"Kriegskinder" erinnern!?

Zum Spannungsfeld zwischen Nazi- und Kriegsvergangenheit in der aktuellen 'deutschen' Erinnerungskultur am Beispiel von Sabine Bodes "Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen"


Masterarbeit, 2020

93 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Erinnerungskultur(en)
2.1 Kollektive Gedächtnisformen
2.1.1 Das nationale Gedächtnis
2.2 Wer erinnert sich?
2.2.1 Heroisches und traumatisches Opfergedächtnis
2.2.2 Täter*gedächtnis
2.2.3 Die Figur des moralischen Zeugen
2.3 Umgang mit historischen Traumata

3. Aktuelle ‚deutsche‘ Erinnerungskultur

4. ‚Kriegskinder‘ und ihre Traumatisierungen
4.1 Psychologisches Trauma
4.2 ‚Kriegskinder‘

5. ‚Kriegskinder‘ national erinnern! – Sabine Bodes „Die vergessene Genera- tion. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen.“
5.1 Sabine Bodes Argumentation
5.2 Sabine Bodes erinnerungspolitische Forderung aus gedächtnistheoreti- scher Perspektive

6. Gesellschaftliche Wahrnehmung der ‚Kriegskinder‘

7. ‚Kriegskinder‘ national erinnern? – Diskussion
7.1 Perspektive: ‚Kriegskinder‘
7.2 Perspektive: Identitätsstiftung ‚nach innen‘
7.3 Perspektive: Außenwahrnehmung
7.4 Funktion symbolpolitischer Rituale
7.5 Fazit: ‚Kriegskinder‘ werden erinnert

8. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Seit einigen Jahren wird den Deutschen von der Außenwelt bescheinigt, dass sie etwas gut gemacht haben, und das ist der Aufbau ihrer Erinnerungskultur.“1 In Deutschland ist die Holocaust-Erinnerung als Antwort auf das Jahrhundertverbrechen des Nationalsozialismus seit den 1990er Jahren symbolisch fest installiert (vgl. 3.). Diese bringt die Norm des nationalen Gedächtnisrahmens ‚der Deutschen‘ (vgl. 2.1.1) inzwischen unübersehbar als ‚die‘2 deutsche Geschichte durch Gedenkveranstaltungen, -programme und -stätten, Institutionen und Initiativen sowie Museen im öffentlichen Raum zum Ausdruck. Doch während sie vom Ausland als vorbildliche „ethische Wende von sakrifiziellen zu viktimologischen Formen des Erinnerns“3 gehandelt wird und zum Modell eines sich global ausbreitenden Opferdiskurses geworden ist (vgl. 2.2.1), ist sie im Inland unterdessen Gegenstand (vor-)reflexiver Kritik.4 Aleida Assmann wertet diese ‚Stimmen des Unbehagens‘ „als deutliches Signal dafür, dass wir an einem Wendepunkt angekommen sind.“5

Das offizielle Gedenken an den Holocaust wird innenpolitisch künftig von einer Partei mitbestimmt, die ein Ende der aktuellen Erinnerungskultur (vgl. 3.) fordert,6 und das zu einem Zeitpunkt, an dem sich auf sozialer Ebene ein „doppelter Generationenwechsel“7 vollzieht:8 „Die kurze Ära der Zeitzeugen liegt bald hinter uns“9 und die Deutungsmacht der für den Auf- und Ausbau der ‚neuen‘ Erinnerungskultur verantwortlichen 68er schwindet. Nun hat die jüngere ‚Generation‘10 die Aufgabe und die Chance zu entscheiden, wie sie die ‚deutsche‘ Erinnerungskultur zukünftig gestalten wird und hat bereits angefangen, bestehende Riten und Repräsentationen zu hinterfragen.11

Dass sich das Erinnerungsprofil durch den demografischen Wandel verschiebt (vgl. 2.1), lässt sich an der deutschen Erinnerungsgeschichte exemplifizieren. Es war ein Generationenwechsel, der für die Erneuerung des kollektiven Gedächtnisses und damit für die Verarbeitung beschämender Erinnerungen sorgte:12 „Die Kriegsgeneration hatte ihre Vergangenheit mit einem Schlussstrich zum Verschwinden gebracht; die zweite Generation zog unter diese Vergangenheit einen moralischen Trennungsstrich.“13 Mit der Konstituierung des wiedervereinigten Deutschlands auf der Holocaust-Erinnerung wurde ein Perspektivenwechsel vom Zweiten Weltkrieg und der Selbsterfahrung ‚der Deutschen‘ als Opfer, die den Blick auf die jüdischen Opfer verstellte, hin zu den Leiden der jüdischen Opfer, die angeblich die Erinnerung an Bombenkrieg, Flucht und Vertreibung verdrängten, vollzogen.14

Das gesellschaftliche Gedächtnis wird sich durch den ‚doppelten Generationenwechsel‘ nun wieder verändern. Die Frage ist nur „Wie?“

Hierbei hat das auf der Heterogenität der Erinnerungen basierende Problem der Opferkonkurrenz, übrigens kein singulär deutsches Phänomen,15 unmittelbar mit der Zukunft der Erinnerung zu tun, da es die Frage einschließt, ob der bestehende Gedächtnisrahmen unverändert gelten, ersetzt oder erweitert werden muss.16

„Es macht die Signatur der Gegenwart als einer posttraumatischen Epoche aus, dass die Figur des passiven Opfers nachträglich ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit und kulturellen Wertschätzung rückt.“17 Unterstützt wird dieser Opferdiskurs (vgl. 2.2.1) durch einen verbreiterten Traumadiskurs (vgl. 4.1), der es möglich macht, auch die Leiden der Zivilbevölkerung in den Weltkriegen als Trauma zu fassen (vgl. 4.2).18 Dass deren Erinnerungen durch Autoren wie Sebald, Grass und Forte öffentlich als Opfererinnerungen thematisiert worden sind, zeigt, dass die Latenzzeit dieses Traumas abgelaufen ist.19 In den Händen der ‚neuen‘ geschichtsdeutenden Generation könnte die späte Verarbeitung dieser Erinnerungen durchaus eine Rolle auf der Ebene der nationalen ‚Identitäts‘20 -Bildung spielen.

Die Beobachtung, dass seit der Wiedervereinigung im Vergleich zu 1985 zunehmend wieder – wie in der direkten Nachkriegszeit – deutsche Opfererfahrungen, beispielhaft sei hier Dresden genannt, im öffentlichen Erinnerungsdiskurs thematisiert werden,21 wirft zumindest die berechtigte Frage auf, ob es „ jetzt […] womöglich wieder die deutschen Leiden [sind], die die Erinnerung an den Holocaust und mit ihr das Bewusstsein deutscher Schuld verdrängen.“22

Diesbezüglich ist der Zeitpunkt von der in Köln lebenden deutschen Journalistin und Buchautorin Sabine Bode passend, als sie 2004 das Thema „öffentliches Gedenken und kollektive Trauer“23 um deutsche ‚Kriegskinder‘ mit ihrem Buch „Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen.“24 in den Erinnerungsdiskurs einbringt.25 Diese Veröffentlichung ist Teil einer auf den „Wandel der historischen Gefühlskultur“26 antwortenden und auf Emotionen zielenden „regelrechte[n] Medienoffensive“27.

Sabine Bode hat sich meines Erachtens der stellvertretenden Spurensicherung, dem Erinnern und Erzählen verschrieben. „Die vergessene Generation“ ist nur das erste von insgesamt vier populärwissenschaftlichen Sachbüchern, die sie aus einer journalistischen Perspektive in einer unverkennbar dramatisierenden Rhetorik28 zu den psychosozialen Langzeit- und Spätfolgen des Zweiten Weltkrieges im Klett-Cotta-Verlag in Stuttgart veröffentlicht hat.29

In diesem Buch erinnert Bode die Gesellschaft an die Existenz der ‚Kriegskinder‘, wobei sie diese so präsentiert, dass sie mit Aleida Assmann als ‚viktimologische Opfer‘ (vgl. 2.2.1) bezeichnet werden können. Charakteristisch für sie ist, dass sie überlebt haben, aber nicht entkommen konnten und auf soziale Anerkennung angewiesen sind, um sich erinnern zu können (vgl. 2.2.3).

Medial wurde das Erscheinen dieses Buches als Pioniertat gehandelt.30 Inzwischen ist die 31. Druckauflage der broschierten Ausgabe mit einem Nachwort der Psychoanalytikerin Luise Reddemann erschienen.

Alle Veröffentlichungen Bodes avancierten innerhalb kürzester Zeit zu Spiegel-Bestsellern und wurden vom Deutschen in mehrere Sprachen übersetzt.31 Dass Bodes Thesen Aufmerksamkeit auf sich ziehen, lässt sich aber nicht nur an ihren hohen Auflagenzahlen zeigen, sondern auch an ihren engterminierten Lesereisen, die mehrheitlich von Menschen besucht werden, deren Erinnerungen sie medial stimuliert hat,32 und daran, dass sie von Fachleuten in wissenschaftlichen Texten zitiert wird.33

Bode erreicht mit ihren Ausführungen in einer entscheidenden Phase in der deutschen Erinnerungskultur somit nachweislich ein breites Publikum, das mit nachhaltiger Resonanz antwortet. So bringt beispielsweise die niedersächsische Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung – mit einer steigenden Zahl an Kooperationspartnern* – das Thema „unverarbeitete Kriegserlebnisse“ durch Veranstaltungen, über deren zugrundeliegendes Bildungskonzept Gertrud Völkening einen Aufsatz geschrieben hat,34 seit 2016 unter dem Motto „Das Schweigen über das Leid der Kriegskinder brechen!“ an die Öffentlichkeit.

Weil Bode für den Erinnerungsdiskurs so relevant geworden ist, ist es hinsichtlich der anstehenden Entscheidung über die künftige Ausgestaltung des gesellschaftlichen Gedächtnisses unerlässlich, sich kritisch mit ihrem Standpunkt zu der Frage auseinanderzusetzen, wer was bzw. wen zu welchem Zweck wie erinnern sollte.

In ihrem Buch „Die vergessene Generation“ legt Bode das Thema der (Un-)Vereinbarkeit von Schuld und Leid neu auf, indem sie die klare Grenze zwischen Opfern und Tätern* verwischt. Sie stellt die These auf (vgl. 5.1), dass diejenigen nichtjüdischen Deutschen, die den Zweiten Weltkrieg als Kinder oder Jugendliche erlebt und überlebt haben, von ihr „Kriegskinder“ genannt, durch ihre (früh-) kindlichen Erfahrungen traumatisiert wurden und jetzt im Alter noch immer unter den Folgestörungen leiden, weil sie die Arbeit am Erlebten zeitlebens vermieden, ihre seelischen Verletzungen als Kinder von Tätern* aufgrund der Affekte von Scham und Schuld als gesellschaftlich unbrauchbar verdrängt und verschwiegen haben (vgl. 2.2.2), sodass ihre Trauer um das Verlorene seit Jahrzehnten offen ist, obwohl sie als genauso unschuldige Opfer anzusehen sind wie Holocaustüberlebende, weil sie als Kinder keine Täter* waren.

Bode ist der Ansicht, dass das, was diese Menschen erlebt haben, ein Schlüsselthema unserer gegenwärtigen Vergangenheitsbetrachtung sein müsste. In den offiziellen Riten, die in Deutschland bei nationalen Gedenkfeiertagen stellvertretend für die Bevölkerung ausgeführt werden, fänden sie sich mit ihren spezifischen Erinnerungen jedoch nicht wieder. Dieses Dilemma, die für die deutsche Erinnerungssituation charakteristische Diskrepanz der Rahmung privaten Erinnerns und offiziellen Gedenkens (vgl. 2.1.1 u. 2.2.2),35 versucht sie folgendermaßen auszugleichen: „Womöglich brauchen wir […] nicht ein Mehr des öffentlichen Gedenkens der Naziopfer, sondern stattdessen Raum für eine Gedenkkultur der eigenen [Hervorhebung durch SLK] Opfer.“36

Bode plädiert somit dafür, so wie Erika Steinbach es mit ihrem Projekt „Zentrum gegen Vertreibung“ in Berlin und dem neuen deutschen Gedenktag „Tag der Unterzeichnung der Charta der Vertriebenen“ versucht, ein partikulares soziales Gedächtnis im nationalen zu etablieren, um der „Kriegsschrecken in Deutschland“37 durch die Erweiterung des bestehenden Gedächtnisrahmens künftig „angemessen“38 zu gedenken.39

Mit dieser aus den ‚Kriegskinder‘-Erinnerungen abgeleiteten erinnerungspolitischen Forderung (vgl. 5.2) unterscheidet sich Bodes Buch deutlich von der ins kulturelle Gedächtnis ‚der Deutschen‘ eingegangenen Erinnerung deutscher Leidensgeschichte durch Grass und Sebald. „Sie haben keine politische, sondern eine literarische und therapeutische Agenda“40.

Die vorliegende Arbeit ist eine konzeptionelle und setzt sich hermeneutisch am ‚Fall Sabine Bode‘ (vgl. 5.) mit dem Problem auseinander, ob die von ihr identifizierten ‚deutschen Opfer‘ in ihrer Spezifik als ‚Kriegskinder‘ (vgl. 4.) kollektiv erinnert (vgl. 2.1) werden sollten.

Dafür werden im theoretischen Teil (vgl. 2.) zentrale Begrifflichkeiten konturiert, ohne die „Die vergessene Generation“ (vgl. 5.1) sprachlich nicht gefasst (vgl. 5.2.) werden kann. Dabei ist dieses Kapitel nicht ‚rein theoretisch‘, sondern von Verweisen auf die (west-)deutsche41 Erinnerungsgeschichte durchzogen, die für den Fortgang der Arbeit relevant sind.

Im dritten Kapitel wird die aktuelle ‚deutsche‘ Erinnerungskultur beschrieben.

Daraufhin wird der momentane Stand der Forschung zu ‚Kriegskindern‘ dargelegt (vgl. 4.), die Sabine Bode auf nationaler Ebene erinnert wissen möchte.

Warum sich Bode für eine Modifikation der bestehenden Erinnerungskultur ausspricht und wie diese ihres Erachtens sichtbar gemacht werden sollte, ist dem deskriptiv-analytischen Punkt 5. zu entnehmen.

Im Anschluss erfolgt zunächst eine Zusammenschau dessen, welchen Raum die ‚Kriegskinder‘ mit ihren zeitgeschichtlichen Erfahrungen gegenwärtig in der Gesellschaft einnehmen (vgl. 6.).

Erst daran schließt ein kritisch-konstruktives Kapitel (vgl. 7.) an, in dem Bodes erinnerungspolitische Forderung aus vier verschiedenen Blickwinkeln diskutiert wird.

Im Schluss (vgl. 8) findet eine kurze Zusammenfassung sowie ein Ausblick statt.

Da es in dieser Arbeit ausschließlich darum geht, ob die Erinnerung an das von Sabine Bode herausgestellte ‚Opfer-Sein‘ nichtjüdischer deutscher Kinder im Zweiten Weltkrieg zum Bezugspunkt des kollektiven Gedächtnisses gemacht und dafür der nationale Gedächtnisrahmen erweitert werden muss, wird weder Bodes Prämisse hinterfragt oder ihre Thesenformulierung hergeleitet noch werden ihre Argumente wissenschaftlich gerahmt, belegt oder widerlegt. Die Frage, ob diese Menschen wirklich (alle) traumatisiert worden sind und ihre Vergangenheit erinnernd aufarbeiten sollten oder dürfen, damit sie genesen können, wird deshalb nicht bearbeitet. Ersteres ist nicht Gegenstand meiner Disziplin und letzteres unstreitig mit „Ja“ zu beantworten. Zum einen hat laut Reinhart Koselleck, einem der bekanntesten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts, jeder Mensch ein Recht auf seine Erinnerung42 und zum anderen schützt das Grundrecht sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit eines jeden Menschen.43 Genau aus diesem Grund gibt es für diejenigen Menschen, die unter psychischen Störungen leiden, psychotherapeutische Unterstützungsangebote, die finanziell zulasten der Solidargemeinschaft durchgeführt werden.44 Nicht erörtert wird, ob eine aktive Aufarbeitung im Speziellen deshalb notwendig ist, damit die ‚Kriegskinder‘ als Eltern ihre Kriegstraumata nicht länger an ihre Kinder, deshalb ‚Kriegsenkel‘ genannt,45 weitergeben (Stichwort: transgenerationale Traumaweitergabe, vgl. 4.1).46 Weiterhin wird im Hinblick auf die leitende Fragestellung im siebten Kapitel nicht auf die Qualität von Kriegskindern als Zeugen* eingegangen, das Problem sekundärer Zeugenschaft erläutert oder überlegt, wie eine ‚Bodeʼsche Erweiterung‘ sinnvollerweise ausgeprägt werden könnte.

„[Z]um Thema der deutschen Opfererfahrung [gibt] es einen dichten, von starkem rechtslastigem Ressentiment getragenen Diskurs […].“47 Dieser soll in dieser Abhandlung zu keiner Zeit gestützt werden, dennoch können bei der Behandlung dieses Themas Begriffe nicht vermieden werden, „die von ‚Bedeutungsschwere‘ getragen sind, terminologische Schwierigkeiten bergen oder gar Fallstricke bereithalten.“48 Dieses Problem können auch andere Autoren* nicht umgehen, da sich Sprache nicht hintergehen lässt (vgl. 2.1) und kein unverfänglicheres Vokabular zur Verfügung steht. Sprache lässt sich aber (bedingt) reflektiert einsetzen. Deshalb werden Begriffe, die sich hinsichtlich der Wortwahl oder der Sprecher*position meines Erachtens an der „Grenze zwischen dem Akzeptablen und dem Anstößigen“49 bewegen könnten, in einfache Anführungszeichen gesetzt, um zu signalisieren, dass diese nicht ohne Vorbehalte reproduziert werden.

2. Erinnerungskultur(en)

Das Ziel dieses theoretischen Kapitels besteht darin, relevante Begriffe aus dem Erinnerungsdiskurs zu konturieren. Diese werden in Punkt 5.2 Anwendung finden, um „Die vergessene Generation“ als erinnerungskulturelles Projekt zu fassen.

Das zusammengesetzte Nomen „Erinnerungskultur“ ist ein Neologismus der 1990er Jahre, der in verschiedenen Kontexten mit unterschiedlichen Bedeutungen im Singular oder Plural gebraucht wird.50 Dieser Arbeit wird die Definition von Astrid Erll, Professorin für Anglophone Literaturen und Kulturen, zugrunde gelegt, nach der Gruppen mit Erinnerungskulturen ihr jeweiliges kollektives Gedächtnisses ausprägen.51 Das interdisziplinäre Konzept „Erinnerungskultur“ bezieht sich also auf den gesamten heterogenen Erinnerungsdiskurs als Erforschung, Gestaltung und Rekonstruktion der Geschichte und basiert auf der Annahme, dass sich nicht nur Individuen, sondern auch Gruppen erinnern können.52 Deshalb wird im Folgenden auf das Konzept des „kollektiven Erinnerns“ eingegangen.

2.1 Kollektive Gedächtnisformen

Menschen leben, so die Prämisse, nicht nur als Individuen zusammen, die sie selbstverständlich immer bleiben, sondern sie leben auch in Gesellschaften, Gruppen und Kulturen, denen sie sich zugehörig fühlen und mit deren Hilfe sie sich selbst verstehen und definieren.53

Individuen sind auf diese Zugehörigkeiten zu den verschiedenartigen ‚imagined communities‘54 angewiesen, weil sie wichtige Grundlagen für ihre ‚Bastelidentitäten‘ von ihnen beziehen. Da diese sozialen Bezugsrahmen demnach nicht hintergehbar sind, ist es einem Individuum gemäß dem Soziologen Maurice Halbwachs genauso wenig möglich eine private Erinnerung zu haben wie es ihm nach dem Philosophen Ludwig Wittgenstein unmöglich ist, eine private Sprache zu haben.55

Nach Halbwachs könnte ein absolut einsamer Mensch überhaupt keine Erinnerungen bilden, weil diese erst durch Kommunikation, d.h. im sprachlichen Austausch mit Mitmenschen, aufgebaut und verfestigt werden. Das Gedächtnis als Zusammenhalt unserer Erinnerungen wächst also ähnlich wie die Sprache von außen in den Menschen hinein, und es steht außer Frage, dass die Sprache auch seine wichtigste Stütze ist.56

Weil Erinnern also in Gemeinschaften stattfindet, die den Rahmen für das stellen, was zu einer bestimmten Zeit gesagt und erinnert werden kann/darf oder verschwiegen/vergessen werden muss, wenn man dazugehören möchte, ist selbst das individuelle Gedächtnis, obwohl es vom Gehirn des einzelnen Individuums getragen wird, kein „selbstgenügsames und rein privates“57, sondern ein kommunikatives, das retrospektiv in einem „Milieu räumlicher Nähe, regelmäßiger Interaktion, gemeinsamer Lebensformen und geteilter Erfahrungen“58 entsteht. Als sozial gestütztes und soziokulturell bedingtes Narrativ umfasst es deshalb auch „weit mehr als den Fundus unverwechselbarer eigener Erfahrungen; in ihm verschränken sich immer schon individuelles und kollektives Gedächtnis.“59 Die Familie gilt als die paradigmatische Gemeinschaft, in der sich generationelle Erfahrungen, Erzählungen und Schicksale verschränken, weshalb das „Familiengedächtnis“ auch als „Drei-Generationen-Gedächtnis“60 bezeichnet wird. Dieses „ist ein existenzieller Horizont für persönliche Erinnerungen und entscheidend für die eigene Orientierung in der Zeit.“61 Daher kann Halbwachs das individuelle Gedächtnis auch als einen „Ausblickspunkt“62 auf das Gedächtnis der Gruppe, das er selbst ,erfunden‘ hat, bezeichnen.

Seine Unterscheidung zwischen „individuellem“ und „kollektivem Gedächtnis“ hat sich in der Alltagssprache eingebürgert.63 Von Wissenschaftlern* ist der Begriff „kollektives Gedächtnis“ allerdings stark umstritten, da infrage gestellt wird, dass Kollektive ein Gedächtnis ‚haben‘ können.64

Als unzulässig überdehnte Metapher in Analogie zum individuellen Gedächtnis würde die Anglistin, Ägyptologin und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann den Begriff auch ablehnen.65 Da sie die Bezeichnung als „Gedächtnis“ aber immer dann als begründet ansieht, wenn „die Anbindung an Identitäten […] und die Dialektik von Erinnern und Vergessen“66 vorhanden sind, können sich Kollektive ihres Erachtens „mithilfe memorialer Zeichen und Symbole“67 sehr wohl ein Gedächtnis und damit ein Bild von sich ‚machen‘.68

In der Fortführung von Halbwachsʼ Gedächtniskonzept verdanken [wir] den Arbeiten von Aleida und Jan Assmann eine recht genaue kulturwissenschaftliche Bestimmung von Gedächtnisformen, die eine dringend notwendige Differenzierung des so eindrucksvollen und faszinierenden, nichtsdestoweniger aber ziemlich unklaren Konzepts vom „kollektiven Gedächtnis“ von Maurice Halbwachs geliefert haben.69

Sie unterscheiden dabei den sozialen vom kulturellen Gedächtnisrahmen. Das Konzept des „kulturellen Gedächtnis“ gilt im deutschsprachigen Raum als das wirkungsvollste und im internationalen Vergleich am besten ausgearbeitete, weshalb es auch zur Grundlage dieses Kapitels gemacht wird.70

„Zu einem sozialen Gedächtnis kommt man unweigerlich dadurch, dass man geboren wird und in eine menschliche Gemeinschaft hineinwächst.“71 Nach Aleida Assmann wird jeder Mensch in eine durch Ungleichzeitigkeit geprägte „Jahrgangskohorte“72 hinein geboren und teilt unweigerlich „gewisse Überzeugungen, Haltungen, Weltbilder, gesellschaftliche Wertmaßstäbe und kulturelle Deutungsmuster“73, über die sich diese Generation definiert, mit ihr.74 Weil sich eine Generation sowohl von der vorhergehenden als auch von nachfolgenden als unterschieden begreift, „dreht sich die Kommunikation zwischen den Generationen immer um eine Grenze des Verstehens, die mit der Zeitlichkeit des Erlebens zu tun hat.“75 Da das im so genannten ‚memory talk‘76 gemeinsam hergestellte soziale Gedächtnis „ein Gedächtnis ‚von unten‘“77 ist, verändert sich der Erinnerungsdiskurs nach ca. dreißig Jahren, weil ein Dominanzwechsel der Generationen stattfindet, wodurch sich Relevanzlinien verschieben und Paradigmen ausgetauscht werden. Dies liefert eine Erklärung dafür, warum sich nach beschämenden oder traumatischen Ereignissen meist erst nach diesem Zeitraum eine öffentliche Erinnerungskultur entwickelt.78

In Deutschland z.B. wurde das repressive und komplizitäre Beschweigen der historischen Schuld, das in der westdeutschen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die sechziger Jahre anhielt, von den Vertretern einer jüngeren Generation, den 68er gebrochen. Diese Generation brachte nicht nur die kritische Thematisierung der deutschen Schuld in Gang, sondern war auch federführend beteiligt bei der Errichtung von Monumenten, der Konzeption von Ausstellungen in den Museen, der Produktion von Filmen und anderen Formen öffentlicher Erinnerungskultur.79

Das Gedächtnis sozialer Gruppen ist auf Sprache angewiesen: Sobald das Netz dieser lebendigen Kommunikation zerreißt, vergeht auch die gemeinsame Erinnerung. Die materiellen Stützen dieses lebendigen Gedächtnisses […] werden dann zu Fossilien, zu Spuren einer verlorenen und nicht mehr spontan durch Erinnerung belebbaren Vergangenheit. Der Zeithorizont des sozialen Gedächtnisses ist über die Spanne der lebendigen Interaktion und Kommunikation, die maximal auf drei bis vier Generationen ausgedehnt werden kann, nicht verlängerbar. Er hat daher den Charakter eines Schattens, der mit der Gegenwart mitläuft, oder auch eines Horizonts, der sich im Fortschreiten immer wieder schließt.80

Aufgrund dieses begrenzten Zeithorizonts, der auch durch die Medien, auf die sich dieses Gedächtnis stützt, nicht erweitert werden kann, bezeichnet man das soziale Gedächtnis genauso wie das individuelle auch als „Kurzzeitgedächtnis der Gesellschaft“81.82

Da das individuelle und das soziale Gedächtnis verwoben sind, ist der Übergang zwischen diesen zwei Gedächtnisformationen fließend.83 Der Übergang vom sozialen zum kulturellen/kollektiven Gedächtnis führt jedoch über einen Bruch von Ver- und Entkopplung.

Das „kulturelle und kollektive Gedächtnis“ bildet das transgenerationelle Vergemeinschaftung ermöglichende Langzeitgedächtnis der Gesellschaft aus.84

Diese Gedächtnisformation beruht nicht auf gemeinsamer Erinnerung, sondern auf dem Gedenken als „einer Verabredung, dass dies wichtig ist, dass es sich so zugetragen hat, samt den Bildern, die diese Geschichte dann in unserem Gedächtnis fixieren.“85

Das kollektive Gedächtnis unterscheidet sich vom Familien- und Generationengedächtnis durch solche symbolischen Stützen, die die Erinnerung in die Zukunft hinein befestigen, indem sie spätere Generationen auf eine gemeinsame Erinnerung verpflichten. Monumente und Denkmäler, Jahrestage und Riten befestigen Erinnerung transgenerationell durch materielle Zeichen oder periodische Wiederholung. Sie bieten Anlässe für spätere Generationen, ohne eigenen Erfahrungsbezug in eine gemeinsame Erinnerung hineinzuwachsen.86

Die Erinnerungen im kulturellen Gedächtnis werden also anders transportiert als individuelle und soziale. Sie sind stabilisierte und entkörperte Erfahrungen, die am Ende „eines unvermeidlichen Prozesses der Umbettung, Enteignung und Umwindung, den die Erinnerung durch Überführung ins politische und kulturelle Gedächtnis durchmacht“87 und dabei unweigerlich ‚erkaltet‘, ‚übrig‘ bleiben.88

[Das kulturelle Gedächtnis] ruht als seinem Träger auf transferierbaren und tradierbaren kulturellen Objektivationen […], die sich von Menschen als sterblichen Individuen ablösen und durch ihre Übertragbarkeit ihre langfristige Geltung sicherstellen. Sein Milieu ist die Gruppe, die sich über diese Symbole identifiziert, indem sie diesen Fundus immer wieder verändert, erneuert und belebt; seine Stütze sind die einzelnen Individuen, die sich diese Symbole aneignen und sich mit ihnen auseinandersetzen.89

Aus diesem Grund wird unter diesem Begriff seit den 1990er Jahren das thematisiert, was vorher Gegenstand der Ideologiekritik war. Dieser Paradigmenwechsel basiert auf der Einsicht, dass konstruierte Bilder und Symbole, Rituale, Feiertage, ikonische Bilder sowie Denkmäler unvermeidlich und notwendig sind, weil sie gemeinschaftsstiftenden Charakter haben.90

Das kulturelle Gedächtnis umfasst sowohl ein passives als auch ein aktives System: das Speicher- und das Funktionsgedächtnis.91

Die Struktur des kulturellen Gedächtnisses besteht in diesem Spannungsverhältnis […]. Diese Dynamik macht das kulturelle Gedächtnis ungleich komplexer und wandlungsfähiger, aber auch heterogener, fragiler und umstrittener als das […] nationale Gedächtnis [vgl. 2.1.1].92

Das Speichergedächtnis ist gewissermaßen das Archiv für das kulturelle Gedächtnis, „Fundus und Hintergrund für latente Erinnerungen, die ihre Stunde hinter sich oder noch vor sich haben“93. In ihm ist auch das enthalten, was die Gesellschaft momentan nicht aufschlüsseln kann.94

Denn was von einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeblendet, abgewiesen, ausgemustert oder verworfen ist, muss noch nicht gänzlich verloren/vergessen sein: es kann in materiellen Spuren gesammelt, aufbewahrt und einer späteren Epoche zugeführt werden, in der es neu entdeckt und gedeutet wird.95

Das überaus ‚beengte‘ aktive kulturelle Gedächtnis trifft aus dem auf Konservierung und Bestandspflege beruhenden Angebot des Speichergedächtnisses eine enge Auswahl für einen an der gegenwärtigen Bedürftigkeit der Gesellschaft orientierten Kanon, der durch symbolische Praktiken vor dem Vergessen und Fremdwerden geschützt wird.96 Die im Funktionsgedächtnis aufgehobenen Artefakte werden also im Gegensatz zu den materiellen Überresten im passiven kulturellen Gedächtnis durch Formen der Wiederholung gesichert und individuell angeeignet, denn „[w]as einen Platz im Funktionsgedächtnis einer Gesellschaft hat, hat Anspruch auf immer neue Aufführung, Ausstellung, Lektüre, Deutung, Auseinandersetzung […]“97.

Welche symbolischen Medien auf welche Weise im kulturellen Gedächtnis gesichert werden, ist nicht für alle Zeiten festgelegt, denn die Grenze zwischen Speicher- und Funktionsgedächtnis kann nach beiden Seiten überschritten werden.98

Aus dem vom Willen und Bewusstsein ausgeleuchteten ‚aktiven‘ Funktionsgedächtnis fallen beständig Elemente ins Archiv zurück, die an Interesse verlieren; aus dem ‚passiven‘ Speichergedächtnis können neue Entdeckungen ins Funktionsgedächtnis heraufgeholt werden.99

2.1.1 Das nationale Gedächtnis

‚Die Nation‘ ist die größte vorgestellte Gemeinschaft, die für ihre ‚Identität‘ Symbole benötigt.100 „Wo Geschichte im Dienst der Identitätsbildung steht, wo sie von den Bürgern angeeignet und von den Politikern beschworen wird, kann man von einem ‚politischen‘ oder ‚nationalen‘ Gedächtnis sprechen.“101 Dieses Gedächtnis ist in politischen Institutionen verankert und wirkt ‚von oben‘ auf die Gesellschaft.102 Dabei bringt es „zusammen mit starken Loyalitätsbindungen auch stark vereinheitlichte Wir-Identitäten hervor“103. Darum kann es als einzige Gedächtnisformation im engeren Sinn als kollektiv gelten. Das bedeutet aber nicht, dass die Ebene der offiziellen, staatstragenden Symbolpolitik die primäre Ebene des Gedenkens ist.104

Das nationale Gedächtnis kann als eine Unterform des kulturellen Gedächtnisses (vgl. 2.1) begriffen werden, weil beide symbolisch vermittelt werden und dazu bestimmt sind, ein transgenerationelles soziales Langzeitgedächtnis auszubilden.105 Im Gegensatz zum kulturellen Gedächtnis ist das politische nur sehr viel einheitlicher und eindeutiger,106 weil es „seine Stabilisierung durch radikale inhaltliche Engführung, hohe symbolische Intensität, kollektive Rituale und normative Verbindlichkeit“107 erreicht.

Für das politische/nationale Gedächtnis zentral ist der Begriff „Mythos“.108

Nationen [verwandeln] bestimmte historische Erfahrungen durch die Art und Weise ihrer Verarbeitung, Deutung und Aneignung in ‚Mythen‘ […], denen sie eine ‚auto-hypnotische’ Wirkung verleihen, indem sie sie mithilfe von Monumenten, Denkmälern und Orten präsent halten.109

Mythen sind von den Bedingungen ihres Entstehens abgelöste zeitenthobene Geschichten. Sie werden solange über Generationsgrenzen hinweg weitergegeben, wie sie funktional bleiben und nicht durch andere ersetzt werden.110 Ihre wichtigste Eigenschaft ist nicht historische Korrektheit, sondern eine affektive Aneignung der ‚eigenen‘ Geschichte im Hinblick auf die Zukunft.111

Das mytho-motorische Potential der gemeinsamen nationalen Geschichtserinnerung liegt in eben dieser zeitlichen Orientierung: sie stiftet Sinn, indem sie die Gegenwart als Zwischenstufe einer motivierenden, Vergangenheit und Zukunft übergreifenden Erzählung ausweist.112

„Was immer einen öffentlichen Anspruch auf repräsentative Erfahrung und allgemeine Geltung macht, muss sich als vereinbar mit bzw. integrierbar in das nationale Gedächtnis erweisen.“113 Dieses In-den-Rahmen-Passen und die damit einhergehende Sprachregulierung der öffentlichen Meinung werden nicht durch politische Zensur, wohl aber sozial mittels Moralisierung kontrolliert.114 Das moralische Grundverständnis der Gesellschaft als selbstverständliche Grundlage für gesellschaftliche Diskurse wird durch Tabus geschützt.115 Dadurch wird „die Vielfalt der Anschauungen und Ausdrucksmöglichkeiten […] spürbar eingeschränkt.“116 Von „Political Correctness“ spricht man aber erst dann, wenn sich „[d]er Common sense […] in vielen moralischen Anforderungen, denen er sich ausgesetzt findet, gar nicht wieder[erkennt].“117 ‚Die allgemeine Meinung‘ ist nämlich „kein starres System“118. Soziale Rahmen verändern sich mit dem gesellschaftlichen Wandel.119 Deshalb bestehen auch nicht „alle Tabus […] dauerhaft, manche haben kürzere Halbwertszeiten als andere.“120

Den nationalen Gedächtnisrahmens ‚der Deutschen‘ betreffend ist die rezente Norm „der Holocaust, die Anerkennung und Aufarbeitung der ‚deutschen Schuld‘ sowie die historische Verantwortung für die Greueltaten des NS-Regimes.“121 Derzeit wird dieser Norm weltweit unübersehbar Ausdruck verliehen. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Erinnerungskultur noch eine verhältnismäßig ‚neue‘ Errungenschaft ist. Die Voraussetzungen hierfür entstehen erst in den 1980er Jahren, nachdem der Holocaust mit den Auschwitzprozessen ganz allmählich aus der Überlagerung und Überdeckung durch den Zweiten Weltkrieg und der eigenen ‚opfer-identifizierten Erinnerung‘122 ‚der Deutschen‘ befreit worden war (vgl. 3.).123 Mit dem Ausgang des Historikerstreits wurde der Holocaust als Erinnerungsimperativ an den Nationalsozialismus als moralisches Grundverständnis der Gesellschaft geschützt.124 Trotzdem trifft die oft wiederholte Behauptung nicht zu, dass die traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges aus der Perspektive der deutschen Zivilbevölkerung der gesellschaftlichen Tabuisierung unterlagen und deshalb keinen Anspruch auf öffentliche Anerkennung, Darstellung und Kommunikation (mehr) hatten (vgl. 1.).125

Inzwischen ist überzeugend gezeigt worden, […] dass das Thema ‚Deutsche als Opfer‘ von den 1940er und 1950er Jahren in Westdeutschland allgegenwärtig war und auch in den Jahrzehnten danach eine stabile Komponente in der westdeutschen Erinnerungskultur darstellte, selbst wenn der Schwerpunkt der Vergangenheitsbewältigung auf den nationalsozialistischen Verbrechen lag.126

Deshalb stellt Günther Grassʼ Veröffentlichung „Im Krebsgang“127 sicherlich „[e]in entscheidendes Moment“128 im öffentlichen Erinnerungsdiskurs dar – aber nicht als Tabubruch. Vielmehr als einer von mehreren literarischen Beiträgen, der durch seine nachhaltige Öffentlichkeitswirksamkeit zur fest verankerten Reintegration des Themas „Deutsche als Opfer“ führte.129 „Die anfängliche Reaktion auf diese Romane bezog sich zunächst auf das Wiedererscheinen des kontroversen Themas an sich […].“130

Grass reagierte mit seiner Novelle auf die These des deutschen Schriftstellers und Literaturwissenschaftlers Winfried Georg Sebalds. Dieser hatte fünf Jahre zuvor in einem Zürcher Vortrag darauf hingewiesen, dass Flucht, Vertreibung und Bombenkrieg aus dem literarischen Erinnerungsdiskurs nach 1945 und damit aus dem kulturellen Gedächtnis ausgeschlossen worden seien.131 Tatsächlich wurde die kollektive Erinnerung an Flucht und Vertreibung aber seit Ende des Zweiten Weltkriegs kontinuierlich durch Vertreibungsromane konstruiert und vermittelt.132 Daneben waren und sind diverse andere Erinnerungspraktiken und -medien für die Konstruktion und Vermittlung dieses Themas in Deutschland bedeutsam,133 deren Spezifika in einem überaus umfassenden „Handbuch“134 analysiert wurden. Die über Jahrzehnte gemachten Aussagen zur Vertreibung haben das Historiker*-Ehepaar Eva und Hans Henning Hahn in „Die Vertreibung im deutschen Erinnern“135 untersucht. Das Thema „Deutsche als Opfer“ war 2002 somit kein Novum. Allerdings steht das Vertriebenengedächtnis auch nicht für ‚das‘ Opfergedächtnis ‚der Deutschen‘. Laut Aleida Assmann steht das gemeinsame, aber nicht geteilte „Opfergedächtnis der Bombardierung der deutschen Städte durch die Alliierten“136 zwischen „dem politisierten Trauma der Vertriebenen“137, „das einen wichtigen Bestandteil der kollektiven Identität der deutschen Nation [bildet]“138, und „dem tabuisierten Trauma der Vergewaltigungen“139.

Obwohl Tabus öffentliche Redeweisen, nicht aber das regeln, was im privaten Bereich zur Sprache kommt, wird das jahrzehntelange Schweigen über die NS-Vergangenheit auch auf der familiären Ebene beklagt.140 Laut Harald Welzer (Soziologe und Sozialpsychologe) und Margit Reiter (Historikerin) wurde „in der eigenen Familie ‚immer nur geschwiegen‘, ‚nie darüber geredet‘ oder ‚nichts erzählt‘ […].“141 Im Gegensatz zu diesen Beteuerungen konnten sie jedoch zeigen, dass in deutschen Familien sehr wohl gesprochen und erinnert wurde/wird. Deshalb lässt sich das Familiengedächtnis (vgl. 2.1) über den Nationalsozialismus keineswegs auf das Schweigen reduzieren.142 In diesen Geschichten sei der „Tradierungstyp der Opferschaft“143 sogar der „wohl am meisten verbreitete“144, da das Reden über den Nationalsozialismus meistens in einem Reden über den Krieg aufgehe.

Wenn es in Deutschland auf der Ebene der Erinnerungs-, Vergangenheits-, und Gedenkpolitik eine erklärte und auch praktizierte Norm des Erinnerns an die nationalsozialistischen Verbrechen und des Gedenkens an die Opfer gibt, sagt das noch nichts darüber aus, wie Menschen sich in nicht-öffentlichen Sphären […] an dieselbe Vergangenheit erinnern.145

2.2 Wer erinnert sich?

Erinnerungen sind u.a. standortbezogen und fallen demnach unterschiedlich aus. Im Folgenden wird gezeigt, wie sich die unterschiedlichen Perspektiven von Siegern* oder Verlierern*, Opfern oder Tätern* auf Erinnerungskonstruktion auswirken.

Dafür ist zunächst eine Unterscheidung zwischen „Niederlage“ und „Trauma“ zu treffen.

Solange „historische Momente der Erhöhung wie der Erniedrigung […] in der Semantik eines heroischen Geschichtsbildes verarbeitet werden können“146, lassen sich sowohl ruhmreiche Siege als auch Niederlagen im nationalen Gedächtnis (vgl. 2.1.1) verankern. Siege als Niederlagen der Nachbarn stärken das positive Selbstbild und werden leichter erinnert als Schmach und Schande als Inbegriffe des Verlierer*gedächtnisses. Nichtsdestotrotz wird das kollektive Selbstbild durch Niederlagen nicht notwendig zerstört; sie können unter bestimmten Bedingungen sogar zu zentralen historischen Bezugspunkten gemacht werden, die nicht schwächen, sondern stärken. Werden Niederlagen multimedial in einer kulturellen Mnemotechnik und einer heroischen Semantik der Ehre präsentiert, dann entfaltet der Imperativ der Erinnerung in der Erzählung eine mobilisierende Kraft, die „sich über die Jahrhunderte nicht verbraucht“147.148

„Trauma ist das andere der heroischen Erzählung, es steht nicht für die Mobilisierung und Stählung, sondern für die Zerstörung, ja Zerstörung von Identität.“149

Da nach dem Zweiten Weltkrieg „für die Deutschen jegliche Selbstdeutung in der heroischen Semantik der Ehre verwirkt [war]“150, konnte das nationale Gedächtnis ‚der Deutschen‘ danach kein ‚typisches‘ Verlierer*gedächtnis mehr sein. Zum ersten Mal in der Geschichte standen sich „nicht mehr nur Sieger und Besiegte gegenüber, sondern auch Täter und Opfer.“151 Genauso wie Reinhart Koselleck identifiziert deshalb auch Aleida Assmann das Jahr 1945 als diskursives Ereignis, das „eine historische Wende in der Grammatik des nationalen Gedächtnisses […] von einer heroischen Semantik der Ehre zu einem Täter- und Traumadiskurs“152 bedeutete.

Niederlagen und historische Traumata unterscheiden sich hinsichtlich des „Grad des Unterliegens“153 sowie in ihrer Verarbeitung.

Während die Niederlage eine negative Erinnerungen ist, welche retrospektiv als sinnvoll gedeutet werden kann, ist das Trauma eine, die sich „angesichts des extremen Ausmaßes der Gewalt und ihrer ‚Abgründigkeit‘“154 jeder nachträglichen Sinngebung und Rechtfertigung entzieht. Im Gegensatz zur Niederlage, die das nationale Selbstbewusstsein unangetastet lässt, als auch „Sieger und Verlierer über ihren Gegensatz hinweg grundsätzlich miteinander verbindet“155, werden historische Traumata, die sowohl die „physische als auch die spirituell-moralische Grundlage des Landes zerstör[en]“156, nicht durch regelmäßige Wiederholungen und reaktivierende rituelle Inszenierung vom nationalen Gedächtnis angeeignet, sondern als ‚absolut‘ entehrend aus der kollektiven Erzählung getilgt.157

In der Psychologie versteht man unter dem Begriff „Trauma“ eine seelische Verletzung in Folge einer Überforderung der psychischen Schutzmechanismen durch ein kritisches Lebensereignis (vgl. 4.1).158 Demzufolge kann auch eine Niederlage ‚traumatisch‘ sein. Die hier leitende Frage zur Unterscheidung der Begriffe „Niederlage“ und „Trauma“ lautet jedoch nicht, ob ein Ereignis im psychologischen Sinn ‚traumatisch‘ war, was in 4.1 erläutert wird, sondern ob es als historisches Trauma kollektiv verdrängt und verschwiegen oder als Niederlage verarbeitet und somit präsent gehalten wurde. Das Differenzkriterium zwischen Verlierern* und Opfern ist also die Erfahrungsverarbeitung. Verlierer* warten nicht auf den Tag ihrer Erlösung als Anerkennung, sondern arbeiten mit „phantasmatischen Umdeutungen“159 daran, ihre verlorene Ehre wiederherzustellen.160

„Seit seiner Etablierung im medizinischen Kontext ist der Traumabegriff ausschließlich mit der Opferperspektive verbunden worden,“161 was aber nicht dazu führte, dass er nicht auch im Zusammenhang mit Tätern* (vgl. 2.2.2) diskutiert worden ist. Für den deutschen Soziologen Bernhard Giesen entsteht das Täter*trauma, „wenn eine triumphalistische Allmachtsphantasie unvermittelt an ihre Grenzen stößt“162. Deshalb kann er – ganz im Gegensatz zu den Psychoanalytikern* Alexander und Margarete Mitscherlich (vgl. 2.2.2) – behaupten, dass die „1945 ruckartig verschobenen Rahmenbedingungen des Denkens, Wertens und Handelns“163 zu einem NS-Täter*trauma der Scham geführt haben, mit dem das Selbstbild zerstört wurde. Dem widersprechend sieht Aleida Assmann zumindest in der ersten Generation keine Parallele zwischen Opfer- und Täter*trauma und plädiert deswegen entschieden dafür, „den Traumabegriff ausschließlich spezifischen Formen von Opfererfahrung vorzubehalten.“164

[...]


1 Assmann, Aleida: Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine Intervention. München: Beck 2013. S. 59.

2 Vgl. hierzu die in verschiedenen Essays zum Ausdruck gebrachte These Karl Heinz Bohrers von der radikalen Verkürzung der langen deutschen Geschichte durch die Holocaust-Symbolik, die Aleida Assmann ihrem Buch „Geschichte im Gedächtnis“ voranstellt (Assmann, Aleida: Geschichte im Gedächtnis. Von der individuellen Erfahrung zur öffentlichen Inszenierung. München: Beck 2007. (= Krupp-Vorlesungen zu Politik und Geschichte Bd. 6). S. 15-24.).

3 Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München: Beck 2006. (= Bundeszentrale für politische Bildung Bd. 633). S. 76.

4 Vgl. Assmann, A.: Unbehagen. S. 13-15, 56-67.

5 Ebd. S. 13.

6 Vgl. Janker, Karin: „Wir haben eine Errungenschaft zu verteidigen“. 2018. Verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de/kultur/erinnerungskultur-deutschlands-imperativ-1.3866258 (21.04.2020).

7 Assmann, A.: Unbehagen. S. 13.

8 Zum Wandel von Gedächtnisrahmen in Abhängigkeit von sozialen, innen- und außenpolitischen Faktoren vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 176.

9 Assmann, A.: Unbehagen. S. 11-15.

10 In der Forschungsliteratur werden drei Generationenkonzepte unterschieden, die ich im Haupttext auch alle willkürlich in ihrer jeweiligen Definition verwende, da sich keiner unproblematischer als der andere zeigt. Die Verwendung einer formalen Bestimmung entstand im Arbeitskontext zu den Holocaustopfern, hat sich in Anlehnung inzwischen aber auch in Bezug auf die Familien von Tätern*, Mitläufern* und Zuschauern* des Nationalsozialismus eingebürgert. „Der Holocaust gibt für das gesamte 20.- und bis ins 21. Jahrhundert hinein die Taktung der Generationenabfolge vor, die sich je nach zeitlicher Nähe zum Ereignis in die Terminologie ‚erste‘, ‚zweite‘, ‚dritte‘ Generation ‚nach dem Holocaust‘ bringen lässt. Mit dem Holocaust wird ein Nullpunkt bestimmt, die ‚Gründungsinstanz einer Abstammungslinie‘ gesetzt und von dieser ausgehend die nachfolgenden Generationen mit den entsprechenden nummeralischen Bezeichnungen versehen.“ (Frieden, Kirsten: Neuverhandlungen des Holocaust. Mediale Transformationen des Gedächtnisparadigmas. Bielefeld: Transcript 2014. S. 37.) Als ‚erste Generation‘ werden die Er- und Überlebenden, als ‚zweite Generation‘ deren nachgeborene Kinder bezeichnet (vgl. Völter, Bettina: Generationenforschung und „transgenerationale Weitergabe“ aus biografietheoretischer Perspektive. In: Radebold, Hartmut, Werner Bohleber und Jürgen Zinnecker (Hg.): Transgenerationale Weitergabe kriegsbelasteter Kindheiten. Interdisziplinäre Studien zur Nachhaltigkeit historischer Erfahrungen über vier Generationen. Weinheim/München: Juventa 2008. S. 97-98.). Einer familialen Bestimmung zufolge wird von der Großeltern-, Eltern-, Kinder- und Enkelgeneration gesprochen (vgl. ebd. S. 98-99.). Die historische bzw. soziologische Bestimmung nach dem klassischen Generationenansatz von Karl Mannheim ist die dritte Möglichkeit, den Generationenbegriff zu verwenden. Mannheim unterscheidet zwischen Generationslagerung, -zusammenhang und -einheit, wobei es meist der ‚Zusammenhang‘ ist, der unter Absehung seiner Differenzierung usuell mit der Verwendung des Begriffs „Generation“ unterstellt wird: eine geteilte prägende historisch-aktuelle Erfahrung der zur selben Zeit in denselben Kontext hineingeborenen Jahrgänge als Generationslagerung (vgl. ebd. S. 99.). Auch ich beziehe den Generationenbegriff als kulturelles Deutungsmuster auf die Vorstellung von einer durch Ungleichzeitigkeit geprägten Jahrgangskohorte im selben historisch-sozialen Kontext, folge aber der bei Mannheim angelegten und von Joachim Matthes hervorgehobenen Begriffsbestimmung in Beziehung, wonach sich eine ‚Generation‘ nicht durch das ‚Gemeinsame‘, sondern durch ihr jeweils anderes Ich-, Du- und Weltverstehen im Verhältnis zu anderen Generationen, insbesondere der vorhergehenden und darauffolgenden, unterscheidet (vgl. Matthes, Joachim: Karl Mannheims „Das Problem der Generationen“, neu gelesen. „Generationen-Gruppen“ oder „gesellschaftliche Regelung von Zeitlichkeit“? In: Zeitschrift für Soziologie 14 (1985) H. 5. S. 363-372.). Kirsten Frieden legt den Schwerpunkt in der Generationendefinition stärker auf den Inszenierungscharakter, der ebenfalls bereits bei Mannheim angelegt ist (vgl. Frieden, K.: Neuverhandlungen Holocaust. S. 36, 44-46.).

11 Vgl. Assmann, A.: Unbehagen. S. 13. UND Dies.: Schatten. S. 183-184.

12 Vgl. ebd. S. 27.

13 Assmann, A.: Unbehagen. S. 49.

14 Vgl. ebd. S. 56-59, 64, 67, 70. UND Dies.: Schatten. S. 199.

15 Vgl. Diehl, Sina, Kawthar El-Qasem, Jens Kolata u.a.: Tagungsbericht „Zur Konkurrenz der Erinnerungskulturen in Deutschland, Frankreich und Polen“. 2013. Verfügbar unter: https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-4606 (23.04.2020).

16 Vgl. Assmann, A.: Unbehagen. S. 70. UND Dies.: Schatten. S. 188.

17 Ebd. S. 80.

18 Vgl. ebd.

19 Vgl. ebd. S. 183-198.

20 Ich beziehe mich im Theorieteil hauptsächlich auf die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, die den „Gedächtnis“-Begriff in einer Ligatur mit dem Begriff der „Identität“ aufruft (vgl. 2.1). Deshalb werde ich diesen auch anwenden, grenze ihn aber vorbehaltlich mit einfachen Anführungszeichen von meinem Sprachgebrauch ab, da der Identitätsbegriff dem Streben der Moderne nach Widerspruchsfreiheit, Ordnung und Einheit folgend Kontinuität und Konsistenz suggeriert, die so nicht angenommen werden kann (vgl. Klika, Dorle: Identität – ein überholtes Konzept? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 3 (2000). S. 285–304.) Nicht umsonst ist dieser Begriff zu einem der meistdiskutierten in der abendländischen Tradition geworden. Mich überzeugt Wolfgang Welschs These, dass schon die Vorstellung, ein Mensch könne ein Selbst sein, illusorisch ist (vgl. Welsch, Wolfgang: Identität im Übergang. Philosophische Überlegungen zur aktuellen Affinität von Kunst, Psychiatrie und Gesellschaft. In: Benkert, Otto und Peter Gorsen (Hg.): Von Chaos und Ordnung der Seele. Ein interdisziplinärer Dialog über Psychiatrie und moderne Kunst. Berlin: Springer 1990. S. 91-106.). Deshalb bevorzuge ich den Begriff „Bastelidentitäten“, der sich weniger auf unwandelbare Substanz als auf permanente Prozesshaftigkeit bezieht (vgl. Nicke, Sascha: Der Begriff der Identität. 2018. Verfügbar unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/241035/der-begriff-der-identitaet (27.04.2020).), denn ich verstehe unter „Identitäten“ flüssige narrative Selbstkonstruktion, die über permeable Grenzen zum und mit dem gleichwertigen ‚Anderen‘ immer wieder neu entworfen werden (müssen). In diesem Sinne können sich auch Gruppen mithilfe verschiedener Instrumente wie der Konstruktion einer gemeinsamen Vergangenheit, unterschiedenen Strategien des Vergessens und der Erfindung eines Gründungsmythos über eine fingierte Geschichte eine (manipulierbare) gemeinsame ‚Identität‘ ‚machen‘ (vgl. Eickelpasch, Rolf und Claudia Rademacher: Identität. Bielefeld: Transcript 2004. S. 68-73.). Bestandteil dieser erfundenen Rede von den Ahnen und Vorfahren sind aber nicht nur Selbst-, sondern auch Fremdbilder, denn „Identität“ ist ein dialektischer Relationsbegriff. ‚Das eigene‘ Kollektiv wird über ein interdependentes Selbstwissen konstruiert, indem auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen ein Bezug zur Alterität, die bei der Erfindung des Selbst erst mitkonstruiert wird, hergestellt wird. So kann sich unter Absehung interner ‚Differenzen‘ eine ‚homogene‘ Gemeinschaft vorgestellt werden, die ‚Wir‘ und nicht ‚die Anderen‘ sind (vgl. Sarasin, Philipp: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2003. S. 48-49.). Trotzdem sind in Bezug auf Gruppen m.E. eher Begriffe wie Differenz und Ambivalenz angezeigt, die die Postmoderne aktiviert hat (vgl. Richter, Arnd: Die Jagd nach Identität. Ideen zu einer postmodernen Bildungsphilosophie auf der Grundlage einer Kritik an humanistischen identitätsgeprägten Bildungsvorstellungen der Moderne. Oldenburg: BIS 1999.).

21 Vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 183-184.

22 Ebd. S. 199.

23 Bode, Sabine: Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen. 31. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta 2017. S. 278. (Im Folgenden wird diese Angabe bei Titelnennung nicht mehr gesondert ausgewiesen.)

24 Ebd.

25 Zu den Wirkungsbedingungen von Medien vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 192-193.

26 Ebd. S. 190.

27 Ebd. S. 192-193.

28 Hierfür sprechen Äußerungen wie z.B.: „Die Geschichte von Wolfgang und Kaspar Kampen zeigt, dass die Zerstörungskraft des viele Jahrzehnte zurückliegenden Krieges jederzeit wieder zuschlagen kann […].“ (Bode, S.: Kriegskinder. S. 237.)

29 Vgl. Klett-Cotta (2020a): Sabine Bode. Verfügbar unter: https://www.klett-cotta.de/autor/Sabine_Bode/523 (02.05.2020). Da Bode „[i]n einer Vielzahl von Mails [gebeten] wurde [ …], [s]ich der stillen Dramen der Kinder der Kriegskinder anzunehmen“ (Bode, S.: Kriegskinder. S. 292.), folgte 2009 ein Buch über diese: „Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation“ (Dies.: Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation. 24. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta 2018.), das sich mit der transgenerationellen Weitergabe von Kriegstraumata befasst. Auch dieser Titel wurde zu einem Verkaufsschlager, der bereits in der 24. Druckauflage erhältlich ist. Nachdem sich Bode mit diesen zwei Büchern einen Namen gemacht und Kriegskinder sowie -enkel als Erzählgemeinschaft nach eigner Einschätzung nicht unerheblich mitangerufen hatte (vgl. Dies.: Kriegskinder. S. 11-20.), schloss sie die Reihe mit „Nachkriegskinder. Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter“ (Dies.: Nachkriegskinder. Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter. 11. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta 2018.) und „Kriegsspuren. Die deutsche Krankheit German Angst“ (Dies.: Kriegsspuren. Die deutsche Krankheit German Angst. 2. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta 2016.).

30 Vgl. z.B. Arnim von, Gabriele: In der Seelenkammer der Nachkriegszeit. 2011. Verfügbar unter: http://www.zeit.de/2011/48/L-P-Bode (03.05.2020).

31 Vgl. Klett-Cotta (2020a): Sabine Bode.

32 Vgl. Klett-Cotta (2020b): Termine. Verfügbar unter: https://www.klett-cotta.de/termine?autor=523 (02.05.2020). UND Bode, S.: Kriegskinder. S. 19-20, 285.

33 Vgl. z.B. Assmann, A.: Geschichte im Gedächtnis. S. 62.

34 Vgl. Völkening, Gertrud: Kriegskinder – reden und erinnern statt vergessen oder schweigen. Erwachsenenbildung greift das Thema auf. In: Schramek, Renate, Cornelia Kricheldorff, Bernhard Schmidt-Hertha und Julia Steinfort-Diedenhofen (Hg.): Alter(n) – Lernen – Bildung. Ein Handbuch. Stuttgart: Kohlhammer 2018. S. 300-313.

35 Vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 181-182, 191.

36 Bode, S.: Kriegskinder. S. 278.

37 Ebd. S. 263.

38 Ebd.

39 Vgl. Benz, Wolfgang: Zur Debatte Flucht, Vertreibung, Versöhnung. 2008. Verfügbar unter: www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/geschichte-und-erinnerung/39826/flucht-vertreibung-versoehnung?p=all (13.05.2020). UND Assmann, A.: Schatten. S. 202-203.

40 Ebd. S. 186.

41 Nach 1945 entwickelten sich in den zwei deutschen Staaten unterschiedliche und teilweise auch gegenläufige Praktiken der Erinnerung an die NS-Zeit. „Während die Bunderepublik sich zu ihrer Verantwortung gegenüber den NS-Opfern bekannte und eine gesellschaftliche Aufklärung anstrebte, leugnete die DDR eine Mitverantwortung an den nationalsozialistischen Verbrechen und dementierte jede historische Kontinuität zum Nationalsozialismus.“ (Arakchiyska, Iva: Zwei deutsche Staaten – zwei Erinnerungskulturen. 2012. Verfügbar unter: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/10282 (19.05.2020).) Deswegen beziehen sich meine Ausführungen zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, den Zeitraum bis zum Mauerfall betreffend, auf die westdeutsche Erinnerungsgeschichte.

42 Vgl. Koselleck, Reinhart: Gibt es ein kollektives Gedächtnis? Rede gehalten am 6. Dezember 2003 in Sofia bei der internationalen Konferenz „Pierre Nora. Erinnerungsorte und Konstruktionen der Gegenwart“. Zit. nach Assmann, A.: Unbehagen. S. 18.

43 In §§ 223-231 StGB werden Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit geregelt (vgl. Strafgesetzbuch (StGB). 2020. Verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/StGB.pdf (22.05.2020). S. 113-115.).

44 Vgl. Freyberger, Harald und Michael Linden: Richtlinien-Psychotherapie. 2014. Verfügbar unter: https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/111/45/a1954.pdf?ts=04%2E11%2E2014+15%3A19%3A46 (09.06.2020).

45 Der Begriff „Kriegsenkel“ ist ein problematischer familial bestimmter Generationenbegriff mit einer historischen und einer subjektiven Dimension, welcher vom Begriff „Kriegskinder“ abgeleitet wurde. (Zur Problematisierung formaler, familialer oder historischer Generationenbezeichnungen in Bezug auf die psychosozialen Langzeitfolgen des Nationalsozialismus und des Holocaust vgl. Völter, B.: Biografietheoretische Perspektive Generationenforschung. S. 97-100. UND Baer, Udo und Gabriele Frick-Baer: Wie Traumata in die nächste Generation wirken. Untersuchungen, Erfahrungen, therapeutische Hilfen. 2. Auflage. Neukirchen-Vluyn: Semnos 2012. S. 15-16.) In Abhängigkeit davon, wie stark sie ihre eigene Lebensgeschichte von elterlichen Erfahrungen beeinflusst sehen, nennen sich einige der Kinder dieser ‚Kriegskinder‘, Vertreter* der Jahrgänge ab 1960, „Kriegsenkel“. Annahmen zur transgenerationalen Weitergabe kriegsbelasteter Kindheiten sind also bereits Bestandteil dieser Selbst- und Fremdbezeichnung (vgl. Bode, S.: Kriegsenkel. S. 2, 11, 20-21.). Einer formalen Bestimmung zufolge repräsentieren ‚Kriegsenkel‘ „die dritte (jetzt indirekt) kriegsbetroffene Generation“ (Radebold, Hartmut, Werner Bohleber und Jürgen Zinnecker: Kriegskindheiten – transgenerationale Auswirkungen. In: Dies. (Hg.): Transgenerationale Weitergabe kriegsbelasteter Kindheiten. S. 8.).

46 Vgl. Lukas-Klein, Sonja: Sekundäre Traumatisierungen durch den Zweiten Weltkrieg. Eine Auseinandersetzung mit Sabine Bodes „Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation“. Studienarbeit. München: GRIN 2017.

47 Assmann, A.: Schatten. S. 185.

48 Frieden, K.: Neuverhandlungen Holocaust. S. 17.

49 Assmann, A.: Schatten. S. 84.

50 Vgl. Assmann, A.: Unbehagen. S. 10, 30-33. UND Wünsch, Thomas: Erinnerungskultur. 2019. Verfügbar unter: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/54014.html (10.06.2020).

51 Vgl. Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung. 3. akt. u. erw. Auflage. Stuttgart: Metzler 2017. S. 98. Diese ‚knappe‘ und deshalb gut handhabbare Definition soll an dieser Stelle noch etwas ‚unterfüttert‘ werden: „Erinnerung“ wird vom „Gedächtnis“ disziplinübergreifend dahingehend unterschieden, dass das Gedächtnis als Fähigkeit und Struktur begriffen wird, die Erinnerung als Vorgang erst ermöglicht. Die Begriffe stellen also „komplementäre Aspekte desselben Zusammenhangs“ (Assmann, Aleida: Zur Metaphorik der Erinnerung. In: Dies. und Dietrich Harth (Hg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung. 2. Auflage. Frankfurt a.M.: Fischer 1993. S. 14.) dar, die sich nach dem Kultur-, Kommunikations- und Medienwissenschaftler Mathias Berek über das Differenzkriterium der Prozessualität auseinanderhalten lassen: „Gedächtnis ist ein bestimmter Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt, es ist die Gesamtheit der in der Gegenwart zuhandenen Wissenselemente über die Vergangenheit. Erinnern dagegen ist der aktive Vorgang, das eigentliche Reproduzieren der vergangenen Wahrnehmung.“ (Berek, Mathias: Kollektives Gedächtnis und die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Erinnerungskulturen. Wiesbaden: Harrasowitz 2009. (= Studies in Cultural and Social Science Bd. 2). S. 32.) Analog können die Begriffe „Erinnerungskultur“ und „kollektives Gedächtnis“ unterschieden werden (vgl. ebd. S. 39.): Von „Erinnerungskultur“ ist dann die Rede, „wenn es um gesellschaftliche Prozesse geht, in denen Vergangenheit reproduziert wird“ (ebd. S. 33.), die mithilfe unterschiedlichster Präsentationsformen – als Einzelelemente und/oder Konglomerate – verschiedenartig kommuniziert (vgl. ebd. S. 171-180.) wird, während der „gesamte Fundus der repräsentierten Vergangenheitsbilder, -texte und -bedeutungen“ (ebd. S. 33) als „kollektives Gedächtnis“ bezeichnet wird, das seinen Rahmen in – in Größe und Verbindlichkeit differierenden – Trägergruppen findet (vgl. ebd. S. 180-181.).

52 Vgl. Assmann, A.: Unbehagen. S. 16-19. In dieser weiten Bedeutungszuschreibung, wie sie auch der Historiker Christoph Cornelißen verwendet (vgl. Cornelißen, Christoph: Erinnerungskulturen. Version 2.0. 2012. Verfügbar unter: https://docupedia.de/zg/Erinnerungskulturen_Version_2.0_Christoph_Cornelißen (20.06.2020).), ist der Begriff „Erinnerungskultur“ durch den Begriff „Geschichtskultur“ austauschbar, obwohl jener stärker auf die Konstruktion einer historisch begründeten ‚Identität‘ abzielt als dieser (vgl. Ruf, L., S. Paralikidou, N. Paschke und T. Suttarp: Grundlagen der Geschichtskultur. 2018. Verfügbar unter: geoges.ph-karlsruhe.de/mhwiki/index.php5/Grundlagen_der_Geschichtskultur (26.06.2020).). Deswegen könnte an dieser Stelle auch der Unterschied zwischen Geschichte und Gedächtnis diskutiert werden, da ich diesen für meine Arbeit aber nicht brauche, gebe ich an dieser Stelle nur folgende Literaturhinweise: Halbwachs, Maurice: Das kollektive Gedächtnis. Aus dem Französischen v. Holde Lhoest-Offermann. Ungek. deutsche Ausg. mit einem Geleitwort v. Heinz Maus. Frankfurt a.M.: Fischer 1985. S. 34-77.; Assmann, A.: Schatten. S. 43-51.; Dies.: Unbehagen. S. 19-24.; Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 6. Auflage. München: Beck 2007. S. 42-45. Aus demselben Grund verhalte ich mich bezüglich der Unterscheidung von Erinnerung und Geschichtsbewusstsein ebenso und verweise auf Knigge, Volkhard: Erinnerung oder Geschichtsbewusstsein? Warum Erinnerung allein in eine Sackgasse für historisch-politische Bildung führen muss. 2013. Verfügbar unter: https://www.gedenkstaettenforum.de/uploads/media/GedRund172_3-15.pdf (26.06.2020). UND Ders.: Zur Zukunft der Erinnerung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 25-26 (2010). S. 10-16.

53 Assmann, A.: Unbehagen. S. 20.

54 Begriff von Anders

55 Vgl. Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. In: Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914-1916. Philosophische Untersuchungen. Werkausgabe. Bd. 1. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1984. (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 501). S. 356, 361-363/§ 243, 258, 260-263.

56 Assmann, A.: Schatten. S. 25.

57 Ebd.

58 Ebd.

59 Ebd. S. 23.

60 Ebd. S. 26.

61 Ebd.

62 Halbwachs, M.: Kollektives Gedächtnis. S. 31.

63 Vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 23.

64 Vgl. ebd. S. 29-31, 35, 60. Eine Zusammenstellung der verschiedenen Problemfelder findet sich bei Assmann, Aleida und Heidrun Friese (Hg.): Identitäten. Erinnerung, Geschichte, Identität. 2. Auflage. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999. (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1404)

65 Vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 35.

66 Ebd. S. 60.

67 Ebd. S. 35.

68 Aleida Assmann geht also genauso wie ich davon aus, dass es ‚Identitäten an sich‘ nicht gibt, sondern dass sie narrativ entworfen werden (vgl. 1., Anm. 20). Maurice Halbwachs denkt in entgegengesetzter Richtung. Er sieht Erinnerungen als ‚Identitätsprodukte‘ und damit als opportunistisch an.

69 Welzer, Harald: Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung. 2. Auflage. München: Beck 2002. S. 13.

70 Vgl. Erll, A.: Kollektives Gedächtnis. S. 15.

71 Assmann, A.: Schatten. S. 206. Laut Kirsten Frieden machen ‚Generationen‘ als Gedächtniskategorie „wenig Sinn“ (Frieden, K.: Neuverhandlungen Holocaust. S. 45.), da ihres Erachtens „aktuelle Kommunikations- und Aushandlungsprozesse“ (ebd.) bei der Identitätsstiftung eine weitaus größere Rolle spielen als das Gedächtnis (vgl. ebd. S. 44-46.), was besonders an der ‚jungen Generation‘, den ‚Digital Natives‘, deutlich werde (vgl. ebd. S. 40-43).

72 Assmann, A.: Schatten. S. 206.

73 Ebd.

74 Aleida Assmann rekurriert stärker auf das (vermeintlich) ‚Gemeinsame‘ einer Generation als ich (vgl. 1., Anm. 10), lässt den Aspekt der Generationenbeziehung aber nicht unbeachtet (vgl. Assmann, A.: Geschichte im Gedächtnis. S. 32-36.), weshalb ich das Konzept hier so unverändert stehen lassen kann.

75 Assmann, A.: Schatten. S. 27.

76 Begriff aus der Psychologie (auch „conversational remembering“ genannt) für einen spezifischen Sprechakt, in dem Vergangenheit im Team konstruiert und vergegenwärtigt wird. (Vgl. ebd. S. 28.)

77 Ebd. S. 37.

78 Vgl. ebd. S. 27-28.

79 Ebd. S. 27.

80 Ebd. S. 28.

81 Ebd. S. 29.

82 Aleida Assmann bezieht den Begriff „soziales Gedächtnis“ auf intentionale Formen der Kommunikation, Vermittlung und Tradierung. Harald Welzer dagegen bezeichnet damit das von ihm sogenannte „kommunikative Unbewußte“ (Welzer, H.: Kommunikatives Gedächtnis. S. 16.), denn er ist der Auffassung, dass „[e]in großer Teil der Praxis des kommunikativen Gedächtnisses […] Vergangenheit und Geschichte en passant, von den Sprechern unbemerkt, beiläufig, absichtslos [transportiert].“ (Ebd.).

83 Vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 33-34, 59-60.

84 Vgl. ebd. S. 57.

85 Ebd. S. 29-30. Bei Bedarf vgl. dazu Halbwachs, M.: Kollektives Gedächtnis.

86 Assmann, A.: Schatten. S. 35.

87 Assmann, A.: Unbehagen. S. 80.

88 Zu ‚heißen‘ und ‚kalten‘ Erinnerungen vgl. ausführlicher Assmann, J.: Kulturelles Gedächtnis. S. 66-86.

89 Assmann, A.: Schatten. S. 33.

90 Vgl. ebd. S. 30-31.

91 Vgl. ebd. S. 54-58.

92 Ebd. S. 57.

93 Ebd. S. 55.

94 Vgl. ebd. S. 56.

95 Ebd.

96 Vgl. ebd. S. 56-57.

97 Ebd. S. 56.

98 Vgl. ebd. S. 57.

99 Ebd.

100 Wenn auch die Corona-Krise gerade zeigt, dass die Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat weniger konstruiert als über den Pass und die Ländergrenzen bestimmt ist, die alles andere als imaginär sind.

101 Assmann, A.: Schatten. S. 37.

102 Vgl. ebd.

103 Ebd. S. 36.

104 Vgl. Assmann, A.: Unbehagen. S. 76-81.

105 Vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 36, 58.

106 Vgl. ebd. S. 37, 57-58. UND Dies.: Gedächtnis als Leitbegriff der Kulturwissenschaften. In: Musner, Lutz und Gotthart Wunberg (Hg.): Kulturwissenschaften. Forschung – Praxis – Positionen. Wien: WUV 2002. S. 35.

107 Assmann, A.: Schatten. S. 58.

108 Vgl. ebd. S. 40-43.

109 Ebd. S. 40.

110 Vgl. ebd. S. 40-41.

111 Vgl. ebd. S. 42.

112 Ebd.

113 Ebd. S. 204.

114 Vgl. ebd. S. 149-152, 157-163. UND Dies.: Unbehagen. S. 81-82.

115 Vgl. ebd. S. 82.

116 Ebd. S. 81.

117 Lübbe, Hermann: Correctness. Über Moral als Mittel der Meinungskontrolle. 2009. Verfügbar unter: http://tabularasa-jena.de/artikel/artikel_739/ (29.06.2020). Kirsten Frieden macht die Unterscheidung von Tabu und Political Correctness weniger stark. Sie sieht „gerade für den Verhandlungsraum von Nationalsozialismus und Holocaust deutliche Überschneidungen dieser beiden Diskurse“ (Frieden, K.: Neuverhandlungen Holocaust. S. 21-22.). Angelehnt an den Begriff der „Political Correctness“ führt sie den Begriff „Memorial Correctness“ ein, der stärker darauf insistiert, dass nicht nur sprachliche, sondern auch symbolische Kommunikation reguliert wird: „Für die Reflexion der Vergangenheit kommt hinzu, dass es nicht mehr nur darum geht, was politisch oder historisch korrekt kommuniziert werden kann, sondern auch, was dem Sinn einer ‚angemessenen‘ Erinnerungskultur entspricht. Damit geht es um nichts weniger als um die Frage, was gesagt, geschrieben oder zu Kunst gemacht werden ‚darf‘. Welche Sprache, welcher Text, welches Bild gilt also als ‚ memorial correct ‘ und was ist dem Thema und Anlass nicht angemessen?“ (Ebd. S. 23.)

118 Assmann, A.: Unbehagen. S. 82.

119 Vgl. Assmann, A.: Schatten. S. 159, 166-168.

120 Assmann, A.: Unbehagen. S. 89.

121 Assmann, A.: Schatten. S. 203.

122 Begriff von Jureit

123 Vgl. Assmann, A.: Unbehagen. S. 54, 56, 64.

124 Vgl. ebd. S. 57, 87. UND Wolfrum, Edgar: Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD. 2008. Verfügbar unter: http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/geschichte-und-erinnerung/39814/geschichte-der-erinnerungskultur (24.06.2020).

125 Vgl. Berek, M.: Kollektives Gedächtnis. S. 153-154.

126 Berger, Karina: Belletristik in der Bundesrepublik. In: Scholz, Stephan, Maren Röger und Bill Niven (Hg.): Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung. Ein Handbuch der Medien und Praktiken. Paderborn: Schöningh 2015. S. 15.

127 Grass, Günter: Im Krebsgang. Eine Novelle. 15. Auflage. Göttingen: Steidl 2003.

128 Berger, K.: Belletristik in der BRD. S. 15.

129 Vgl. ebd.

130 Ebd.

131 Vgl. Braun, Michael: Wem gehört die Geschichte? Erinnerungskultur in Literatur und Film. Münster: Aschendorff 2013. S. 45-47. UND Assmann, A.: Schatten. S. 184-187.

132 Vgl. Berger, K.: Belletristik in der BRD. S. 15.

133 Vgl. Scholz, Stephan, Maren Röger und Bill Niven: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung. S. 11.

134 Scholz, S. u.a. (Hg.): Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung.

135 Hahn, Eva und Hans Henning: Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Legenden, Mythos, Geschichte. Paderborn: Schöningh 2010.

136 Assmann, A.: Schatten. S. 184.

137 Ebd. Von der Grenzrevision bis hin zu Erika Steinbachs Forderung nach einem „Zentrum gegen Vertreibungen“ vgl. Hahn, E. u.a.: Vertreibung im deutschen Erinnern. S. 383-389, 425-488, 593-632.

138 Ebd. S. 9.

139 Assmann, A.: Schatten. S. 184.

140 Vgl. Reiter, Margit: Das Familiengedächtnis oder Die Tücken der Erinnerung. In: Baader, Meike Sophia und Tatjana Freytag: Erinnerungskulturen. Eine pädagogische und bildungspolitische Herausforderung. Wien: Böhlau 2015. (= Beiträge zur Historischen Bildungsforschung Bd. 45). S. 40.

141 Ebd.

142 Vgl. Welzer, Harald: Erinnern verstehen. Zur Rezeption von Geschichte und zu den Grenzen der Geschichtspolitik. In: Kulturpolitische Gesellschaft e.V. (Hg.): kultur.macht.geschichte. Kulturpolitik und kulturelles Gedächtnis. Dokumentation des Fünften Kulturpolitischen Bundeskongresses am 11./12. Juni 2009 in Berlin. Essen: Klartext 2010. (= Texte zur Kulturpolitik Bd. 25). S. 104-115. UND Reiter, M.: Tücken.

143 Ebd. S. 41.

144 Ebd.

145 Welzer, Harald: Der Holocaust im deutschen Familiengedächtnis. In: Knigge, Volkhard und Norbert Frei (Hg.): Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord. München: Beck 2002. S. 343.

146 Assmann, A.: Schatten. S. 66.

147 Ebd.

148 Vgl. ebd. S. 41-43, 64-66, 68.

149 Ebd. S. 68.

150 Ebd. S. 67.

151 Ebd. S. 72.

152 Ebd. S. 68.

153 Ebd. S. 67.

154 Ebd. S. 14.

155 Ebd. S. 67.

156 Ebd. S. 68.

157 Vgl. ebd. S. 66, 68.

158 Vgl. Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (Hg.): Was ist ein Trauma und wie entstehen Traumafolgestörungen? 2020. Verfügbar unter: https://www.degpt.de/https://www.degpt.de/informationen/fuer-betroffene/trauma-und-traumafolgen/ (02.05.2020).

159 Assmann, A.: Schatten. S. 70.

160 Vgl. ebd. S. 67-72. Werden ‚traumatische‘ Ereignisse in einer kulturellen Mnemotechnik und heroischen Semantik präsentiert, spricht Volkan nicht von Niederlage, sondern von einem „auserwählten Trauma“. Er behauptet, dass eine Großgruppe etwas unbewusst (auser-)wählen kann: „Darum gibt der Begriff ‚auserwähltes Trauma‘ in prägnanter Weise die unbewußte Wahl einer Großgruppe wieder, die ihrer eigenen ‚Identität‘ die psychische Repräsentation eines Ereignisses hinzufügt, das eine frühere Generation durchleben mußte.“ (Volkan, Vamik Djemal: Großgruppenidentität und auserwähltes Trauma. In: PSYCHE 54 (2000). S. 944.)

161 Assmann, A.: Schatten. S. 95.

162 Ebd. S. 97.

163 Ebd.

164 Ebd. S. 96.

Ende der Leseprobe aus 93 Seiten

Details

Titel
"Kriegskinder" erinnern!?
Untertitel
Zum Spannungsfeld zwischen Nazi- und Kriegsvergangenheit in der aktuellen 'deutschen' Erinnerungskultur am Beispiel von Sabine Bodes "Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen"
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)  (Allgemeine Erziehungswissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
93
Katalognummer
V1001874
ISBN (eBook)
9783346377340
ISBN (Buch)
9783346377357
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kriegskinder, Bode, Erinnerungskultur, Trauma, Täter-/Opferzuschreibungen, deutsches Leid, Erinnerungspolitik, kollektives Gedächtnis, Holocaust-Erinnerung, Trauer, symbolpolitische Rituale
Arbeit zitieren
Dr. Sonja Lukas-Klein (Autor:in), 2020, "Kriegskinder" erinnern!?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1001874

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