Die verbale Kommunikation nimmt eine zentrale Rolle innerhalb der Gesellschaft ein und stellt die Hauptmethode des sozialen Austauschs unter Menschen dar. Kommt Sprache nicht zum Einsatz, kann eine Angsterkrankung vorliegen: der selektive Mutismus ist gekennzeichnet durch Schweigen in bestimmten Situationen, obwohl die Fähigkeit zum Sprechen vorhanden ist.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für die Behandlung von selektiv mutistischen Kindern? Wie gehen Pädagogen und Therapeuten mit betroffenen Kindern und ihrem Schweigen um?
Caroline Kiefer stellt Behandlungsmethoden der Fachdisziplinen Psychiatrie, Psychotherapie, Logopädie und Ergotherapie vor, befasst sich aber auch mit fachübergreifenden Behandlungsverfahren. Sie untersucht außerdem die Umgangsweise von Pädagogen und Therapeuten, die mit dem Nicht-Sprechen und dessen Auswirkungen konfrontiert sind.
Aus dem Inhalt:
- Angststörung;
- Dortmunder Mutismus-Therapie;
- Sozialphobie;
- Kommunikationsstörung;
- Nonverbale Kommunikation
Inhaltsverzeichnis
Lesehinweise
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Allgemeines
2.1 Definition selektiver Mutismus
2.2 Erklärungsmodelle des Schweigens
2.3 Ätiologie
2.3.1 Biologische Einflussfaktoren
2.4 Komorbiditäten
2.5 Klinisches Erscheinungsbild und Diagnostik
3 Verhaltensweisen von selektiv mutistisch betroffenen Kindern
3.1 Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen
4 Umgang mit selektivem Mutismus in Bildungsstätten
4.1 pädagogische Umgangsweise (Kita)
4.2 Pädagogische Umgangsweise (Schule)
5 Therapie bei selektivem Mutismus
5.1 Therapeutische Diagnostik
5.2 Multimodale Therapieansätze bei selektivem Mutismus
5.3 Wirksamkeitsnachweise der Therapieansätze
5.4 Prognose bei selektivem Mutismus
5.5 Therapeutische Umgangsweise
5.6 Interdisziplinärer Austausch
6 Transfer in die Ergotherapie
6.1 ergotherapeutische Maßnahmen bei selektivem Mutismus
6.2 Umgangsweise der Ergotherapeuten
7 Diskussion
7.1 Multimodale Therapieansätze und deren Wirksamkeit
7.2 Umgangsweise von Pädagogen und Therapeuten mit dem Schweigen
7.3 Ausblick für Pädagogen
7.4 Ausblick für Therapeuten und die Therapiemaßnahmen
7.5 Persönlicher Lerngewinn
Literaturverzeichnis
Anhang
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Impressum:
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Lesehinweise
Um den Lesefluss der vorliegenden Arbeit flüssig zu gestalten, wurde auf eine geschlechtsspezifische Formulierung verzichtet und somit die männliche Formulierungsform verwendet, welche die weibliche Form einschließt.
Die verwendete Literatur der englischen Sprache wurde von der Verfasserin der wissenschaftlichen Arbeit eigenständig in die deutsche Sprache übersetzt.
Das Wort „Mutismus“ wird in dieser Arbeit synonym mit dem Wort „selektiven Mutismus“ verwendet.
Direkte Zitate sind mit: „..“ und in kursiv gekennzeichnet. Auslassungen in Zitationen sind durch „(…)“ gekennzeichnet.
Die kursive Schriftart wird ebenso verwendet, um bestimmte Informationen im Text hervorzuheben und deutlich zu machen.
Verwendete Abkürzungen werden im Abkürzungsverzeichnis aufgezeigt.
Die in den Interviews vorkommenden Namen der Befragten wurden durch den Buchstaben „B“ ersetzt, um die Anonymität zu bewahren. Der Buchstabe „I“ stellt den Interviewer (Autorin) dar.
Abstract
Die verbale Kommunikation nimmt eine zentrale Rolle innerhalb der Gesellschaft ein und stellt die Hauptmethode des sozialen Austauschs der Menschheit dar. Wenn die Sprache zum Austausch mit anderen Menschen nicht eingesetzt wird, wird dieses Verhalten in Fachkreisen möglicherweise mit dem selektiven Mutismus assoziiert. Der selektive Mutismus gehört zu den Angsterkrankungen und ist mit einem Schweigen in bestimmten Situationen gekennzeichnet. Die Unbekanntheit und die Seltenheit des Störungsbildes macht sich bemerkbar, trotz dessen wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen 1. Dem Schweigen kann durch fachliche Hilfe entgegengewirkt werden, die häufig in Form von multimodaler Therapien sichergestellt wird [2, 3].
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Behandlungsverfahren verschiedener Fachbereiche vorzustellen, die in der Behandlung des selektiven Mutismus existieren. Diese Arbeit beschäftigt sich des Weiteren mit der Umgangsweise von Pädagogen und Therapeuten, die mit dem Nicht-Sprechen und dessen Auswirkungen konfrontiert sind. Dazu werden folgende Forschungsfragen gestellt: „Welche Therapiemöglichkeiten sind in der Behandlung von selektiv mutistischen Kindern existent?“, und „Welchen Umgang verfolgen Pädagogen und Therapeuten mit den betroffen Kindern und dessen Schweigen?“.
Um die Forschungsfragen zu beantworten, wird literaturbasiert vorgegangen. Dies bedeutet, dass keine direkten neuen Daten erhoben werden, sondern sich auf die bereits bestehenden Literaturbestände gestützt wird. Lediglich zur Illustration der Umgangsweise mit dem Schweigen wurden zwei teilfokussierte Interviews geführt und im Anhang dargestellt. Die teilfokussierte Interviewart wurde gewählt, um dennoch individuell auf bestimmte Antworten der Teilnehmer einzugehen.
Die intensive Recherche ergab, dass die Grundbasis der Mutismus-Therapie aus den Fachbereichen Psychotherapie, Sprachtherapie und Psychiatrie gebildet wird. Zusätzlich können Fachbereiche wie die Ergotherapie eine Fördermöglichkeit darstellen. Speziell entwickelte Verfahren für die Behandlung eines selektiven Mutismus bestehen bis dato lediglich in der Sprachtherapie. Bezogen auf die Umgangsweise mit dem Schweigen gibt es auf klinischen Erfahrungen beruhende Empfehlungen, die in dieser Arbeit aufgegriffen werden.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Diagnosen bei Kindern mit SM und Kontrollkindern
Abbildung 2: Diagnostikebenen der Mutismusdiagnostik
Abbildung 3: Anforderungs- und Kapazitätenmodell nach Starkweather et al.
Abbildung 4: Dreiperspektivischen Diagnosemodell nach Katz-Bernstein &Zaepfel
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: selektiv mutistische Kinder in sicherheitsgebender Umgebung vs. In unsicherer Umgebung
Abkürzungsverzeichnis
AWMF = Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften
COPM = Canadian Occupational Performance Measure
COSA = Child Occupational Self Assessment
DIKJ = Depressions-Inventar für Kinder und Jugendliche
DiFraMut = Diagnostische Fragebögen zum selektiven Mutismus
DortMuT = Dortmunder Mutismus-Therapie
DortMuS = Dortmunder Mutismus Screening
DortMuZ = Dortmunder Mutismus Zentrum
DMT-KoMuT = Deutscher Mutismus Test
DSM-IV = Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders 4
DSM-V = Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders 5
ESKM = Evaluationsbogen für das Sozialinteraktive Kommunikationsverhalten bei Mutismus
FEM = Fragebogen zum Elektiven Mutismus
FSSM = Frankfurter Skala zur Erfassung des Selektiven Mutismus
MOHO = Model of Human Occupation
SM = Selektiver Mutismus
SOZAS = Skalen zur Sozialen Angststörung
SpA = Sprachtherapeutisches Ambulatorium
SPAIK = Sozialphobie und Angstinterventar für Kinder
SRMT = Stuttgarter Rahmenempfehlungen zur Mutismus-Therapie
SSK= Stresserleben und Stressbewältigung im Kindesalter
SyMuT = SystemischeMutismus-Therapie
ICD-10 = International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
IMF = Interdisziplinäre Mutismus Forum
KAT = Kinder-Angst-Test
Kita = Kindertagesstätte
KoMuT = Kooperative Mutismus-Therapie
SCOPE = Short Child Occupational Profile
SOZAS = Skalen für soziale Angststörung
SpA = Sprachtherapeutisches Ambulatorium
SSRI = selektiver Serotonin- oder Seretonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern
TU = Technische Universität
1 Einleitung
„Sprich doch mal“; „Sag was“. Diese Sätze hören selektiv mutistische Kinder ständig. Der selektive Mutismus ist eine mit angstassoziierte Kommunikationsstörung, welche meist mit Eintritt in die Kita oder die Grundschule auffällt. Diese Kinder schweigen, trotz intakter physiologischer Gabe zur verbalen Sprache 3. Durch das Schweigen erfahren sie Hindernisse in ihrer Teilhabe und ihrer Partizipation im Alltag, im Kindergarten, in der Schule, im Umgang mit anderen Menschen. Da Schweigen etwas Unbestimmtes und Offenes mit sich bringt, drängt dieses Gefühl nach Auflösung bei seinem Kommunikationspartner 3. Die Begegnung mit einer nichtsprechenden Person kann somit als schwierig und herausfordernd erachtet werden und verlangt Pädagogen und Therapeuten ein hohes Vermögen an Selbstreflexion ab [4, 5].
Gesellschaftlich ist das komplexe Phänomen eher unbekannt, in der Fachwelt trifft man ebenso immer wieder auf Wissenslücken und Ungewissheit in Verbindung mit dem Störungsbild [4-6]. Die Evidenzbasierung der zur Verfügung stehenden therapeutischen Behandlungsansätze ist nur gering vorhanden und die Mutismusforschung befindet sich noch am Anfang 7. Daher wird sich in dieser Bachelorthesis mit den existierenden disziplinübergeifenden Therapieansätzen bei selektivem Mutismus und mit der Umgangsweise von Pädagogen und Therapeuten, sowie mit den auslösenden Gefühlen, die mit dem Schweigen einhergehen, beschäftigt.
Das Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es, einen Überblick über maßdienliche Behandlungsmethoden der Fachdisziplinen Psychiatrie, Psychotherapie, Sprachtherapie/Logopädie und Ergotherapie zu geben und fachdisziplinübergreifende Methoden für den möglichen Umgang mit dem Schweigen herauszuarbeiten, sowie das eigene Wissen über das komplexe Phänomen zu erweitern, um es hinsichtlich beruflicher Zwecke nutzen zu können. Da in der Fachliteratur von einer hohen Dunkelziffer gesprochen wird 1, ist es umso wichtiger das Thema zunächst einmal in der Fachwelt präsenter zu gestalten, um im pädagogischen und therapeutischen Rahmen effizienter vorzugehen.
Durch die intensive Befassung mit diesem Thema, sollen Antworten auf folgende Forschungsfragen: „Welche Therapiemöglichkeiten sind in der Behandlung von selektiv mutistischen Kindern existent?“, und „Welchen Umgang verfolgen Pädagogen und Therapeuten mit den betroffen Kindern und dessen Schweigen?“, gefunden werden.
Mein methodisches Vorgehen gestaltet sich in Form einer Literaturrecherche, bei der aus verschiedenen Quellenarten (Fachbücher, Fachzeitschriften, wissenschaftlichen Arbeiten, Studien), die inhaltlich wichtigen Informationen, herausgearbeitet werden. Es wird literaturbasiert vorgegangen, da sich diese Arbeit stark auf bereits existierende, in die Praxis eingeführte Therapieverfahren konzentriert. Zur Illustration verschiedener Aspekte wurde ein teilfokussiertes Interview mit einem Laien und einem Experten zum Thema selektiver Mutismus geführt. Die anonymisierten Interviews befinden sich im Anhang der wissenschaftlichen Arbeit.
Die Bachelorthesis gliedert sich wie folgt:
Die vorliegende Arbeit umfasst sieben Kapitel. Auf die Einleitung folgt das zweite Kapitel, indem sich mit den allgemeinen Fakten zum Störungsbild beschäftigt wird. Dies umfasst Komponenten wie die Definition des selektiven Mutismus, die Erklärungsmodelle des Schweigens, die Ätiologie, die mögliche Komorbiditäten, das klinisches Erscheinungsbild und die Diagnostik. Im dritten Kapitel werden situativen Verhaltensweisen von selektiv mutistischen Kindern beschrieben, die sich in unterschiedlichen Situationen zeigen können. Im vierten Kapitel werden pädagogische Umgangsweisen mit dem Störungsbild beschrieben, dabei wird sich speziell mit den Berufsgruppen Erziehern und Lehrern beschäftigt. Im fünften Kapitel werden die multimodalen Therapiemöglichkeiten aufgegriffen und näher beschrieben. Das Kapitel umfasst eine Diagnostikmöglichkeit für Therapeuten, eine nähere Erläuterung von Therapiemethoden und Konzepten verschiedener Fachdisziplinen und dem therapeutischen Umgang mit diesem Phänomen, sowie der Gefühlswahrnehmung von Therapeuten und Pädagogen. Im sechsten Kapitel wird auf das Thema Transfer in das Berufsbild der Ergotherapie eingegangen. In diesem Kapitel werden die ergotherapeutischen Mittel in der Behandlung des selektiven Mutismus aufgezeigt und die Umgangsweise von Ergotherapeuten mit dem Störungsbild beschrieben. In den letzten Zügen der Arbeit, in Kapitel Sieben werden die erfassten Informationen diskutiert. Des Weiteren wird die vorliegende Thesis mit einem Ausblick für Pädagogen, einem Ausblick für Therapeuten und den Therapiemöglichkeiten im Hinblick auf die Zukunft, abgeschlossen.
2 Allgemeines
2.1 Definition selektiver Mutismus
Was genau ist der selektive Mutismus überhaupt? Wieso schweigen diese Kinder in bestimmten Situationen, obwohl sie organisch in der Lage zu sprechen sind?
Das Phänomen wurde zum ersten Mal vor 140 Jahren in der medizinischen Geschichte beschrieben 8. Das Wort „Mutismus“ stammt vom lateinischen Wort „mutus“ ab und bedeutet in seiner Übersetzung: „Schweigen" 4. Der selektive Mutismus ist eine Kommunikationsstörung der frühen Kindheit, die mit Angst assoziiert ist. Die betroffenen Kinder schweigen in verschiedenen sozialen Situationen, obwohl diese über Sprachkompetenzen verfügen 2. Menschen, die unter der dem SM leiden, sind dennoch in der Lage im vertrauten familiären Kontext zu sprechen. Daher reagieren Eltern häufig überrascht, wenn Sie erfahren, dass ihr Kind im Kindergarten nicht spricht 5.
Nach ICD-10 ist der selektive, beziehungsweise elektive Mutismus den „Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in Kindheit und Jugend“ (F94) zugeordnet 9. Im ICD-10 wird der Begriff „elektiv“ als synonym für „selektiv“ verwendet. Daraufhin merkten Autoren kritisch an, dass das Wort „elektiv“ suggeriert, dass die betroffenen Kinder die situative Wahl über den Einsatz des Schweigens hätten [4, 5]. Dies ist bei dem Begriff selektiver Mutismus dennoch nicht als freies Auswählen zu verstehen, da eine solche Entscheidungsfreiheit über das Sprechen nicht gegeben ist. Mit der Wortwahl „selektiv“ soll eine Distanzierung von einer Entscheidungsfreiheit geschaffen und von dem Gedanken der freien Wahl Abstand genommen werden [4, 5].
Katz-Bernstein beschrieb die Störung als stehe das Kind wie unter einem „Bann“ bzw. unter einem Zwang, dass in verschiedenen Situationen dazu führt, dass die Kinder das Sprechen einstellen. Dieser Zustand wirkt so, als wäre er der willentlichen Kontrolle der Betroffenen entzogen 4.
Im DSM-V ist der selektive Mutismus als eine eigenständige Angsterkrankung gelistet und beschreibt unter anderem die Diagnosekriterien, auf die im Kapitel 2.5 „klinisches Erscheinungsbild und Diagnostik“ näher eingegangen wird.
Anhand von Stichproben im klinischen, wie auch im schulischen Rahmen, wird eine Punktprävalenz zwischen 0,3 % und 1 % angenommen 10. Dennoch ist eine genaue Prävalenzrate schwer festzulegen, denn die Angaben der Fachliteratur ergeben keinen eindeutigen Wert. Eine allgegenwärtige Prävalenz festzulegen, bringt Schwierigkeiten mit sich, denn die Erfassung der Höhe einer Rate hängt stark vom Zeitpunkt der Erfassung ab. Ein weitere Problematik stellt die Stichprobenerhebung in verschiedenen Kerngruppen dar 11. Unter Einbezug unterschiedlicher Schulformen im Vergleich zur Betrachtung einer bestimmten Schulgruppe (z.B. Schule mit Förderschwerpunkt) werden die Prävalenzraten mit hoher Wahrscheinlichkeit variieren 11. Da Kinder mit selektivem Mutismus nicht einer bestimmten Schulgruppe zugeordnet sind, muss mit einem Auftreten in allen schulischen Gruppen gerechnet werden. Aufgrund unterschiedlicher Hintergrundinformationen können die Daten zur Prävalenz also schwanken 12. In einer Studie von Konrad&Kunze von 50 untersuchten Schulen auf einen Wert von 0,3 % im ersten Schuljahr (n=1000). In höheren Klassen wurden vier weitere Kinder mit selektivem Mutismus erfasst, zwei Schüler besuchten eine Regelschule, die anderen zwei Schüler besuchten eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen 13. Remschmidt ermittelte für seine Studie der Altersgruppe von 7-8 Jährigen einen Wert von 1 % 14. Dennoch wird in der Fachliteratur eine hohe Dunkelziffer selektiv mutistischer Kinder vermutet [1, 15, 16].
Auch die Geschlechterverteilung der Betroffenen zeigt erhebliche Unterschiede in der Literatur. Hartmann und Katz-Bernstein erfassten keine geschlechterspezifischen Tendenzen in ihren Untersuchungen [4, 17]. Jedoch sprachen Autoren wie Dummit und Schoor hingegen von dem erhöhten Vorkommen beim weiblichen Geschlecht [18, 19]. Dies wurde ebenfalls in aktueller Literatur erwähnt 10.
Die Meisten der Betroffenen schweigen schon seit dem Vorschulalter oder seit den ersten beiden Jahren der Grundschule. Selten tritt der selektive Mutismus in späterem Alter auf 10.
2.2 Erklärungsmodelle des Schweigens
Wenn man die verschiedenen Fachdisziplinen genauer beleuchtet, ist erkennbar, dass eine große Bandbreite an Erklärungen für das Schweigen existiert. Zum Einen erklären sich die Vertreter der Sprachheilpädagogik, wie zum Beispiel Hartmann (1997) und Katz-Bernstein (2005) den selektiven Mutismus als eine „Störung der kommunikativ-pragmatischen Ebene der Sprachentwicklung“ dar 4. In ihrer Erklärung wird aufgeführt, dass diese Kinder zwar die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten erworben haben, sie aber trotz dessen die verbale Kommunikation nur im vertrauten Kreis anwenden können. Somit ist es als eine Störung/Hemmung der sprachlichen Kommunikation zu sehen. Katz-Bernstein erweiterte diese Sichtweise im Jahre 2005 und beleuchtete das Verhalten vor allem in Fremdsituationen, in denen das Schweigen am häufigsten zum Vorschein kommt. Er stellte die Theorie auf, dass die Kinder keine inneren Vorstellungsbilder in Bezug auf verschiedene Dialogregeln generieren konnten. „Die Repräsentation von Dialogregeln als verinnerlichtes Wissen, wie man mit kommunikativen Situationen umgeht, ist wichtig, um die Fremdheit eines Gegenübers zu überwinden, um Spannung einer Begegnung zu bewältigen, um Kontakt herzustellen und zu definieren, um Kontinuität einer Beziehung zum Ausdruck zu bringen und um den Grad an Bekanntheit, Nähe und Distanz weiterhin zu regulieren.“ 4
Im psychologischen Bereich gibt es einige Interpretationsmodelle des selektiven Mutismus. Nach psychoanalytischer Sicht zufolge, wird das Schweigen als intrapsychische Bewältigungsstrategie eines vorliegenden seelischen Konflikts interpretiert. Zum Beispiel kann der Kindergarteneintritt oder der Schuleintritt als ein seelisches Problem gesehen werden 20.
Hartmann (1997) entwickelte den stresstheoretischen Ansatz. Er erklärte den selektiven Mutismus als eine Reaktion auf Stress und Angst, bei der Umweltfaktoren als äußerst belastend empfunden werden. Es kommt somit zu einer Überflutung von personeneigenen Bewältigungsmöglichkeiten.
Hartmann (2007) stellte das Diathese-Stress-Modell auf, indem er beschrieb, dass die betroffenen Kinder, ein stressig empfundenes Ereignis aufgrund ihres vorbelasteten Fundaments (familienbiografische Gehemmtheit) bewerten. Die Stresssituation in Kombination mit der Vorbelastung des Kindes führt zu der Bewältigungsreaktion „Schweigen“.
Es gibt außerdem den lerntheoretischen Ansatz, bei dem das Schweigen als positive Konsequenz erlebt wird (zum Beispiel: Aufmerksamkeit von Umwelt erhalten, Vermeiden von unangenehmen Pflichten). Es wird von positiver (vermehrter Zuwendung), beziehungsweise von negativer (Vermeidung von Unangenehmem) Verstärkung, also dem operanten Konditionieren gesprochen. Nach diesem Ansatz zufolge kann das Nichtsprechen auch durch Imitation angelernt sein (Imitationslernen).
Eine andere Deutungsmöglichkeit wäre der milieutheoretische Ansatz, welcher auf sozio-ökonomische Bedingungsfaktoren und Begründungen beruht, wie beispielsweise soziale Kontaktarmut der Familie, wirtschaftliche Notlage der Familie oder sprachlicher Einwanderungsproblematiken 20.
In der Tiefenpsychologie wird das Schweigen als eine Störung der Ich-Entwicklung verstanden 5. Denn wenn ein Kind nicht in der Lage ist, die eigene psychische Wirklichkeit wahrzunehmen und diese als bedeutend zu erfahren, kann es sich verbal auch nicht mitteilen, wenn es kein Mitteilungsbedürfnis hat. Wenn der Betroffene das Verbalisieren von Gedanken, Wünschen und Bedürfnissen nicht als möglichen Kommunikationsweg anerkennt, fehlt ihm die Erfahrung mit dieser Kommunikationsform 5.
Ein entwicklungspsychologischer Aspekt, welcher ergänzend zu Hartmann und Bahr gesehen werden kann, ist die fehlende kommunikative und sprachliche Kompetenz des selektiv mutistischen Kindes 4. Dadurch dass die Betroffenen feste Grenzen zwischen „fremd“ und „vertraut“ ziehen, kommt es zu einer Verhinderung des sozialen Lernprozesses. Aufgrund dessen ist ein Mutist nicht fähig neuen Bekanntschaften zu machen und verhindert dadurch den sozialen Austausch mit anderen Personen. Dem Betroffenen ist es somit nicht möglich seinen „Vertrautheitsradius“ zu vergrößern. Dem Kind fehlt ebenso der Austausch mit Erziehern und Lehrpersonal. Dies hat zur Folge, dass das Kind den Kontakt zu autoritären Personen nicht in Relation zur Machtgröße der Eltern setzen kann, daraus resultierend, kann keine Ablösung der Vertrauenspersonen geschaffen werden 4.
Weitere erklärende Einblicke werden nun aus der der Säuglings- und Gehirnforschung gegeben, welche weitere Sichtweisen auf die verschiedenen Zusammenhänge mit dem selektiven Mutismus ermöglichen können 4. Welzer betonte, dass man davon ausgeht, dass leichter Stress das ist, welcher der Entwicklung einen Konstruktivität ermöglicht 21. Er besagt, dass ein Kind erst neue Fähigkeiten und Kompetenzen durch Anforderungen entwickelt. Diese Anforderungen entstehen durch neue Erfahrungen, jedoch nur, wenn sie vom Kind selbst oder mit Hilfe anderer Personen bewältigbar scheinen. Wenn eine Anforderung als eine sehr stressvolle Situation erlebt wird, führt dies zwar zu einer Bewältigungsreaktion (Schweigen), jedoch nicht zu der eigentlichen Bewältigung der Situation. Die Folgen dieser Bewältigungsstrategie haben einen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder [2, 10, 21].
Verschiedene Sichtweisen haben eine bedeutende Relevanz für alle behandelnden Fachdisziplinen, da sie eine mehrperspektivischen Blick auf das Störungsbildes ermöglichen und das Fachpersonal handlungsfähiger und aktionsfähiger in der Arbeit mit diesen Kindern machen können. Jeder unterschiedliche Blickwinkel ermöglicht einen weiteren differenzierten Blick auf das Krankheitsbild 4.
2.3 Ätiologie
Nach aktueller Studienlage zufolge wirken mehrere Faktoren ein, die einen selektiven Mutismus begünstigen können 8. Ein eher ängstlich-unsicherer Charakter, welcher eher fremde Situationen meidet und Ängste zeigt, geht mit einem höheren Risiko für einen selektiven Mutismus einher 17.
Meist kommen die selektiv mutistischen Kinder aus Familien, bei denen häufig schon auf der Ebene der Kernfamilie mindestens ein introvertierter, sozial zurückgezogener Elternteil vorzufinden ist. Die Forschung zeigt, dass innerhalb der Familie der letzten drei Generationen gehäufte Tendenzen Richtung Angst und/oder Depressionen aufzufinden sind. Es wird von einer genetischen/dispositionellen Vorbelastung (Diathese) gesprochen, von der fachliterarisch seit mehreren Jahren ausgegangen wird [17, 20]. Selektiv mutistische Kinder zeigen tendenziell eine erhöhte Hemmung bezüglich ihres Verhaltens auf unbekannte Situationen und somit werden interaktive, wie auch sprachliche Äußerungen mit bestimmten Personen vermieden [4, 5].
Katz-Bernstein führte die neusten Kenntnisse über Risikofaktoren des SM auf 22:
- Prä-,Peri- und postnatale Komplikationen (75%)
- Migration und Bilingualität (22%)
- Mutistische Verhaltensmerkmale innerhalb des engsten Familienkreises (72,2%; Kontrollgruppe 17,6%)
- Psychische Störungen der Eltern (10,5%)
- Sprachliche Störungen (8%)
Mehrsprachige Kinder mit Migrationshintergrund scheinen häufiger betroffen zu sein, diese Erkenntnis wurde jedoch nur aus wenigen Fallzahlstudien gewonnen 8. Die Faktoren, die deutlich bei mehrsprachigen Kindern aufkamen, waren z.B kulturelle Diskrepanzen, neue Umgebungsfaktioren, die neue Sprache und Anpassungsschwierigkeiten 8. Katz-Bernstein stellte eine Überforderungshypothese auf und zwar besagt diese, dass linguistisch anspruchsvolle Situationen kombiniert mit einer fremden Umgebung/ Situation der Grund für das entstehende Schweigen sein könnte 4. Dies besagt, dass das Kind über zu wenig Erfahrung und/oder Kenntnisse verfügt, um die tagtäglichen Anforderungen (kognitiv, sozial und kommunikativ) adäquat zu bewältigen 4.Weitere Autoren berichteten ebenso von einemvermuteten erhöhten Risiko für mehrsprachige Kinder [1, 23].
Kinder können durch Lebensereignisse, wie ein neuer Schuleintritt mit vielen Faktoren und den bereits genannten Anforderungen konfrontiert werden. Wenn das Kind jedoch über zu wenig solcher Erfahrungen verfügt oder nicht ausreichend Kenntnisse besitzt, kann dies ebenfalls zu dem derartigen Schweigen führen, durch Verunsicherung der Situation [8, 10].
2.3.1 Biologische Einflussfaktoren
Bezüglich humangenetischen Einflussfaktoren wurden in den letzten Jahren erste Hinweise entdeckt. Die Genvariation CNTNAP2, welches zur Neurexin-Protein-Familie gehört, kann ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Angststörungen, unter anderem dem selektiven Mutismus darstellen. CNTNAP2 ist ein Bestandteil des 7. Chromosomen im Bereich 7q35-q36 24.
Innerhalb der letzten Jahre wurden zwei weitere Faktoren erarbeitet, die ebenfalls zur Verursachung der Störung beitragen können. Neuroanatomisch gesehen, wird das Nichtsprechen auf eine geringe Konzentration des Neurotransmitters Serotonin und einer gleichzeitig ablaufenden Überreaktion innerhalb des Angstzentrums Amygdala (gehörig zum limbischen System) zurückgeführt. Die Angstreaktion wird ausgelöst, auch ohne schwerwiegende reale Auslöser 20.
2.4 Komorbiditäten
Da der selektive Mutismus sich den Angststörungen unterordnet und diese häufig komorbide sind, werden auch bei SM weitere Komorbiditäten nie ausgeschlossen. Aufgrund der Studienlage, scheint sogar eine enge Komorbidität zu anderen sozialen Störungen zu bestehen 25. Die häufigste komorbide Störung ist die soziale Phobie. Die in einer Studie untersuchten Kinder wiesen 67.5 % eine soziale Phobie zusätzlich zur Hauptdiagnose selektiver Mutismus auf. Weitere Studien zeigten auf, dass Trennungsangst (31,5 %) und eine komorbide generalisierter Angststörung (13 %) ebenfalls auftreten könnten 8.
2000 wurde eine Studie bezüglich der Komorbiditäten bei selektivem Mutismus durchgeführt und veröffentlicht. Es nahmen 54 Kinder mit selektivem Mutismus und 108 sprechende Kinder teil, die die Kontrollgruppe darstellten. Die Auswertung der Studie zeigte, dass die Kinder mit SM mindestens eine weitere Auffälligkeit zeigten als die Kinder ohne Mutismus. Ein Großteil der Kinder mit selektivem Mutismus zeigten Auffälligkeiten für zwei (24,1 %) oder mehr zusätzliche Diagnosen (55,4 %). Es kristallisierte sich heraus, dass mit 43,6 % Angststörungen und Entwicklungsstörungen bei Kindern mit SM kombiniert auftraten 26.
Um einen Überblick über die Ergebnisse zu verschaffen, werden diese nun in einem eigenerstellend Diagramm darstellen, welches die gewonnen Fallzahlen aus dieser Studie veranschaulichen soll.
Kinder mit SM: 54
Kontrollkinder: 108
Angaben in Prozent %
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Diagnosen bei Kindern mit SM und Kontrollkindern
Quelle: Eigene Darstellung, Anlehnung an 26
2.5 Klinisches Erscheinungsbild und Diagnostik
Die Kernsymptomatik des Schweigens zeigt sich in der klinischen Praxis unterschiedlich. Manche Kinder sind lediglich in der Lage mit ihrer Kernfamilie zu kommunizieren, andere können mit näheren Verwandten/Freunden sprechen - die Ausprägung und der Schweregrad des Schweigens ist interindividuell 10. Das Auftreten kann personen-, situations- und ortsabhängig variieren 2.
Kinder im Alter von drei Jahren können bereits an diesem Phänomen leiden. Das Schweigen manifestiert sich meist mit Eintritt der Bildungsstätten (Kita, Schule) und fällt am häufigsten in diesen Kontexten auf 8.
In der Fachliteratur sind unterschiedliche Wege dargestellt, den selektiven Mutismus zu unterteilen 27. In der klinischen Praxis wird zum Beispiel in den Früh- und Spätmutismus unterschieden. Von Frühmutismus kann gesprochen werden, wenn die Symptomatik vor dem vierten Lebensjahr auftritt und das Kind sich im Zeitrahmen der Eingewöhnungszeit der Kindertagesstätte befindet. Von Spätmutismus kann gesprochen, wenn die Symptomatik zu einem späteren Zeitpunkt auftritt, zum Beispiel mit Eintritt in die Schule [8, 27].
Cohan (2008) führte eine Studie mit 100 Kindern, die selektivem Mutismus aufwiesen durch und konnten drei Subgruppen empirisch identifizieren 25:
1. Ängstlich mit leicht oppositionellem Verhalten,
2. Ängstlich mit begleitenden sprachlichen Auffälligkeiten und
3. Ausschließlich ängstlich.
Eine weitere Einteilungsmethode erfolgt nach Hayden (1980). Diese kann therapeutisch sehr hilfreich zur Einschätzung des idiographischen Falles dienen. Er unterteilte nach einem Vergleich von 68 Kindern insgesamt vier Typen des selektiven Mutismus ein 4:
- Reaktive Mutismus
- Sprechangst-Mutismus
- Symbiotischen Mutismus
- Passiv-aggressivem Mutismus
Der reaktive Mutismus soll eine Reaktion auf einzelne oder mehrere traumatische Ereignisse (z.B. sexueller Missbrauch) bedeuten, die während des Erlernens der Sprache erlebt wurden. Die Betroffenen zeigen oft Verweigerungstendenzen bezüglich ihrer Mimik und Gestik und wirken in sich gekehrt. Sie zeigen Anzeichen von Depressionen und neigen mit zunehmendem Alter zu Suiziden.
Der Sprechangst-Mutismus beschreibt eine aktive Angst vor dem Hören der eigenen Stimme. Diese Betroffenen verspüren Scham und Unbehagen in der Kommunikation mit fremden Menschen, denn sie haben Angst vor der Reaktion anderer bezüglich ihrer Stimme. Weitere Auslöser für die Art der Ausprägung können Gewalt im Kleinkindalter sein, sowie kritische Bemerkungen der Eltern gegenüber dem Kind.
Der symbiotische Mutismus ist die häufigste auftretende Form, die stark im familiären Umfeld zu beobachten ist. Hierbei ist innerhalb der Mutter-Kind-Beziehung, eine dominante Mutterrolle zu erkennen. Die Mutter spricht gerne stellvertretend für das Kind und zeigt sich neidvoll in Situationen, in denen das Kind sich außerhalb ihrer Autorität bewegt. Der Vater nimmt in dieser Konstellation eher eine devote Position ein, die eine intensive Beziehung zwischen Kind und Vater verhindert. Durch diese Dominanz der Mutter lernt das Kind, dass es Aufgaben abgeben kann und nicht sprachlich kommunizieren muss, um etwas zu erreichen. Aus diesem beobachtbaren Ereignis heraus, zeigt das Kind häufig eine negative Haltung gegenüber anderen Autoritätspersonen wie Pädagogen. Dadurch widerfährt das Kind Einschränkungen in seinem Sozialverhalten.
Der passiv-aggressive Mutismus ist die letzte Form des Mutismus. Hierbei verwenden die Kinder das Schweigen als Waffe gegenüber anderen Menschen. Diese Kinder weisen häufig ein gewaltbereites und unsoziales Verhalten auf. Die Ursachen sind häufig familiär begründet, da das betroffene Kind in solchen Fällen oftmals als der Schuldige bei Streitsituationen unter den Geschwistern erklärt wird. Durch das Schweigen und durch die Gewaltbereitschaft gegenüber anderen Personen, kann es diese Gefühle bewältigen (Kontrollfunktion) 4.
Aus der klinischen Erfahrung heraus, lassen sich diese Typen jedoch nicht eindeutig trennen, wie es die Kategorien vermuten lassen. Häufig herrschen Überschneidungen der Typen und beispielsweise ähnelt der Typ Sprechangstmutismus dem Krankheitsbild Autismus sehr 28. Katz-Bernstein betonte, dass die Einteilung nach Hayden (1980) zur Differenzierung von therapeutischen Schwerpunkten nützlich sein kann, sowie einen möglichen Zugang zu den Kindern erleichtern kann 4. Ballnik beschrieb ebenso, dass die Phänomene dieser Einteilung in der Praxis gut zu beobachten seien 5.
Außerdem gehören Charaktereigenschaften wie Verschlossenheit, Angst, Zurückhaltung, Selbstunsicherheit und eine erhöhte Sensibilität zu dem Erscheinungsbild von einem selektiv mutistischen Kind 4.
Zu dem Schweigen können ebenfalls weitere vegetative Symptome auftreten. Schlafstörungen, Essstörungen,Störungen der Ausscheidefunktionen, sowie Auffälligkeiten in der Verhaltenskontrolle sind sichtbar 29.
Einige der betroffenen Kinder zeigen Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache auf 10. Der Unterschied zwischen einer Störung der Sprache und einer Störung des Sprechens ist, dass die gedanklich-kognitive Erzeugung von Sprache gestört ist und somit das Sprachvermögen, sowie der Sprachaufbau, Beeinträchtigungen aufweisen. Zugehörig dessen sind
- Expressive Sprachstörungen und
- Rezeptive Sprachstörungen.
Die expressive Sprachstörung kennzeichnet sich durch die Problematik, beim Sprechen oder Schreiben, passende Worte zu finden und Sätze grammatikalisch korrekt zu formulieren. Bei der r ezeptive Sprachstörung zeigen Betroffene Probleme beim Sprachverständnis, ihnen fällt es schwer, komplexe Sätze (ausreichend) inhaltlich zu verstehen und haben somit folglich einen geringen Wortschatz. Im Rahmen des Störungsbildes können ebenso motorische Sprechstörungen auftreten. Bei motorisch bedingten Sprechstörungen sind die Erzeugnisse von verschiedenen Lauten im Kehlkopf erschwert. Man unterscheidet in 10:
- Artikulationsstörungen: Worte können nur mühsam mit dem Kehlkopf und der Zunge herausgebildet werden.
- Stottern: Worte können nicht flüssig ausgesprochen werden, ohne dabei zu stocken. Der Redefluss wird durch Blockaden, Wiederholungen von Silben, Lauten und Wörtern gekennzeichnet.
- Poltern: Betroffene reden sehr schnell, Worte, Silben, Laute verschmelzen oft miteinander. Dies führt häufig zu Unverständlichkeit von Äußerungen.
- Zischlaute: Es kommt zu zischenden Lauten während dem Sprechen.
In den beiden großen Klassifikationsystemen (ICD-10 und DSM-V) müssen einige Kriterien erfüllt werden, um die Diagnose zu stellen. Da sich beide Klassifikationssysteme in der Auflistung der Kriterien sehr ähnlich sind 4, werde ich im Folgenden die Kriterien für die Diagnosestellung nach DSM-V aufführen 30:
A. „Andauernde Unfähigkeit in bestimmten Situationen zu sprechen, in denen das Sprechen erwartet wird (z.B. in der Schule), wobei in anderen Situationen gesprochen wird.
B. Das Störungsbild beeinträchtigt die schulischen oder beruflichen Leistungen oder die sozialen Kommunikation.
C. Die Störung dauert mindestens einen Monat (und ist nicht auf den ersten Monat nach Schulbeginn beschränkt).
D. Die Unfähigkeit zu sprechen ist nicht durch fehlende Kenntnisse der gesprochenen Sprache bedingt oder dadurch, dass der Betroffene sich in dieser Sprache nicht wohlfühlt.
E. Das Störungsbild kann nicht besser durch eine Kommunikationsstörung (z.B. Redeflussstörung mit Beginn in der Kindheit) erklärt werden und tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Autismus-Spektrum-Störung, einer Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Störung auf.“
Nach den beiden Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-5 ergeben sich folgende Ausschlusskriterien für die Diagnose selektiver Mutismus 4:
- Tiefgreifende Entwicklungsverzögerungen oder -störungen,
- Psychosen und Autismus,
- Fehlende Sprachkenntnisse.
Das Selbe gilt für ein Schweigen aufgrund fehlender Deutschkenntnisse oder wegen entwicklungsbedingter Sprach- und Sprechstörungen, die im Falle von neurologischen, sensorischen, körperlichen Beeinträchtigungen oder einer ausgeprägten Intelligenzminderung, vorliegen 10.
Starke und Subellok beschreiben die Diagnosekriterien des ICD-10 und des DSM-V als unscharf und deuteten an, dass im Vor- und Grundschulalter von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden kann 15. Die Ergebnisse ihrer Studie KiMut NRW legen nahe, dass der Anteil der Kinder mit SM nicht zu vernachlässigen ist. Die Nicht-Identifizierung der selektiv mutistischen Kindern scheint anhand der Studienergebnisse klar zu sein und die damit einhergehende fehlende Behandlung der Betroffenen 1.
Die diagnostische Abklärung zum selektiven Mutismus ist mit hohem Aufwand und einer vielseitigen Diagnostik unterschiedlicher Disziplinen verbunden 20. Folgende acht diagnostische Schritte müssen zur endgültigen Abklärung durchlaufen werden (Abb. 2):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Diagnostikebenen der Mutismusdiagnostik
Quelle: 20
Der erste Schritt beginnt nach Hartmann und Lange mit allgemeinen Fragen über die sprachliche Entwicklung des Kindes und das individuelle Auftreten des Schweigens in verschiedenen Situationen 20.
Der zweite Schritt ist die neurologische Untersuchung des schweigenden Kindes, denn es muss eine Abklärung bezüglich hirnorganischer Erkrankungen erfolgen, wie beispielsweise neurovaskulärer, tumorbedingter hirntraumatischer Aphasien.
Die dritte differenzialdiagnostische Abklärung wäre die HNO-ärztliche Untersuchung, denn bereits minimale Hörstörungen oder ein Ausfall bestimmter Frequenzbereiche können eine veränderte Kommunikationsweise bedingen.
Nun erfolgt der Punkt Vier: die Patienten- und Familienanamnese, welche den Übergang zur spezifischen Diagnostik herstellt. Dafür wird ein Anamnesebogen (Kölner Anamnesebogen) verwendet, mit dessen Hilfe Risikofaktoren, die für die mutistische Diagnostik von Relevanz sein könnten, erfasst werden können. Teil Eins der Anamnese bildet die Familienanamnese, bei der Mutter und Vater werden getrennt befragt werden. Es werden Informationen wie:
- Verbalverhalten der Eltern im Kontext Kita oder Schule, sozialinteraktives Verhalten in der Kindergarten/Schulzeit, Wesensmerkmale der Eltern und der Geschwister
- Mögliche psychische Erkrankungen innerhalb der Familie: Soziale Angststörung, weitere Phobien, Panikstörungen, Depressionen, Zwangsstörungen, Alkohol- und Drogenabusus erfragt.
Bei der Patientenanamnese (Teil Zwei) wird sich mit der persönlichen Entwicklung der Betroffenen befasst und zwar durch folgende Informationen:
- Komplikationen bei der Schwangerschaft und/oder Geburt, HNO-Befunde, Klinikaufenthalte, Mehrsprachigkeit, sprachtherapeutische/logopädische Diagnosen, erste Hinweise auf Verhalten eines sozialer Rückzugs, bisherige Therapien in der chronologischen Reihenfolge, aktuelles Sprechverhalten und begleitende Phänomene (wie Manipulation, Enkopresis, Pedantrie oder Zwänge, etc.).
Als fünfter Schritt erfolgt die psychologische Interpretation, bei dieser Interpretation können anhand von nonverbaler Zeichtentests und Fragebögen (Paper-Pencil-Tests), Persönlichkeitsmerkmale und familiäre Beziehungen entlarvt werden. Testverfahren, welche angewendet werden können, sind Folgende: der Baumtest, der Mann-Zeichen-Test, die Familien in Tieren Zeichnung, der Kinder-Angst-Test (KAT II), die Skalen für soziale Angststörung (SOZAS) und der Depressions-Inventar für Kinder-und Jugendliche (DIKJ). Andere Verfahren, die einsetzbar sind, wären nonverbale Intelligenztests, die zur prognostischen Einschätzung der Lernfähigkeit und der Schulfähigkeit dient.
Als sechster Schritt erfolgt die sprachtherapeutische/logopädische Diagnostik, welche ein wichtiger Bestandteil der mutistischen Diagnostik ist, denn klinische Untersuchungen zeigten, dass einige Mutisten neben dem situationsbedingten Schweigen, Sprachauffälligkeiten zeigten 20. Somit können Artikulationsstörungen, Dysgrammatisten, Reduktion des aktiven und passiven Wortschatzes, Stottern und noch einige weitere Auffälligkeiten entdeckt werden, die ansonsten durch den SM verborgen bleiben würden. Hierbei spielt es eine große Rolle, dass beispielsweise ein Elternteil (meist die Mutter) den individuellen Sprachstatus des Kindes bestimmt. Der sprachliche Ausdruck gestaltet die sozialen Kontaktmöglichkeiten und wird auch als Teil des persönlichen Krisenmanagements deklariert, deshalb sind Hinweise auf vorhandene sprachliche Auffälligkeiten von hoher Wichtigkeit.
Der vorletzte Schritte (Schritt Sieben) umfasst die Evaluation des sozialinteraktiven Kommunikationsverhaltens (ESKM). Der ESKM befasst sich mit mit Verhaltensweisen im Alltag der Kinder (siehe Anhang 1.1). Die Bewertung der kommunikativen Alltagssituationen beinhaltet eine diagnostische Aussage und bietet erste wichtige Ansatzpunkte für eine mögliche Therapie und dient dem Behandlungsverlauf als erstes diagnostisches Instrument. Weitere einsatzfähige Diagnostikinstrumente bezüglich der Erfassung des individuellen Stressempfindens bei Kindern und Jugendlichen, sind Folgende: Fragebogen zur Erhebung von Stresserleben und Stressbewältigung im Kindesalter (SSK) oder das Sozialphobie und -Angstinventar für Kinder (SPAIK).
Beim letzten Punkt (Punkt Acht), also der Beschreibung der emotionalen Motivationskriterien wird das Verhalten des Kindes analysiert. Das Schweigen und das Sprechen des Kindes wird genauer betrachtet und dessen Bedürfnisebenen, sowie dessen Auslöser für das situationsbedingte Verhalten, werden untersucht. Psychologisch unterteilt man in drei Basismotive: Anschlussmotiv, Leistungsmotiv oder Kontroll- bzw. Machtmotiv 20.
Da dieses Phänomen gewisse Vielfältigkeit und Komplexität mit sich bringt, sind verschiedene Fachkreise gefragt, um diesem in der Praxis zu begegnen 2. Das Störungsbild wird charakterisiert durch individuelle Sprech- und Schweigemuster, daher ist es von großer Bedeutung diese Individualitäten herauszuarbeiten, um passende therapeutische Maßnahmen zu finden 2. Für die Identifizierung stehen informelle und standardisierte Verfahren zur Verfügung 31. Diese richten sich je nach Fragebogen an Eltern, Erzieher, Lehrer, Therapeuten, Ärzte oder an die betroffenen Kinder. Für die Nutzung wird eine Beobachtung der Kinder vorausgesetzt 31.
Informelle Verfahren:
- Schweige Kompass: Dies ist ein Fragebogen für Erzieher, Lehrer und Therapeuten und soll als Entscheidungshilfe zur Weitergabe einer diagnostischen Abklärung dienen. Es umfasst das Alter: 4;0-7;6-jährige Kinder.
- Deutscher Mutismus Test (DMT-Komut): Dies ist ein Online-Fragebogen für Erzieher, Lehrer, Ärzte und Therapeuten, der zur diagnostischen Unterstützung dienen soll.
- Diagnostische Fragebögen zum Selektivem Mutismus (DiFraMuT): Dies sind Fragebögen für Eltern, Kinder/Jugendliche und für Fachkräfte, welcher zur Identifizierung verhelfen soll.
- Fragebogen zur Erfassung des elektiven Mutismus (FEM): Das ist ein Fragebogen für Eltern und Lehrer, welcher zur Einschätzung des Schweregrades dienen soll.
Standardisierte Verfahren:
- Dortmunder Mutismus Screening Kita (DortMuS-Kita): Der Fragebogen eignet sich für Erzieher zur Identifizierung von Hinweisen auf einen SM. Es umfasst das Alter 3;0 bis 5;11 Jahre alten Kindern.
- Dortmunder Mutismus Screening Schule (DortMuS-Schule): Dies ist ein Fragebogen für Lehrer zur Identifizierung von Hinweisen auf einen SM. Das Erhebungsalter liegt zwischen 6;0 und 10;11-jährigen Kindern.
- Dortmunder Mutismus Screening Eltern (DortMuS-Eltern): Dieser Fragebogen richtet sich an Eltern zur Identifizierung von Hinweisen auf das Vorliegen eines SM. Das Erhebungsalter liegt zwischen 3;0 bis 5;11 Jahren.
- Frankfurter Skala zur Erfassung des selektivemMutismus (FSSM): Der Fragebogen wendet sich an Eltern zur Erkennung eines SM und der Bestimmung des Schweregrades bei Kindern/Jugendlichen. Das Erhebungsalter liegt zwischen 3-7, 6-11 und 12-18 Jahren 31.
Dies sind allesamt verschiedene Verfahren, die sich innerhalb der letzten Jahre entwickelten. Auf das Dortmunder Mutismus Screenings Kita (DortMuS-Kita) wird nun näher ein. Das DortMuS-Kita ist ein standardisiertes, diagnostisches Screening, welches den Auftrag erfüllen soll, reliable und valide Hinweise auf das mögliche Vorhandensein des selektiven Mutismus aufzudecken 15. Durch einen Fragebogen sollen dem Erzieher die Möglichkeit geboten werden, mögliche Verhaltensauffälligkeiten in Situationen wie dem freien/bestimmten Spielverhalten mit anderen, in der Kommunikation mit Erziehern und Kindern, festzuhalten. Die Zielgruppe des Screenings richtet sich an Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, die durch ein konsequentes Nicht-Sprechen in den Alltagssituationen des Bildungskontextes Kita auffallen. Voraussetzung ist, dass die Kinder bereits zwei Monate ein Teil der Kindergartengruppe sind. Die Pädagogen, die diesen Bogen anwenden, sollten ebenso zwei Monate Beobachtungszeit über mehrere Stunden garantieren können.
Der Fragebogen besteht aus 17 Items und soll durch einen geringen Zeitaufwand von zehn bis fünfzehn Minuten der praktischen, zeitökonomischen Anwendung der Erzieher dienen 15. (siehe Anhang 1.2)
Im englischsprachigen Raum wird der „SelectiveMutismQuestionnaire“ häufig zur Erfassung verwendet. Dies ist ein bekannter standardisierter Fragebogen, der online frei verfügbar ist. Der Bogen besteht aus 17 Fragen und soll zur Bewertung von Symptomen des Krankheitsbildes selektiver Mutismus verhelfen 32.
3 Verhaltensweisen von selektiv mutistisch betroffenen Kindern
3.1 Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen
Das Schweigen dieser Kinder zeigt sich sehr facettenreich. Manche Kinder schweigen außerhalb ihrer Kernfamilie (Eltern, Geschwister), andere wiederum sind in der Lage mit anderen Menschen selektiv zu kommunizieren 5. Es ist interindividuell und somit kann die Ausprägung sich sehr unterschiedlich zeigen [2, 10]. In den folgenden Abschnitten wird auf die Verhaltensweisen der Kinder in verschiedenen Situationen des Lebens eingegangen. Diese werden durch die zur Verfügung stehenden Literaturbestände dargestellt, um eine gewisse Vorstellung über das mögliche Verhalten eines selektiv mutistischen Kindes zu schaffen. Diese Kinder haben immer wieder mit verschiedenen Polaritäten zu kämpfen, denn sie zeigen sich in ihrer sicheren Umgebung offen, impulsiv, mitteilungsbedürftig und in der fremden Umgebung verschlossen, starr und schweigend 33. Im Folgenden werde ich einige Polaritäten gegenüberstellen, welche das Verhalten eines selektiv mutistischen Kind denkend in zwei Extremen widerspiegeln soll:
Tabelle 1: selektiv mutistische Kinder in sicherheitsgebender Umgebung vs. In unsicherer Umgebung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung, Anlehnung an 33.
Die in der Tabelle beschriebenen Eigenschaften dieser Kinder bewegen sich häufig zwischen diesen beiden Polen, denn die Sicherheit/Unsicherheit ist der maßgebliche Auslöser dieser kontroversen Verhaltensweisen 33. In ihrem geschützten Raum (bspw. Zuhause), indem sie sich wohl fühlen und sie vertraut mit ihrer Umgebung sind, zeigen die Kinder Verhaltensweisen, wie sie links beschrieben sind. Sobald die Kinder diesen geschützten Rahmen jedoch verlassen, sich in fremdem, schutzfreien Raum bewegen, treten die Verhaltensweise wie im rechten Tabellenabschnitt beschrieben, auf und lösen die Verhaltensweise „Nicht-Handeln-Können“/Starre/Schweigen aus. Diese beiden Kontroversen lassen sich angelehnt an das Anforderungs- und Kapazitätenmodell von Starkweather et al. (1990) beschreiben, welches durch Feldman et al. spezifisch auf den SM beschrieben wurde. Diese Abbildung soll diese zwei Seiten/Pole der betroffenen Kinder veranschaulichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Anforderungs- und Kapazitätenmodell nach Starkweather et al.
Quelle: 33.
Starkweather et al. (1990) beschreiben, welches durch Feldman et al. spezifisch auf den SM beschrieben wurde. Diese Abbildung soll diese zwei Seiten/Pole der betroffenen Kinder veranschaulichen:
Das abgewandelte Modell bezogen auf den selektiven Mutismus soll bedeuten, dass die Betroffenen sich entweder oben oder unten auf der Wippe befinden 33. Sind die Anforderungen an das Kind bewältigbar, z.B. schafft es, sprachlich mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren, wandert die Wippe nach oben.
Scheinen die Anforderungen nicht bewältigbar, bspw. das Kind schafft es nicht mit der Außenwelt zu kommunizieren, bleibt die Wippe auf dem Boden. Diesen Kindern fehlen die Erfahrungen, um flexibel zwischen den beiden Polen zu handeln und zu agieren 33.
3.1.1 Situatives Verhalten im Kontext Kindergarten und Schule
Selektiver Mutismus tritt meist zum ersten Mal in Bildungskontexten wie dem Kindergarten oder der Grundschule auf, da diese Einrichtungen mit einer gewissen Veränderung des Lebens einhergehen [4, 5, 10, 20]. Beim Eintritt in die Kita wird ein Schweigen von Kindern nicht als etwas ungewöhnliches wahrgenommen seitens der Pädagogen 5. Denn es ist ein natürliches Phänomen der Übergangsphase von der vertrauten Umgebung im familiären oder häuslichen Umkreis in eine zunächst fremde Umgebung mit fremden Kindern und fremden Bezugspersonen umzusteigen. Mit zunehmendem Vertrauen gegenüber den Pädagogen, wird erwartet, dass die Kinder sich an die neue Gruppe und die neue Situation gewöhnen, sodass sie mit den Erzieherinnen kommunizieren. Ist dies jedoch nicht der Fall, kann es dazu kommen, dass das Kind zunächst einmal nicht in der Gruppe auffällt, da viele Kinder dennoch sehr lautstark das Gruppengeschehen beeinflussen und somit kann es dazu führen, dass das Schweigen eines einzelnen Kindes innerhalb dieser Gruppenkonstellation häufig nicht wahrgenommen wird. Meist fällt das Schweigen dann erst zu einem späteren Zeitpunkt auf 5.
Schweigende Kinder sind innerhalb einer Kindergartengruppe/Schulklasse zurückhaltend, dennoch gut integriert 4. Manche Mutisten haben eine bestimmte Person in der Kita/Schule, welche für sie das Sprachrohr ist und sich im Namen des betroffenen Kindes den Pädagogen gegenüber äußert [4-6]. Bei Aktivitäten, wie dem Singen innerhalb der Gruppe, ist es manchen Kindern mit SM möglich, durch Bewegung der Lippen sich der Gruppe anzuschließen 5. Durch Konzentration bspw. bei Gruppenspielen, kann es zu kurzen sprachlichen Äußerungen des betroffenen Kindes kommen. Es gehört jedoch zu den eher selteneren Verläufen, dass ein Kind nach einem solchen sprachlichen Erlebnis generell in der Gruppe spricht. Wenn dies jedoch häufiger passiert, kann dies als positives Erlebnis interpretiert werden, denn in diesen Momenten fühlen diese Kinder sich sicher und geborgen 5.
Wenn selektiver Mutismus erst innerhalb der Grundschule, respektiv der weiterführende Schule auftritt, kann es auf einen verschleppten selektiven Mutismus hindeuten 20. Es kann sein, dass das Nicht-Sprechen vorher nicht als Störungsbild wahrgenommen wurde, sondern das Verhalten als Zurückhaltung missinterpretiert wurde. Innerhalb der Schule stellt sich das Schweigen dieser Kinder als eine große Herausforderung dar. Da nicht jedes Lehrpersonal gründlich über den selektiven Mutismus aufgeklärt ist, kann dies dazu führen, dass die Lehrer es als Provokation/Trotzreaktion des Kindes aufnehmen und dies somit Konsequenzen für die mündlichen Leistungsnachweise bedeuten 20.
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