Methoden und Instrumente zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen


Bachelorarbeit, 2015

91 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik/Relevanz des Themas
1.2 Problemstellung
1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Wirtschaftskriminalität in Unternehmen
2.1 Definitionen und inhaltliche Abgrenzungen
2.1.1 Unternehmensbezogene Begriffe
2.1.2 Accounting Fraud
2.1.3 Top Management Fraud und Employee Fraud
2.1.4 Präventionen
2.1.5 Gesetzliche Regelungen
2.2 Arten und Erscheinungsformen von Wirtschaftskriminalität
2.2.1 Fälschung von Jahresabschlüssen und Finanzinformationen
2.2.2 Korruption
2.2.3 Geldwäsche
2.3 Verursachte Schäden
2.4 Forschungsansätze von Gründen für die Entstehung von Wirtschaftskriminalität im Unternehmen
2.4.1 Fraud-Scale. Das Modell nach Albrecht
2.4.2 Fraud-Triangle. Das Modell nach Cressey

3 Analyse ausgewählter Instrumente und Methoden zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen
3.1 Unternehmensinterne Methoden und Maßnahmen
3.1.1 Code of Conduct und Code of Ethics
3.1.2 Red Flagging Management
3.1.3 IT-gestützte Maßnahmen
3.1.4 Whistleblowing
3.1.4.1 Whistleblowing-Hotlines
3.1.5 Internal Control Management – Internes Kontrollsystem (IKS)
3.1.6 Personalpolitik
3.1.7 Zwischenfazit unternehmensinternen Maßnahmen
3.2 Unternehmensexterne Maßnahmen
3.2.1 Jahresabschlussprüfung
3.2.2 Fraud Audits
3.2.3 Zwischenfazit unternehmensexternen Maßnahmen

4 Bedeutung der Aufsichtsorgane von Unternehmen hinsichtlich der Maßnahmen zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität
4.1 Die Rolle des Aufsichtsrates
4.2 Die Rolle der Internen Revision
4.3 Die Rolle des Jahresabschlussprüfers
4.4 Zwischenfazit der Bedeutung von Aufsichtsorganen im Unternehmen

5 Fazit und Schlussbetrachtung

Anhangsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Verzeichnis der Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsanweisungen und sonstigen Rechnungslegungsnormen

Verzeichnis der Internetquellen

Literaturverzeichnis

Danksagung

Diese Bachelorarbeit ist nicht nur eine Abschlussarbeit, sondern auch das Symbol für das Ende eines Lebensabschnitts. Deshalb möchte ich einigen Personen danken, die direkt und indirekt an dem Entstehungsprozess dieser Arbeit beteiligt waren.

Mein besonderer Dank gilt Professor Dr. Michael Syré für die geduldige und umfangreiche Betreuung.

Außerdem danke ich meinen Eltern und dem Rest meiner Familie, die mich während meines Bachelorstudiums in jeder Hinsicht liebevoll und immer verständnisvoll unterstützt haben.

1 Einleitung

1.1 Einführung in die Thematik/Relevanz des Themas

Wirtschaftskriminalität in Unternehmen ist ein aktuelles Thema im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr, dessen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. 2012 hat das BKA 81.793 Fälle von Wirtschaftskriminalität registriert, wobei sich die Schadenssumme auf 3,75 Milliarden Euro belief.1 Zudem sind in den Medien Schlagzeilen zu lesen wie bspw. "Prävention von Wirtschaftskriminalität: Deutsche Unternehmen mit Defiziten"2 oder "Korruption richtet Schaden von 250 Milliarden Euro an"3.Die folgende Statistik zeigt, dass die Wirtschaftskriminalität 2010 mit 102.813 Fällen ihren Höhepunkt erreichte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anzahl der Fälle von Wirtschaftskriminalität in Deutschland von 2006 bis 2013

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/200603/umfrage/anzahl-der-faelle-von-wirtschaftskriminalitaet-in-deutschland/

Wie die Statistik zeigt, ist der Versuch Wirtschaftskriminalität aufzudecken und zu bekämpfen, nur teilweise erfolgreich. Bis 2013 ist die Anzahl der Fälle wieder gesunken, jedoch war in den letzten 2 Jahren knapp jedes vierte Unternehmen in Deutschland Opfer von Wirtschaftskriminalität und von den befragten 100 größten Unternehmen sogar mehr als die Hälfte.4 Der Versuch Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen, führte lange dazu, Kriminelle in die Enge zu treiben, sodass diese neue Lücken suchten, um ihre Machenschaften durchzuführen. Die Statistik zeigt, dass die Bekämpfung zunächst 2007 und 2008 Erfolg hatte, aber 2009 und 2010 neue Wege von Wirtschaftskriminalität wie ein Bumerang-Effekt in der Wirtschaft einschlugen. Gerade die folgenden Wirtschaftskrisen nach 2006 förderten die kriminelle Energie, mit der die Täter neue Wege suchten. Die dabei entstehenden Reputationsschäden könnten die geschäftliche Beziehung derart beeinflussen, dass Unternehmen in existenzgefährdende Situationen geraten.

1.2 Problemstellung

Immer wieder sorgen verschiedene Fälle von Wirtschaftskriminalität in großen bekannten Unternehmen wie z.B. Comroad, Enron, Balsam und Flowtex in der Vergangenheit dafür, dass das Vertrauen in die Wirtschaft massiv beschädigt ist.5 Flowtex Technologie war ein Unternehmen, dessen Geschäft der Vertrieb von sog. Horizontalbohrmaschinen war, wobei die Herstellung und Lieferung durch eine Tochtergesellschaft durchgeführt wurde. Anschließend wurden die Horizontalbohrmaschinen an einen Partner übergeben, der diese dann an Endverbraucher bzw. Kunden vermietete und somit wurden unter wirtschaftlichen Einfluss von Flowtex Leasingverträge mit den Partnern über Horizontalbohrmaschinen abgeschlossen, die gar nicht existierten. Zur Zahlung der Leasingraten verwendete Flowtex den Kaufpreis, der von Banken refinanziert wurde. Es sollte so aussehen, als würde Flowtex Bohrmaschinen an eine Leasinggesellschaft verkaufen und verbucht wurde der Kaufpreis als Umsatzerlöse, wobei diese Bohrmaschinen gar nicht existierten.6 Damit dieser Betrug nicht auffiel, fälschte Manfred Schmieder, der Gründer von Flowtex, Jahresabschlüsse, Kontoauszüge und schloss Leasingverträge ohne materiellen Hintergrund ab. Somit war dieser Betrug auf den ersten Blick im System des Unternehmens nicht zu erkennen. Zu einem späteren Zeitpunkt, wo der Betrug entdeckt war, stellte sich heraus, dass von insgesamt 3411 Bohrmaschinen nur 281 existierten. Dies bedeutete, dass fast 92 Prozent der Verträge gefälscht waren. Manfred Schmieder transportierte die wenigen vorhandenen Bohrmaschinen von Baustelle zu Baustelle und montierte nur immer wieder neue gefälschte Typenschilder an die Bohrmaschinen, um somit den Wirtschaftsprüfern und Bankern immer wieder dieselben Geräte vorzuzeigen. Der Schaden, der durch diesen Betrug entstand, belief sich auf über 2 Milliarden Euro und wurde während einer Steuerprüfung im Unternehmen aufgedeckt.

Einer der größten Skandale in den USA war der Fall Enron, dem zu diesem Zeitpunkt größter Energiehändler der Welt.7 Seine unternehmerische Tätigkeit auf dem Kapitalmarkt wurde mit über 80 Milliarden US Dollar Börsenwert bewertet. Fremdfinanzierungen ermöglichten dem Unternehmen bei neuen Produktmärkten einzusteigen, wobei der Cash-Flow des Unternehmens die Finanzierungskosten bei Weitem nicht abdeckt, sodass Kenneth Lay, der CEO, nach 20 aufeinanderfolgenden gewinnbringenden Quartalen, zum ersten Mal in der Firmengeschichte überraschend einen Verlust von 618 Millionen US Dollar ausweisen musste. Daraufhin wurden die Betriebsergebnisse der letzten Jahre rückwirkend um 586 Millionen US Dollar nach unten korrigiert. Aus diesem Grund verloren Anleger und Investoren das Vertrauen in das Unternehmen und verkauften ihre Anteile auf dem Kapitalmarkt, was dazu führte, dass innerhalb weniger Wochen der Aktienkurs von 85 US Dollar auf 26 US Cent fiel. Im Dezember 2001 beantragte Enron Gläubigerschutz.8 Dabei stellte sich heraus, dass nicht existierende Gewinne ausgewiesen wurden. Dazu kam, dass Verbindlichkeiten verborgen blieben, um sich weiterhin mit Krediten finanzieren zu können.9 Das ist ein Musterbeispiel für das Versagen der Kontrollorgane. Für die Prüfung und Beratung war das Unternehmen von Arthur Anderson zuständig, die die zweifelhaften bilanziellen Maßnahmen vorangetrieben und abgesegnet hatten. Nachdem der Skandal aufgeflogen war, wurde sogar Beweismaterial vernichtet.

Diese zwei Fälle sind nur Beispiele, die aufgrund ihrer Größe und Bekanntheit durch die Medien gingen und somit das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zogen. Studien von großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie KPMG, PwC und Ernst & Young belegen, dass Wirtschaftskriminalität ein ernsthaftes Problem für die Unternehmen darstellt. Wirtschaftskriminalität kostet betroffene Unternehmen jedes Jahr durchschnittlich 317.400 Euro.10 Wie schon in Kapitel 1.1 kurz erläutert, ist alleine in Deutschland die Wirtschaftskriminalität 2013 mit 71.663 Fällen sehr hoch. Leider wird dies aber von vielen Unternehmen noch immer unterschätzt, da von 500 befragten deutschen Unternehmen, 56 Prozent noch immer kein Compliance-Programm besitzen.11 Zudem wird belegt, dass Präventionen Lücken aufweisen, die Maßnahmen falsch ausgerichtet sind und das Risiko unterschätzt wird.12 Oftmals sind Präventions- und Aufdeckungsmaßnahmen zu unspezifisch.13 So lange Unternehmen Wirtschaftskriminalität unterschätzen, wird die Wirtschaft immer anfällig bleiben. Daher sollte dieses Thema eine hohe Relevanz bei Geschäftsführung und Aufsichtsräten haben und mit hoher Sensibilität in Unternehmen behandelt werden. Aus diesem Grund sind gezielte Methoden und Instrumente zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen unverzichtbar.

1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Das Ziel dieser Arbeit ist, wirkungsvolle Instrumente und Methoden zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen zu erarbeiten, und zu prüfen, ob diese überhaupt Wirtschaftskriminalität verhindern.

In Kapitel zwei werden zunächst die Begriffe Fraud und Wirtschaftskriminalität voneinander abgegrenzt. Eines der Hauptaugenmerke der Arbeit wird auf Top Management Fraud liegen. Außerdem wird der Begriff Prävention klar definiert. Danach werden bedeutende Erklärungsansätze von Fraud bzw. Wirtschaftskriminalität aufgezeigt. Daraufhin wird Bezug auf die Forschungsansätze nach Cressey und nach Albrecht genommen.

In Kapitel drei wird eine Analyse ausgewählter Methoden zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität im Unternehmen dargestellt, wobei eine Untergliederung zwischen unternehmensinternen und unternehmensexternen Maßnahmen vorgenommen wird. Danach wird festgestellt, ob die Einführung eines Anti-Fraud-Managementsystems eine geeignete Maßnahme darstellt, um Wirtschaftskriminalität zu verhindern bzw. aufzudecken. Anschließend werden Methoden für den Abschlussprüfer vorgestellt, die von hoher Relevanz sind, um Wirtschaftskriminalität wirksam zu entdecken.

Im Anschluss wird in Kapitel vier dann die Bedeutung der Aufsichtsorgane von Unternehmen hinsichtlich der Maßnahmen zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität erklärt, wobei der Aufsichtsrat, die Interne Revision und der Abschlussprüfer im Fokus der Untersuchung stehen.

Die Arbeit schließt mit einem zusammenfassenden Schlussbetrachtung und dem Fazit der Zwischenergebnisse der vorangegangen Kapitel ab.

2 Wirtschaftskriminalität in Unternehmen

Bis heute gibt keine eindeutige Definition für das "interdisziplinäre Phänomen Wirtschaftskriminalität", da das Problem der Interdisziplinarität zu groß ist.14 Es gibt keine genaue Erklärung, die ausreichend genug ist, alle Problematiken zu beinhalten. Die Schwierigkeiten resultieren unter anderem aus drei Faktoren:15

- der Komplexität des Gegenstandes
- dem Fehlen eines gefestigten allgemeinen Normenbewusstseins
- dem Wandel der Erscheinungsformen

Der Versuch eine gültige Definition zu finden, scheiterte sogar am Schweizer Juristentag im Jahre 1985 mit der Agenda Wirtschaftskriminalität. Um jedoch Wirtschaftskriminalität eindeutig klassifizieren zu können, wurde ein Indikator-Modell entwickelt, dass zeigt, "je mehr Indikatoren im konkreten Sachverhalt erfüllt sind, umso stärker sind die Indizien auf das Vorliegen von Wirtschaftskriminalität" (siehe Anhang 1).16 Laut Müller kann eine klare Definition fallbezogen als zweckmäßig oder unzweckmäßig gesehen werden, aber niemals als richtig oder falsch,17 da bei unterschiedlichen Ansätzen und Versuchen, Wirtschaftskriminalität zu definieren, unter anderem unterschieden wird zwischen soziologischen, prüferischen und juristischen Ansätzen.18 Die Literatur weist weitere Kategorisierungen in täterbezogen und tatbezogen auf, bzw. einen kriminologischen empirischen und einen normativen Ansatz,19 während die dogmatischen Definitionen in systembezogen und schadensbezogen unterteilt sind.20 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht im Bereich Wirtschaftskriminalität hat eine geschäftsschädigende Handlung von Mitarbeitern Priorität.21 Dabei unterscheidet Kirsten Sell Handlungen, die das Bilanzrecht betreffen und solche, die das Bilanzrecht nicht tangieren.22 Delikte, die bewusst gegen bilanzrechtliche Vorschriften auf Erstellungsebene der Buchführung und Abbildungsebene im Jahresabschluss getätigt werden, werden als Bilanzdelikte bezeichnet,23 wobei nicht das Bilanzrecht betreffende Wirtschaftsdelikte bewusst begangene Gesetzesverstöße oder kriminelle Handlungen sind, obwohl die persönliche Bereicherung im Vordergrund steht. Diese Art von Wirtschaftskriminalität, bei der dem Unternehmen gezielt Schaden zugefügt wird und die persönliche Bereicherung des Täters an erster Stelle steht, wird dolose Handlung genannt.24 In der englischen Terminologie werden bewusste Verstöße als „Fraud“ bezeichnet. Dies bedeutet Betrug, Schwindel, Täuschung und Unterschlagung, wobei der Begriff aus dem lateinischen fraus, fraudis stammt.25

2.1 Definitionen und inhaltliche Abgrenzungen

Im Folgenden werden zunächst sowohl unternehmensbezogene Definitionen als auch eine genauere Definition von Fraud beschrieben und zwischen den davon abgeleiteteten Begriffen Accounting Fraud, Top Management Fraud sowie Employee Fraud differenziert. Im Anschluss folgt die Begriffserklärung Prävention und ihre Bedeutung, die in eine kurze Erklärung der gesetzlichen Regelung übergeht.

2.1.1 Unternehmensbezogene Begriffe

Bei diesen Begriffen handelt sich um Straftaten von Angehörigen, die mit dem Unternehmen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit, in Verbindung stehen, wobei darauf zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer eingegangen wird. Es wird unterschieden zwischen "occupational crime" und "corporate crime".

"Occupational crime" sogenannte Berufsstraftaten, dienen dem Eigennutz mit dem Ziel, dem Unternehmen zu schaden, wobei "Corporate crime" sogenannte Verbandsstraftaten, bspw. Schmiergeldzahlungen sind, um Aufträge für das Unternehmen zu erlangen. Verbandsstraftaten sollen zum Vorteil des Unternehmens sein. Berufsstraftaten sind somit dolose Handlungen, während die Verbandsstraftaten zwar dem Eigennutz persönlich oder des Unternehmens dienen, aber nicht, um dem Unternehmen zu schaden. Jedoch deckt auch dieser Ansatz nur einen geringen Teil der Wirtschaftskriminalität ab.26

2.1.2 Accounting Fraud

Accounting Fraud wird als Bilanzmanipulation oder Täuschung bezeichnet. Hauptsächlich begehen diese Tat gesetzliche Vertreter, Aufsichtsorgane oder leitende oder nicht leitende Mitarbeiter des Unternehmens.27 Gibt es mehrere Täter, wird von einer Kollusion gesprochen.28 Accounting Fraud lässt sich dabei in Gesetzesverstöße und Vermögensschädigungen unterteilen,29 wobei nach der Intention der Tat differenziert wird. Täuschungen und Manipulationen in der Rechnungslegung sollen häufig für eine bessere Außendarstellung des Unternehmens bewirken, während einer Vermögensschädigung meist eine persönliche Bereicherungsabsicht zu Grunde liegt.

In der Öffentlichkeit sowie in den Unternehmensführungsebenen sind die Meinungen über Accouting Fraud gespalten.30 Auf der einen Seite hat die Vergangenheit gezeigt, dass unrechtmäßiges Handeln im Zusammenhang mit der Rechnungslegung immer wieder auftritt, auch dort, wo es nicht vermutet wird. Nicht nur aus diesem Grund hat das Vertrauen von Kapitalgebern oder Lieferanten in die veröffentlichen Finanzinformationen gelitten. Zum anderen wird regelmäßig von Unternehmensvertretern betont, dass Accouting Fraud nicht vernachlässigt werden darf, aber nicht für das eigene Unternehmen gelte. Diese falsche Wahrnehmung führt zu dem Risiko, das mit dem Eintreten von Accounting Fraud verbunden ist und den daraus entstehenden finanziellen Schäden, vor allem dem Imageschaden. Welche Manipulationen genau unter Accounting Fraud fallen, wird in Anhang 2 erklärt.

2.1.3 Top Management Fraud und Employee Fraud

Oftmals ist die Manipulation der Rechnungslegung die Folge eines sog. "Management Override of Controls".31 In diesem Fall setzen die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft oder andere Führungskräfte tatsächlich funktionierende und wirksam arbeitende Kontrollmechanismen des internen Überwachungssystems, wie z.B. das Vier-Augen-Prinzip absichtlich außer Kraft, um damit ihr bewusst unrechtmäßiges Handeln und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Jahresabschluss zu verdecken.

Diese Art von Fraud wird als Top Management Fraud bezeichnet. Top Management Fraud bezeichnet die Manipulation oder Täuschung durch Mitarbeiter der Führungsebene wird dies jedoch von Mitarbeitern der ausführenden Ebene begangen, wird es Employee Fraud genannt. Verstöße und Delikte im Bereich der untersten Hierarchieebene gibt es häufiger als in der Führungsebene, wobei es den meisten Tätern in der ausführenden Ebene um die persönliche Bereicherung geht. Der verursachte Schaden ist aufgrund der fehlenden und eingeschränkten Kompetenz verhältnismäßig gering, da es sich hierbei eher um Bagatelldelikte handelt, wie z.B. Diebstahl von Büromaterial oder Bargeld. Für Delikte mit größerem Umfang fehlt es in der untersten Hierarchieebene an ausreichenden Kenntnissen zur Funktionsweise des internen Kontrollsystems, weshalb sie dieses nicht oder zumindest nicht vollständig ausschalten können. Zusätzlich verfügen sie nicht über dieselben organisatorischen Möglichkeiten wie die oberste Führungsebene, um ihr Handeln zu verdecken. Die weitreichende Kompetenz von Mitarbeitern der Führungsebene führt dazu, dass diese oft wesentlich höhere und schwerwiegendere Schäden im Unternehmen verursachen können. Aufgrund ihrer Machtposition und der damit einhergehenden Verfügungsgewalt sind die Täter im Top Management in der Lage, gezielt interne Kontrollen zu umgehen oder gänzlich auszuschalten.32 Wie schon am Anfang erläutert, wird dies als "Management Override of Internal Controls" bezeichnet.

Das Ziel von Manipulation in der Rechnungslegung durch die oberste Führungsebene liegt meist in der Beeinflussung von Ergebnisgrößen, wie z.B. dem Betriebsergebnis und anderen Kennzahlen wie der Eigenkapitalquote. Kapitalgeber und Investoren sollen bewusst getäuscht werden, d.h. der wirtschaftliche Erfolg und die Profitabilität der Gesellschaft werden falsch dargestellt.33 Oft entsteht dieses Szenario aufgrund herrschenden Drucks, bspw. zur Erfüllung von Markterwartungen. In Anhang 3 werden spezifische Beispiele für die Beeinflussung des Geschäftsergebnisses aufgelistet. Abbildung 2 soll nochmals den Zusammenhang der Unternehmenshierarchie und der Schadenshöhe je Einzelfall durch Fraud verdeutlichen, wobei zu erkennen ist, dass Top Management Fraud einen viel höheren Schaden verursachen kann als Employee Fraud.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Top Management Fraud und Ausführungsebene Employee Fraud Unternehmenshierarchie und Schadenshöhe im Einzelfall

Eigene Darstellung in Anlehnung an Hofmann, S., 2008, S. 59

Das Ergebnis einer Studie der ACFE (Association of Certified Fraud Examine) bestätigt, dass Täter aus dem Top Management, also Geschäftsführer, Gesellschafter und Eigentümer, für nur vergleichsweise wenige Delikte im Unternehmen verantwortlich sind mit ca. 18 Prozent. Manager und leitende Mitarbeiter, die der obersten Führungsebene untergeordnet sind, liegen mit schon mehr als doppelt so vielen Delikten bei ca. 38 Prozent, wobei die Employees mit ca. 42 Prozent den größten Teil ausmachen. Die restlichen 2 Prozent entfallen auf andere Personen. Jedoch ist der verursachte Schaden durch Geschäftsführer, Gesellschafter oder Eigentümer etwa zehnmal so hoch wie der durch Mitarbeiter auf der ausführenden Ebene verursachte Schaden.34

2.1.4 Präventionen

Prävention bedeutet ins Deutsche übersetzt so viel wie zuvorkommen, verhüten und kommt aus dem Lateinischen praevenire. Auf die Wirtschaftskriminalität bezogen bedeutet Prävention, vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um ein unerwünschtes Ergebnis oder eine unerwünschte Entwicklung zu verhindern, wobei in Verbindung von deliktischen Handlungen überwiegend die kriminalistische Ausprägung verwendet wird.35 Zu unterscheiden sind drei Formen der Prävention:36

1. Beseitigung der tieferen Kriminalitätsursachen
2. Maßnahmen zur Abschreckung potentieller Täter
3. Sanktionierung, Behandlung sowie Resozialisierung zur Vermeidung von Rückfällen

Nach den Bilanzskandalen in den USA, wie z.B. Enron, entstanden verschärfte Regulierungen für Unternehmen.

Durch die Verabschiedung des SOA (Sarbanese-Oxlay Act) im Jahre 2002 von SOA, sollte das Vertrauen der Investoren und Anleger in die Richtigkeit und Verlässlichkeit der veröffentlichten Finanzdaten wieder zurück erobert und gestärkt werden. In Section 404 des SOA werden die Geschäftsleitung und die Wirtschaftsprüfer verpflichtet, eine Beurteilung der Wirksamkeit des Internen Kontrollsystems für die Rechnungslegung in jedem Jahresbericht abzugeben.

Nach den großen Bilanzskandalen reagierte auch die EU und änderte die 4. und 7. EU-Rechnungslegungsrichtlinie.

In Deutschland wurde das 10-Punkte-Programm zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes verabschiedet. Weltweit wurde mit neuen und verschärften Regulierungen reagiert, die die Präventionen gegen Fraud zum Hauptaugenmerk der Kontrollmaßnahmen werden ließen.

2.1.5 Gesetzliche Regelungen

Als Erstes ist der Paragraph § 74c GVG zu nennen. Dieser Paragraph regelt die strafprozessuale Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammern an den Gerichten. § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO befasst sich mit Wirtschaftsstraftaten wenn sie "nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern". Polizeilich lautet die Definition:

- Die Gesamtheit der in § 74c Abs. 1 Nr. 1-6 GVG aufgeführten Straftaten und
- Delikte, die im Rahmen tatsächlicher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigungen begangen werden und über eine Schädigung von Einzelnen hinaus das Wirtschaftsleben beeinträchtigen oder die Allgemeinheit schädigen können und/oder deren Aufklärung besondere kaufmännische Kenntnisse erfordert.37

2.2 Arten und Erscheinungsformen von Wirtschaftskriminalität

Die folgende Abbildung von KPMG weist die Arten und Erscheinungsformen von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen in den Jahren 2006, 2010, 2012 aus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Art der Wirtschaftskriminalität in den Jahren 2006, 2010, 2012 KPMG, 2012, S. 11

Obwohl die Manipulation von jahresabschlussrelevanten Informationen oder Kartellrechtsverstöße im Vergleich zu Deliktarten wie z.B. Diebstahl und Unterschlagung relativ selten vorkommt, ist diese Art von Delikten in Hinsicht auf den Schaden und die Reputation erheblich.38 Die schädlichsten Arten von Wirtschaftskriminalität werden im Folgenden näher erläutert.

2.2.1 Fälschung von Jahresabschlüssen und Finanzinformationen

Diese Art von Wirtschaftskriminalität ist nicht auf Personen bezogen, sondern auf die Tätigkeit. Ziel der Manipulationen bzw. Fälschungen ist meist die Bereicherung des Unternehmens. Gründe für Manipulationen bzw. Fälschungen von Bilanzen, GuV, dem Anhang sowie dem Lagebericht sind Unternehmenskrisen, Erfolgsdruck und Markteinbrüche, wodurch sich der Täterkreis von alleine definiert. Der Täter kommt aus dem Top Management, da eine gewisse Position in der Unternehmenshierarchie Voraussetzung ist, um Delikte dieser Art zu begehen. Manipulationen bzw. Fälschungen fallen somit unter das Top Management Fraud. Genaue Vorgehensweisen und Zielsetzungen sind in Anhang 5 ersichtlich.

2.2.2 Korruption

Unter dieser Art von Wirtschaftskriminalität werden die Handlungen von Personen verstanden, die ihre Entscheidungsbefugnisse missbrauchen, um sich und Dritten ungerechtfertigte Vorteile jeglicher Art zu verschaffen. Dies wird auch Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung genannt. Grundlegend handelt es sich um Schmiergeldzahlungen, Vorteilsannahmen und im besonderen Ausmaß um wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Angebote über Waren oder gewerblichen Leistungen, die mit dem Konkurrenten rechtswidrig besprochen wurden, werden wettbewerbswidrige Absprache. Sie dienen am häufigsten im Baugewerbe zur Steuerung der Marktpreise.39 Der Korruptionswahrnehmungsindex “Corruption Perceptions Index” (CPI) schätzt den Schaden der deutschen Wirtschaft durch Korruption jährlich auf 250 Milliarden Euro.40 Im Strafgesetzbuch (§§ 263, 266, 298, 299, 331, 332, 333, 334 StGB) und in der Abgabenordnung (§ 370 AO) sind die gesetzlichen Regelungen festgehalten.

2.2.3 Geldwäsche

Als Geldwäsche wird die Einschleusung illegal erwirtschafteten Geldes bzw. von illegal erworbenen Vermögenswerten in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf bezeichnet. Das illegale Geld stammt aus organisierter Kriminalität wie bspw. Drogenhandel, Waffenhandel, Menschenhandel, Prostitution, in Deutschland auch Steuerhinterziehung oder soll der Finanzierung illegaler Tätigkeiten dienen. Geldwäsche ist ein Straftatbestand sowohl nach deutschem Strafrecht als auch nach dem Strafrecht anderer Länder. Um das illegale Geld als Umsatz ins Unternehmen einzuschleusen, wird das Bargeld auf einem Bankkonto eingezahlt. Um die Herkunft des Geldes nicht mehr feststellen zu können, werden möglichst viele Kontenbewegungen vorgenommen. Nach diesem Vorgang ist das Geld quasi im legalen Umlauf des Unternehmens.41 Die Bekämpfung von Geldwäsche ist im Strafgesetzbuch (§ 261 StGB), im Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG), im Geldwäschegesetz (GWG) und in der Abgabenordnung (§ 370a AO) geregelt.

2.3 Verursachte Schäden

Die Zahl der Wirtschaftskriminalitätsfälle in Unternehmen liegt bei knapp 675.000 im Jahr.42 Laut der Statistik in Kapitel 1 sind 2013 71.663 Fälle polizeilich registriert worden. Erschreckend ist die Tatsache, dass demzufolge durchschnittlich nur jedes neunte Delikt registriert oder aufgeklärt wird. Aus diesem Grund lässt sich der Schaden schwer beziffern. Laut einer Studie beläuft sich der jährliche Gesamtschaden in Deutschland durch Wirtschaftskriminalität auf ca. 20 Milliarden Euro.43 Zu dem Gesamtschaden zählen nicht nur monetär erfasste Schäden, sondern auch immaterielle Schäden, da verübte Wirtschaftsdelikte Geschäftsbeziehungen beeinträchtigen können und dem Unternehmen bzw. der Produktmarke einen Reputationsverlust zufügen. Folglich leidet darunter die Arbeitsmoral bzw. die Motivation der Mitarbeiter.44

2.4 Forschungsansätze hinsichtlich der Gründe für die Entstehung von Wirtschaftskriminalität im Unternehmen

Wirtschaftsdelikte sind sog. Sonderdelikte.45 Nur Personen, die solche Täterqualifikationen aufweisen, können als Täter im Sinne des § 25 StGB agieren. 1939 lenkte der US-amerikanische Soziologe Edwin H. Sutherland als erster Wissenschaftler die Aufmerksamkeit auf das Phänomen des „White Collar Crime“. Edwin H. Sutherland galt als einer der bedeutendsten Kriminologen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Begriff des „White Collar Crime“ bedeutet so viel wie "Weißer-Kragen-Kriminalität". Ursprünglich waren damit die wirtschaftskriminellen Handlungen von Firmen und Personen, die im Zuge ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit begangen werden, gemeint.46 „White Collar Crime“ ist eine aus der empirischen Wissenschaft stammende, täterbezogene kriminologische Definition für Wirtschaftskriminalität. Diese Definition zieht Erkenntnisse zum Tätertyp der kriminellen Wirtschaftshandlungen und unterscheidet sich vom Klischee eines üblichen Kriminellen deutlich, da den Tätern das Unrechtsbewusstsein fehlt. Diese Täter sehen sich selber als ehrenhaft an, statt als Kriminelle. Als Edwin H. Sutherland diesen Ansatz erforschte, bemerkte er, dass Straftaten nicht nur von Personen der sozialen Unterschicht begangen werden, sondern auch von Personen der Mittel- und Oberschicht, den Straftätern mit dem sog. „weißen Kragen“. Mittlerweile verbindet sich mit diesem Begriff jegliche Art von wirtschaftskriminellen Handlungen, welche „vom Schreibtisch aus“ begangen werden können.47

Weitere Erkenntnisse zum Täterprofil hat die kriminologische Forschung gezogen:48

- meist männlich
- ca. 40 Jahre alt und verheiratet
- gebildet
- besitzen hohe Risikobereitschaft
- seit über zehn Jahren im Unternehmen
- karriereorientiert
- aus der mittleren und oberen Mittelschicht
- haben Durchsetzungsstärken
- Eigenschaften, um den Erfolg auszuzeichnen

Der Ansatz von Edwin H. Sutherland ist ausschließlich auf den Täter bezogen und nicht auf die Tat.

2.4.1 Fraud-Scale. Das Modell nach Albrecht

Dr. W. Steve Albrecht ist ein angesehener Forscher im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Albrecht absolvierte eine wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung mit dem Schwerpunkt Rechnungswesen, was ihn somit von Donald R. Cressey unterscheidet, der einer von Edwin H. Sutherlands Studenten an der Universität von Indiana war.

Albrecht war eine Zeitlang Präsident der ACFE (Association of Certified Fraud Examiners) und der AAA (American Accounting Association). Die AAA ist eine Vereinigung auf dem Gebiet des Rechnungswesens. Sie fördert weltweite Bildung und Forschung in der Buchhaltung. Die ACFE hingegen ist eine Organisation, die hauptsächlich in der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und organisierter Kriminalität tätig ist. Sie verleiht nach dem abgelegten Berufsträgerexamen den Titel des Certified Fraud Examiners (CFE). Albrecht selbst war es, der den Grundstein für den CFE legte, da er davon überzeugt war, dass der traditionelle Buchhalter, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und interne Revisor die falsche Ausbildung hätten, um Fraud zu bekämpfen. Er war der Meinung, dass ein CFE eine Ausbildung in den Bereichen Rechnungswesen, Recht, Ermittlungsmethoden und Kriminologie durchlaufen müsste.49

Albrecht führte eine Studie durch, indem er interne Revisoren von Unternehmen befragte, die Opfer von Wirtschaftskriminalität geworden sind. In der Studie mit 212 Fällen der Wirtschaftskriminalität, beschäftigte sich Albrecht mit dem wohl interessantesten Bereich der Studie, nämlich den Tätermotiven, und nahm eine Kategorisierung der Täter in neun Typen vor:

1. Der unbändige Wunsch nach dem persönlichen Vorteil
2. Hohe persönliche Verschuldung
3. Ein Lebensstil über den eigenen finanziellen Möglichkeiten
4. Die enge Verbindung mit Kunden
5. Persönliche Auffassung, dass das Gehalt nicht mit der Verantwortung übereinstimme
6. Der starke Drang, das System zu überlisten
7. Übermäßiger Druck von Familie und Freundeskreis
8. Die Um-Jeden-Preis-Einstellung
9. Spielsucht50

Nach dieser Kategorisierung ist ein einheitlicher Zusammenhang mit der aufgestellten Hypothese von Cressey zu erkennen, worauf in Kapitel 2.2.2 genauer eingegangen wird. Außer der Kategorisierung der Tätertypen untersuchte Albrecht Zusammenhänge zwischen der Motivation der Täter und dem verursachten wirtschaftlichen Schaden, wobei die nicht kommunizierbaren finanziellen Probleme von Cresseys Tätern der Motivation dieser Täter sehr stark ähnelt.

Albrecht fand heraus, dass vor allem Täter in große Fälle von Fraud verwickelt waren, die es als Herausforderung sahen, das System zu überlisten. Ebenso kam er zu dem Ergebnis, dass in alle großen Delikte Mitarbeiter involviert waren, die einen unverhältnismäßig hohen Vertrauensvorschuss bekamen, unrealistische Zielvorgaben erfüllen oder unter ständigem Druck arbeiten mussten. Auf der anderen Seite waren Täter, die der Meinung waren, unterbezahlt zu sein, eher in kleine Delikte verwickelt.51

Identisch mit den Ergebnissen von Cressey ergaben die Untersuchungen, dass drei Faktoren ausschlaggebend für die Entstehung von Fraud sind:

1. situativer Druck
2. wahrgenommene Gelegenheit und dessen Geheimhaltung
3. persönliche Integrität des Mitarbeiters

Ein erhöhtes Risiko für Fraud besteht, wenn der situative Druck und gleichzeitig die wahrgenommene Gelegenheit hoch und die persönliche Integrität des Mitarbeiters gering ist.

Außerdem ging aus der Studie hervor, dass Wirtschaftskriminelle nur sehr schwer in bestimmte Profile eingeordnet werden können, wodurch es schwierig ist Fraud, vorherzusagen. Aufgrund dieser Tatsachen umfasste Albrecht eine Liste mit 82 möglichen Warnsignalen, den sog. Red Flags, die zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlich behandelt werden.

2.4.2 Fraud-Triangle. Das Modell nach Cressey

Der andere hoch anerkannte Forscher, von dem auch im letzten Kapitel die Rede war ist Donald R. Cressey. Dieser war, wie schon erwähnt, in den 1940er Jahren einer von Sutherlands Studenten an der Universität von Indiana und betrieb, im Gegensatz zu Sutherland, dessen Studien sich mit Wirtschaftskriminalität im Top Management befassten, Forschung an Fällen von Unterschlagungstätern.52 Donald R. Cressey gilt ebenso wie Sutherland als Vorreiter im Bereich der Grundlagenforschung zur Wirtschaftskriminalität und veröffentliche 1973 seine wesentliche Hypothese in seiner Dissertation namens Other People’s Money: A Study in the Social Psychology of Embezzlement. (Das Geld anderer Leute: Eine Studie in der sozialen Psychologie der Unterschlagung)

Im Laufe der Jahre entwickelte Cressey das Betrugs-Dreieck, bekannt geworden als “Fraud-Triangle“. (siehe Abbildung 3) Dieses anerkannte Modell basiert auf Befragungen in den USA, und wird noch heute als Frühwarninstrument im Unternehmen angewandt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Fraud-Triangle nach Cressey

https://www.risknet.de/themen/risknews/70-prozent-nennen-ehemalige-mitarbeiter-oder- insider-als-risikogruppe/b6d2de5d7f4cb06c6f0f5e136e4eae04/

Sind die Faktoren Motivation, Gelegenheit und Rechtfertigung gleichzeitig gegeben, entsteht laut Cresseys Modell Wirtschaftskriminalität. Eine weitere große Gefahr könnte bestehen, wenn das interne Kontrollsystem Fehler oder Ineffektivität aufweist.

Das Element “Motivation” repräsentiert dabei ein nicht mit anderen Personen kommunizierbares finanzielles Problem, wobei Anreize, eine Tat zu begehen, meist durch persönliche Probleme wie z.B. Geldnot oder Leistungsdruck entstehen. Laut Cressey ist dies der wichtigste Baustein des Dreiecks, auch finanzieller Druck genannt.53 Ob jedoch für einen Täter ein nicht mit anderen Personen kommunizierbares Problem vorliegt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Als Beispiel wird an dieser Stelle die Wettsucht genannt. Eine gewisse Person kann bei Sportwetten mehrfach erhebliche Summen an Geld verlieren, wobei daraus auch ein finanzielles Problem für diese Person entstehen kann. Dies wiederum bedeutet aber nicht, dass diese Person die Wettsucht nicht einer dritten Person anvertraut, während sich andere Wettsüchtige für die möglichen Verluste schämen würden und dies als ein nicht mit anderen Personen kommunizierbares Problem sehen. Diese Problemstellung existiert auch in Unternehmen. Es gibt Unternehmen, die ihre finanziellen Probleme mit Geschäftspartnern oder Mitarbeitern besprechen und andere, die das Problem geheim halten wollen.54

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1 Vgl. http://de.statista.com/themen/801/wirtschaftskriminalitaet/

2 http://www.pwc.de/de/risiko-management/praevention-von-wirtschaftskriminalitaet- deutsche-unternehmen-mit-defiziten.jhtml

3 http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutsche-wirtschaft-korruption-richtet-schaden- von-250-milliarden-euro-an-a-821687.html

4 Vgl. KPMG, 2012, S.6

5 Vgl. Schruff, W., 2005, S. 207

6 Vgl. Peemöller, V.H./ Hofmann, S., 2005, S. 98

7 Vgl. Thomas, W., 2002, S. 42

8 Vgl. Thomas, W., 2002, S. 44

9 Peemöller, V.H./ Hofmann, S., 2005, S. 30

10 Vgl. KPMG, 2012, S. 10

11 Vgl. http://www.pwc.de/de/risiko-management/praevention-von-wirtschaftskriminalitaet- deutsche-unternehmen-mit-defiziten.jhtml

12 Vgl. KPMG, 2012, S. 7

13 Vgl. KPMG, 2010, S. 3

14 Vgl. Müller, C., 1995, S. 839ff.

15 Vgl. Volk, K., 2006, S. 7

16 Peemöller, V.H./ Hofman S., 2005, S. 20

17 Vgl. Müller, C., 1995, S. 840

18 Vgl. Pastner, M., 2005, S. 59f.

19 Vgl. Tidemann, K., 1976, S. 234

20 Vgl. Gropp, H., 1998, S. 20

21 Vgl. Müller, C., 1996, S. 578

22 Vgl. Sell, K., 1999, S. 3ff.

23 Vgl. Peemöller, V.H./ Hofman S., 2005, S. 21

24 Vgl. Sell, K., 1999, S. 4

25 Vgl. Wells, J.T./Kopetzky, M., 2012, S. 2

26 Vgl. Wittig, P., 2010, S. 7

27 Vgl. Boecker, C./Zwirner, C., 2012, S. 2

28 Vgl. Hofman, S., 2008, S. 58

29 Vgl. Boecker, C., 2010, S. 22

30 Vgl. Boecker, C., 2010, S. 1ff.

31 Vgl. Hofmann S., 2008, S. 45

32 Vgl. Peemöller, V.H./ Hofman S., 2005, S. 27

33 Vgl. Schindler J./ Gärtner M., 2004, S. 1237

34 Vgl. ACFE, 2012, S. 39f.

35 Vgl. Lechner, S., 2011, S. 42

36 Vgl. Lechner, S., 2011, S. 42

37 Vgl. http://www.thueringen.de/de/lka/strafverfolgung/ermittlungen/u0/u_start.html

38 Vgl. KPMG, 2012, S. 11

39 Vgl. Többens, H.W., 2006, S. 105 u. 109

40 Vgl. www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518

41 Vgl. Tidemann, K., 2005, S. 127

42 Vgl. KPMG, 2012, S. 10

43 Vgl. KPMG, 2012, S. 10

44 Vgl. PwC, 2005, S. 14f., vgl. Zimmer, M/ Stetter, S., 2006, S. 1445

45 Vgl. Volk, K., 2006, S. 8

46 Vgl. Wells, J.T./ Kopetzky, M., 2012, S. 5

47 Vgl. Wells, J.T./ Kopetzky, M., 2012, S. 5

48 Vgl. Wittig, P., 2010, S. 7

49 Vgl. Wells, J.T./ Kopetzky, M., 2012, S. 18

50 Vgl. Albrecht, W.S./ Howe, K.R./ Romney, M.B., 1984, S. XIV

51 Vgl. Albrecht, W.S./ Howe, K.R./ Romney, M.B., 1984, S. XV

52 Vgl. Dorminey, J./ Flemming, S./ Kranacher, M.-J./ Riley, R.JR., 2012, S. 557

53 Vgl. Cressey, D.R., 1973, S. 34

54 Vgl. Cressey, D.R., 1973, S. 34f.

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Methoden und Instrumente zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen
Hochschule
Rheinische Fachhochschule Köln
Note
1.7
Autor
Jahr
2015
Seiten
91
Katalognummer
V1003057
ISBN (eBook)
9783346378651
ISBN (Buch)
9783346378668
Sprache
Deutsch
Schlagworte
BWL, Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftskriminalität
Arbeit zitieren
Pascal Tibi (Autor:in), 2015, Methoden und Instrumente zur Aufdeckung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1003057

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