Die Gemeinschaft der Freundinnen und Freunde Jesu. Kirche im Johannesevangelium


Ausarbeitung, 2021

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Hinführung

2 Kirche und andere Selbstbezeichnungen für Gemeinde im Neuen Testament

3 Das vierte Evangelium

4 Kirche im Johannesevangelium
4.1 Der Paraklet
4.2 Der Jünger, den Jesus liebte
4.3 Die Jüngerinnen und Jünger
4.4 Die Sakramente

5 Persönliches Fazit

Literaturverzeichnis

1 Hinführung

„Jesus kündigte das Reich Gottes an und gekommen ist die Kirche

Alfred Loisy

Diese vielzitierte und kirchenkritische Aussage darf auch in dieser Untersuchung nicht fehlen. Sie drückt sehr treffend das Bedauern darüber aus, was aus der revolutionären Verkündigung des Wanderpredigers Jesus von Nazareth geworden ist. Kirche ist in Teilen zu einer komplexen und weltweit mächtigen Institution geworden. Die Diskrepanz zur eschatologischen Verkündigung von der Königsherrschaft Gottes ist offensichtlich. Die zum Teil konservative und auf den Machterhalt zielende Politik ist leider kein Relikt der Kirchengeschichte, sondern in verschiedenen Konfessionen in unterschiedlichem Maße hochaktuell. Die Initiative Maria 2.0 in der römisch-katholischen Kirche z.B. zeigt deutlich, dass sich gewisse Strukturen von Kirche im Hinblick auf das Neue Testament nicht mehr vor ihren Gläubigen rechtfertigen lassen. Im Zuge des Seminars “Kirche im Neuen Testament” nahmen wir die Kirche als ein wesentliches Thema des Neuen Testaments in den Blick. Anhand ausgewählter Schriften entdeckten wir ein vielgestaltiges Bild dieser gemeinschaftlichen Form des Lebens des christlichen Glaubens. Durch verschiedene Bezeichnungen, Begriffe und Konzepte, entwerfen die neutestamentlichen Autoren ganz eigene Vorstellungen von Gemeinde, die einiges gemein haben, durchaus aber auch differieren. Die verschiedenen Ekklesiologien des Neuen Testament machen verschiedene Gemeindekonzepte erklärbar und können somit auch die heutige Diversität der christlichen Kirchenlandschaft teilweise nachvollziehbar machen. In dieser Ausarbeitung soll es im speziellen um das Profil von Kirche im Johannesevangelium gehen. Dazu gibt es zunächst eine Begriffsbestimmung von Kirche und eine Einleitung in das vierte Evangelium. Darauf folgt dann der Versuch einer groben Darstellung wichtiger Untersuchungen und Erkenntnisse zur johanneischen Ekklesiologie. Abschließend werden die herausgearbeiteten Erkenntnisse in einem persönlich Fazit reflektiert.

2 Kirche und andere Selbstbezeichnungen für Gemeinde im Neuen Testament

Der Begriff “Kirche” ist heute eine selbstverständliche Bezeichnung für eine christliche Gemeinde. Er geht dabei zurück auf die wohl prägnanteste Selbstbezeichnung der nachösterlichen Jüngergemeinschaft “Gemeinde (Gottes)” [griech. ekklesia (tou theou)].1 Das griechische Wort ekklesia hat zunächst einen politischen Hintergrund. Im Bereich der hellenistischen Poleis bezeichnete ekklesia die Volksversammlung der stimmberechtigten freien Männer und darüber hinaus jede öffentliche Versammlung.2 Die frühen Christinnen knüpften mit dem Begriff dagegen an den hebräischen Terminus qehal (Volksgemeinde Gottes) an, den die Septuaginta mit dem Begriff ekklesia wiedergibt und der das endzeitliche Aufgebot Gottes, die Schar von Menschen, die Gott im Zusammenhang der eschatologischen Ereignisse in seinen Dienst beruft, bezeichnete.3 Die Jüngergemeinschaft führt somit die alttestamentliche Bezeichnung des Volk Gottes weiter und versteht sich selbst als von Gott gesammeltes und auserwähltes Aufgebot, dessen Aufgabe es ist die Sammlung des erneuerten Gottesvolkes fortzusetzen.4 Im Bezug auf das Judentum ist festzustellen, dass das Wort ekklesia nicht im Gegensatz, also in Distanz und Abgrenzung zum Judentum benutzt wurde, sondern vielmehr im Anschluss an eben jenes.5 Außerdem ist sich die Doppelpoligkeit des Begriffs ekklesia klarzumachen. Auf der einen Seite ist er heilsgeschichtlich-eschatologisch bestimmt, da sich die Gemeinde ganz Gott und seinem Handeln verdankt und sie ihre Mitte dort hat, wo sie den Beginn des göttlichen Geschehens erwartet. Auf der anderen Seite gehört auch die technische Bedeutung von ekklesia, also das konkrete Versammeln zur Gestalt von Gemeinde.6 Neben ekklesia gibt es auch noch weitere Selbstbezeichnungen der frühen Christinnen. Die älteste Bezeichnung der Jerusalemer Jesusanhänger war wohl Jünger, womit sie sich bewusst in Kontinuität zu den vorösterlichen Anhänger:innen sahen. Eine andere alte Selbstbezeichnung ist die der Brüder. Diese bringt die horizontale Verbundenheit untereinander zum Ausdruck. Vorzugsweise in paulinischen Schriften begegnet der Leserschaft des Neuen Testaments außerdem die Bezeichnung der Heiligen, welche die uneingeschränkte Zugehörigkeit der Jerusalemer Gemeinde zur Sphäre Gottes zum Ausdruck bringt.7

3 Das vierte Evangelium

Um sich der johanneischen Ekklesiologie zu nähern, zunächst eine kurze Einführung in das vierte Evangelium. Trotz überlieferter Traditionen über die angebliche Verfasserschaft des Evangeliums, muss konstatiert werden, dass der Autor bzw. die Autoren nicht bekannt sind. Die im Vergleich zu den Synoptikern andere Art der Darstellung, die eigenständige Theologie, die zahlreichen Sonderüberlieferungen und die explizit an der nachösterlichen Perspektive orientierte Denkwelt lassen darauf schließen, dass nicht ein Augenzeuge des Lebens Jesu das vierte Evangelium verfasste, sondern wahrscheinlicher ein Theologe “der späteren Zeit”.8 Geht man aufgrund der sprachlichen und theologischen Gemeinsamkeiten zwischen den drei Johannesbriefen und dem Johannesevangelium von der Existenz einer johanneischen Schule aus, lässt sich das Johannesevangelium zu dieser Tradition zählen. Auch für Abfassungsort und -zeit gibt es verschiedene plausible Möglichkeiten, wobei ein Entstehen zwischen 100 und 110 n. Chr. in Kleinasien am wahrscheinlichsten erscheint.9 Empfänger des Evangeliums war vermutlich eine Gemeinschaft, die als überwiegend heidenchristliche Gemeinde bezeichnet werden kann und die sich in Konkurrenz und Auseinandersetzungen mit der sog. Täufergemeinde, dem Judentum und doketischen Irrlehrern befand.10 Das Werk lässt sich in vier Abschnitte gliedern: Der Johannesprolog (Joh 1,1-18) über den Logos hat die Funktion eines programmatischen Eröffnungstextes, der das vom Evangelisten beabsichtige Verstehen des Folgenden vorbereitet und prägt. In der ersten Hälfte des Evangeliums wird das Wirken des Offenbarere in der Welt (Joh 1,19-12,50) dargestellt. Dem folgt die Schilderung der Offenbarung Jesu vor den Seinen bis hin zu den Erscheinungen des Auferstandenen (Joh 13, 1- 20,29). Der Schluss (Joh 20,30f) korrespondiert mit dem Prolog, da der Evangelist hier das Ziel, den Glauben an den Gottessohn Jesus zu wecken und zu erneuern, nennt.11 Grundgedanke des Evangeliums ist das Christusgeschehen: Gott wird in Jesus Christus Mensch. Der Logos offenbart sich unter den Menschen und findet sein Ziel in der Erhöhung des Inkarnierten am Kreuz, welches so zum bleibenden Ort des Heils für die Menschen wird. Das Erfassen und die Erinnerung an dieses Geschehen wird ermöglicht durch die Gegenwart des Parakleten, der die Gemeinde zugleich als Beistand, Hermeneut, Lehrer, Fürsprecher, Anwalt, Stellvertreter und Zeuge Jesu führt.12

4 Kirche im Johannesevangelium

Welche Rolle spielt nun die Kirche in jenem besonderen Evangelium? Welche Selbstbezeichnungen für Kirche sind bei Johannes zu finden? Um das johanneische Kirchenverständnis herauszuarbeiten, sollen im Folgenden die wichtigsten Untersuchungen diesbezüglich vorgestellt und diskutiert werden. ROLOFF sieht in den johanneischen Schriften jenen Bereich des Neuen Testaments, in denen das Thema Kirche am stärksten zurücktrete.13 Auch SCHNELLE stellt fest, dass die Ekklesiologie in der Exegese des JohEv lange Zeit ein Randthema darstellte, da Erwähnungen von Sakramenten für literarisch sekundär erklärt wurden. Diese Wahrnehmung verändere sich aber, wenn der Grundgedanke der johanneischen Theologie, das zur Menschwerdung des Göttlichen auch der Raum der Gemeinde gehört, ernst genommen werde.14 Übereinstimmung herrsche nach WILCKENS darüber, dass mit Blick auf das JohEv nur von einer “indirekten Ekklesiologie” gesprochen werden kann. Dies liegt demnach in der Gattung Evangelium begründet und trifft deshalb auch auf die synoptischen Evangelien zu.15 Die wohl prägnanteste Selbstbezeichnung der Jünger:innen Jesu im Neuen Testament ekklesia fehlt wie auch im Markusevangelium völlig, besagt sachlich aber überhaupt nichts über eine vorhandene ekklesiologische Konzeption.16 Um die Konzeption der johanneischen Ekklesiologie zu ergründen sollen wichtige Eckpunkte der johanneischen Theologie auf ihre ekklesiologische Dimension hin untersucht werden. Zwei dieser Eckpunkte bilden zwei Figuren, die dem vierten Evangelium im Vergleich zu den Synoptikern auch zu seiner Einzigartigkeit verhelfen: Der Paraklet und der Lieblingsjünger. Die oben erwähnten Forschenden sind sich zumindest über diese beiden Eckpunkte einig und deshalb sollen diese zuerst vorgestellt werden.

[...]


1 Vgl. Roloff: Der Ruf Jesu in die Nachfolge und die Anfänge der Kirche nach Ostern, 83.

2 Vgl. https://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/themenkapitel-nt/kirche-im-nt/, “Kirche im Neuen Testament”.

3 Vgl. Roloff, 83.

4 Vgl. https://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/themenkapitel-nt/kirche-im-nt/, “Kirche im Neuen Testament”.

5 Vgl. Roloff, 84.

6 Vgl. Roloff, 84-85.

7 Vgl. Roloff, 82-83.

8 Vgl. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 9. Auflage, 554.

9 Vgl. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 9. Auflage, 554.

10 Vgl. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 9. Auflage, 558.

11 Vgl. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 9. Auflage, 563.

12 Vgl. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 9. Auflage, 586.

13 Vgl. Wilckens, Ulrich: Zum Kirchenverständnis der johanneischen Schriften, 2000, 226.

14 Vgl. Schnelle, Theologie des Neuen Testaments, 2013, 695.

15 Vgl. Wilckens, Ulrich: Zum Kirchenverständnis der johanneischen Schriften, 2000, 227.

16 Vgl. Schnelle, Johanneische Ekklesiologie, 1991,49.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Die Gemeinschaft der Freundinnen und Freunde Jesu. Kirche im Johannesevangelium
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Evangelisch Theologisches Seminar)
Veranstaltung
Kirche im Neuen Testament
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
12
Katalognummer
V1004534
ISBN (eBook)
9783346387233
ISBN (Buch)
9783346387240
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kirche, Johannes, Johannesevangelium, Ekklesiologie, Gemeinde, Freunde, JohEv, Neues Testament
Arbeit zitieren
Tobias Isaak (Autor:in), 2021, Die Gemeinschaft der Freundinnen und Freunde Jesu. Kirche im Johannesevangelium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1004534

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Im eBook lesen
Titel: Die Gemeinschaft der Freundinnen und Freunde Jesu. Kirche im Johannesevangelium



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden