Sprache und Gender im DaF-Lehrwerk "Momente A1.1". Linguistische Gender-Forschung


Seminararbeit, 2021

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Ausgewählte Aspekte aus der linguistischen Gender-Forschung
2.1.1. Grammatik und gendergerechte Sprache
2.1.2. Textuelle Repräsentation von Geschlechtern
2.2. Zur Gendergerechtigkeit im Klassenraum

3. Forschungsstand zu Analysen von DaF-Lehrwerken

4. Analyse der DaF-Lehrbuchs Momente A1.1 (2020)
4.1. Häufigkeit von weiblichen und männlichen Personen in Abbildungen und im Text
4.2. Berufe
4.3. Geschlechterspezifisches Verhalten und Interessensgebiete
4.4. Sprache: Anrede und Personenbezeichnungen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Häufigkeit von weiblichen und männlichen Personen in Abbildungen

Abb. 2: Häufigkeit von weiblichen und männlichen Personen im Text

Abb. 3: Verteilung der Tätigkeiten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Häufigkeit von weiblichen und männlichen Personen in Abbildungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Häufigkeit von weiblichen und männlichen Personen im Text

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Verteilung der Tätigkeiten

1. Einleitung

Zusammen mit den Lehrenden bildet das Lehrwerk1 das wichtigste Leitmedium im DaF- Unterricht. Renate Freudenberg-Findeisen erklärt es zur „entscheidende[n] Quelle für fremdsprachlichen und fremdkulturellen Input überhaupt“ (Freudenberg-Findeisen 2004: 248). Denn Lehrwerke vermitteln weitaus mehr als nur Sprachkenntnisse: Neben Grammatik, kommunikativen Fähigkeiten und Wortschatz dient es in erster Linie als Basis, um die grundlegenden Normen und Werte, die für ein gesellschaftliches Miteinander in Deutschland hilfreich und zugleich erforderlich sind, kennenzulernen. Dabei steht insbesondere die Vermittlung der Alltagskultur im Vordergrund, damit sich Neuankömmlinge zurechtfinden können und keine Tabus verletzen (vgl. Maijala 2008: 3). Oft ist das Lehrbuch sogar einer der ersten Berührungspunkte mit der Sprache und vermittelt einen ersten Eindruck über die kulturellen Aspekte eines Landes, das für die Lernenden zunächst nicht vertraut ist. Das Erlernen einer neuen Sprache ist daher unweigerlich mit der Kultur verbunden.

Gerade in der Schule und im Unterricht spielt die Sprache eine außerordentlich wichtige Rolle. Eine Untersuchung von Benavot/Jere aus dem Jahr 2016 im Rahmen des Global Education Monitoring Report der UNESCO ergab, dass 70 bis 95% der Unterrichtszeit mit Schulbüchern gestaltet wird. Daran wird deutlich, dass ein besonderes Augenmerk auf die in den Lehrbüchern verwendete Sprache gelegt werden sollte. Diese Studie zeigte außerdem, dass Männer global in Schulbüchern überrepräsentiert und Frauen insbesondere bei historischen Persönlichkeiten besonders stark unterrepräsentiert sind. Berufe werden in einer geschlechtsstereotypisierenden Weise dargestellt, wodurch Klischees aufrechterhalten und sogar verstärkt werden können. Dies führt dazu, dass die „Lernenden von Anfang an in ihrer Entwicklung, in ihren Spielräumen und Lebensentwürfen eingeschränkt und gebremst werden“ (Elsen 2018: 178). Die Schule ist daher ein Ort der Sozialisation und übt einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder aus. Im Unterricht besteht vor allem die Gefahr, dass Lehrende eigene Wertmaßstäbe und stereotypische Ansichten unbewusst weiterleiten. Für LehrerInnen ist es deshalb besonders wichtig, sich kritisch mit Lehrwerken auseinanderzusetze, stereotype Zuschreibungen zu thematisieren oder auf eine gendergerechte Formulierung von Aufgabenstellungen zu achten.

In dieser Arbeit soll in dem DaF-Lehrbuch Momente A1.1 untersucht werden, wie häufig und auf welche Weise weibliche und männliche Personen dargestellt werden. Hierfür sollen sowohl der Text als auch Abbildungen miteinbezogen werden. Anschließend werden die Berufe untersucht und überprüft, welche und auch wie viele Berufe beiden Geschlechtern zur Verfügung stehen. Ebenso werden geschlechterspezifisches Verhalten und Interessensgebiete näher durchleuchtet. Auf sprachlicher Ebene werden Anrede und Personenbezeichnungen untersucht und überprüft, ob die Verwendung des generischen Maskulinums mithilfe von gendergerechten Bezeichnungen wie Beidnennung oder neutralen Bezeichnungen wesentlich reduziert oder sogar komplett ersetzt wurde. Da das Lehrwerk erst im Jahr 2020 erschien und es somit aktuell ist, liegt der Gedanke nahe, dass auf eine ausgewogene Darstellung von weiblichen und männlichen Personen geachtet wurde und auch auf sprachlicher Ebene mit der Verwendung von gendergerechter Sprache zu rechnen ist. Letztendlich soll ein Fazit zu früheren Analysen von DaF-Lehrwerken gezogen werden.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1. Ausgewählte Aspekte aus der linguistischen Gender-Forschung

2.1.1. Grammatik und gendergerechte Sprache

Das Genus-System im Deutschen stellt für DaF-Lernende häufig eine Schwierigkeit dar. Zum einen existiert diese Kategorie nicht in allen Sprachen, zum anderen stimmt das Genus nicht immer mit dem Sexus, dem biologischen Geschlecht, überein. Bezeichnungen für Männer sind in der Regel Maskulina, sofern es sich nicht um abwertende Ausdrücke handelt. Im Gegensatz dazu treten überwiegend ältere Bezeichnungen für Frauen (das Mädchen, das Weib, der/das Mannequin) nicht immer als Feminina auf (vgl. Lutjeharms/Schmidt 2006: 215). Zudem sind die männlichen Formen im Singular aufgrund vier unterschiedlicher Artikelendungen komplexer als die Formen des Femininums oder Neutrums. Ähnlich ist es auch bei den Pronomina (vgl. Lutjeharms/Schmidt 2006: 214). Zu den Pronomina man oder niemand existieren beispielsweise keine entsprechenden weiblichen Formen. All diese sprachlichen Ungleichheiten führen somit unbewusst dazu, dass den maskulinen Formen mehr Beachtung geschenkt wird.

Die gendergerechte Sprache beschäftigt sich insbesondere mit den Asymmetrien, die sich aus den eben dargestellten Aspekten ergeben. Sie verfolgt das Ziel, insbesondere Frauen sprachlich sichtbar zu machen.

In diesem Zusammenhang wird oftmals die Verwendung des generischen Maskulinums diskutiert. Unter dem generischen Maskulinum wird eine Gebrauchskonvention der deutschen Sprache verstanden, die im 20. Jahrhundert als gängig akzeptiert wurde und die im Wesentlichen darin besteht, grammatisch maskuline Personenbezeichnungen (im Singular oder Plural, z.B. der Kunde/die Kunden) zur Bezeichnung „gemischter Gruppen“ oder zum Ausdruck allgemeiner, d.h. geschlechtsunspezifischer Referenz auf Personen zu verwenden (vgl. Duden Grammatik 2016: 160 f.). Daran wird deutlich, dass es zwei Varianten gibt, wie das generische Maskulinum aufgefasst werden kann. Zum einen kann es als ausschließlich männlich, zum anderen als geschlechtsneutral verstanden werden. Aufgrund dieser beiden Lesarten besteht eine deutliche Asymmetrie zum Nachteil der Frauen. Gygax et al. (2008) zeigten außerdem, dass das generische Maskulinum zunächst als männlich aufgefasst wird und anschließend erst eine kognitive Leistung erbracht werden muss, um auch die Frauen hinter dieser sprachlichen Form zu erkennen. Das generische Maskulinum kann demnach laut Gygax et al. nicht als „generisch“ im eigentlichen Sinne verstanden werden. In jedem Fall hat es die Auswirkung, dass die Frauen gedanklich weniger miteinbezogen werden als die Männer (u.a. Braun et al. 1998, 2002, Heise 2000, Stahlberg/ Sczesny 2001).

Zwar werden in den meisten Textsorten zur Bezeichnung einer bestimmten Frau meist Femininableitungen verwendet, allerdings ist dennoch der Gebrauch des generischen Maskulinum die Regel (Lutjeharms 2004: 196f.). Strategien zur Sichtbarmachung von Frauen sind beispielsweise Beidnennungen (Wählerinnen und Wähler), die Verwendung des Binnen-I (Arbeiterinnen) oder auch der Schrägstrich (Bürger/innen). Jedoch ist die systematische Verwendung dieser Schreibweisen eher selten (vgl. Lutjeharms/Schmidt 2006: 215). Die eben genannten Varianten bilden allerdings lediglich ein binäres Konstrukt ab, weshalb zusätzlich der Gender-Gap (Student in) und auch das Gendersternchen (Student*in) vorgeschlagen werden. Sie sollen das gesamte Spektrum der Geschlechteridentitäten repräsentieren.

Eine weitere Möglichkeit zur geschlechtergerechten Umformulierung bieten Neutralisierungen oder auch Partizipialformen (die Mitglieder oder die Lesenden). Diese bestehen darin, das Geschlecht unsichtbar zu machen, allerdings deuten Forschungen darauf hin, dass „solche Formen nicht immer vor männlichen Assoziationen schützen oder weibliche Assoziationen merklich erhöhen“ (Braun 2000: 9). Unpersönliche Pronomen wie (jene, alle, wer...) oder auch Adjektive ermöglichen es, dass die Tätigkeit und nicht die Person im Vordergrund steht. Beispielhafte Umformulierungen könnten sein: Wer studiert, kann die Bibliothek benutzen oder Alle, die teilnehmen, sind in der Pause (Gindl, Hefler und Hellmer 2007: 49).

Je nach gesellschaftlichem Kontext, Kommunikationssituation und Textsorte lassen sich unterschiedliche Art und Weisen finden, um speziell über Frauen zu sprechen oder zu schreiben. Mittlerweile ist es im Hochschulbereich gängig, neutrale Formen wie Studierende und Lehrende oder auch solche mit dem Binnen-I so wie Studentinnen und Dozentinnen zu verwenden (vgl. Lutjeharms/Schmidt 2006: 215). Zahlreiche Hochschulen bieten auf ihren Internetauftritten Leitfäden zur Verwendung gendergerechter Sprache, die heruntergeladen werden können, um die praktische Umsetzung und das geschlechtergerechte Umformulieren zu erleichtern. Braun et al. (2007) zeigten zudem anhand ihrer Studie, dass geschlechtergerechte Sprache keinerlei Auswirkungen auf die Qualität und auf die kognitive Verarbeitung von Texten hat. Sie gelangten zu dem Ergebnis, dass die Erinnerungsleistung unabhängig von der sprachlichen Form eines Textes ist und es somit nicht notwendig ist - aus Gründen der Verständlichkeit oder Lesbarkeit - ausschließlich das generische Maskulinum zu verwenden. Aus diesem Grund sind sogenannte „Generalklauseln“, die zu Beginn oder auch im Kleingedruckten eines Textes darauf hinweisen, dass aufgrund der besseren Lesbarkeit nur die männlichen Schreibweisen verwendet worden sind, nicht zu akzeptieren. Darüber hinaus ist der Zusatz, dass bei diesen Bezeichnungen immer beide Geschlechter gemeint sind, nicht genug, wie bereits gezeigt wurde.

Es ist allerdings zu beobachten, dass sich die Sprache gerade jetzt in einem starken Wandel befindet und in allen möglichen Bereichen Veränderungen auftreten, die dem Sichtbarmachen der Frauen zugute kommen. Diese Entwicklungen sind jedoch noch lange nicht abgeschlossen.

2.1.2. Textuelle Repräsentation von Geschlechtern

Gerade die Texte, die Abbildungen und Fotos aus den Lehrbüchern üben einen riesigen Einfluss auf die Schülerinnen und Schüler und deren Vorstellungen über die deutsche Kultur und das Land an sich aus. Im Jahr 1998 stellten Meijer/Jenkins einen Kriterienkatalog zur Beurteilung von landeskundlichen Inhalten in Lehrwerken zusammen und sprachen in diesem Zusammenhang auch von „impliziter Landeskunde“. Das bedeutet, dass landeskundliche Informationen, die im Unterricht weder eingeordnet noch besprochen werden, unbewusst von den Lernenden aufgenommen werden (Meijer/Jenkins 1998: 21f.). Wenn Lehrbücher sich an Rollenklischees bedienen, werden diese demnach unbewusst von den Lernenden aufgenommen und nicht zwingend hinterfragt. Das birgt die Gefahr, dass die stereotypischen Darstellungen verinnerlicht und als angemessen empfunden werden könnten, obwohl sie in keinster Weise der Realität entsprechen.

Für die Lernenden spielt es außerdem eine große Rolle, dass sie „positive Identifkationsmöglichkeiten“ in den Lehrbüchern (Lütjeharms/Schmidt 2006: 220) haben. Wenn jedoch kein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern im Lehrbuch besteht und besonders Frauen häufig in weniger vielfältigen und stereotypen Berufen gezeigt werden, haben demnach vor allem weibliche Schülerinnen von Anfang an schon begrenzte Identifizierungsmöglichkeiten und werden deshalb benachteiligt. Sie können somit nicht auf die gleiche Weise vom Unterricht profitieren wie die männlichen Schüler, obwohl es sich um ein und denselben Unterricht handelt. Im nächsten Abschnitt wird ausführlicher auf die Ziele gendersensibler Didaktik eingegangen werden und Vorschläge gezeigt, wie Unterricht gendergerechter gestaltet werden kann und die Unterrichtsmaterialien ausgewählt werden sollten.

2.2. Zur Gendergerechtigkeit im Klassenraum

Gendersensible2 Didaktik lässt sich in drei verschiedene Aufgabenbereiche einteilen: Zunächst möchte sie gleichermaßen auf die Bedürfnisse von Frauen und Männers eingehen. Oftmals werden die Frauen nämlich nicht ausreichend unterstützt. Ein weiteres Ziel, das die gendersensible Didaktik verfolgt, ist, dass Lehrangebote so gestaltet werden, dass die angestrebten Lernziele für alle erreichbar sind und keine Benachteiligung entsteht. Frauen sind allgemein häufiger durch ungleiche Verteilungsstrukturen betroffen, weshalb sichergestellt werden muss, dass beide Geschlechter aus dem gleichen Angebot einen ähnlichen Nutzen ziehen können. Das dritte Ziel bildet außerdem die Vermittlung von Genderkompetenz und der bewussten Auseinandersetzung mit dem Geschlechterverhältnis (vgl. Gindl, Hefler, Hellmer 2007: 8f.).

Insbesondere PädagogInnen und Lehrerinnen haben eine „besondere Verantwortung hinsichtlich der Förderung egalitärer Entfaltungschancen von Interessen“ (Bartsch/Wedl 2015: 18). Gleichzeitig müssen sie auf einen fairen Umgang mit allen Kindern achten und diese trotz unterschiedlicher Bedürfnisse und verschiedenen sozialen Bedingungen individuell fördern (vgl. Elsen 2020: 216). Lehrpersonen dienen außerdem als „kulturelle Leitfiguren“ (Moghaddam 2010: 285) und tragen somit wesentlich dazu bei, den Lernenden ein Bild des Landes zu vermitteln. Dementsprechend stehen Lehrerinnen vor einigen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Sie können allerdings ihre Vorbildfunktion nutzen und im Unterricht wesentlich dazu beitragen, die Schülerinnen und Schüler für einen gendergerechten Umgang zu sensibilisieren, indem sie auf etwaige Ungleichheiten aufmerksam machen. Die Lehrerinnen sollten außerdem - unabhängig von der Kategorie Geschlecht - versuchen, die tatsächlichen Eigenschaften, Begabungen, Vorlieben und Interessen eines jeden einzelnen Individuums wahrzunehmen und stereotypbehaftete Gruppeneinteilungen vermeiden (vgl. Behnke 2017: 107).

Auch Bemerkungen hinsichtlich Geschlechterrollen sollten von den Lehrenden kommentiert oder auch diskutiert werden, damit sie nicht tradiert und normiert werden (vgl. Behnke 2017: 107). Dazu zählt auch, dass die Lehrpersonen ausdrücklich auf Mobbing oder Beleidigungen, die sich auf das Geschlecht der Person beziehen, reagieren und diese aufgreifen sollten (Manz 2015: 108 f.). Da sich gezeigt hat, dass Sprache das Denken beeinflusst (vgl. Elsen 2020: Kap. 4), ist es überdies unumgänglich, dass die eigene Sprechweise reflektiert und auf Möglichkeiten, wie sie beispielsweise in Abschnitt 2.1.1. beschrieben werden, zurückgegriffen wird. In der Regel tritt jedoch das Problem auf, dass unser eigenes Verhalten und auch das der anderen nicht richtig eingeschätzt wird und die Selbst- und die Fremdwahrnehmung in einem hohen Maß voneinander abweichen. Das hängt im Grunde genommen damit zusammen, dass alle von uns ständig mit Stereotypen - auch unbewusst - konfrontiert werden (vgl. Elsen 2020: 228). Deshalb ist es notwendig und auch sehr wichtig, dass die Lehrkräfte sich „mit wissenschaftlichen Ergebnissen, Stereotypen und der eigenen Praxis auseinandersetzen, um althergebrachte Denkmuster und liebgewonnene Handlungssschemata aufzubrechen [...]“ (Elsen 2020: 228).

Ergänzend ist die bewusste Auswahl von Unterrichtsmaterialien und Medien und eine kritische Auseinandersetzung mit diesen entscheidend. Viele Unterrichtsmaterialien bedienen sich nach wie vor an Rollenklischees und bilden Mädchen und Jungen in traditionellen Rollen ab, die nicht zeitgemäß sind. Deshalb sollte im Vorfeld überprüft werden, ob die Lehrwerke für einen gendergerechten Unterricht geeignet sind. Ansonsten lautet die Empfehlung, dass überholte und stereotypisierende Darstellungen thematisiert werden sollten (vgl. Behnke 2017: 108).

3. Forschungsstand zu Analysen von DaF-Lehrwerken

Einige Analysen von Lehrwerken wurden bereits durchgeführt, um sprachliche Asymmetrien aufzuzeigen. Es ist zu beachten, dass Lehrwerke selbstverständlich nach vielerlei Kriterien wie z.B. dem Aufbau oder der didaktischen Konzeption beurteilt werden können. Der Fokus der ausgewählten Studien bleibt - passend zu dieser Seminararbeit - im Bereich Sprache, Gender und Stereotype.

Im Jahr 2004 wählte Renate Freudenberg-Findeisen für ihre Untersuchung die Lehrwerke Themen neu (1992 ff.) und Stufen international (1995 ff.) aus, die zu dieser Zeit sowohl im Inland als auch im Ausland als etablierte und geschätzte Lehrwerke galten. In Themen neu haben nur 10% der Titel der Übungen einen geschlechtsspezifischen Bezug, jedoch verweisen davon dreimal so viele auf Männer als auf Frauen. Themenbereiche des öffentlichen Bereiches werden stärker von Männern dominiert, wohingegen Frauen eher bei Themen des privaten oder persönlichen Bereiches wie bewusste Ernährung oder Modetipps auftreten (FreudenbergFindeisen 2004: 253). Im beruflichen Feld tragen die Männer die Verantwortung und treten zudem kompetent in Bereichen wie Nachrichten und Politik sowie Technik und Autos auf. Frauen werden in erster Linie mit der Familie und dem Haushalt in Verbindung gebracht und tauchen meist nur als „Mitverdienende“ und „Ansprechpersonen für Emotionales und Privates“ auf (Freudenberg-Findeisen 2004: 254). Bei Stufen international steht das Alltagsleben einer männlichen Wohngemeinschaft im Vordergrund und ähnlich zu Themen neu können auch hier zahlreiche Stereotypisierungen ermittelt werden. Für die Berufe stellte die Autorin ein Spektrum zusammen, das aufzeigte, dass Frauen und Männer in sehr unterschiedlichen Berufen gezeigt werden, was zunächst als ein Fortschritt zu betrachten ist. Auffällig ist jedoch, dass Frauen eher „in Berufen mit niedrigerem Verdienst und geringerem Sozialprestige“ - meist im nichtakademischen Bereich - gezeigt werden (Freudenberg-Findeisen 2004: 257).

Gendergerechte Berufsbezeichnungen treten in beiden Lehrwerken auf. Die Interessensgebiete und Freizeitaktivitäten sind vielfältig, allerdings werden die ausgefalleneren eher den Männern als den Frauen zugeschrieben. Was die Charaktereigenschaften betrifft, bedienen sich beide Lehrwerke an gängigen Klischees, die Frauen als emotionale und passive Menschen präsentieren, die sich eher mit alltäglichen Themen, wie z.B. Haushalt oder Einkaufen beschäftigen.

Insbesondere in Themen neu (1992 ff.) werden bereits bestehende Stereotype eher gefestigt als kritisiert. Gerade im DaF-Unterricht besteht jedoch die Möglichkeit, Asymmetrien, Geschlechterstereotype und Rollenklischees zu dekonstruieren, da Lehrwerke bewusst dafür genutzt werden können, um „auf den Widerspruch zwischen Geschlechterstereotypen und real gelebter Vielfalt aufmerksam [zu] machen“ (Freudenberg-Findeisen 2004: 262). Auch Maijala (2008: 293) deutet in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „Menschen [...] beim Erlernen einer Fremdsprache leichter neue Strukturen akzeptieren und erlernen [können] als in der Muttersprache.“ Allerdings wurde diese Gelegenheit bei beiden Lehrwerken nicht genutzt, weshalb sie vor allem in Bezug auf Gleichbehandlung der beiden Geschlechter als defizitär zu betrachten sind.

Auch Roya Moghaddam (2010) zeigt anhand ausgewählter Beispiele aus DaF-Lehrwerken der Verlage Langenscheidt und Hueber auf, dass stereotype Vorstellungen und Zuschreibungen häufig und deshalb auffällig sind (Moghaddam 2010: 293). Sie hebt insbesondere den gängigen Gebrauch des generischen Maskulinums (beim Sprechen) hervor und weist in diesem Zusammenhang vor allem auf deren Auswirkungen und die damit verbundene Aktivierung von Stereotypen hin. Diese Schwierigkeiten, die mit dem generischen Maskulinum einhergehen, werden „entweder nicht gesehen oder als nicht relevant beurteilt“ (Moghaddam 2010: 293).

[...]


1 Die Bezeichnung Lehrwerk umfasst alle Teile, die zu einem Lehrbuch gehören, wie Arbeitsbücher und Hörkassetten (Freudenberg-Findeisen 2004: 248).

2 Gendersensibel“ gilt als unscharfer Begriff (vgl. dazu Rendtorff 2017).

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Sprache und Gender im DaF-Lehrwerk "Momente A1.1". Linguistische Gender-Forschung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
22
Katalognummer
V1006596
ISBN (eBook)
9783346395405
ISBN (Buch)
9783346395412
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprache, gender, daf-lehrwerk, momente, linguistische, gender-forschung
Arbeit zitieren
Isabell Horn (Autor:in), 2021, Sprache und Gender im DaF-Lehrwerk "Momente A1.1". Linguistische Gender-Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006596

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