu folgen. Zunächst folgt eine allgemeine Beschreibung des Begriffs Boreout, basierend auf der wortge­benden Literatur von Rothlin und Werder. Im Anschluss erfolgen eine Charakterisie­rung seiner drei wesentlichen Bestandteile und die Erörterung der Frage, ob man Bo- reout mit Faulheit gleichsetzen kann. Anschließend erfährt der Leser, welche Ursa­chen und Bedingungen dem Boreout zugrunde liegen. Bevor es mit Kapitel 3 weiter­geht, werden Informationen zum Boreout-Paradox und dem Umgang Betroffener mit dem Boreout vermittelt. Auch die Bedeutsamkeit dieses Phänomens wird an den nega­tiven Auswirkungen des Boreout für Betroffene als auch Unternehmen verdeutlicht.

2.1 Boreout

Der Begriff Boreout wurde von Rothlin und Werder 2007 ins Leben gerufen. Er kommt aus dem Englischen und setzt sich zusammen aus zwei Teilen: Bore, was übersetzt so viel wie Langweiler bedeutet und out, als Synonym für außen. Würde man das dem­nach sinngemäß übernehmen, könnte man Boreout als Ausgelangweiltsein übersetzen (Rothlin & Werder, 2007, S. 13).

Rothlin und Werder stellen darauf aufbauend ihre Theorie Arbeitsunzufriedenheit in Folge von Langeweile vor. Ausgelangweilt bedeutet in diesem Fall nicht, dass einem vom Boreout Betroffenen wieder aufregende, abwechslungsreiche und interessante Zeiten bevorstehen und die Langeweile vorüber ist. Vielmehr nimmt die Langeweile am Arbeitsplatz neue Dimensionen an. Es gibt mehrere Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass Boreout langfristig am Leben bleibt. Diese werden in den nachfolgenden Kapiteln näher erläutert. Denn die Betroffenen sind durch dieses Verhalten in einem Teufelskreis gefangen und finden in der Regel aus eigenem Antrieb nicht mehr heraus. (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 13).

Obwohl der Begriff Boreout dies vermuten lässt, geht es bei diesem Phänomen nicht ausschließlich um die Langeweile an sich. Vielmehr basiert dieses auf den insgesamt drei Faktoren Langeweile, Unterforderung und Desinteresse. Sie stehen in Wechsel­wirkung zueinander, machen den Boreout aus und werden gleichzeitig als Ursachefaktoren dargestellt (vgl. Abb. 2-1). Damit man überhaupt von Boreout spre­chen kann, erklären Rothlin und Werder, müssen diese drei Elemente für einen länge­ren Zeitraum auf eine Person einwirken (vgl. 2007, S. 26). Im Internet findet man den Begriff Boreout häufig im Zusammenhang mit Unterforderung und Langeweile wieder, Desinteresse wird oft außen vor gelassen.

Das Zusammenspiel dieser drei Faktoren und auch die strategischen Verhaltenswei­sen der Arbeitnehmer (im Folgenden AN; siehe Kapitel 2.6) selbst halten den Boreout am Leben und sind schwer voneinander abzugrenzen (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 26). Die stetige Unterforderung, in derer der AN nicht ausgelastet ist, führt unabsehbar zur Langeweile, die Langeweile führt langfristig zu Desinteresse an der eigenen Tätig­keit und einer nachlassenden Identifikation mit dem Unternehmen (vgl. Rothlin & Wer­der, 2007, S. 14). Der Boreout sucht Betroffene jedoch nicht unerwartet auf, sondern entwickelt sich über einen längeren Zeitraum, in dem der Betroffene fast täglich mit den drei Faktoren zu kämpfen hat (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 27). plötzlich

Das paradoxe an diesem Zustand ist, dass der Betroffene Strategien entwickelt, wel­che diesen Zustand dauerhaft aufrechterhalten. Nichtsdestotrotz wird die Stelle nicht aufgegeben, z. B. weil befürchtet wird, die neue Stelle wird besser werden (vgl. Brühl­mann, 2015).

Treffen die drei in den nachfolgenden Kapiteln aufgeführte Elemente gleichzeitig, re­gelmäßig und dauerhaft auf einen AN zu, ist die Gefahr groß, dass dieser einen Bo- reout erleidet (Rothlin & Werder, 2007, S. 13ff.).

2.1.1 Langeweile

Wenn man den Begriff Langeweile etwas genauer betrachtet, setzt sich dieser aus den beiden Wörtern lange und Weile zusammen und setzt Betroffenen einem Gefühl aus, nicht zu wissen womit man seine Zeit füllen kann (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 13). Im englischen wird Langeweile als Boredom übersetzt und bildet die Grundlage für die Wortherkunft des Boreout. Langeweile wird im Duden definiert als ein unerträgliches, lästiges Gefühl der Monotonie und mangelnder Abwechslung.

Auch Fisher beschäftigte sich bereits im Jahr 1987 mit dem vernachlässigten Thema Langeweile auf der Arbeit und beschreibt sie nicht als einen festen Zustand, sondern viel mehr als eine vorübergehende Situation. Dies hängt bedingt von mehreren Einflüs­sen ab. So kann sich eine Person in dem einen Moment gelangweilt fühlen und in dem nächsten wiederum nicht. Auch kann sie eine Aufgabe heute als langweilig, morgen dagegen als spannend empfinden (Fisher, 1993, S. 4).

Problematisch wird Langeweile auf der Arbeit dann, wenn der Betroffene weder eine Beschäftigung hat, noch einfach nach Hause gehen darf und sich negativ auf die intrin­sische sowie extrinsische Motivation des AN abfärbt (Götz, 2004, zitiert nach Günthner, 2014, S. 15).

Csikszentmihalyi hingegen definiert Langeweile als einen Zustand, bei dem die eige­nen Fähigkeiten die Anwendungsmöglichkeiten übersteigen. Das Gegenteil hiervon würde andererseits zu Überforderung führen, der vorteilhafte Leistungszustand befin­det sich genau dazwischen. Welcher dieser Zustände erlebt wird, hängt jedoch subjek­tiv von der jeweiligen Persönlichkeit ab (vgl. 1987, S. 58).

2.1.2 Chronische Unterforderung

Unterforderung kommt zum Vorschein, wenn die Arbeitsleistung, welche vom Unter­nehmen gefordert wird, weit unterhalb der Fähigkeiten des AN liegt und das Gefühl entsteht, er könnte weitaus mehr leisten als von ihm verlangt wird (vgl. Rothlin & Wer­der, 2007, S. 17). In Folge dessen, wird das Potential des Betroffenen nicht vollständig genutzt (vgl. Wenchel, 2001, S. 21).

Die beiden Unternehmensberater Rothlin und Werder trennen Unterforderung in zwei Typen. Zum einen die quantitative, zum anderen die qualitative Unterforderung. Leidet der Betroffene an einem Arbeitsmangel und verbringt infolgedessen viel Zeit mit der Erledigung privater Dinge während seiner Arbeitszeit, spricht man von der quantitativen Unterforderung. Die qualitative oder intellektuelle Unterforderung tritt zum Vorschein, wenn z. B. die eigene Stelle, durch eine Umstrukturierung geschmälert oder sämtliche Handlungsfreiheit und Verantwortung entzogen wird (vgl. Rothlin & Werder, S.17f.).

Anders, kann diese Art der Unterforderung auch durch die Lücke zwischen dem, was der Mitarbeiter (im Folgenden MA) aufgrund seiner Fähigkeiten, Erfahrungen und sei­nes Wissens leisten kann und dem, was ihm an Verantwortung übrig bleibt, entstehen (vgl. Rothlin & Werder, S.17f.). Nach Allenspach und Brechbühler ist diese Diskrepanz an einem stressigen Arbeitsalltag beteiligt und kann zu mehr Depressionen sowie Ge­reiztheit führen als die quantitative Unterforderung (vgl. 2005, S. 40). Durch die dauer­hafte Unterforderung können das Wohlergehen und die Leistung der betroffenen MA stark beeinträchtigt werden (vgl. Allenspach und Brechbühler, 2005, S. 21).

Unterforderung kann man auch als ein Resultat von monotonen, hoch mechanisierte Tätigkeiten sehen, wie z. B. Fließbandarbeit. Als besonders förderlich für diesen mono­tonen Zustand beschreibt Ulrich Tätigkeiten, welche die MA nicht fördern, gleichzeitig jedoch die volle Konzentration verlangen. Dauerhafte Monotonie führt zudem zu Ermü­dung und Erschöpfung und senkt die Aufmerksamkeit. Der monotone Zustand schwin­det sofort, sobald es zu einem Tätigkeitswechsel kommt, während Ermüdung dadurch nicht beeinflusst wird (vgl. Ulrich, 1992, S. 283-284).

Überdauernde Unterforderung könne außerdem zu einer Steigerung von Flüchtigkeits­fehlern, nachlassender Aufmerksamkeit und Konzentration führen. Zudem kann sich die fehlende intellektuelle Herausforderung bei den Betroffenen in Unzufriedenheit, Anspannung und innerer Unruhe äußern oder die Motivation beeinträchtigen (vgl. Allenspach & Brechbühler, 2005, S. 21f.). Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass dieser Zustand schlimmstenfalls die Gesundheit und das Wohlergehen der Betroffenen verschlechtern und unter anderem das Herzinfarktrisiko steigern kann (vgl. Allenspach & Brechbühler, 2005, S. 90).

Besitzt ein AN hingegen mehr Qualifikationen, als für sein Anforderungsprofil erforder­lich, spricht man von Überqualifikation (Maynard & Feldmann, 2001, S. 1). Höhere Qualifikationen können sich im Wissen, den Kenntnissen, Fähigkeiten, Erfahrungen und der Ausbildung widerspiegeln. Nach Erdogan et al. aus dem Jahre 2011, verlieren viele AG somit wertvolles, nicht ausgeschöpftes Potenzial ihrer Arbeitskräfte, welche dem Unternehmen einen großen Nutzen bringen könnten (vgl. 2011, S. 221f.).

Eine Konsequenz überqualifizierter MA ziehen Johnson & Johnson bereits 1996 in Be­tracht und warnen AG mit ihrer These, dass eine sichere, jedoch wenig herausfordern­de und dauerhaft unbefriedigende Position unter den Ansprüchen des MA, dazu führen kann, dass dieser fortwährend aus der sicheren Arbeitssituation nach anspruchsvolle­ren Stellen Ausschau hält (vgl. 1996, S. 435).

2.1.2.1 Psychische Sättigung

Die psychische Sättigung gehört zu den Ursachen qualitativer Unterforderung, welche sich durch die innere Ablehnung sich wiederholender Tätigkeiten spiegelt und als „Auf- der-Stelle-treten“ empfunden wird (vgl. Rudow, 2014, S. 93). Stimmt die tatsächliche berufliche Entwicklung nicht mit den Ambitionen der Betroffenen überein oder fehlt ih­nen die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit, spricht man ebenfalls von einer psychischer Sätti­gung. Ärger, Leistungsabfall, Müdigkeitsempfinden und ein innerer Widerstand sind oft die Folge (Richter, 2000). Ein weiterer gravierender Faktor ist, dass Fachwissen und Fähigkeiten verlernt werden können (vgl. Karsten, zitiert nach Lewin, 2009, S. 276).

2.1.2.2 Fehlbelastung

Bei kurzfristigen Wechseln zwischen starken unter- und überfordernden Beanspru­chungen sowie Diskrepanzen zwischen den Stellenanforderungen und Leistungsvo­raussetzungen spricht man von Fehlbelastung. Diese Faktoren bestimmen das Aus­maß von Ermüdung oder Monotonie (vgl. Hacker & Richter, 1984, S. 99).

2.1.3 Desinteresse

Kann eine Person den Sinn ihrer Arbeit nicht nachvollziehen und ist ihr diese gleichgül­tig oder empfindet sie als irrelevant, spricht man von Desinteresse. Desinteresse ver­ursacht einen inneren Widerstand, der schwer zu überwinden ist. Dieser Widerstand entsteht nicht bei grundsätzlich faulen MA, sondern bei Personen, die sich weiter ent­wickeln und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen wollen (Rothlin & Werder, 2007, S. 20). Sie ersetzen ihren AG bei dem Ausblick einer attraktiver wirkenden Stelle schnell. Des Weiteren kann ein desinteressierter AN seine motivierten und begeisterten Kolle­gen nicht verstehen und überwindet sich nur widerwillig dazu, der aus seiner Sicht un­bedeutenden Tätigkeit nachzugehen (Rothlin & Werder, 2007, S.20).

2.2 Entstehungsbedingungen und Ursachen

Ob eine Person einen Boreout erleidet, hängt unter anderem von den Voraussetzun­gen Persönlichkeit und Arbeitsinhalt ab (vgl. Fisher, 1993, S. 396). Unger und Klein­schmidt bestätigen noch weitere Faktoren, unter anderem das subjektive Empfinden des Betroffenen, wie er seine Arbeitssituation bewältigen und kontrollieren kann. Auch die persönliche Eignung und Qualifikation der MA spielen für die jeweilige Stelle eine wichtige Rolle. Ist der AN qualifiziert, hat er die Möglichkeit sein Wissen und seine Fä­higkeiten auf der Arbeit einzubringen und seinen persönlichen Entscheidungsspielraum zu verwenden? Fühlt er sich von seinem AG gut behandelt und fair bezahlt, werden Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten angeboten und verfügt der Vorgesetz­te selbst auch über genügend Kompetenz (vgl. Unger & Kleinschmidt, 2009)?

Faktoren, welche schlussendlich einen Boreout nach sich ziehen, könnten an einem unpassenden Arbeitsumfeld, dem Vorgesetzten, welcher einen nicht fördert oder von vornherein an einer ungeeigneten Berufswahl liegen. Rothlin und Werder gehen sogar so weit und stellen die Vermutung auf, dass der Boreout sich durch den Burnout ande­rer entwickeln kann, z. B. durch Vorgesetzte, die alle interessanten Aufgaben für sich selbst beanspruchen und ihren Angestellten ausschließlich die Routinejobs anvertrau­en, ihnen zu wenig zumuten und keinerlei Verantwortung abtreten (vgl. Rothlin & Wer­der, 2007, S. 15f.).

Brühlmann bestätigt dies und sagt aus, dass aus einem Burnout ein Boreout entstehen kann, sobald die Folge des Burnouts eine innere Kündigung und eine Differenzierung zum AG mit sich bringt. Seine Vermutung liegt nahe, dass sich hinter der Behauptung von Betroffenen an Burnout zu leiden, oft in Wahrheit ein Boreout verbirgt (vgl. 2015, S. 388).

Boreout entsteht jedoch nicht durch kurzfristige Phasen von Langeweile und Unterfor­derung. Die meisten AN werden diese Phasen hin und wieder durchlaufen, je nachdem wie die Auftragslage des AGs sich entwickelt. So findet sich ein und der gleiche MA in Spitzenzeiten in Überforderung und übermäßigem Arbeitsaufkommen und ein paar Tage, Wochen oder Monate später sucht er nach Beschäftigung auf der Arbeit. Sind die beiden Phasen im Gleichgewicht, hat der MA keinen Boreout zu befürchten, wenn er sich grundsätzlich mit seinem Arbeitsplatz identifizieren kann. Langeweile kann so­gar Raum für Kreativität schaffen und die Möglichkeit, soziale Kontakte auf der Arbeit zu pflegen und intensivieren. Kommt zwischenzeitlich leicht ausgeprägtes Desinteres­se hinzu, fangen MA an, über sich selbst und die persönlichen Ziele nachzudenken (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 26).

2.3 Betroffene Berufsgruppen

Ein „Person Job Mismatch“ (vgl. Prammer, 2013, S. 123) stellt laut Prammer die größte Ursache dar und kann mehrere Begründungen haben. Mobbing kann eine der Ursa­chen sein, genauso wie die Furcht der Betroffenen vor der Arbeitslosigkeit, welche sie in unpassende Arbeitsstellen treibt. Auch wenn die Stellenausschreibung plötzlich nicht mehr eingehalten werden kann und MA fachfremde Aufgaben übergeben werden, so­dass der ursprünglich erwarteten Tätigkeit nicht mehr nachgegangen werden konnte, kommt es zum Person Job Mismatch. Der Berufseinstieg kann ebenfalls zur Falle wer­den, eine falsche Stelle anzunehmen, weil die eigenen Perspektiven nicht erkannt wer­den oder die geringe Berufserfahrung keine weiteren Alternativen hergibt (Prammer, 2012, S. 123f.).

Auch Rohrbach-Schmidt und Tiemann können bestätigen, dass gerade jüngere Be­rufseinsteiger und ältere Beschäftigte deutlich öfter von Fehlentscheidungen in der Besetzung von Stellen betroffen sind als andere AN. Dies liegt vor allem an den schwierigen Umständen für Neueinsteiger, welche nach der Lehre unter dem Druck stehen, überhaupt eine Arbeitsstelle zu finden. Die Studie begründet auch, weshalb ebenfalls ältere AN ein erhöhtes Risiko der Überqualifikation haben. Verliert ein älterer AN seine Stelle, für die er sich bis dato ein sehr spezielles Wissen angeeignet hat, wird er in der heutigen Zeit Schwierigkeiten haben, eine gleichwertige neue Stelle zu finden und diese auch zu bekommen. Um einer längeren Arbeitslosigkeit zu entgehen und das Einkommen weiterhin sichern zu können, gehen diese gezwungenermaßen ein Arbeitsverhältnis ein, für welches sie überqualifiziert sind (vgl. Rohrbach-Schmidt & Tiemann, 2011).

Rothlin und Werder setzten sich ebenfalls mit der Thematik, welche Berufsgruppen besonders gefährdet sind, auseinander. Sie beantworten diese Fragestellung zunächst mit der Behauptung, dass Selbstständige in den allerseltensten Fällen einem Boreout erliegen. Dies bestätigen sie mit der Aussage, dass Gründer und Unternehmer ihr „ganzes Herzblut“ (vgl. 2007, S. 74) in ihre Arbeit stecken und eine sehr hohe Verant­wortung inklusive Entscheidungs- und Handlungsfreiheit haben. Ein geringerer Einsatz würde ihr Unternehmen gefährden und sie im unerfreulichsten Falle zu einer Insolvenz führen. Demnach lässt Eigentum an einem Unternehmen einem Boreout keine Chan­ce. Führungskräfte jedoch sind von einem Boreout nicht automatisch ausgeschlossen und eine hohe hierarchische Position schützt ebenso wenig vor Unterforderung. In ih­rem Falle bieten sich Geschäftsreisen oder in der Regel ein Einzelbüro an, bei Lange­weile der Arbeit zu entfliehen und begünstigen auf weitere Arten den Boreout (vgl. Rot- hlin & Werder, 2007, S.71ff.).

Außerdem stellt Boreout hauptsächlich ein Phänomen der Dienstleistungsgesellschaft und der dazugehörigen Berufszweige dar, verbunden mit Ausweichmöglichkeiten am Schreibtisch, nicht nachvollziehbaren Endresultaten sowie freier Zeiteinteilung. Berufs­gruppen, wie z. B. Ärzte, Erzieher, Taxifahrer oder Kellner, können zur Tarnung ihrer Unterforderung nicht so tun, als würden sie gerade arbeiten, weil ihre Arbeitsresultate sofort fällig sind. So wollen Kunden oder Patienten in den meisten Fällen sofort ver­sorgt werden, wenn die Kapazität des Dienstleisters dies zulässt. Das Gleiche gilt auch für die Industrie und Landwirtschaft. Ein Landwirt muss seine Tiere und Erzeugnisse relativ zeitnah versorgen, weil seine Tätigkeiten sich in der Regel nicht aufschieben lassen. Rothlin und Werder wollen mit dieser Aussage nicht beweisen, dass diese Be­rufsgruppen keine Langeweile empfinden können. Sie können zumindest keine Strate­gien anwenden, um dauerhaft fehlende Arbeitsleistung glaubhaft zu vertuschen und Stress vorzutäuschen. Ihre Arbeit ist zudem an sichtbaren Resultaten und messbaren Erfolgen festzumachen und dies erklären Rothlin und Werder als wesentlichen Be­standteil des Boreout (vgl. 2007, S. 79ff.).

2.4 Unterschiede zwischen Boreout und Faulheit

Nachdem Rothlin und Werders Lektüre erstmalig das Phänomen Boreout kommuniziert hat, bildeten sich erste Gegenmeinungen. Bei der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) ar­gumentiert Stadler, Boreout wäre eine Falschmeldung, ein sogenannter Hoax. Er stell­te die Betroffenen zynisch als „faule Säcke“ dar, die sich, nach Herausgabe des Wer­kes von Rothlin und Werder, in der Öffentlichkeit geoutet haben. Das Wort Faulheit wurde seiner Ansicht nach nur neu erfunden (vgl. NZZ, 2007).

Laut Rothlin und Werder sind die beiden genannten Begriffe Boreout und Faulheit mit­einander verwandt und weisen Ähnlichkeiten auf. Sie nehmen diesen Einwand aller­dings vorweg, indem sie die beiden Begriffe voneinander abgrenzen. Auch hier ist es wichtig, beide Begriffe zu unterscheiden. Boreout ist ein ernst zu nehmendes Leiden, welches grundsätzlich ambitionierte und an Selbstverwirklichung im Berufsleben inte­ressierte AN ereilt. Der wesentliche Unterschied beider Begrifflichkeiten ist, dass diese engagierten MA durch äußere Umstände faul gemacht worden sind (vgl. 2007, S. 25). Das heißt im Umkehrschluss, dass Faulheit eine Folge von Boreout ist, nicht jedoch seine Entstehungsgrundlage (vgl. 2007, S. 65). Im Unterschied dazu hüten sich faule AN vor Arbeit und sind von Natur aus sehr müßig, bequem und ohne den Willen, vieles zu erledigen. Auch Brühlmann stimmt dieser Theorie zu und sieht die Ursachen für Boreout zudem nicht an der Faulheit oder grundsätzlichen Demotivation der MA, son­dern vielmehr an einer ungeeigneten Berufswahl oder einem ungünstigen Arbeitsplatz (vgl. Brühlmann, 2015, o. S.).

2.5 Boreout-Paradox

Das Boreout-Paradox beschreibt eine sich widersprechende Verhaltensweise im Zu­sammenhang mit Boreout. Diese hält den betroffenen MA in einer Art Teufelskreis fest, zu dem sein widersprüchliches Verhalten führt. Der Teufelskreis wird wie folgt aufrecht erhalten und beschreibt die folgenden zwei Faktoren, welche die Grundlage für das widersprüchliche Verhalten bilden:

- Der Arbeitnehmer hat vor zu viel Stress auf der Arbeit Angst, gleichzeitig wünscht er sich in Stresssituationen wieder in den Zustand des „Nichtstuns“ begeben zu können.
- Oder, der Arbeitnehmer erkennt, dass er beim Nichtstun keine Zufriedenheit erlangt und wünscht sich deshalb bei Langeweile wieder mehr arbeiten zu können. (vgl. 2007, S. 46).

Weil der AN durch seine Verhaltensweisen den Boreout ungewollt fortsetzt, spricht man vom Boreout-Paradox. Rothlin und Werder erläutern das Zusammenspiel dreier Alltags-Paradoxe, welche daran unmittelbar beteiligt sind wie folgt:

Das Hans-im-Glück-Paradox beschreibt im engsten Sinne, dass Menschen sich auf etwas freuen, was sie noch nicht haben, bis sie es haben. Wenn es dann erreicht wird, verliert es seinen Wert zum größten Teil. Beim Boreout kann man dieses Phänomen auf die fehlende Erholung in Stresssituationen übertragen. Für viele AN ist die Vorstel­lung verlockend, auf der Arbeit möglichst viel Zeit für Dinge zu haben, die mehr Spaß machen, bis es denn dazu kommt. Den Betroffenen wird es oft erst nach einiger Zeit bewusst, dass zu viel Langeweile langfristig schwerer zu ertragen ist als ein wenig Stress. Diese Langeweile nimmt betroffenen ANn die Chance, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und einen Sinn für ihre Tätigkeit zu empfinden (vgl. Rothlin & Wer­der, 2007, S. 27).

Mit dem Geschenk-Paradox geht ein weiteres Phänomen in den Teufelskreis des Bo- reout über und soll andere täuschen. Der AN nimmt ein Geschenk, im übertragenen Sinne die Aufgaben, welche ganz und gar nicht den eigenen Vorstellungen entspre­chen, aus Anstand an. Zudem fühlt sich niemand gerne dauerhaft nutzlos oder ver­schwendet seine Zeit mit etwas uninteressantem. Auch wenn sie nach außen hin das Gegenteil kommunizieren, leben Betroffene mit dem Gefühl, mehr leisten zu können, als sie dürfen (vgl. 2007, S. 43).

Das Gesundheits-Paradox kommt mit dem Versuch überein, sich selbst zu täuschen. Dieses Phänomen erkennt man vor allem bei Rauchern. Betroffene verdrehen Tatsa­chen oder stellen diese positiver dar, als dies wirklich der Fall ist. Das heißt, Boreout­Betroffene lehnen in der Regel ihren Zustand ab und wollen diesen nicht wahrhaben (vgl. 2007, S. 44).

Was Rothlin und Werder mit diesem Vergleich offenbaren wollen, lässt sich zusam­menfassend in Abbildung 2-3 vereinfacht darstellen.

Dieser Teufelskreis zwingt den Betroffenen, Strategien anzuwenden, um weiterer, für ihn langweiliger Arbeit auszuweichen, seinen Arbeitsplatz zu erhalten und beschäftigt auszusehen, um sich nicht rechtfertigen zu müssen.

2.6 Boreout-Strategien

Das Boreout-Paradox ist zudem ein Teil bestimmter Strategien, die betroffene AN an­wenden. Um nicht negativ auf der Arbeit aufzufallen, wenden sie diese Strategien an und erhalten den Boreout aufrecht (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 53f). So entwickelt sich der Boreout langsam immer weiter zu einem scheinbar aussichtslosen Problem:

Bei Antritt der Arbeitsstelle ist der MA noch motiviert und bietet seinem Vorgesetzten oder Kollegen regelmäßig an, sie zu unterstützen. Stößt der MA hier immer wieder auf Ablehnung, lässt die Eigeninitiative des MA irgendwann nach und er bleibt stattdessen dauerhaft Unterfordert. Anstatt diese Unterforderung offen zu zeigen, nutzt der Betrof­fene bestimmte Strategien zur Vortäuschung von Geschäftigkeit, um nicht mit der Erle­digung weiterer ungeliebter Arbeiten konfrontiert zu werden (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 54). Auch die Wahrscheinlichkeit, dass der MA mit einer Masse an Routinetä- tigkeiten überhäuft wird, sodass er nicht mehr quantitativ aber dennoch qualitativ unter­fordert bleibt, ist sehr hoch (vgl. Baker, 1992, S. 497). Eine direkte Ansprache könnte außerdem dazu führen, dass die Beschwerde des MA, mehr Arbeit zu wollen, als im­plizite Kritik an der Führungsfähigkeit empfunden wird.

Ausgelangweilte entwickeln diese Strategien unbewusst sowie bewusst. Es gibt diver­se Gründe, weshalb das Problem auf der Arbeit nicht thematisiert wird. Langeweile am Arbeitsplatz ist ein verbreitetes Tabuthema. Sie führt mitunter dazu, dass MA früher zur Arbeit kommen und später als alle anderen gehen, um unterschwelligen Fragen, wie der, ob man nur noch halbtags arbeitet, zu entgehen (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 24).

Ein weiterer Grund liegt in der Angst davor, dass der Betroffene aufgrund seiner scheinbar überflüssigen Stelle entlassen und seine geringe Arbeit folglich auf Kollegen übertragen wird. Zum anderen fürchten Betroffene, wenn sie diese Angelegenheit the­matisieren, könnte sich die eigene Arbeitssituation gravierend verändern. Andererseits gibt es viele MA, welche ihre Unterforderung dazu nutzen, neue Kenntnisse während der Arbeitszeit zu erlernen (vgl. Baker, 1992, S. 496; Rothlin & Werder, 2007, S. 29). Diese Gründe führen letzten Endes dazu, dass Betroffene zu Strategien greifen, wel­che ihre Langeweile verbergen und ihren Zustand lieber in Kauf nehmen, anstatt sich anderweitig neu zu orientieren.

Um anschaulich darstellen zu können, worauf Außenstehende achten können, um Bo- reout-Betroffene zu enttarnen, wird hier auf die wichtigsten Strategien von Rothlin und Werder näher eingegangen. Diese Strategien werden angewendet, wenn der AN unzu­frieden und unmotiviert ist, sich emotional von der Arbeit und seinem AG distanziert hat. Sie werden auch wahrgenommen, wenn er keine Lust mehr hat, sich mit seiner subjektiv als sinnlos empfundenen Tätigkeit zu beschäftigen. Die Strategien verfolgen zwei Ziele, die dazu führen, dass der AN ausgelastet scheint, auf der einen Seite, kei­ne zusätzliche Arbeit anzuziehen und auf der anderen, die frei gehaltene Zeit für inte­ressantere, private Tätigkeiten zu nutzen (vgl. 2007, S. 29).

Dokumenten-Strategie: Die wohl beliebteste Methode wird angewendet, sobald der Chef in die Nähe kommt. Der gelangweilte MA wechselt per Tastenkombination ge­schickt und unbemerkt die Bildschirmansicht, nachdem er eine Sekunde zuvor noch mit der Planung seines Urlaubes im Internet beschäftigt war.

Pseudo-Commitment-Strategie: Eine weitere Strategie ist, trotz der Unterforderung und Langeweile, längere Präsenzzeiten aufzuweisen und somit MA-Bindung vorzutäu­schen, um seinen AG zu beeindrucken.

Komprimierungsstrategie: Um genug Zeit für private Dinge zu haben, wählen viele Betroffene diese Taktik mit dem Ziel, dass sie eine Aufgabe in kürzester Zeit effizient erledigen. Sie hat den Vorteil, dass MA bei einer überraschend vorgezogenen Deadline die Arbeit wider Erwarten präsentieren und sich selbst als effizient darstellen können.

Flachwalzstrategie: Sie verteilt die Arbeit auf einen längeren Zeitraum als tatsächlich benötigt und gibt den Betroffenen die Gelegenheit, zwischen Privatem und Beruflichem hin und her zu wechseln, sodass immer das aktuelle Projekt zur Hand ist und die Lan­geweile des Betroffenen nicht enttarnt wird.

Strategische Verhinderung: Hierbei handelt es sich um eine ausgeklügelte Taktik Betroffener, den Arbeitsbeginn bestimmter Aufgaben oder Projekte zu verschieben. Man passt einen Zeitpunkt ab, von dem man genau weiß, dass der Teamkollege nicht erreichbar ist, und hinterlässt ihm eine Nachricht, um seine Arbeitsbereitschaft zu sig­nalisieren. Der Projektstart wird durch die Unlust nach hinten verlegt.

Home-Office-Link: Manche AN nehmen ihren (leeren) Aktenkoffer nach Feierabend mit, um das Interesse und die Zusammengehörigkeit zum Unternehmen und ihre eige­ne Unentbehrlichkeit zu demonstrieren.

Pseudo-Burnout-Strategie: Bei diesen Strategien darf man sich nicht wundern, wenn man Betroffene stattdessen mit Burnout in Verbindung bringt. Einige Betroffene gehen soweit, ihren Zusammenbruch aufgrund einer angeblichen Arbeitsüberlastung zu schauspielern, um weitere undankbare Aufgaben zu vermeiden.

Man sollte allerdings bedenken, dass diese Verhaltensweisen nicht dazu führen, dass Betroffene ihr Problem damit lösen. Sie verbergen das ursprüngliche Problem nur, was dazu führt, dass die Betroffenen immer weiter in diese Krise absacken und ihr Problem vergrößern (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 29-39).

2.7 Nachteile von Boreout

Eigenen Angaben zufolge fand das Online-Jobportal StepStone im Jahre 2009 bei Be­fragungen von insgesamt 5.467 Fach- und Führungskräften in Deutschland heraus, dass sich nur 14% der Beteiligten aufgrund Überforderung beklagten. Stattdessen fühl­ten sich jedoch 39% unterbeschäftigt. Bezüglich der Unterforderung auf der Arbeit nimmt Deutschland damit auch den ersten Platz im internationalen Vergleich ein (vgl. StepStone, 2009). Bei einer ähnlichen Untersuchung der Bundesagentur für Arbeits­schutz aus dem Jahre 2012 mit über 17.562 Angestellten, wurde hingegen festgestellt, dass sich quantitativ 5% und intellektuell 13% unterfordert fühlen (vgl. Lohmann- Haislah, 2012, S. 85).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-4: Umfrage StepStone, Langeweile auf der Arbeit, 2009

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an StepStone Deutschland AG

Welche negativen Konsequenzen sich daraus ergeben, wird im nachfolgenden Ab­schnitt erläutert.

2.7.1 Negative Auswirkungen für die Betroffenen

Auch wenn vieles dafür spricht, handelt es sich beim Boreout nicht wie beim Burnout um eine neuartige Mode-Erscheinung. Es gibt zwar noch keine konkreten Studien und Ergebnisse über die Symptomatik von Boreout. Hingegen gibt Brühlmann an, dass diese Art der unangenehmen Arbeitssituation, ebenso wie bei Burnout, klinische Symp­tome nach sich ziehen kann (Brühlmann, 2015, S. 388). Dazu gehören:

Biopsychosoziale Beeinträchtigungen

Boreout kann durch die meist lang anhaltende, psychische Belastung, in negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden münden und die Symptome ähneln denen des Burnouts (vgl. Brühlmann, 2015, S. 388f.). Das Kernsymptom wird weniger als eine Erschöpfung, sondern viel mehr als eine frustrierende Leere, welche alle biopsychosozialen Dimensionen berührt, beschrieben. Die Körperliche Dimension wird beeinträchtigt durch Müdigkeit und Kraftlosigkeit, die Emotionale durch Frustration und Widerwille, die Motivationale durch Antriebsschwäche und Interessenverlust, die Kognitive durch Leistungsabfall und die Soziale durch Gereiztheit und Rückzug (vgl. Brühlmann, 2015, S. 388; Egger, 2005).

Es ist ebenfalls bekannt, dass Arbeitszufriedenheit eine wesentliche Bedeutung für die Gesundheit des Menschen darstellt. Voraussetzung dafür ist, dass AN das Bewusst­sein haben, dass sie etwas mit ihrer Arbeit bewirken können, Anerkennung und Unter­stützung erfahren, herausgefordert werden und sie einer in ihren Augen sinnvollen Tä­tigkeit nachgehen (vgl. Rudow, 2004, S. 75). Andere Autoren bestätigen diese Aussa­ge und untermauern ihre These mit der Erkenntnis , dass Langeweile zu Arbeitsunzu­friedenheit führt und bereits morgens beim Aufstehen bemerkbar wird durch „ein mul­miges Gefühl in der Magengegend“ (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 64; Kess, Vodanovich & Callender, 2001, S. 322).

Auch Richter greift die negativen Folgen von psychischer Belastung auf, welche Udris & Frese im Jahre 1999 in ihrer Studie erkannt haben. Dabei werden mehrere Bereiche unterteilt, wozu die folgenden kurzfristigen Reaktionen gehören: (a) körperliche (Herz­frequenz, Blutdruck, Stresshormone), (b) psychische (innere Unruhe, Frustration, Är­ger, Ermüdung, Monotonie), (c) leistungsmäßige (Leistungsschwankungen, Konzentra­tionsschwierigkeiten, Ungeduld, Fehlentscheidungen), (d) verhaltensmäßige (Konflikte, Streit, Mobbing, Aggressionen, Isolierung). Langfristige chronische Reaktionen seien unterdessen psychosomatische Beschwerden, Unzufriedenheit, Depressionen, Burn­out, Suchterkrankungen wie z. B. Alkohol, Nikotin, Medikamente, steigende Fehlzeiten durch Krankheitstage sowie innere Kündigung (vgl. Udris & Frese, zitiert nach Richter, 1999, o. S.).

Psychosomatische Folgen

Auch der Psychotherapeut Wolfgang Merkle berichtete im Jahre 2010 gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von dem Phänomen Boreout und sprach von einem engen Zusammenhang über die fehlende Anerkennung und ungleich verteilten Aufga­ben bei Betroffenen. Er stellte gleichsam fest, dass die Symptome ähnlich denen eines Burnouts sind und Betroffene unter psychosomatischen Symptomen wie Schlaflosig­keit, Tinnitus, Magenschmerzen, Migräne, Gelenk- und Muskulatur Problemen sowie Überreiztheit leiden. Er stellt Boreout als ein eher unbekanntes, weil sozial wenig aner­kanntes Problem dar, weil laut ihm jeder Mensch eine sozial anerkannte Störung be­vorzugt. Ihm erscheint es als einleuchtende Schlussfolgerung, dass Unbeteiligte lieber mit jemandem tauschen möchten, der kurz vor dem Burnout ist und Aussagen von Un­terforderten wie „ich habe auf der Arbeit nichts zu tun“ eher belächelt werden (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2010).

Entqualifizierung

Prammer stellte fest, dass der Boreout eine Entqualifizierung verursachen kann, wenn die Beschäftigungslosigkeit zu lange andauert. Die Folge wäre, dass der Marktwert des AN sinkt, da die vorhandenen Fähigkeiten nicht genutzt werden können und verlernt werden (vgl. Prammer, 2012, S.10).

Auch die österreichische Tageszeitung Die Presse mischte sich 2011 in das Phäno­men Langeweile am Arbeitsplatz ein und hinterfragte währenddessen, ob sich das ei­gentliche Risiko tatsächlich aus der Erschöpfung ergibt oder vielmehr die Entqualifizierung der bis dahin erworbenen Fähigkeiten und Fachkenntnissen kritisch ist. Die schuldige Ursache für diese Entqualifizierung ist eine Situation, in welcher der AN seine Fähigkeiten nicht entfalten und fördern kann und somit seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt wiederum abnehmen. Man kann also zu dem Schluss kommen, dass der MA an seinen Arbeitsplatz gebunden ist (vgl. Die Presse, 2011).

Starre Arbeitszeiten, welche die physische Anwesenheit erfordern, um die Karrierelei­ter zu erklimmen, sollen ebenfalls für sämtliche Taktiken verantwortlich sein. Eine un­ausgesprochene Regel besagt demnach, wer langsamer arbeitet, früher kommt, später geht und länger anwesend ist, erhält nicht nur mehr Anerkennung, sondern auch unter Umständen die Beförderung. Diese bringt in der Regel nicht nur mehr Gehalt mit sich, sondern auch die erhoffte Aufgabenvielfalt und mehr Verantwortungsspielraum. Zudem kommt hinzu, dass nicht jeder die finanzielle Unabhängigkeit hat, einen Arbeitsvertrag abzulehnen und eine Tätigkeit aus rein finanziellen Gründen annimmt (vgl. Die Presse, 2011).

Arbeitsplatzverlust

Die Dunkelziffer der Boreout-Betroffenen wird weitläufiger vermutet, weil viele Hausärz­te das Boreout-Syndrom oft nicht erschließen. Für die Betroffenen ist es beschämend, den eigenen Zustand als belastend darzustellen und dies bedingt vorerst eine Vertrau­enssituation zwischen Patient und Arzt. Außerdem besagen Thesen, dass die Wirt­schaftskrise dieses Phänomen noch begünstigt, da genau geprüft wird, welcher Ar­beitsplatz sich wegrationalisieren lässt. Betroffene entwickeln daher das Bedürfnis, zehn statt acht Stunden auf der Arbeit zu verbringen, um den Anschein zu erwecken, sie bringen dem Unternehmen Erfolg und Nutzen (vgl. Frankfurter Allgemeine, 2010).

Fehlendes Verständnis

Es stellt sich die Frage, weshalb Menschen mit Boreout weniger Beachtung finden als Burnout-Patienten, obwohl die gleichen Symptome zum Vorschein treten. Oftmals sei­en es sogar eher die Leistungsbereiten, die vom Boreout betroffen sind und weniger die Arbeitsscheuen, denn Erstere leiden darunter, weil sie arbeiten wollen, es aber nicht können (vgl. Frankfurter Rundschau, 2012; Rothlin & Werder, 2007).

2.7.2 Negative Auswirkungen für Unternehmen

Der Vorstand der StepStone Deutschland AG, Wolfgang Bruhn, befürchtet zu Recht, dass Unterforderung fatale Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl der MA hat und auch die Verwirklichung der Unternehmensziele negativ beeinflusst. (StepStone, 2009).

Engagement

Seit Langem unterstellen mehrere deutsche Redensarten, dass Spaß auf der Arbeit nicht erwünscht ist: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens. Urlaub, die schönste Zeit des Jahres“ (vgl. Rieger, 1999, S. 30). Aber nicht nur Rieger sieht mehr Vor- als Nachteile, wenn Menschen das tun, was ih­nen Freude bereitet. Sie arbeiten länger und mehr, setzen um, organisieren, sind selbstbestimmter und interessieren sich nicht nur beruflich, sondern auch in ihrer Frei­zeit für das, was sie tun. Sie sehen einen Sinn in ihrer Tätigkeit und sind trotz allem entspannter, weniger gestresst und produktiver als ihr Gegenstück (vgl. Rieger, 1999, S. 47). Intrinsischer Antrieb soll außerdem dafür verantwortlich sein, dass die Arbeit wie von selbst läuft, während subjektiv als sinnlos empfundene Tätigkeiten das Gefühl auslösen, stetig den inneren Widerstand überwinden zu müssen (vgl. Herzberg, 1986, zitiert nach Donauer, 2015, S. 108).

Innere Kündigung

Brinkmann und Stapf stellen das Phänomen der inneren Kündigung, als Ergebnis einer dauerhaften Entwicklung vor, ausgelöst durch wiederholt negative Erlebnisse und Er­fahrungen im Berufsleben. Sie beschreiben den unbemerkten Verlauf als wichtigste Besonderheit der inneren Kündigung, aufgrund des diskrepanten MA-Verhaltens. Ver­haltensauffälligkeiten werden somit seitens der betroffenen MA vermieden, um einer Entlassung seitens des Unternehmens auszuweichen (vgl. 2005, S. 40ff.). Raidt ver­steht unter dem Begriff der inneren Kündigung fehlendes Engagement sowie „Dienst nach Vorschrift“ (vgl. 1989, S. 68f.) und bestätigt somit Hilbs Aussage, dass diese un­ter anderem aus mehreren Persönlichkeitsfaktoren, wie z. B. Desinteresse, fehlende Leistungsbereitschaft sowie einer geringen Resilienz resultiert (vgl. 1992). Doch die innere Kündigung ist kein unaufhaltbarer Prozess und überwindbar. Dieser Prozess findet auf allen Hierarchieebenen statt und wirkt sich negativ auf das allgemeine Wohl­ergehen aus. Er kann durch eine eingegliederte Personalentwicklung des Unterneh­mens, gebremst werden (vgl. Richter, 1999, S. 124).

Kündigung

Richter erkannte ebenfalls während seiner Ursachenforschung, dass 20,9 % seiner Stichprobe (n=148), eine Kündigung ernsthaft in Betracht zog für die fehlende Heraus­forderung. Diese wurde nur noch getoppt durch wenig Aufstiegsmöglichkeiten mit 50 % und Probleme mit Vorgesetzten mit 29,7%. Steigende Krankheitstage betroffener MA, verursacht durch Kraftlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Schlafprobleme, Rücken­schmerzen sowie Antriebslosigkeit weisen darüber hinaus verstärkt darauf hin (vgl. 1999, S. 135).

Wirtschaftliche Folgen

Rothlin und Werder gehen sogar weiter und belegen anhand Umfragen von Salary.com und AOL, dass unterforderte AN am unzufriedensten sind (vgl. 2007, S. 9). So wurden im Jahr 2014 durch Salary.com festgestellt, dass die verschwendete Arbeitszeit durch MA im Vergleich zu den Vorjahren stetig steigt. Im Jahre 2013 waren es noch 69% der Erwerbstätigen, 2014 schon 89%. Das wirkt sich gravierend auf die Arbeitszeit aus, da mehrere Wochenstunden auf der Arbeit mit nicht-arbeitsbezogenen Dingen ver­schwendet werden. Dabei machen knapp 53% der Arbeiter kleinere Pausen, um ihrer Argumentation nach die Produktivität zu erhöhen und 20% weil sie sich langweilen und wenig zu tun haben (vgl. Salary.com, 2014). Sieht der MA den länger andauernden Zustand des Boreout als Problem, so kann zur inneren Kündigung und einer geringen emotionalen Bindung gegenüber dem AG kommen. Die Betroffenen verhalten sich passiv und die Leistungsbereitschaft sinkt (vgl. Rothlin & Werder, 2009, S. 170f.).

Was daraus resultiert, stellte die Studie Engagement Index Deutschland 2014 mit 2.043 Teilnehmern (im Folgenden TN) fest. Hochgerechnet gaben 85 von 100 Perso­nen an, eine geringe bis keine emotionale Bindung zu ihrem AG zu verspüren. Auch die Leidenschaft für die Arbeit sinkt stark. Für die Wirtschaft bedeutet die geringe Iden­tifikation der AN gegenüber den Unternehmen hohe Fehlzeiten aufgrund von Krankheit oder Unwohlsein. Die AN gaben an, bei geringer emotionaler Bindung durchschnittlich neun Tage im Jahr zuvor gefehlt zu haben, emotional hoch Involvierte gaben knapp vier Fehltage an. Auch die Fluktuation spielt in Zeiten des War of Talents eine große Rolle. Langfristig gesehen stieg die Anzahl der Wechselwilligen mit geringer und keiner Bindung auf über 50%. Glaubt man der Gallup Studie, befinden sich die volkswirt­schaftlichen Kosten in Folge von innerer Kündigung hochgerechnet auf einer Summe zwischen 73 und 95 Milliarden Euro jährlich. Auch bei einzelnen Unternehmen machen sich diese Kosten bemerkbar. Würde ein Unternehmen mit 500 MA die emotionale Bindung erhöhen um je MA nur 3,8 Fehltage im Jahr zu verzeichnen, würde sich allein daraus eine Kostenersparnis von 333.000 EUR ergeben. Bei 30.000 MA ergäbe dies eine Kostenersparnis in Höhe von ca. 20 Millionen Euro. Auch die Konsequenzen und Kosten für Fluktuation inklusive Neuausschreibungen, Auswahlverfahren und Einarbei­tung kosten einem Unternehmen mit 2.000 MA bereits 2,5 Millionen Euro. Ganz abge­sehen von dem Wissen, welches dem Unternehmen entgeht und zu Kundenabwande­rung sowie Wettbewerbsnachteilen führen könnte (Nink, 2015, o. S).

Kess et al fanden anhand einer ähnlichen Studie mit 292 befragten Produktions-MA im Südosten der USA heraus, dass Langeweile die Hauptursache für Fehlzeiten bildete, und untermauern diese Ergebnisse (vgl. Kess, Vodanovich & Callender, 2001, S. 323).

Als wirtschaftliche Folgen durch psychische Belastung nahm Richter Störfälle, Quali­tätsverluste sowie langfristig Frühverrentungen, Berufsunfähigkeit und Fluktuation wahr (vgl. 1999, S. 133).

3 Methodik

In diesem Kapitel wird dem Leser das methodische Vorgehen dieser empirischen Stu­die vorgestellt. Hierbei wird die Vorgehensweise von der Erstellung des Interview­Leitfadens, über das Führen der Interviews bis hin zur Ergebnisauswertung dargestellt und begründet. Diese empirische Sozialforschung fand in Unabhängigkeit eines Unter­nehmens statt. Sie basiert auf der freiwilligen Teilnahme rekrutierter Interview-Partner, welche sich für diese Untersuchung zur Verfügung gestellt haben.

3.1 Empirische Sozialforschung

Die empirische Sozialforschung zielt darauf ab, Daten und Informationen über soziale Gegebenheiten zu erheben. Diese Gegebenheiten werden anschließend dazu genutzt, anhand der gesammelten Informationen neue Erkenntnisse zu entwickeln und Hypo­thesen zu formulieren. Zur Datenerhebung setzen Forscher unterschiedliche Methoden ein, die gängigsten sind Befragungen, Beobachtungen, Inhaltsanalysen und Experi­mente (vgl. Hader, 2006, S. 20).

In der empirischen Sozialforschung finden zwei Forschungsstrategien Beachtung. Eine davon ist die quantitative Untersuchungsmethode, bei der ein deduktives Vorgehen eingesetzt wird. Diese Strategie eignet sich besonders dazu, Informationen über große Stichprobenuntersuchungen zu gewinnen und unterscheidet sich von der zweiten, qua­litativen Strategie in der Vorgehensweise sowie Auswertung. Zu diesem Zweck werden Hypothesen aufgestellt, überprüft und letztendlich bei Richtigkeit entweder bestätigt oder bei Falschaussage abgelehnt (vgl. Baur & Blasius, 2014, S. 72). Eine im besten Fall höchst vereinheitlichte Durchführung, ergibt beabsichtigt, möglichst sachliche vom Testleiter unabhängige Ergebnisse. Diese Ergebnisse werden nicht auf einzelne Per­sonen bezogen, sondern sollen Feststellungen über die vorher abgegrenzte Grundge­samtheit liefern (vgl. Hader, 2006, S. 69f.). In der Regel stützt sich die quantitative For­schung auf die qualitative (vgl. Mayring, 2015, S. 21).

Die qualitative Forschung widmet sich Einzelfällen und erforscht diese nach dem Prin­zip der Offenheit möglichst gründlich. Die Stichprobengröße ist weitaus kleiner und die Forschungsweise weniger standardisiert als bei der quantitativen Methode. Das Ziel besteht darin, möglichst viele Beobachtungen und Erkenntnisse zu einem noch relativ wenig erforschten Bereich zu gewinnen (vgl. Hader, 2006, S. 68f.). Nach Bogner, Littig & Menz dient die qualitative Datenerhebung der Beteiligung an exklusivem Wissen, welches ansonsten für den Interviewer und Erforscher eines bestimmten Bereichs nicht ersichtlich wäre (vgl. 2005, S. 37). Sie ist dafür geeignet, Theorien zu generieren und ist als induktive Methode wahrheitserweiternd (vgl. Bogner et al., 2005, S. 26; Hader, 2006, S. 69f.).

3.2 Wahl des Erhebungsinstrumentes

Für diese Studie wurde, aufgrund der bisher geringen Erforschung des Themas Bo- reout, auf die qualitative Strategie zurück gegriffen. Sie verhilft durch ihr induktives Vorgehen zu einer Erweiterung des gegenwärtigen Forschungsstands eines vorher festgelegten Themenbereichs und ist besonders dann gefragt, wenn neue Erkenntnis­se gewonnen werden sollen. Die vorliegende Arbeit ist darauf ausgerichtet, zusätzliche Erkenntnisse über das Gebiet Langeweile, Unterforderung und Desinteresse am Ar­beitsplatz zu ermitteln und zukünftig weitere Forschungen in diese Richtung zu ermög­lichen sowie das Thema Boreout präsent zu machen. Zudem wird so verhindert, dass mittels vorgegebener Antwortmöglichkeiten, wie z. B. bei einer quantitativen Studie, neue Informationen verloren gehen. Deshalb wird bei dieser Studie aufgrund mangel­hafter Literatur, Studienergebnisse und Erfahrungen auf die Aufstellung von Hypothe­sen verzichtet. Deshalb dienen die teilstandardisierten Experteninterviews in dieser Studie zur Gewinnung von Informationen und werden unter Berücksichtigung der Grundsätze einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet (vgl. Hader, 2006, S. 69f.).

3.2.1 Qualitative Inhaltsanalyse

Für die Auswertung dieser Studie bot sich die zusammenfassende, qualitative Inhalts­analyse an, da sie umfangreiches Informationsgut übersichtlich verdichtet, wenn man ausschließlich an der inhaltlichen Aussagekraft des Texts interessiert ist. Mayring diffe­renziert auf seiner Suche nach einer Definition der qualitativen Inhaltsanalyse mehrere Definitionen. Fixierte Kommunikation, ist seiner Erklärung nach, der Gegenstand der Inhaltsanalyse. Kommunikation, welche in irgendeiner Weise protokolliert vorliegt. Sie kann aus Texten, Bildern, Noten bestehen, beschränkt sich in dieser Arbeit jedoch auf die sprachliche Kommunikation in Form von aufgezeichneten und transkribierten Tele­fon-Interviews. Mayring hat erkannt, dass die wesentlichen Bestandteile der Inhalts­analyse sich anhand von sechs Punkten kombinieren ließen. Aus den Erläuterungen mehrerer Autoren erfasste er, dass die Inhaltsanalyse grundsätzlich fixierte Kommuni­kation analysieren will und dabei sowohl systematisch, regelgeleitet als auch theoriege­leitet vorgeht. Dabei wird das Ziel verfolgt, „Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation zu ziehen“ (vgl. 2015, S. 13). Daraus ergibt sich, dass keine freien In­terpretationen akzeptiert werden und die Analyse nach strikten Regeln abläuft. Diese ermöglichen auch anderen, die Analyse nachzuvollziehen und zu überprüfen (vgl. May­ring, 2015, S. 12f.).

Mit der Theoriegeleitetheit der Inhaltsanalyse ist die eigene Forschungsarbeit auf das Anschließen an den Erfahrungen anderer gerichtet. Ihre Funktion, Aussagen über den Sprecher, seinen Absichten und seine Wirkung beim Empfänger, ableiten zu können, sollte man ebenso wenig unterschätzen (vgl. Mayring, 2015, S. 12f.). Dieser Aspekt bleibt in der vorliegenden Studie unberührt, damit der Fokus auf dem Inhalt der Ge­spräche bleibt. Als zentrales Instrument der Inhaltsanalyse gilt das Kategoriensystem, welches die Ergebnisse vergleichbar und rekonstruierbar macht und eine Auswertung durch Unbeteiligte erlaubt. Die Entstehung des Kategoriensystems wird in Kapitel 3.5 erläutert, die Ergebnisse in Kapitel 4.1 dargestellt.

3.2.2 Gütekriterien qualitativer Forschung

Auch für die qualitative Forschung gibt es Gütekriterien, welche es ermöglichen, den Wert der Daten zu beurteilen, um aus der Untersuchung verlässliche Schlussfolgerun­gen ziehen zu können. Die qualitative Forschung kennzeichnet sich hauptsächlich durch Situation- oder Gegenstandbezug, daher ist es fast unmöglich, diese methodi­sche Vorgehensweise zu normieren. Nach Mayring werden die klassischen Kriterien, wie Reliabilität und Validität, bei qualitativen Verfahren oft infrage gestellt (vgl. 2015, S. 123). Das Paralleltestverfahren würde sich als schwierig erweisen, da anhand ande­rer Mess-Instrumente dieselben Ergebnisse erzielt werden müssten wie bei den teil­strukturierten, offenen Interviews. Die Konsistenz anhand der Split-Half-Methode könn­te in diesem Fall nicht angewendet werden, da in den einzelnen Teilen des Gesamtma­terials, unwillkürlich das Gesamtergebnis manipulierende Informationen, enthalten sein können (vgl. Mayring, 2015, S. 123f.). Eine hohe Deckung zwischen verschiedenen Kodierern ist eher bei einfachen Analysen denkbar. Eine hohe Zuverlässigkeit der Er­gebnisse ist nahezu unmöglich bei komplexeren Kategoriensystemen. Auch die Validi­tät ist bei dieser Forschungsmethode ungeeignet, da Validität die Reliabilität voraus­setzt (vgl. Mayring, 2015, S. 124f.). Deshalb wurden sechs weitere Gütekriterien spezi- ell für qualitative Untersuchungen entwickelt, welche Mayring (2002) wie folgt be­schreibt:

Verfahrensdokumentation

Damit der Forschungsprozess nachvollziehbar wird und überprüft werden kann bedarf es einer sehr detaillierten Verfahrensdokumentation. Das wichtigste Kriterium, die intersubjektive Nachvollziehbarkeit, kann durch eine strikte Dokumentation des Pro­zesses nachgestellt werden. Sie ermöglicht, dass alle Interessenten dieser Studie fol­gen können und bildet die Voraussetzung für die nachfolgenden Qualitätsmerkmale. Dieses Gütekriterium wurde erfüllt, da jeder Schritt innerhalb der Forschungsarbeit dokumentiert wurde und im Anhang wieder zu finden ist.

Argumentative Interpretationsabsicherung

Dieses Gütekriterium stellt sicher, dass Interpretationen nicht einfach gesetzt, sondern argumentativ begründet werden. Dafür muss zunächst das Vorverständnis der zu be­handelnden Thematik entsprechend der jeweiligen Interpretation sein und so dokumen­tiert werden, dass die Nachvollziehbarkeit gesichert ist. Kapitel 2 widmet sich dem the­oretischen Hintergrund und Stand der Forschung zum Thema Boreout und bildet die Grundlage für die nachfolgenden Schritte der Studie. Der Kodierleitfaden erfüllt in die­sem Sinne die Nachvollziehbarkeit für die Erstellung der einzelnen Kategorien (siehe Anhang F)

Regelgeleitetheit

Die qualitativen Forschungen müssen sich an bestimmte Regeln halten und logisch vorgehen. Es ist daher ein besonders wichtiges Kriterium, weil es allseits anerkannt wird. Für die Untersuchung bedeutet dies, die einzelnen Analyseeinheiten festzulegen und Schritt für Schritt zu bearbeiten. Um die Offenheit und Flexibilität der qualitativen Analyse beizubehalten, ist es nicht ausschlaggebend, diese Regeln einzuhalten. Wenn die Analyse jedoch eine Regelanpassung erfordert, ist es wichtig, diese zu dokumen­tieren. Dieses Gütekriterium wird in Kapitel 3 berücksichtigt.

Nähe zum Gegenstand

Dieses Gütekriterium ist in der qualitativen Forschung besonders angesehen. Die na­türliche Umwelt der Probanden wird einbezogen und die Erhebung findet nicht in einer künstlichen Situation oder einem Labor statt. Forscher und TN verfolgen ein gemein­sames Ziel und arbeiten eng miteinander, was ein gewisses Vertrauensverhältnis vo­raussetzt. Dieses Gütekriterium wurde erreicht, indem die Interviewten sich während des Interviews in ihrem natürlichen Lebensraum und natürlichem Alltag befanden, da die Interviews telefonisch stattfanden. Das Vertrauensverhältnis war bei fremden Per­sonen zum Teil gegeben, da vor dem Interview die vertrauliche und anonyme Daten­behandlung versprochen wurde und jedem TN etwas zum Hintergrund der Studie an­vertraut wurde. Außerdem konnten sich alle Interviewten aufgrund der eigenen Erfah­rungen mit dem Thema identifizieren und fühlten sich infolgedessen verstanden.

Kommunikative Validierung

Um die Gültigkeit der Ergebnisse zu kontrollieren, kann man die Interviewten anschlie­ßend mit den gewonnenen Schlüssen konfrontieren. Werden die Ergebnisse von den Interviewten akzeptiert und bestätigt kann man davon ausgehen, dass diese beglaubigt sind. Dieses Gütekriterium konnte während der Bearbeitung dieser Forschungsarbeit aus Zeitgründen nicht einbezogen werden, kann jedoch im Nachhinein erfolgen.

Triangulation

Die Qualität der qualitativen Methode kann verbessert werden, indem mehrere Instru­mente, Datenquellen, Interpreten, Meinungen, Theorieansätze herangezogen werden. Auch die Kombination der qualitativen und quantitativen Methoden wäre durchaus er­laubt. Dies soll dazu beitragen, dass Phänomene gründlicher erfasst werden. Auch dieses Gütekriterium konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt wer­den (vgl. Mayring, 2002, S. 143ff.).

3.2.3 Experteninterviews

Als Experten werden im Rahmen dieser Erhebung Personen bezeichnet, die über spe­zielles Wissen auf Grundlage eigener Erfahrungen in einer einzigartigen Lage verfü­gen. Somit können sie als Quelle für spezielles Wissen fungieren, und als unmittelbar Beteiligte dieses Wissen anderen zur Verfügung stellen. Die rekrutierten Experten be­finden oder befanden sich bei ihrem AG für einen längeren unspezifischen Zeitraum in einem Zustand des Boreout. Diese Tatsache erlaubt es, sie auf Basis ihrer Erfahrun­gen als Experten in diesem Gebiet zu bezeichnen und zu befragen. Das Experteninter­view dient zur Rekonstruktion dieser Umstände und ist eine ausgewählte Methode der Datenerhebung qualitativer Untersuchungen (vgl. Gläser & Laudel, 2010, S. 13). Aus­gewertet können die Erhebungen dazu genutzt werden, weitere Erkenntnisse zu ge­winnen und nachfolgenden Studien als Hypothesen- und Theoriebildung dienen (vgl. Mayring, 2015, S. 22). Das Wissen der Experten wird anhand eines eigens für diese Studie verfassten Interviewleitfadens enthüllt.

Bei dem hier verwendeten Instrument zur Datenerhebung handelt es sich wie bereits erwähnt um ein teilstandardisiertes, telefonisches Einzelinterview. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass die Fragen vorgegeben sind und als Anhaltspunkt dienen, um alle relevanten Themenbereiche zu erörtern. Die Abfolge der Fragen kann dennoch abwei­chend gehandhabt und den Antwortmöglichkeiten angepasst werden, welche für die Interviewten offen sind (vgl. Bortz & Döring, 1995, S. 239).

3.3 Interviewleitfaden

Der Interviewleitfaden stellt eine fixierte, schriftliche Anweisung dar, nach welcher der Interviewer während seiner Befragung mit dem TN (im Folgenden TN) vorzugehen hat (vgl. Bortz & Döring, 1995, S. 314).

Der Gesprächsleitfaden wurde so konzipiert, dass er Text generierende Hauptfragen enthält, welche bei jedem Interview gestellt werden und aufrechterhaltende Fragen, die je nach Verlauf des Interviews gestellt werden können (vgl. Dresing & Pehl, 2011, S. 10). Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nur qualitativ auswerten lassen und durch einen Leitfaden teilstrukturiert durchgeführt werden können (Bogner et al., 2005, S. 17).

Die Konstruktion des Leitfadens erfolgte in mehreren Schritten. Für die Fragestellun­gen wurden verschiedene theoriegestützte Erkenntnisse aus der Literaturrecherche herangezogen. Die Forschungsfragen zu Beginn dieser Arbeit bilden dabei das Fun­dament (vgl. Kap. 1. 3). Die Interviewfragen wurden möglichst offen formuliert um mög­lichst viele Eindrücke zu erfahren. Zunächst wurden so die Hauptfragen entwickelt und diesen wurden zusätzlich aufrechterhaltende Fragen untergeordnet, um den Ge­sprächsfluss zu garantieren. Auf letztere wird in diesem Abschnitt nicht eingegangen, den kompletten Interviewleitfaden findet der Leser in Anhang A wieder.

Die erste Fragestellung sollte den TN an das Thema heranführen und die Problematik aktualisieren. Sie gab dem Interviewer die Möglichkeit, zunächst relativ vielfältige Er­fahrungen, Aspekte und Antworten zum Thema zu generieren und die Merkmale des Boreout für Forschungsfrage Nr. 1 zu erfassen.

1. Inwieweit waren Sie selbst bisher von Unterforderung in ihrem bisherigem Arbeitsle­ben betroffen?

Die darauffolgende Frage sollte aufzeigen, ob die Auswahlkriterien bei der Arbeitssu­che zu dem ungewünschten Zustand geführt haben. Diese Fragestellung soll Diskre­panzen zwischen der Stellenausschreibung und der tatsächlichen beruflichen Situation sichtbar machen und Forschungsfrage Nr. 7 beantworten.

2. Welche Erwartungen hatten Sie an diese Stelle, als Sie diese angenommen haben?

Die nachfolgenden Fragen waren dazu gedacht, Erkenntnisse zu Forschungsfrage Nr. 2 herbeizuführen und zu erfahren, wie Betroffene mit den abgefragten Faktoren in ih­rem Arbeitsumfeld umgehen.

3. Was haben Sie unternommen, um der Langeweile oder Unterforderung im Berufsall­tag zu entgehen?

4. Haben Sie versucht Ihre Langeweile oder Unterforderung zu verstecken?

Die darauffolgenden Fragen sollten Anhaltspunkte zu möglichen Konsequenzen der MA und Möglichkeiten der MA-Bindung sowie Lösungsansätze sammeln. Die Unterfra­gen zu Fragestellung 6 sollten Informationen über die Kommunikation innerhalb des Unternehmens zu dieser Thematik filtern. Zudem ergaben sich hier Hinweise um die Forschungsfragen Nr. 8, 7 und 6 zu beantworten.

5. Was hinderte Sie daran, die Stelle bzw. das Unternehmen zu wechseln?

6. Wie hätte das Unternehmen Ihre Arbeitszufriedenheit steigern können?

- Hatten Sie das Gefühl, Sie konnten offen über Ihre Unzufriedenheit sprechen?
- Inwieweit war Ihr Vorgesetzter darüber informiert, wie es Ihnen ergeht?

Die nächsten Fragen zielten darauf ab, Forschungsfrage Nr. 3 zu beantworten und das Risiko der Übertragung der Arbeitsbelastung auf das Privatleben und möglicher ge­sundheitsschädigender Folgen zu ermitteln.

7. Hat sich Ihre Jobsituation auf Ihr Privatleben ausgewirkt?

8. Waren Sie während dieses Beschäftigungsverhältnisses häufiger krank als in vorhe­rigen oder darauffolgenden?

Die vorletzten Fragen beziehen sich auf Forschungsfrage Nr. 4 und auf zukünftige Fol­gen, mögliche Nachwirkungen sowie leistungsrelevante Folgen.

9. Haben Sie das Gefühl, Sie hätten an Ihrem Arbeitsplatz mehr leisten können, als von Ihnen gefordert bzw. erwartet wurde?

10. Inwieweit hat sich die Unterforderung Ihres letzten Jobs auf Ihre Leistung bei der darauffolgenden Stelle ausgewirkt?

Die letzte Frage sollte feststellen, inwieweit das Phänomen Boreout insgesamt geläufig ist.

11. Ist Ihnen der Begriff Boreout bekannt? - Wenn ja in welchem Zusammenhang?

3.4 Probeinterview

Nach der Entwicklung des Interviewleitfadens und Formulierung der Fragestellungen, diente ein Probeinterview zur formalen Überprüfung des Leitfadens um evtl. vorhande­ne Verständnisschwierigkeiten zu beheben. Hierzu wurde eine aufgeklärte Person um kritische Mitarbeit gebeten. Zunächst wurde das Probeinterview unter realistischen Bedingungen für die bevorstehenden Interviews durchgeführt. Die Fragen wurden tele­fonisch der Reihe nach gestellt, Verständnisfragen konnten während des Interviews gestellt und beantwortet werden. Das Interview wurde mit einem Diktiergerät aufge­zeichnet um dessen Bedienung, Qualität und technische Funktion zu überprüfen. An­schließend führte eine aktive Hinterfragung dazu, die konforme Interpretation der Fra­gestellungen zwischen Interview-TN und Interviewer sicherzustellen und für den Inter­viewer nicht erkennbare, jedoch wichtige Hinweise über die Verständlichkeit der In­struktion und der Reihenfolge der Fragen zu liefern (vgl. Bortz & Döring, 1995, S. 325).

Dazu musste der Probe-TN nach jeder Fragestellung ein kurzes Feedback über sein Empfinden und Verständnis der Fragestellung abgeben. Außerdem wurde nach der Durchführung des Probeinterviews ein offenes Gespräch geführt. Dieses führte letzt­endlich dazu, dass die Frage „Ist Ihnen der Begriff Boreout bekannt?“ aus der ersten Frageposition auf die letzte gesetzt wurde. Dies verfolgte den Zweck, die Interview-TN nicht bereits bei der ersten Frage zu verunsichern. Die Überlegung war, dass der Be­griff Boreout aufgrund seiner Unbekanntheit und seinem ähnlich klingenden, bekannte­ren, negativ behaftetem Gegenteil Burnout in Verbindung gebracht werden könnte. Dies galt es zu vermeiden, weil Burnout bei vielen als ernst zu nehmende Erkrankung geläufig ist und sich vermutlich sämtliche Ausgelangweilte und Unterforderte nicht mit einer Erkrankung in Verbindung bringen möchten oder ihren Zustand dann doch nicht als so ernsthaft anerkennen. Dadurch sollte vermieden werden, dass der Interviewte seine Aussagen sozial erwünscht trifft und somit nachwirkend die nachfolgenden Fra­gen verfälscht oder das Interview im schlimmsten Fall abbricht. Überflüssige Fragen, welche nicht zur Bearbeitung dieser Forschungsarbeit von Nutzen waren, wurden ent­fernt. Sich wiederholende Fragestellungen wurden komprimiert und zu komplexe Fra­gen rationalisiert.

3.5 Stichprobe

Eine Stichprobe ist als kleine Teilmenge einer Grundgesamtheit zu sehen, die durch bestimmte vorher festgelegte Kriterien ausgewählt wird (vgl. Raab-Steiner & Benesch, 2010, S.16). Bei dieser Stichprobe wurden Zielpersonen aus dem sozialen Netzwerk Facebook sowie aus dem Bekanntenkreis der Verfasserin rekrutiert. Das Alter, Ge­schlecht sowie der höchste Bildungsstand wurden als Auswahlkriterium zur Interview­zulassung nicht weiter berücksichtigt, jedoch in die darauffolgende Diskussion invol­viert.

Die TN wurden nicht zufällig für die Befragung ausgewählt. Es kam eine Unterform der willkürlichen und theoretischen Ziehung zum Tragen, die sogenannte sich selbstgene­rierende Stichprobe in Kombination mit einer kriteriengeleiteten, bewussten Auswahl. Bei dieser Methodik gehen theoretische Überlegungen der anschließenden Recherche immer voraus (vgl. Flick, 2007, zitiert nach Baur & Blasius, 2014, S. 272f). Die Ziel­gruppe wurde in diesem Fall durch einen Aufruf auf die Studie aufmerksam gemacht. Sie konnten sich nach Bejahung der nachfolgenden Fragen bei dem Initiator dieser Studie für die Teilnahme an dem weiterführenden, vertiefenden Interview qualifizieren. Dafür mussten mehr als vier der nachfolgenden Fragen, in Bezug auf die aktuelle oder letzte Tätigkeit, mit Ja beantwortet werden:

1. Erledigen Sie regelmäßig private Dinge während der Arbeit?
2. Fühlen Sie sich häufig unterfordert oder gelangweilt von Ihren beruflichen Aufgaben?
3. Tun Sie regelmäßig so, als ob Sie arbeiten würden - tatsächlich haben Sie aber Nichts zu tun?
4. Sind Sie am Abend oft müde und erschöpft, wissen aber nicht wovon?
5. Sind Sie am Abend häufig unglücklich über Ihre berufliche Situation?
6. Vermissen Sie den Sinn in Ihrer Arbeit, deren tiefere Bedeutung?
7. Könnten Sie Ihre beruflichen Aufgaben eigentlich schneller erledigen, als Sie dies tun?
8. Würden Sie lieber etwas anderes arbeiten, scheuen sich aber vor dem Wechsel, weil Sie dabei weniger verdienen würden?
9. Verschicken Siewährend der Arbeit private E-Mails an Kollegen?
10. Interessiert Sie Ihre Arbeit nicht oder wenig? (vgl. Rothlin & Werder, 2007, S. 10)

So fanden sich anschließend insgesamt 14 deutschsprachige, freiwillige TN, welche bereit waren, ihre persönlichen Erfahrungen mit dieser Thematik zu teilen. Zwei Inter­views mussten aufgrund des fehlenden Bezugs zum eigentlichen Thema oder der Fehlinterpretation der Voraussetzungen durch die TN abgebrochen werden und konn­ten nicht weiter in die Bewertung mit einfließen. Somit umfasst die Untersuchung ins­gesamt zwölf auswertbare Interviews, bestehend aus acht weiblichen und vier männli­chen Personen. Sieben TN befanden sich zum Zeitpunkt der Erhebung in der gefrag­ten Situation, fünf berichteten aus Jobpositionen in der Vergangenheit. Das Probeinter­view (PT) mit einem weiblichen TN, welches vor den eigentlichen Interviews stattfand, konnte aufgrund der gleich gebliebenen Fragestellungen und nur kleiner nachträglicher Anpassungen, mit in die Analyse einfließen. Die Altersspanne bei den weiblichen TN lag zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 27 und 51 Jahren, die männlichen TN waren zwischen 24 und 41 Jahren alt. Der höchste Bildungsstand und die Tätigkeit werden in Abbildung 3-1 protokolliert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-1: Übersicht der Interview-TN (TN)

Quelle: Eigene Darstellung

3.6 Untersuchungshergang

Nach Veröffentlichung des Aufrufs auf Facebook meldeten sich nach und nach freiwilli­ge Betroffene. Nach der ersten schriftlichen Kontaktaufnahme machten beide Parteien jeweils einen festen Zeitpunkt aus, zu dem der Interviewer die jeweilige Person auf dem Mobiltelefon erreichen konnte, um das Interview durchzuführen. Jedes Interview wurde einzeln telefonisch geführt und auf einem Diktiergerät aufgezeichnet. Die Ge­spräche fanden in der Zeit vom 02.11.2016 bis zum 28.11.2016 hauptsächlich am frü­hen Abend statt und dauern ca. 10-20 Minuten. Jeder TN wurde vor seiner Aufnahme auf die vertrauliche und anonyme Datennutzung hingewiesen und war damit einver­standen. Um dieser Zusicherung nachzukommen und die Anonymität zu gewährleis­ten, wurden alle Aufzeichnungen nach der Transkription gelöscht. Bevor auf die eigent­lichen Fragen zum Thema eingegangen wurde, erfasste der Interviewer die soziode­mografischen Merkmale Geschlecht, Alter, höchster Bildungsstand und die Tätigkeit. Um eine vertrauliche Atmosphäre herzustellen, wurde jedem TN nochmal der Anlass des Interviews (Studie für eine Bachelorthesis aufgrund eigener Erfahrungen des Inter­viewers) anvertraut. Dieser Hinweis ohne konkrete Preisgabe des Forschungsgegen­standes läutete das Gespräch ein.

Anschließend wurden die eigentlichen Fragen laut Interviewleitfaden gestellt und be­antwortet. Bei den Dialogen handelte es sich um halbstrukturierte und offene Inter­views. Das bedeutet, die Fragen konnten in der Reihenfolge variieren, der Interviewer konnte sich auf interessante Aspekte von Antworten speziell konzentrieren und die Antwortmöglichkeiten der Befragten waren frei wählbar (vgl. Mayring, 2010, S. 56). Verständnisfragen zu den Fragestellungen waren durchaus erlaubt, wurden jedoch kaum in Anspruch genommen. Hinterher konnte mit der Transkription sowie Auswer­tung begonnen werden.

3.7 Datenauswertung

Zunächst wurden alle aufgenommenen Interviews auf dem Laptop gespeichert und von dort aus mit dem Transkriptionsprogramm f4 verschriftlicht, um diese für die anschlie­ßende Analyse vorzubereiten. Ferner sind die Protokolle frei von Angaben zu nonver­balen Faktoren, wie z. B. Mimik und Gestik, räumliche Situation, zeitliche Aspekte. Der Text wurde geglättet hinsichtlich Umgangssprache und Dialekt. Wortdopplungen wur­den nur erfasst, sofern diese einen betonenden Effekt hatten. Satzabbrüche und Halb­sätze wurden mit einem Schräger ( / ) markiert, längere Pausen durch Auslassungs­punkte sowie Lautäußerungen, wie z. B. Lachen hinter Klammern kenntlich gemacht. Verständnissignale wie z. B. „aha“, „mhm“, „ähm“, „genau“ und Füllwörter wie z. B. „ja“, „halt“ wurden nicht notiert. Unverständliche Wörter oder Passagen wurden ebenfalls in Klammern an der jeweiligen Satzstelle kenntlich gemacht (unv.). Stark betonte Wörter wurden mit Großbuchstaben versehen. Die Priorität lag somit auf der leichten Lesbar­keit, Nachvollziehbarkeit und fokussiert den Redebeitrag (vgl. Dresing & Pehl, 2011, S. 17ff.).

Bevor die Daten und Protokolle jedoch mit MAXQDA ausgewertet werden konnten, mussten zunächst die Phasen der Inhaltsanalyse eingehalten werden. Die einzelnen Schritte bauen aufeinander auf und wurden nacheinander abgearbeitet um das Aus­gangsmaterials festzulegen:

A) Formulierung des Interesses und der Fragestellung

Wesentlich für den ersten Schritt einer qualitativen Forschungsarbeit ist den Hinter­grund, auf dem diese basiert, zu begründen. Theorien, Hypothesen, Neugier sowie ein interessantes Themengebiet, welche die Forschungsarbeit anstoßen und das Ziel der Untersuchung bestimmen sowie eingrenzen, sollen zur Identifikation eines Problems und Formulierung einer Fragestellung zu neuen Forschungszwecken dienen (vgl. Baur & Blasius, Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, Kap. 6). Da sich die Inhaltsanalyse als Auswertungsinstrument mit bereits fertigem Auswertungsmaterial befasst, in diesem Fall die transkribierten Interviews, muss zuerst entschieden werden, was genau aus diesem Material interpretierbar ist und zur Beantwortung der Forschungsfragen essen­tiell (vgl. Mayring, 2015, S. 54).

B) Analyse der Entstehungssituation

Dieser Schritt ist dafür gedacht festzuhalten, unter welchen Umständen die Daten pro­duziert wurden. Interessant hierbei sind vor allem Angaben über den Interviewer sowie sein Handlungshintergrund, die auserwählte Zielgruppe, die tatsächliche Entstehungs­situation und den soziokulturellen Hintergrund aller Beteiligten (vgl. Mayring, 2015, S. 55). Umfangreiche Informationen diesem Hintergrund findet der Leser in den Kapiteln 3.1.6 und 3.2 wieder.

C) Formale Charakteristika des Materials

In dieser Phase wird genau beschrieben, in welcher Form das Auswertungsmaterial vorliegt und wurde im Laufe dieses Kapitels vorgestellt (Mayring, 2015, S. 55).

D) Richtung der Analyse

Der nächste Schritt beinhaltet die Interpretation des Rohmaterials für eine spezifische Fragestellung und die Entscheidung, in welche Richtung die Analyse sich bewegen soll (vgl. Mayring, 2015, S. 58). Der Zweck dieser vorliegenden Analyse ist die Beantwor­tung der zu Beginn gestellten Forschungsfragen und richtet sich nach ihnen.

E) Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung

Dieser Schritt zeichnet sich durch die Merkmale Regelgeleitetheit und Theoriegeleitetheit aus. Dies bedeutet, dass eine theoretisch begründete Fragestellung die Analyse bestimmt und Erkenntnisfortschritt dadurch erlangt werden kann, indem an die bisherige Forschung angeknüpft wird (vgl. Mayring, 2015, S. 59). Die Forschungs­fragen aus Kapitel 1.3 wurden in dieser Arbeit anhand der vorhergegangenen Literatur­recherche gebildet. Dies kann der Leser anhand der ersten Hälfte dieser Arbeit nach­vollziehen, welche ihn auf den theoretischen Stand der Forschung zum Thema Boreout vorbereitet.

F) Bestimmung der Analysetechnik

Mayring unterscheidet drei Grundformen inhaltsanalytischer Verfahren: Zusammenfas­sung, Explikation und Strukturierung (vgl. 2015, S. 61f.). Für die Interpretation der In­terviews wird, in Abhängigkeit vom erhobenen Datenmaterial und den aufgestellten Forschungsfragen, im Rahmen dieser Arbeit das Verfahren der zusammenfassenden Inhaltsanalyse angewandt. Dieses Verfahren verringert das Material gezielt auf das Wesentliche, sodass hinterher die relevanten Inhalte für die Beantwortung der zu Be­ginn formulierten Forschungsfragen hervortreten.

G) Definition der Analyseeinheiten

Bevor die Kategorien gebildet werden können, müssen die Textabschnitte ausgewählt werden, welche für die Beantwortung der Forschungsfragen von Bedeutung sind. Nachdem diese ausgewählt sind, erfolgt im ersten Schritt der Zusammenfassung die Paraphrasierung. Dabei wurden die einzelnen Texteinheiten auf die inhaltliche Aussa­ge reduziert (vgl. Mayring, 2015, S. 71). Danach erfolgte die deduktive Bildung der Oberkategorien. Man spricht von der deduktiven Kategorienbildung, wenn die Katego­rien aus dem Wissen der Literaturrecherche entstehen (vgl. Baur & Blasius, 2014, S. 76). Dabei orientieren sich die Oberkategorien an den Interviewfragen, welche auf Ba­sis der Literaturrecherche und der Beantwortung der Forschungsfragen ausgerichtet sind. Als die Oberkategorien feststanden, wurden die ausgewählten Textstellen einzeln der jeweiligen Oberkategorie zugeordnet und in MAXQDA codiert.

H) Durchführung der Materialanalyse

Nachdem die insgesamt 9 Oberkategorien feststanden und alle relevanten Textstellen diesen zugeordnet waren, wurden die Oberkategorien nochmals in Unterkategorien zerlegt. Bei diesem reduzierenden Textanalyseprozess wird induktiv vorgegangen. Die erhobenen Informationen aus den zugeordneten Textstellen der Oberkategorien wur­den erst generalisiert und dann zu Schlagwörtern zusammen gefasst. So kamen nochmals 55 übergeordnete und 41 untergeordnete Unterkategorien zustande. Nach­dem die Unterkategorien feststanden, wurde die Plausibilität dieser anhand einer Rücküberprüfung anerkannt. Dazu musste überprüft werden, ob die zusammengestell­ten Ober- und Unterkategorien das Ausgangsmaterial noch repräsentieren (Mayring, 2015, S. 71). Der Kodierleitfaden inklusive Ankerbeispielen bildete dabei die Grundlage für die Vorgehensweise der Kategorienbildung. Er enthält beispielhafte Textstellen aus den Interviews, als Hilfestellung für die Zuordnung der einzelnen Kategorien. Dieser Kodierleitfaden ist in Anhang F zu finden und stellt die transparente Vorgehensweise sicher (vgl. Mayring, 2015, S. 110f.). Der Aufbau des Kategoriensystems wird in Kapitel

4.1 verfolgt. Die zusammenfassende Inhaltsanalyse beinhaltet insgesamt neun Tabel­len, welche jeweils eine Oberkategorie abbildet und ist in Anhang D ersichtlich.

I) Interpretation der Ergebnisse zur Beantwortung der Fragestellungen

Im letzten Schritt werden die Ergebnisse der Analyse anhand grafischer Auswertungs­tabellen aus MAXQDA präsentiert und anschließend erörtert (vgl. Mayring, 2010, S. 52-72).

Um das Ganze zu veranschaulichen, stellt Abbildung 3-2 den gesamten Forschungs­prozess und die einzelnen Phasen vereinfacht dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-2: Prozessschritte der Forschungsarbeit

Quelle: Eigene Darstellung

4 Ergebnisse

Dieses Kapitel stellt die Resultate der qualitativen Inhaltsanalyse schriftlich sowie gra­fisch dar und startet zunächst mit der Vorstellung des Kategoriensystems. Anschlie­ßend werden die erhobenen Daten mit der Beantwortung der Forschungsfragen kon­frontiert und für die Interpretation in Kapitel 5 vorbereitet.

4.1 Kategoriensystem

Das Kategoriensystem wurde zum einen deduktiv zum anderen induktiv gebildet. An­gefangen bei den Oberkategorien wurden diese deduktiv anhand der Interviewfragen als Schlagwörter subsumiert. Die Interviewfragen entstanden aus den Forschungsfra­gen, welche wiederum auf dem theoretischen Stand der Forschung basieren. Die Sub­sumtion nimmt bekannte Regeln auf (z. B. ein Boreout besteht aus den drei Elementen Langeweile, Unterforderung und Desinteresse) und ordnet diese Zusammenhänge den erhobenen Daten zu (vgl. Baur & Blasius, 2014, S. 76). Nachdem die Oberkategorien fest standen wurden, die jeweiligen Unterkategorien anhand der inhaltsanalytischen Zusammenfassung nach Mayring induktiv gebildet. Dabei werden bestimmte qualitative Merkmale aller Interviews zusammengefasst, wenn diese sich anhand bestimmter Re­geln gruppieren lassen. Diese Regeln werden in dem Kodierleitfaden anhand von An­kerbeispielen in Anhang F niedergeschrieben. Der Nachteil dieser Auswertungsart ist, dass sich hauptsächlich bekanntes Wissen ausweitet, jedoch nur selten komplett neue Erkenntnisse gewonnen werden können (vgl. Baur & Blasius, 2014, S. 77). Das Kate­goriensystem wird in Anhang E für den Leser tabellarisch dargestellt und bietet eine Gesamtübersicht aller gebildeten Kategorien. Dieses Kapitel stellt alle Ober- und Un­terkategorien umfassend vor, um im Anschluss auf die Beantwortung der Forschungs­fragen eingehen zu können.

Oberkategorie K 1: Merkmale des Boreout

Übergeordnete Subkategorien: Fehlbelastung, Langeweile, Desinteresse Untergeordnete Subkategorien: Qualitative Unterforderung, Quantitative Unterforde­rung

Oberkategorie K 2: Umgang der MA mit Boreout

Übergeordnete Subkategorien: Akzeptanz, Weiterbildung, Arbeitserweiterung, Be­schäftigungssuche, Vorgetäuschte Geschäftigkeit

Untergeordnete Subkategorien: Private Beschäftigung, Flachwalzstrategie

Oberkategorie K 3:Symptome

Übergeordnete Subkategorien: Auswirkungen auf Privatleben

Untergeordnete Subkategorien: Fehlende Trennung zwischen Arbeit und Privatleben, Stress, Herausfordernde Unternehmungen, Soziale Beziehungen, Umzug, Gesunder Lebensstil, Optimismus, keine Auswirkungen

Übergeordnete Subkategorie: Auswirkungen auf Gesundheit

Untergeordnete Subkategorien: Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Gesun­kene Hemmschwelle für Krankschreibung, Home Office, Gewichtszunahme, Burnout, positive Auswirkungen, keine Auswirkungen

Übergeordnete Subkategorie: Gemütszustand

Untergeordnete Subkategorien: Schlechte Laune, Frustration, Aggressivität, Lustlosig­keit

Oberkategorie K 4: Leistungsbezogene Folgen

Übergeordnete Subkategorien: Gewöhnung an niedrige Anforderungen, Eigeninitiative Leistungserweiterung, Gesteigerte Leistungsbereitschaft, Sinkende Leistungsfähigkeit, Ungenutztes Leistungspotenzial, Demotivation

Oberkategorie K 5: Konsequenzen der Betroffenen

Übergeordnete Subkategorien: Lösungsverhandlungen, Wechselgedanken, Erfah­rungsaustausch, Innere Kündigung, Kündigung, Aktive Bewerbungen

Oberkategorie K 6: Kommunikation

Übergeordnete Subkategorien: Direkt, Indirekt, Verheimlichung, Umgang des AG Untergeordnete Subkategorien: Kündigungsangst, Verständnis, Lösungssuche, Eigen­initiative ausbremsen, Hinhaltetaktik, Gleichgültigkeit, Unverständnis, Ignoranz

Oberkategorie K 7: Maßnahmeansätze für AG

Übergeordnete Subkategorien: Fordernde Tätigkeiten, klare Perspektiven, Arbeitser­weiterung, Einhaltung der Stellenausschreibung, Abteilungsübergreifende Zusammen­arbeit, Optimierte Personalplanug, Unternehmenskultur

Untergeordnete Subkategorien: Wertschätzung, Flexibilität, Betroffene ernst nehmen

Oberkategorie K 8: Erwartungen an die Stelle

Übergeordnete Subkategorien: Berufseinstieg, Entwicklungsmöglichkeiten Karriere, Partizipation, Interesse an der Tätigkeit, Erwerbsquelle, Jobzusage, Wohlbefinden, Empfehlung, Konzerngröße, Stressreduktion

Oberkategorie K 9: Hindernisse bei Neuorientierung

Übergeordnete Subkategorien: Vertragsvereinbarungen, keine Alternativen, Interne Bewerbung, Unternehmensidentifikation, Mangelnde Berufserfahrung, Nicht eingehal­tene Zusagen, Optimismus, Eigene Erwartungen, Soziale Erwünschtheit

4.2 Beantwortung der Forschungsfragen

Dieses Kapitel widmet sich der Beantwortung aller Forschungsfragen aus Kapitel 1.3. Dabei werden die vorgestellten Oberkategorien in Anlehnung an die Interviewfragen, deren Unterfragen und der Forschungsfragen herangezogen und einer Häufigkeitsana­lyse anhand des Programms MAXQDA unterzogen. Die Darstellung dieser Analyse findet ebenfalls je Oberkategorie in Kombination mit der jeweiligen Forschungsfrage statt. Die TN werden nummeriert, der Probeinterview-TN wird hier mit PT markiert und die absoluten Häufigkeiten durch H dargestellt.

Forschungsfrage 1: Wie macht sich Boreout bei Betroffenen bemerkbar?

Abbildung 4-1 richtet sich an die Interviewfrage „Inwieweit waren Sie selbst bisher von Unterforderung in Ihrem bisherigen Arbeitsleben betroffen?“, welche zum Einstieg all­gemeine Informationen der TN zum Thema abfragt. Somit könnten TN, welche sich irrtümlicherweise mit der Zielgruppe identifizierten, bereits zu Beginn aussortiert wer­den.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4-1: Merkmale des Boreout

Quelle: Eigene Darstellung

Die Abbildung zeigt, dass sich der Großteil der Betroffenen (H=10) über Fehlbelastung beklagt sowohl quantitative (H=2), qualitative (H=5) Unterforderung oder einer Kombi­nation aus beidem, gefolgt von Langeweile am Arbeitsplatz (H=6) und Desinteresse (H=4).

Forschungsfrage 2: Wie gehen Betroffene mit Boreout auf der Arbeit um?

Diesen Forschungsfragen wird im Interview mit den Fragen „Was haben Sie unter­nommen, um der Langeweile oder Unterforderung im Berufsalltag zu entgehen?“ und „Haben Sie versucht Ihre Langeweile oder Unterforderung zu verstecken?“ nachge-gangen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4-2: Umgang der MA mit Boreout

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 4-2 beschreibt, wie MA mit dem Thema Boreout umgehen. Daraus ergaben sich unter anderem Strategien, wie Weiterbildungen (H=4) und Arbeitserweiterung (H=1). Die meisten TN jedoch nutzen die bekannten Aufrechterhaltungsstrategien wie vorgetäuschte Geschäftigkeit (H=5), Flachwalzstrategie (H=2), private Beschäftigungen (H=4) und Beschäftigungssuche (H=5). Auch Akzeptanz (H=2) gehörte zu den Um­gangsweisen der TN.

[...]

Fin de l'extrait de 146 pages

Résumé des informations

Titre
Facetten des Phänomens "Boreout". Eine empirische Studie
Université
University of Applied Sciences Köln RFH
Note
2
Auteur
Année
2017
Pages
146
N° de catalogue
V1001414
ISBN (ebook)
9783346376121
ISBN (Livre)
9783346376138
Langue
allemand
Mots clés
Boreout, Langeweile, Unterforderung, Desinteresse, Monotonie, Qualitative teilstrukturierte Interviews, Inhaltsanalyse, Merkmale, MAXQDA, Mayring, Burnout
Citation du texte
Angelika Peliadou (Auteur), 2017, Facetten des Phänomens "Boreout". Eine empirische Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1001414

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Titre: Facetten des Phänomens "Boreout". Eine empirische Studie



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