Mehrsprachigkeit im Kindesalter. Chance oder Hindernis?


Pre-University Paper, 2021

15 Pages, Grade: 1.7

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung (Fragestellung, Zielsetzung und methodisches Vorgehen)

2. Definition: Mehrsprachigkeit
2.1. Unterschied zwischen Zweit- und Fremdsprache
2.2. Mehrsprachigkeit als der Normalfall

3. Arten von Mehrsprachigkeit
3.1. Art des Sprach erwerbs,,
3.2. Gesellschaftliche Bedingungen
3.3. Formen der Kompetenz

4. Vorurteile von Mehrsprachigkeit im Kindesalter
4.1. Hindernis
4.1.1. Mythos der doppelten Halbsprachigkeit
4.1.2. Je früher, desto besser?
4.2. Chance
4.2.1. Kognitive und geistige Leistungsfähigkeit
4.2.2. Mythos der Sprachverwirrung
4.2.3. Sprachentwicklungsstörungen
4.2.4. Berufschancen

5. Fazit (Eigene Meinung zum Thema, persönliche Erfahrung, Rückblick auf meine Vorgehensweise)

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Thema Mehrsprachigkeit ist von allgemeinem Interesse, da der Anteil mehrsprachig aufwachsender Kinder weltweit zunimmt. Ich habe mich für das Thema „Mehrsprachigkeit im Kindesalter“ entschieden, da es aufgrund gesellschaftlicher Globalisierungsprozesse und steigender Migration in den letzten Jahren einen Bedeutungszuwachs erfahren hat, dessen Auswirkungen stets kontrovers diskutiert werden. Mit der steigenden Anzahl an Eltern, die sich bewusst oder unbewusst dazu entscheiden ihr Kind mehrsprachig aufzuziehen, steigt auch die Anzahl an Kritikern und Vorurteilen über mögliche Defizite beim Kind.

Als zentrale Forschungsfrage, die im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden soll, fungiert die Frage, ob die negativen und positiven Vermutungen und Vorurteile, die viele gegenüber Mehrsprachigkeit im Kindesalter hegen, in Wirklichkeit vielmehr eine Chance oder ein Hindernis für die Entwicklung des Kindes bedeuten. Diese zentrale Forschungsfrage erfordert Antworten auf weitere Fragen, die im Laufe der Arbeit ausführlich beantwortet und erläutert werden.

Zur Beantwortung der aufgeworfenen Forschungsfrage wird in dieser Arbeit wie folgt vorgegangen: Die Arbeit umfasst vier Kapitel. Das erste Kapitel widmet sich der Begriffserklärung und Definition von Mehrsprachigkeit. Darauf aufbauend wird der Begriff Mehrsprachigkeit weitergehend untersucht, da das zweite Kapitel sich mit der Typunterscheidung und den verschiedenen Arten von Mehrsprachigkeit befasst. Im Fokus des dritten Kapitels stehen die Vorurteile und Klischees, die eine Menge Eltern, Pädagogen und Sprachwissenschaftler haben. Diese Arbeit möchte genau diese Vorbehalte kritisch beleuchten und konzentriert sich darauf mögliche Chancen oder Hindernisse von multilingualer Erziehung in der frühen Kindheit zu diskutieren. Als Grundlage für eine der erarbeiteten Thesen, ist eine eigenhändig durchgeführte Umfrage ebenfalls ein Teil des Kapitels. Die Arbeit schließt mit einem Fazit, persönlichen Erfahrungen mit mehrsprachiger Erziehung und einem kurzen Ausblick auf die zusammengetragenen Vorurteile und deren Wirklichkeit ab. Insbesondere ist das Ziel der vorliegenden Arbeit zu untersuchen, ob durch den Einsatz von mehrsprachiger Erziehung ein Kind in seiner persönlichen, sprachlichen und geistigen Entwicklung gefördert oder eher beeinträchtigt wird.

2. Definition: Mehrsprachigkeit

Der Begriff „Mehrsprachigkeit“ hat in seiner langen Geschichte zahlreiche neue Definition erlangt. Viele Menschen würden auf die Frage „Was genau ist Mehrsprachigkeit?“ antworten: „Mehr als eine Sprache zu sprechen.“ Auch laut dem Duden ist „[Mehrsprachigkeit, die] Fähigkeit, mehrere Sprachen zu sprechen.“1

Allerdings schließt der Begriff „Mehrsprachigkeit“ oder „Multilingualität“ nicht nur das Sprechen einer Sprache mit ein, sondern es werden insbesondere zwei Aspekte betrachtet. Das sind zum einen der Spracherwerb und zum anderen die allgemeine Verwendung der Sprachen.2 Zum Verwenden oder auch Beherrschen einer Sprache zählt nicht nur „das flüssige Sprechen“, sondern Fähigkeiten, wie das Verstehen, das Lesen und das Schreiben.

Oftmals greift man hier auf die Definition von der Linguistin, Els Oksaar, zurück, nach der Mehrsprachigkeit aufgefasst wird als die Fähigkeit des Individuums, zwei oder mehr Sprachen als Kommunikationsmittel zu verwenden und ohne weiteres von der einen in die andere Sprache umzuschalten, wenn die Situation es erfordert.3

2.1. Unterschied zwischen Zweit- und Fremdsprache

Bezüglich der Frage, inwiefern sich die Begriffe „Zweitsprache“ und „Fremdsprache“ unterscheiden, konnte festgestellt werden, dass der größte Unterschied im Kontext liegt, indem die Sprache erworben wird. Die Zweitsprache wird, ähnlich wie die Muttersprache, automatisch erworben. Diese Art von Spracherwerb erfolgt durch unbewusstes und ungesteuertes Lernen. Im Gegensatz dazu wird eine Fremdsprache bewusst und gesteuert erlernt. Darüber hinaus, besteht ein weiterer Unterscheid darin, dass eine Fremdsprache in einer institutionellen Einrichtung gelernt wird, wie an einer Schule oder auch einem Sprachkurs. Die Mutter- und Zweitsprache dagegen wird in einem privaten, sozialen Umfeld erworben, indem die Sprache im Alltag gesprochen wird.4

2.2. Mehrsprachigkeit als der Normalfall

Es steht außer Zweifel, dass Mehrsprachigkeit gegenwärtig aus einer globalen Perspektive geläufiger ist als Einsprachigkeit. In einer Studie der UNESCO aus dem Jahr 2014 wurde die Verteilung der Sprachen der Welt untersucht. Prof. Dr. Riehl, Institutsleiterin für Deutsch als Fremdsprache, bezieht sich auf eine Statistik, in der klar zu erkennen ist, dass der Anteil von unterschiedlichen Sprachen in Europa deutlich niedriger ist im Vergleich zu den restlichen Kontinenten. Als Beispiel wird von Riehl Afrika herangezogen, da man dort im Jahr 2014 offiziell 2146 unterschiedliche Sprachen spricht, während es in Europa 284 sind.5 Es mag also für viele Europäer befremdlich klingen, aber aus der Forschung ergibt sich der folgende Schluss: Mehrsprachigkeit ist der Normalfall und Einsprachigkeit die Ausnahme.

3. Arten von Mehrsprachigkeit

Der Begriff differenziert sich vor allem in drei Aspekten, die im Folgenden erläutert und konkretisiert werden.

3.1. Art des Spracherwerbs

Der erste wichtige Aspekt für eine Typunterscheidung ist die Art des Spracherwerbs. Einerseits spricht man vom „bilingualen Erstspracherwerb“, bei dem man von einem natürlichen simultanen Erwerb zweier Sprachen ausgeht. Der simultane Spracherwerb erfolgt in den ersten drei Jahren des Kindes. Professor für Romanische Sprachwissenschaft, Dr. Schneider, führt als Beispiel an, dass das Kind in diesem Fall mit einer Muttersprache und einer Vatersprache aufwächst. Er bezieht sich also auf die Sprachen, die man in seiner frühen Kindheit von seinen Eltern auffängt.6

Dies steht im Gegensatz zum gesteuerten Spracherwerb oder dem sogenannten „sukzessiven Spracherwerb“, der das Erlernen von Sprachen in schulischem Kontext oder anderen Institutionen bezeichnet. Dabei spricht man hier weniger vom „Erwerben“ einer Sprache, sondern vom bewussten „Erlernen“. Das Kind lernt nach Grundzügen in der Erstsprache zu einem späteren Zeitpunkt die zweite Sprache dazu. Als Beispiel eignet sich hier der Eintritt in den Kindergarten im Alter von drei Jahren. Der „späte sukzessive Zweitspracherwerb“ beschreibt das Phänomen, bei dem das Kind nach gut entwickelter Erstsprache zu einem späteren Zeitpunkt die zweite Sprache dazu lernt, zum Beispiel durch den Umzug in ein anderes Land im Alter von zwölf Jahren. An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass auch das Alter eine wichtige Rolle im Zweitspracherwerb spielt.7 Darauf werde ich im dritten Kapitel dieser Arbeit weiter eingehen.

3.2. Gesellschaftliche Bedingungen

Neben der Art des Spracherwerbs sind auch die gesellschaftlichen Bedingungen zu beachten. Bezüglich der Definition von Mehrsprachigkeit unter unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen konnte festgestellt werden, dass der Begriff in drei verschiedene Dimensionen von Mehrsprachigkeit gegliedert werden kann. Montanari, Professorin für Deutsch als Fremdsprache und Panagiotopoulou, Professorin für Bildung und Entwicklung in Früher Kindheit unterscheiden zwischen individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit.8

Individuelle Mehrsprachigkeit beschreibt den einzelnen Menschen und seine mehrsprachigen Fähigkeiten. Dabei analysiert man wie gewöhnlich den Spracherwerb und geht der Frage nach inwiefern die Verwendung der Sprachen ein Individuum beeinflusst.

Institutionelle Mehrsprachigkeit meint all die Institutionen die mehrsprachig sind, darunter Bildungseinrichtungen oder andere gesellschaftliche Institutionen. Eine mehrsprachige Institution wird hier verstanden als eine Einrichtung, die ihre Dienste in verschiedenen Sprachen anbieten. Als Beispiel werden von Montanari die Staatlichen Europaschulen in Berlin oder die Internationalen Kindertagesstätten und Schulen herangezogen.9

Unter gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit versteht man den Sprachgebrauch in mehrsprachigen Staaten, Regionen oder Gemeinschaften. Aus diesen drei Dimensionen entsteht die sogenannte diskursive Mehrsprachigkeit mit Praktiken wie dem Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen (sogenanntes „Code-Switching“) oder der Verwendung von Mischsprachen. Im Fokus der Überlegungen eines Werkes des Autors Dario Franceschini steht die Frage, ob die diskursive Mehrsprachigkeit als eine vierte Dimension eingeführt werden sollte.10 Riehl wiederum geht davon aus, dass die diskursive Mehrsprachigkeit weniger eine vierte Dimension ist, sondern vielmehr das Ergebnis der gesellschaftlichen Bedingungen, also den drei bestehenden Dimensionen.11

3.3. Formen der Kompetenz

Ein weiterer Aspekt, auf den eingegangen werden soll, sind die verschiedenen Typen von Mehrsprachigkeit, die primär an ihrer Form der Kompetenz unterschieden werden. Ab wann ist ein Mensch mehrsprachig? Das ist bei vielen Sprachwissenschaftlern gegenwärtig eine mehrfach diskutierte und strittige Frage. Um drei unterschiedliche Typen von Mehrsprachigkeit zu erläutern, stütze ich mich auf das Modell des amerikanischen Linguisten Uriel Weinrich. Er untersuchte die Form der kognitiven Speicherung von zwei Sprachen und in welchem Verhältnis sie stehen. Zunächst spricht er von koordinierter Zweisprachigkeit und meint, die Zweitsprache werde in natürlichem Kontext erlernt, aber der Mensch sie komplett getrennt von der Erstsprache speichere. Dabei besteht die Gefahr, eine der beiden Sprachen zu vergessen, aufgrund eines fehlenden Konzeptes hinter den Sprachen. Zusammengesetze Zweisprachigkeit meint, dass du zwei Sprachen nicht nur gut beherrschst, sondern auch hinter beiden ein bestimmtes Konzept steht, welches dir dabei hilft, beide Sprachen voneinander zu trennen, um somit auch beide auf dem höchsten Niveau beherrschen und beibehalten zu können. Untergeordnete Zweisprachigkeit erfolgt meist durch das Erlernen einer Fremdsprache in einer Institution. Die Person ist fähig seine Erstsprache mit einem Konzept zu verbinden und abzuspeichern und versucht dann auf dieser Grundlage sich eine weitere Sprache abzuleiten und anzueignen. Meist greift man hier auf das direkte Übersetzen zurück, dass es dir nicht möglich macht die Fremdsprache auf das gleiche Level zu bringen, wie deine Erstsprache.12

4. Vorurteile von Mehrsprachigkeit im Kindesalter

Nachdem nun die verschiedenen Arten von Mehrsprachigkeit erläutert wurden, gehe ich in diesem Kapitel auf die positiven und negativen Urteile zur Mehrsprachigkeit im frühen Kindesalter ein. „In Deutschland spricht man Deutsch!“ und „Mehrsprachigkeit macht blöd!“ sind nur zwei Beispiele für Aussagen, die ich im Laufe meines Lebens und meiner Recherche für diese Arbeit hören und lesen durfte. Obwohl die meisten Menschen eine positive Haltung gegenüber Mehrsprachigkeit haben, existieren heute noch viele Vorbehalte und Vorurteile über den gleichzeitigen Erwerb von mehr als einer Sprache.13 Der Umfang dieser Arbeit macht es mir nicht möglich sämtliche Vorurteile zu thematisieren. Um also den Rahmen nicht zu sprengen, habe ich mich auf die beschränkt, die in wissenschaftlichen Diskussionen wiederholt zur Sprache kommen.

[...]


1 Dudenredaktion (Hrsg.), (o. J.). Mehrsprachigkeit. Duden online. Abgerufen von https://www.duden.de/rechtschreibung/Mehrsprachigkeit.

2 Vgl. Riehl, C. M.: Mehrsprachigkeit: Eine Einführung. WBG, Darmstadt 2014, S. 9.

3 Vgl. Oksaar, E. (1980: 43). In: Ebd., S.14.

4 Vgl. Montanari, Elke: Kindliche Mehrsprachigkeit: Determination und Genus. Waxmann, Münster 2010, S.30f.

5 Vgl. Riehl, 2014, S. 9-10.

6 Vgl. Schneider, S.: Bilingualer Erstspracherwerb. Ernst Reinhardt Verl., München 2015, S. 32.

7 Vgl. Riehl, 2014, S. 12.

8 Vgl. Montanari, E & Panagiotopoulou, J.: Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen. Narr Francke Attempto Tübingen 2019, S.14.

9 Vgl. Montanari, 2010, S.30f.

10 Vgl. Francescini (2011:347). In: Riehl, 2014, S. 12.

11 Vgl. Riehl, 2014, S. 12.

12 Vgl. Weinrich, U.: Languages in Contact: Mentale Repräsentation von Zweisprachigkeit (1953: 9f.). In https://sprachekulturkommunikation.com/modelle-zur-mentalen-repraesentation-von-mehrsprachigkeit/ (letzter Zugriff: 15.02.2021)

13 Vgl. Käst, Bas: Wanderer zwischen den Wortwelten. In: Gehirn und Geist. Das Magazin für Psychologie und Hirnforschung, Heidelberg 2013, S.34 ff.

Excerpt out of 15 pages

Details

Title
Mehrsprachigkeit im Kindesalter. Chance oder Hindernis?
Grade
1.7
Year
2021
Pages
15
Catalog Number
V1003784
ISBN (eBook)
9783346382306
Language
German
Keywords
Mehrsprachigkeit, Kindesalter, Sprachentwicklung, Chance oder Hindernis, Spracherwerb
Quote paper
Anonymous, 2021, Mehrsprachigkeit im Kindesalter. Chance oder Hindernis?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1003784

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