Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer pulsierenden Stadt des Römischen Reiches, wo das Schicksal der Gemeinschaft in den Händen einer kleinen, elitären Gruppe liegt: den Dekurionen. Doch wer waren diese Männer wirklich, die über Wohl und Wehe ihrer Städte wachten? Dieses Buch entführt Sie in eine faszinierende Welt aus lokaler Macht, politischem Kalkül und sozialem Wandel. Es enthüllt die komplexen Strukturen der Stadtverwaltung im Römischen Reich, beleuchtet die soziale Herkunft und den Reichtum der Dekurionen, und zeigt, wie diese lokalen Eliten ihre Macht legitimierten und ihre vielfältigen Aufgaben erfüllten. Von großzügigen Stiftungen und öffentlichen Bauten bis hin zur Verantwortung für die Wasser- und Lebensmittelversorgung – die Dekurionen prägten das Leben in ihren Städten maßgeblich. Doch mit dem Lauf der Zeit und dem wachsenden Druck des Reiches veränderte sich auch ihre Rolle. Die fortschreitende finanzielle Krise, steigende Steuerlasten und schwindende Privilegien führten zu einem dramatischen Wandel des Dekurionenstandes. Erfahren Sie, wie der einst angesehene Stand unter dem Druck der Verhältnisse zerbrach, wie neue Ämter geschaffen wurden, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, und wie die Dekurionen selbst nach Auswegen suchten, um ihrem Schicksal zu entkommen. Eine packende Reise in die Vergangenheit, die ein lebendiges Bild vom Leben in den römischen Städten und dem Aufstieg und Fall ihrer lokalen Eliten zeichnet. Entdecken Sie die Mechanismen der römischen Stadtverwaltung, die Bedeutung des ordo decurionum, die sozialen Strukturen und die wirtschaftlichenRealitäten, die das Leben im Römischen Reich prägten. Ein Muss für alle, die sich für die römische Geschichte, Sozialgeschichte und die Dynamik lokaler Machtstrukturen interessieren. Tauchen Sie ein in eine Welt voller Intrigen, Verantwortung und dem unaufhaltsamen Wandel der Zeit, und verstehen Sie, wie das Römische Reich seine Städte regierte – und wie diese Städte das Reich prägten.
1. Allgemeines
Die Städte des Römischen Kaiserreiches waren formal nicht vom Stadtstaat Rom unabhängig sondern verdankten ihre weitgehende Selbstverwaltung dem Fehlen eines ausreichend großen bürokratischen Apparates in Rom. Das Zugeständnis diverser politischer Rechte an die Führung der Städte erschien Rom als probates Mittel sein ausgedehntes Reichsgebiet regierbar zu halten, zumal hierdurch eine organisatorische „Unterwerfung” des Landes durch die Städte stattfand. Alle Städte des Reiches wurden von lokalen Eliten verwaltet, aus deren Vertretern sich die jeweiligen Stadträte zusammensetzten. Da der Zugang zu dieser Führungsschicht (ordo decurionum), ähnlich den anderen Ständen, über einen finanziellen Zensus erfolgte, lag die Stadtverwaltung faktisch in den Händen weniger reicher Familien. Die mit den politischen Vorrechten verbundenen Pflichten wurden, zumindest in der Blütezeit des Römischen Kaiserreiches, von den Mitgliedern der lokalen Eliten zum Anlaß genommen, sich durch großzügige Stiftungen einen Namen zu machen.
2. Soziale Struktur und Herkunft
Der Stand der Dekurionen war, an der Zahl seiner Mitglieder gemessen, der größte Stand der römischen Aristokratie. Die herausragende Gruppe bildeten die Ritter, die den größten Teil ihres Lebens in kommunalen Ämtern verbrachten (die Mehrheit der Mitglieder des Ritterstandes waren zugleich Mitglieder ihres lokalen ordo).
Nahezu alle Dekurionen bezogen ihren Reichtum aus Grund- und Bodenbesitz, was lange Zeit als einzig standesgemäße Einnahmequelle angesehen wurde. Vereinzelt wurde auch lokaler Handel betrieben.
Der Zensus für ein Mitglied des ordo decurionum war von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Ausschlaggebend für die Summe war die Bedeutung der Stadt, ihre wirtschaftliche Funktion und ihre lokalen Gegebenheiten. Lag der Minimalzensus beispielsweise in Como bei 100.000 Sesterzen, so betrug er in einer wüstennahen nordafrikanischen Provinzstadt lediglich 20.000 Sesterzen.
Trotz des finanziellen Unterschiedes, bildeten die lokalen Eliten eine relativ homogene Gruppe, nimmt man die soziale und rechtliche Stellung als Maß. Sie zählten mit den Rittern und Senatoren (und teilweise auch dem gehobenen Mittelstand) zu den Vornehmeren, den „honestiores”. Diese Abgrenzung zu den unteren Schichten wirkte sich zum Beispiel in strafrechtlichen Belangen aus.
Neben dem Zensus gab es noch die Beschränkung, daß nur Freigeborene und die Söhne Freigelassener Ratsherren werden konnten. Weitere Kennzeichen des Dekurionenstandes waren das Anrecht auf bestimmte Sitzreihen im Theater und ein Purpurstreifen an der Toga.
3. Legitimation, Organisation und Aufgaben
Der Rat einer Stadt („ordo” oder „senatus”) bestand in der Regel aus 100 Mitgliedern, die ihre Positionen auf Lebenszeit innehatten und ehrenamtlich tätig waren.
Vor dem Eintritt in den ordo decurionum mußten sich die Bewerber (anfangs) von der Volksversammlung zu einem Amt wählen lassen. Die Volksversammlung setzte sich aus den Einwohnern („incolae”) der jeweiligen Stadt zusammen. Als incolae wurden Bürger, freie Nichtbürger und auf Dauer Niedergelassene bezeichnet.
Das oberste Amt im Stadtrat war das der „duoviri”. Sie hatten die oberste Leitung, saßen den Wahlen anderer Beamter vor und waren mit der Zivilgerichtsbarkeit, sowie der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Adoption, Freilassung, Emanzipation aus väterlicher Gewalt) betraut. Die „Aedilen” waren für den Erhalt und die Reinigung der Straßen, die Beaufsichtigung der Bäder und die Leitung der Spiele verantwortlich. Sie hatten desweiteren marktpolizeiliche Aufgaben. Die „Quaestoren” waren städtische Kassenbeamte. Nach Ablauf der einjährigen Amtszeit erfolgte die Ernennung zum Ratsherren. Auf diese Weise wurde der ordo alle vier Jahre ergänzt.
Die oben erwähnten Gebiete stellten eine Seite der Aufgaben des Stadtrates dar, die andere bestand aus der „munera”. Kann man die amtlichen Tätigkeiten noch als Dienstleistungen gegenüber dem römischen Staat auslegen, so stellte die munera eine (freiwillige) Verpflichtung gegenüber der Stadt dar. Die angehenden Dekurionen gaben bei Amtsantritt ein sogenanntes „Nobles Versprechen” („pollutio ob honorem”) ab, wodurch sie sich ihrer Gemeinde gegenüber zu einer Schenkung verpflichteten. Diese Versprechen nahmen meist in Form von Bauten oder öffentlichen Einrichtungen (z.B. Kinderheime) Gestalt an. Im Allgemeinen erwarteten die unteren Schichten vom ordo decurionum zusätzlich die Wasser- und Lebensmittelversorgung, sowie die Repräsentation der Stadt nach außen.
4. Entwicklung während der Kaiserzeit
Bis zum vierten nachchristlichen Jahrhundert war das gesamte Römische Reich in Stadtgemeinden eingeteilt. Die Entwicklung des Standes der Dekurionen (Spätrom: „curiales”) stand bis zum Ende Roms unter dem Zeichen einer fortschreitenden finanziellen Krise.
Die Steuerlast die von den Dekurionen aufzubringen war nahm stetig größere Ausmaße an und führte dazu, daß die Aufnahmekriterien für den ordo herabgesetzt wurden. Einziger Maßstab war nunmehr die Größe des Besitzes. Die Schranken die jahrhundertelang die unstandesgemäßen Berufe (Schauspieler, Bordellbesitzer, Händler, Handwerker, etc.) ausgrenzten fielen und ließen daneben auch straffällig gewordene Personen in den ordo decurionum aufsteigen. Auch die einjährige Ausübung eines Amtes vor Eintritt war nicht länger verbindlich.
Im dritten Jahrhundert wurde der Dekurionenstand erblich und ergänzte sich lediglich durch Kooptation (Zuwahl). Seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts wurde die Steuerhauptlast durch die reichsten Ratsmitglieder getragen. Im Gegenzug erhielt dieser Personenkreis die wichtigsten Ämter im Stadtrat, so daß die eigentliche Stadtregierung nun aus dem „Ratsausschuß der Zehn Reichsten” („decum primi”) bestand.
Unter dem fiskalischem Druck sahen viele Dekurionen nur noch die Möglichkeit durch Flucht vor dem Amt, z.B. in das geistliche Leben oder die Armee, Reste ihres Vermögens zu retten. In einigen Fällen kam es auch zu heimlichen Auswanderungen und den Versuchen unter falschem Namen eine neue Existenz zu gründen. Die suche nach den Flüchtigen war seit dem ersten Drittel des dritten Jahrhunderts durch ein Gesetz geregelt.
Häufig gestellte Fragen
1. Was waren die Aufgaben der Stadträte (ordo decurionum) im Römischen Reich?
Die Stadträte verwalteten die Städte des Römischen Reiches, indem sie sich aus lokalen Eliten zusammensetzten. Ihre Aufgaben umfassten die Leitung der Stadt, die Verwaltung der Finanzen, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die Repräsentation der Stadt nach außen. Sie waren auch für die Wasser- und Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zuständig.
2. Wie wurden die Mitglieder des Stadtrates (ordo decurionum) ausgewählt?
Ursprünglich wurden die Mitglieder durch die Volksversammlung gewählt. Später erfolgte die Auswahl über einen finanziellen Zensus, der den Zugang auf reiche Familien beschränkte. Mit der Zeit wurde der Stand erblich und ergänzte sich durch Kooptation (Zuwahl).
3. Welche sozialen Schichten waren im ordo decurionum vertreten?
Der ordo decurionum bestand hauptsächlich aus Mitgliedern der lokalen Eliten, die ihren Reichtum aus Grundbesitz bezogen. Ritter bildeten eine herausragende Gruppe innerhalb des Standes. Ursprünglich waren nur Freigeborene und Söhne von Freigelassenen zugelassen.
4. Wie unterschied sich der Stand der Dekurionen von anderen Ständen?
Dekurionen zählten zusammen mit Rittern und Senatoren zu den "honestiores," einer Oberschicht, die sich von den unteren Schichten unterschied. Dies wirkte sich beispielsweise in strafrechtlichen Belangen aus. Sie hatten auch das Anrecht auf bestimmte Sitzreihen im Theater und einen Purpurstreifen an der Toga.
5. Was war die "munera" und welche Rolle spielte sie für die Dekurionen?
Die "munera" bezeichnete die freiwilligen Verpflichtungen der Dekurionen gegenüber ihrer Stadt. Dazu gehörten Schenkungen in Form von Bauten oder öffentlichen Einrichtungen. Sie verpflichteten sich dazu durch ein sogenanntes "Nobles Versprechen" ("pollutio ob honorem").
6. Wie veränderte sich die Rolle und Zusammensetzung des ordo decurionum während der Kaiserzeit?
Im Laufe der Kaiserzeit geriet der Stand der Dekurionen zunehmend unter finanziellen Druck. Die Steuerlast stieg, die Aufnahmekriterien wurden gesenkt, und auch Personen aus unstandesgemäßen Berufen oder mit Vorstrafen konnten in den Stand aufsteigen. Im dritten Jahrhundert wurde der Stand erblich.
7. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Dekurionen vor dem finanziellen Ruin zu bewahren?
Einige der reichsten Ratsmitglieder trugen die Hauptsteuerlast. Es kam zur Bildung eines "Ratsausschusses der Zehn Reichsten" ("decum primi"). Trotzdem versuchten viele Dekurionen, durch Flucht vor dem Amt oder Auswanderung ihr Vermögen zu retten.
8. Welche neuen Ämter wurden im vierten Jahrhundert geschaffen, um die Stadtverwaltung zu unterstützen?
Es wurden die Ämter des "defensor civitatis," der die Stadtbevölkerung vor Unrechtsbehandlung schützen sollte, und des "Kurator," der die finanzielle Oberaufsicht über den Haushalt der Stadt hatte, geschaffen.
9. Was bedeutete der Begriff "incolae"?
"Incolae" bezeichnete die Einwohner einer Stadt, einschließlich Bürger, freie Nichtbürger und auf Dauer Niedergelassene.
10. Was waren die Aufgaben der "duoviri", "Aedilen" und "Quaestoren"?
Die "duoviri" hatten die oberste Leitung der Stadt, leiteten Wahlen und waren für die Zivilgerichtsbarkeit zuständig. Die "Aedilen" waren für die Sauberkeit der Straßen, die Beaufsichtigung der Bäder und die Leitung der Spiele verantwortlich. Die "Quaestoren" waren städtische Kassenbeamte.
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- Maik Güneri (Author), 1994, Der ordo decurionum - Handout, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100218