Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Anthony Downs "An Economic Theory of Democracy"
2.1 Der rationale Wähler
2.2 Die rational handelnden Parteien
3. Das politische System der direkten Demokratie in der Schweiz
4. Die Demokratietheorie Downs und die Direktdemokratie der Schweiz
4.1 Das Problem der Informationskosten
4.2 Das Prinzipal-Agent Problem
5. Kritik an Downs Theoriemodell
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ Demokratie besteht nicht nur darin, alle paar Jahre zur Wahl zu gehen, sondern muss auch in der Zeit dazwischen gelebt werden. Die Möglichkeiten dazu sollen weiterentwickelt werden. “
Dieses Zitat der ehemaligen österreichischen SPÖ Politikerin Barbara Prammer (1954-2014) gibt die Richtung vor, in welche sich diese Seminararbeit "Die Politische Ökonomie der direkten Demokratie am Beispiel der Schweiz" bewegen soll.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die politische Repräsentation in den Staaten Europas und anderer westlicher Länder in einer Krise befindet. Über Jahrzehnte gewachsene Bindungen zwischen Wählern und Parteien scheinen zunehmend aufzuweichen. Immer mehr Menschen ändern ihr gewohntes Wahlverhalten und laut Meinungsumfragen wächst die Zahl derer, welche es ablehnen sich überhaupt mit einer Partei zu identifizieren (Manin 2007: 263). In den betroffenen Staaten gibt es daher immer mehr Stimmen, die eine stärkere Beteiligung des Volkes an den politischen Willensbildungen fordern, um diesem Phänomen eine wirksame Antwort entgegenzusetzen. Sehen sie die Ursache hierfür, doch in einer zunehmenden Entfernung zwischen der Regierungselite und dem Wahlvolk.
Ein vielbeachtetes Beispiel, besonders in Deutschland, ist das direktdemokratische Modell der Schweiz. Es hat seinen festen Platz zwischen all den anderen Demokratieformen in Europa und kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Doch wie kann das Schweizer Modell der direkten Demokratie politökonomisch erklärt werden? Diese Frage soll mit Hilfe der "Ökonomischen Theorie der Demokratie" von Anthony Downs beantwortet werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Leser weiß, wie die Wahlen in indirekten Demokratien funktionieren. Des Weiteren soll keine Kritik an der repräsentativen oder der direkten Demokratie geübt werden. Einzig und allein die politökonomische Betrachtungsweise von Downs spielt hier eine Rolle. Zur Vereinfachung werden auch keine mathematischen Formeln herangezogen und aufgrund des Umfangs dieser Arbeit kann kein empirisches Forschungsdesign angelegt werden.
Die methodische Herangehensweise, um zu einer befriedigenden Antwort auf die Frage zu gelangen, leitet sich aus dem Inhaltsverzeichnis ab. Im Kapitel 2 und den beiden folgenden Unterkapiteln werden die Grundannahmen von Downs Theorie erläutert. Im dritten Kapitel wird dann das direktdemokratische System der Schweiz erläutert, um es anschließend im Kapitel 4 mit der demokratischen Methode von Downs in Verbindung zu bringen. Die Unterkapitel 4.1 und 4.2 sollen dabei helfen, die Fragestellung in den Kontext einzuordnen. Das vorletzte Kapitel setzt die Ergebnisse in den Zusammenhang und versucht die Frage zu beantworten. Im Fazit werden schlussendlich die Resultate zusammengefasst.
2. Anthony Downs "An Economic Theory of Democracy"
Im Zentrum des zweiten Kapitels steht eine der wichtigsten Pionierleistungen der Neuen Politischen Ökonomie. Mit seiner 1957 im englischen Original veröffentlichten Doktorarbeit "An Economic Theory of Democracy" (Ökonomische Theorie der Demokratie), schuf Anthony Downs ein geschlossenes Modell einer Theorie der Demokratie bzw. der Wahlen in einer Demokratie (Fluhrer 1994: 61). Anlehnend an Joseph A. Schumpeters (1883-1950) bekannten Buch "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" (1924), hat Downs dessen Ideen aufgegriffen und in einer systematischen Theorie zusammengefasst (Lehner 1981: 21).
Die Ökonomik untersucht, wie sich Individuen in bestimmten Situationen entscheiden. Hierbei wird den Akteuren ein spezifisches Verhaltensmodell, nämlich das des "homo oeconomicus" zugrunde gelegt. Während der ursprüngliche Anwendungsbereich dieses Modells die Untersuchung ökonomisch genannter Prozesse ist, verwendet die Neue Politische Ökonomie diesen Ansatz auch zur Analyse von politischen Prozessen und Entscheidungsvorgängen. Hinter diesem Konzept steht der mündige Staatsbürger, der sich seiner eigenen Interessen gänzlich bewusst ist und diesbezüglich keiner Hilfestellung von außen bedarf. Seine Entscheidungen werden rational im Sinne der persönlichen Nutzenmaximierung betrachtet und unterliegen nach Downs keiner moralischen oder ethischen Bewertung (Frey/Kirchgässner 1993: 134).
Der Begriff der ökonomischen Rationalität wird von Downs folgendermaßen verwendet: Bei festgelegten Zielen gilt es, die vorhandenen Mittel möglichst effizient zur Erreichung des Ziels einzusetzen (Thurner 1998: 29). Hierzu schreibt er:
„[...]economic analysis thus consists of two major steps: discovery of the ends a dicision-maker is pursuing, and analysis of which means of attaining them are most reasonable, i.e. require the least input of scarce resources“ (Downs 1957: 4).
Der demokratische Prozess besteht zudem aus zwei Bestandteilen. Einerseits aus den demokratischen Parteien, welche in Konkurrenz um die Wählerstimmen stehen und andererseits dem Stimmgeber, der nach rationalen Gesichtspunkten entscheidet, ob er wählt und für welche Partei er seine Stimme abgeben wird. Bei Downs wird Politik, als ein Markt verstanden, der denselben Gesetzen von Angebot und Nachfrage folgt, wie ein Wirtschaftsmarkt (Braun 1999: 61).
2.1 Der rationale Wähler
Das Modell des rationalen Wählers ist ein reduktionistisches Modell, welches den Wähler auf einen sehr minimalen Motivationsbereich reduziert. Dies ist nach Downs erforderlich, um überhaupt zu aussagekräftigen Hypothesen zu gelangen (Downs 1968: 7). Der Wähler muss wissen, welche Ziele er hat, welche Möglichkeiten ihm zur Erreichung dieser Ziele offenstehen und er muss sich über die Folgen im Klaren sein, welche seine Entscheidung für eine dieser Optionen vermutlich haben wird (Downs 1968: 202-203).
In einem Zweiparteiensystem (z.B. dem britischen Westminster-System) wird der Wähler die Partei wählen, welche für ihn den erhofften größtmöglichen Nutzen verspricht. Er bildet sein persönliches "Parteiendifferential", indem er die Wahlversprechen der Regierungspartei, mit denen der Oppositionspartei vergleicht, um am Ende diejenige zu wählen, welche sein Nutzeneinkommen maximiert (Downs 1968: 37).
Im Mehrparteiensystem, dass die überwiegende Mehrheit der Parteiensysteme in der Welt ausmacht, ist es laut Downs schwieriger sich rational für eine Partei zu entscheiden. Der mündige Wahlbürger weiß im Vorherein nicht, welche Partei mit einer anderen koalieren wird, wenn etwa die nötigen Mehrheiten für einen Sieg nicht erreicht werden. Somit kann das Wahlverhalten zu einer irrationalen Handlung werden (Downs 1968: 150). Das "Parteiendifferential" soll gebildet werden, ohne einem gesicherten Erwartungswert zugrunde zu liegen (Braun 1999: 66). Es kann in dem Fall für ein Individuum durchaus rational sein, eine andere Partei als die präferierte, welche vielleicht keine Gewinnchancen hat zu wählen, um beispielsweise die ihm unsympathischste am Wahlsieg zu hindern (Schwenk 2008: 31).
Ein weiteres Problem sich rational zu entscheiden, sieht Downs in den "Informationskosten". Informationen sind als Grundlage einer Wahlentscheidung ausschlaggebend, wobei sie gesammelt und erstellt werden müssen. Dies verursacht Kosten (z.B. Zeit- und Opportunitätskosten) und Menschen verfügen über unterschiedliche Möglichkeiten die Informationsmenge zu generieren und rational einzusortieren. Den Ausweg bieten hier Informationsmittler, die sich der Wähler sucht. Dabei ist wichtig, dass nur Informationen beschafft und verarbeitet werden, wie die Grenzkosten dem Grenzertrag gleichkommen (Downs 1968: 212-214). Die Grenzkosten beziehen sich hier in erster Linie auf die benötigte Zeit, um die Informationen einzuholen. Übersteigen die Grenzkosten den Ertrag, beschränkt sich der Wähler auf die nötigsten Informationen und bleibt relativ gesehen uninformiert, befindet sich aber in seinem persönlichen Nutzenmaximum (Schwenk 2008: 34).
Das Nichtwählen kann ebenfalls als rationale Handlung verstanden werden, fällt doch die einzelne Stimme kaum ins Gewicht und entfaltet für den Bürger im Zweifelfall keinen Nutzengewinn durch Wahlteilnahme. Anthony Downs unterstellt aber, dass der Bürger, der in einer Demokratie lebt, ein intrinsisches Interesse an deren Aufrechterhaltung hat und dieses von ihm sogenannte "soziale Verantwortungsbewusstsein", ihn veranlasst seine Stimme auch relativ uninformiert abzugeben (Braun 1999: 70). Ohne Verantwortungsbewusstsein würde das demokratische System mit seiner Teilhabeerfordernis ad absurdum geführt und die Wenigsten würden bewusst mittels Stimmenabgabe am Entscheidungsprozess teilhaben. Aus den oben genannten Gründen folgert Downs, dass demokratische Wahlsysteme unvollkommen funktionieren (Downs 1968: 141). Der Wähler lenkt seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf die ihm wichtigen Fragen, um seine "Informationskosten" zu senken, setzt sich aber somit dem Risiko einseitiger Informationsvermittlung aus, was Downs als "rationale Arroganz" bezeichnet (Heinemann 1999: 102).
2.2 Die rational handelnden Parteien
Politische Parteien (Kooperationen) verfolgen im Downsschen Modell, das Ziel die Regierungsmacht zu erlangen. Sie verhalten sich, ebenso wie die Wähler, rational und egoistisch (Fluhrer 1994: 66). Es geht den Parteimitgliedern in erster Linie, um solche Interessen wie Einkommen, Prestige und Macht bzw. Machterhalt, die mittels ihrer Politik erreicht werden können. Die Politiker benutzen politische Konzepte und Aktionen einzig und allein als Mittel zur Verfolgung ihrer privaten Interessen, welche sie nur durch eine Wahl erreichen können (Downs 1968: 27). Die Parteien und ihre Vertreter werben mit programmatischen Angeboten an Zielgruppen und der Wähler entscheidet, welches Programm seinen Präferenzen am nächsten kommt (Hartmann 2018: 46).
Downs benutzt für ein Zweiparteiensystem ein Modell, in dem sich die Verteilung der Wählerpräferenzen auf einer eindimensionalen Skala abbilden lässt (Fluhrer 1994: 66). Ist eine unimodale und normalverteilte Wählerverteilung gegeben, dann liegt die stärkste Besetzungsdichte (Modus) im ideologischen Mittelpunkt auf der Skala. Der Modus und der Median fallen zusammen und die Verteilung der Wähler lässt sich eingipflig darstellen (Franke 1996: 23). Für den Fall einer zweigipfligen Wählerverteilung (bimodal) ist dagegen nicht mit einer Konvergenz der Parteien zur Mitte zu rechnen. Die Logik der Parteienkonkurrenz führt in diesem Fall dazu, dass die beiden Parteien ihren programmatischen Standpunkt in den beiden Gipfelpunkten wählen (Fluhrer 1994: 69). Dabei dienen die verschiedenen Ideologien der Parteien dazu, den Wähler bei Ungewissheit zu entlasten. Die Ideologien helfen die Unterschiede zwischen den politischen Kräften erkennbar zu machen, und helfen so dem Wahlvolk Informationen herauszufiltern (Braun 1999: 82): „ Für ihn sind sie ein erstes Hilfsmittel, um bei der Berechnung des Parteiendifferenzials Kosten zu sparen“ (Downs 1968: 96).
Je weiter Parteien vom persönlichen ideologischen Standpunkt entfernt sind, umso weniger attraktiv ist es diese zu wählen. Dem Prinzip der Stimmenmaximierung folgend, nähern sich Parteien jedoch ideologisch einander an, da sie räumlich in die Mitte der Wählerverteilung kommen wollen und somit an die Stelle der höchsten Stimmenanzahl unter der Wählerverteilungskurve gelangen wollen. Diese Angleichung der Parteienideologien an die Präferenzen des Medianwählers, findet unter der Bezeichnung "Median-Wähler-Theorem" in Downs Dissertation seinen Platz (Braun 1999: 85).
Ein Mehrparteiensystem ist laut Downs dadurch gekennzeichnet, dass sich die Parteien stärker voneinander abgrenzen und sich deren Standpunkte in ihren politischen Einzelkonzepten klarer widerspiegeln (Downs 1968: 130). In dieser polymodalen Verteilung von Wählerpräferenzen haben die Parteien weniger Anreize sich anzugleichen, wie in einem Zweiparteiensystem, da jede Bewegung hin zur Mitte mit Stimmverlusten ihrer speziellen Positionen einhergeht und dadurch kein Gewinn erzielt wird (Braun 1999: 85). Das macht es aber für den potenziellen Wähler schwer, sich in einem Mehrparteiensystem rational zu entscheiden. Es müssen zusätzlich, die Erfolgsaussichten der von dem Wähler bevorzugten Partei und die der anderen Parteien in die Überlegung mit einbezogen werden. Dies lässt beim Zustandekommen von Koalitionsregierungen nur noch mehr Variablen hinzukommen (Schmidt 2008: 202).
Die beiden Grundhypothesen in seiner ökonomischen Theorie der Demokratie lauten also: Erstens: Wähler handeln rational und zweitens: Parteien sind bestrebt ihre Stimmen zu maximieren (Schmidt 2008: 206).
3. Das politische System der direkten Demokratie in der Schweiz
Die Schweiz ist im europäischen Vergleich das Land, in dem die direkte Demokratie auf mehr als lokaler Ebene die größte Bedeutung hat. In der Eidgenossenschaft gibt es eine lange wie intensive Praktik der Volksabstimmungen. Zu finden ist diese Praxis in allen drei administrativen Ebenen: Der Gemeinden, der Kantone und der Bundespolitik (Schiller 2002: 99). Es stellt eine Sonderform unter den modernen Demokratien dar. Dies ist bedingt durch die Pluralität unterschiedlicher Sprachen, Religionszugehörigkeiten und einer kontinuierlichen geschichtlichen Entwicklung ohne die Strukturbrüche, welche die zwei verheerenden Weltkriege in Resteuropa angerichtet haben (Vatter 2016: 33).
Die derzeitige Struktur und Organisation der Schweiz gehen auf die Bundesverfassung von 1848 zurück. Doch erst der Demokratischen Bewegung der 1860er Jahre ist es zu verdanken, dass mit der Züricher Kantonsverfassung der Durchbruch hin zur modernen direkten Demokratie geschaffen wurde. Hier wurden eine Reihe von Mitwirkungsrechten (unter anderem Verfassungs-und Gesetzesinitiative, obligatorisches Gesetzes- und Verfassungsreferendum) institutionalisiert und damit ein bis dato nicht vergleichbares Niveau direkter Demokratie geschaffen (Kost 2008: 73).
Mit der neuen helevitischen Bundesverfassung von 1874 wurde das fakultative Gesetzesreferendum institutionalisiert, da durch die verstärkte Zentralisierung direktdemokratischer Befugnisse in den Kantonen dem Volk mehr Recht auf Mitbestimmung gegeben werden sollte (Moeckli 2018: 36). Später im Jahr 1891 wurde dann die Volksinitiative zur Teilrevision der Verfassung auf Bundesebene erfolgreich abgehalten. Nach dem ersten Weltkrieg 1918 wurde das Proporzwahlrecht eingeführt, was auch den Eingang kleinerer Parteien in das Parlament ermöglichte und 1921 führte der demokratische Prozess zur Einführung des Staatsvertragsreferendums, das es den stimmberechtigten Bürgern ermöglicht in der Außenpolitik mitzubestimmen (Kost 2008: 73). In keinem anderen Staat der Erde gibt es heute so eine Menge an direktdemokratischen Institutionen auf allen Staatsebenen wie in der Schweiz und nirgendwo anders wird so oft abgestimmt wie hier (Moeckli 2018: 37).
Die moderne Schweiz besteht aus 20 Kantonen und sechs Halbkantonen. Sie haben in relativ weitgehender Autonomie eigene Verfassungen, mit eigener Legislative, Exekutive und Judikative. Diese föderalistische Grundstruktur besitzt wie in anderen vergleichbaren Staaten auf Bundesebene ein Parlament (Bundesversammlung), das aus zwei Kammern besteht: dem Nationalrat (vertritt das Volk) und dem Ständerat (vertritt die Kantone) und welches alle vier Jahre neu gewählt wird. Dieses Zweikammerparlament wählt den Bundesrat (Regierung aus sieben Politikern), ebenfalls auf vier Jahre. Das Parlament macht Gesetze und schlägt Änderungen in der Verfassung vor, worüber die Bevölkerung zwingend abstimmen muss. Das Volk übernimmt eine Kontrollfunktion über diese Organe, was bei mehrmals im Jahr stattfindenden Volksabstimmungen über Gesetze und Sachfragen (auf Gemeindeebene auch Abstimmungen über das Budget) als direkter Einfluss auf die Politik zur Geltung kommt (Kost 2008: 73).
In der Schweiz gibt es auf Bundesebene drei Arten von Abstimmungen, die als Teil der direkten Demokratie gesehen werden. Will das Parlament ein altes Gesetz verändern, muss das Volk zwingend darüber abstimmen. Das dann abgehaltene "obligatorische Referendum", wird angenommen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung (Volksmehr) und der Kantone (Ständemehr) dem neuen Entwurf zustimmt. Wenn das Parlament ein neues Gesetz erlässt, muss das Volk nicht zwingend abstimmen. Ist es aber damit nicht einverstanden, müssen 50.000 Personen ihr Recht per Unterschrift einfordern, sodass nach Überarbeitung des Gesetzes nochmals darüber abgestimmt wird. Das nennt sich "fakultatives Referendum", bei dem nur das Volk entscheidet und nicht das Ständemehr (Schiller 2002: 14). Zuletzt gibt es die "Volksinitiative" als klassisches Bottom-up-Verfahren. Wünscht das Volk eine Änderung der Verfassung, sind 100.000 Unterschriften notwendig. Der Änderungsvorschlag des Parlaments bedarf wiederum einer Annahme durch das Volk und der Kantone. Das Instrument der "Gesetzesinitiative", also die beabsichtigte Änderung eines Gesetzes durch das Volk, kann nur auf kantonaler und Gemeindeebene wirksam werden und nicht auf Bundesebene, wie bei einer Verfassungsänderung (Kost 2008: 75/76). Die "Volksinitiative" ist das bisher am meisten benutzte Werkzeug der Direktdemokratie in der Schweiz (Schmidt 2008: 342).
Referendum und Initiative lassen sich, wie oben erläutert wurde, als Bremse und Beschleuniger im politischen Prozess der Schweiz charakterisieren (Hornig/Kranenpohl 2014: 12). Die direkte Demokratie wirkt als eine zusätzliche Rückkopplungsschlaufe, die die Gewählten enger an die Wähler bindet. Es gibt in der Schweiz also keine direkte Demokratie ohne repräsentative Demokratie (Moeckli 2018: 30). Zusammengefasst gesagt: „ Under direct democracy here will be understood the active involvement of citizens in the actual political decision-making process. This may take the form of (obligatory or facultative) referendums initiated by the central authorities on major issues, or of popular initiatives [...] “ (Berg-Schlosser 2007: 31). Die Regierung, in welcher alle gewählten Parteien des Landes einbezogen sind, und die direktdemokratischen Institutionen bilden hier zwei Seiten derselben Medaille (Decker 2014: 25).
In diesem Sinn stellt die Schweiz eine Mischform einer repräsentativen Demokratie mit direktdemokratischen Elementen dar, quasi eine halbdirekte Demokratie. Dieser Umstand und das Vorhandensein der Form auch schon zu Zeiten der Habilitation von Anthony Downs, macht es so interessant die Fragestellung (Einleitung) zu untersuchen und die von ihm entworfene Demokratietheorie darauf anzuwenden.
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